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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Umbra Do Mai 09 2013, 14:48

Charles war ein lediglich bescheidener Lippenleser, doch er verstand, dass Melinda zur Eile aufrief, als sie zu ihm zurückkehrte. Melindas Stimme und der Schrei ihrer rothaarigen Mitbewohnerin drangen nur in Form eines dumpfen Dröhnens zu ihm.
„Ja“, stimmte er zu – obwohl sie vermutlich nicht hektisch fortrennen würden müssen, schließlich war dies hier Whitechapel, wo Schreie zum Alltag gehörten und sogar etwas Markantes wie ein Schuss effektiv von der übrigen Geräuschkulisse kaum zu isolieren war. Dennoch sollten sie diesen Ort zügig verlassen, denn wirklich ungemütlich konnte es bestimmt schnell werden, sollten sie zu lange zögern.
Charles nahm seinen Revolver wieder an sich, ergriff Melindas Hand und zog sich mit ihrer Hilfe zurück auf seine Beine. Nun nach dieser elenden Prügelei gab es kaum eine Stelle seines Körpers, die nicht zwickte oder brannte, doch Charles straffte sich und bemühte sich um eine gerade Haltung.
Das beinahe komplette Fehlen seines Hörsinns irritierte ihn, auch wenn dieser nun, Gott sei Dank, doch langsam zurückzukehren schien. Zu ertauben, wenn auch nur vorrübergehend, wäre einerseits denkbar ungünstig, aber darüber hinaus auch furchtbar für sein eigenes Empfinden gewesen. Ohne sein Gehör, auf das er sich bislang immer hatte verlassen können und das bisweilen vor so manch drohender Gefahr gewarnt hatte, hätte er sich der Welt ausgeliefert gefühlt. Noch hatte es sich jedoch nicht von ohrenbetäubenden Knall der zündenden Patrone erholt, die er Polizist ihm in den Kopf hatte jagen wollen.
Charles hatte deshalb und weil Melinda ihn nicht angesehen hatte, als sie mit ihrer inzwischen zu Bewusstsein gekommenen Mitbewohnerin gesprochen hatte, nicht verstanden, was sie zu dieser gesagt hatte. Jedoch war es offensichtlich, was Miss Bolt vorhatte – und das konnte Charles nicht gutheißen. Seine Züge waren dementsprechend hart und sein Blick ernst.
„Wir werden sie hier nicht so zurücklassen“, sagte er bestimmt und deutete dabei mit einer untermalenden Geste in Richtung der verängstigten, rothaarigen Frau, die mit Handschellen gefesselt an die Wand gerutscht war, um möglichst viel Abstand zwischen sich und Melinda und ihn zu bringen.
„Man wird diesen Ort Ihretwegen, Melinda, sofort mit mir in Verbindung bringen, also wird die Polizei sie allein deswegen besonders in die Mangel nehmen, wenn sie sie hier auffindet. Aber ich halte es für unwahrscheinlich, dass Bobbies sie zuerst finden. Ich nehme an, Sie können sich vorstellen, was einer handlungsunfähigen Frau an einem Ort wie diesem nur zu leicht widerfahren kann, wenn sie in ihrer Not um Hilfe ruft. Sie lockt in erster Linie bestimmt keine wohlwollenden Samariter an. Das werde ich nicht zulassen.“
Dann wandte Charles seinen Blick Johanna zu. Es schmerzte ihn, sie so verstört zu sehen, zusammengekauert und schluchzend, soweit er das beurteilen konnte.
„Bitte kümmern Sie sich um Johanna“, bat Charles Melinda, ließ diese stehen und trat an den aufgeschlitzten Polizisten heran. Dessen Blut, in dem er nun stand, umschmeichelte nun rot und glänzend Charles‘ Schuhwerk. Sein Körper protestierte, als er dort in die Hocke ging, um kurz die Hosentaschen des Bobbies zu durchsuchen. Was er gerade tat, mochte wie Leichenfledderei wirken, jedoch störte ihn das nicht. Er nahm die Brieftasche des Mannes an sich. Da dies aber nicht das war, wonach er gesucht hatte, stand Charles leicht wankend wieder auf und sah sich dann dessen abgelegte Kleidungsstücke an. Er fand im Oberteil der Bobbyuniform einen Schlüsselbund, an dem er auch einen mit dem charakteristischen Aussehen eines Handschellenschlüssels entdeckte.
Dabei entging Charles aber auch nicht der Name, mit dem die Uniform versehen war: Smithson. Nur wenige Stunden war es her, dass Melinda ihn gefragt hatte, ob dieser Name in ihrer Akte auftauchte, erinnerte er sich.
„Nicht einmal eine Flasche Gin könnte mich Mr. Smithson vergessen lassen.“ Das waren Melindas Worte gewesen. Und der Bobby hatte ihm gegenüber erwähnt, dass Melinda es gewesen war, die dessen Gesicht entstellt hatte. Charles hatte während des Gesprächs in der Küche gemerkt, dass der Gedanke an diesen Polizisten sie beunruhigt hatte. Dies wiederum hatte in ihm den Wunsch geweckt, der Sache nachzugehen. Offenbar hatte sich dies jetzt erledigt. Charles hatte nicht vor, Melinda Fragen deswegen zu stellen.
Nun gab es wahrlich Wichtigeres, denn sie mussten sich sputen. Charles steuerte nun Ginger an, blieb aber auf Abstand, da sie sichtlich von Panik erfasst wurde und auch verzweifelt versuchte, sich mit der Jacke, die Melinda ihr überlassen hatte, vor seinen Blicken zu schützen. Er fühlte Unbehagen deswegen. Auch wenn Ginger das Schlimmste von ihm annahm, wollte er ihr nichts Böses und starrte sie auch nicht an. Er hatte Mitleid mit ihr.
„Sie müssen London verlassen, Miss“, sagte er möglichst sanft und hoffte, dass seine Stimme davon ablenkte, welchen Ruf er hatte und wie blutbesudelt er gerade war.
„Am besten noch heute mit dem nächstmöglichen Zug. Besorgen Sie sich vorher unauffällige Kleidung – seien Sie da bloß nicht geizig, das ist wichtig. Legen Sie Ihren Namen ab und nennen Sie sich auch nicht mehr ‚Ginger‘.“
Er warf Schlüsselbund und Brieftasche des Polizisten vor sie auf die Dielen und griff dann in die Innentasche seines Jacketts, um seine eigene Brieftasche hervorzuziehen. Glücklicherweise hatte das Leder das Blut von dem Papiergeld ferngehalten.
„Das hier sollte genügen, um in einer anderen Stadt Fuß zu fassen.“
Charles zog zwei Fünf-Pfund-Noten hervor, nach einem kurzen Zögern auch eine dritte, und warf sie der Prostituierten ebenfalls vor die Füße. Unter anderen Umständen hätte er es ihr der Höflichkeit halber wohl in die Hand gedrückt, doch damit hielt er sich nicht auf.
„Tun Sie, was ich sage, und versuchen Sie nicht, beim Scotland Yard Hilfe zu suchen. Das ist der letzte Ort, wo Sie welche bekommen werden.“
Er konnte nur hoffen, dass sie diese Warnung ernstnahm. Charles' Aufmerksamkeit galt nun Johanna.
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Darnamur Do Mai 09 2013, 18:02

"Ich dir auch!", sagte Randolph ernst. Alan musste Erfolg haben. Oder sie waren alle geliefert. Dann drückte Alan ab. Ehe Randolph ihn darauf hinweisen konnte, dass der Lauf der Waffe in die falsche Richtung zeigte. Trotzdem begann er sofort laut und qualvoll zu schreien, wie er es geplant hatte. Seine Augen sahen im selben Moment entzetzt, wie die Kugel ein Fenster auf der gegenüberliegenden Straßenseite durchschlug. Randolph riss den Blick davon weg und blickte Alan nach, der sehr hastig davon stürmte. Er hörte die Schritte der Polizisten, die um die Ecke kamen. Randolph seufzte. Natürlich konnte nicht ein einziges Mal in seinem Leben ein Plan so verlaufen, wie er es geplant hatte. Er war im Arsch.
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Elli Fr Mai 10 2013, 10:42

Die Stimme von Charles war lauter als sonst, was sicher daher zurück zuführen war, dass er sich selbst nicht, oder nur sehr schlecht hören konnte. Melinda hatte schon oft die Erfahrung gemacht, dass Menschen deren Gehör schlecht war, dazu neigten sehr laut zu sprechen, ja sogar zu brüllen. Sie beobachtete stillschweigend, was er tat. Sie hielt es für einen Fehler Ginger die Schlüssel zu geben. Sie würde vermutlich zu Scotland Yard gehen, nicht um Hilfe zu bekommen, sondern um Norly und auch sie Melinda ans Messer zu liefern. Zwar wirkte sie sehr verängstigt, doch dennoch traute Melinda ihr nicht über den Weg. Ginger sah auf das Geld und nickte, den Schlüssel zu nehmen wagte sie sich jedoch nicht, vermutlich stand ihr Melinda dazu noch zu sehr in Reichweite. Charles bat sie, sich um Johanna zu kümmern. Ein Schnauben entfuhr ihr, als sie über das Erbrochene stieg und das Hausmädchen am Oberarm fasste. “Komm‘, steh auf.“ Mehr sagte sie nicht. Ihr passte es nicht wirklich was hier geschah, aber wozu aufregen. Sie war zu müde und ihr Kopf schmerzte. Ihr Blick wanderte zu Leeland herüber und sie erschauderte. Obwohl es sich nicht um den ersten Menschen handelte, dem aufgrund ihres Zutuns, das Leben ausgehaucht worden war, war sie keine kaltblütige Killerin. Sie warf ihren Mantel über ihre Arme, weder Charles noch Johanna sollte sehen, dass sie zitterte. Sie war kein kleines, verängstigtes Mädchen. Sie atme tief durch um ihrer Stimme einen normalen Tonfall zu verleihen, und ihre Gefühle, die momentan hauptsächlich aus Wut und Angst bestanden, nicht in dieser hören zu lassen. “Können wir?“
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Umbra Sa Mai 11 2013, 15:55

Es waren viele. Sicher, einige Polizisten waren bestimmt beim Tatort verblieben, doch gerade deswegen schien es fast so, als sei ihnen ein halbes Polizeirevier auf den Fersen. Wahrscheinlich war dieser Gedanken nicht weit von der Wahrheit entfernt. Der Lärm der Polizeipfeifen hatte, obwohl sich die Ereignisse geradezu überschlagen hatten, bestimmt alle Bobbies in näherer Umgebung angelockt. Der Schuss nun hatte das Übrige getan und Alans und Randolphs bereits gefährlich nahen Verfolger auf die endgültig richtige Fährte gelockt.
Der verletzte Chirurg, der sich Mühe gab, wehleidig zu sein – wobei sein tatsächlicher Schmerz und das Blut, das bereits wieder sein Hosenbein durchweicht hatte und stetig, wenn auch langsam, auf die Pflastersteine tropfte, es ihm nicht wirklich zur Herausforderung machte, leidend auszusehen – zählte sechs Männer, die mehr oder minder vereinzelt in die Straße einbogen, in der er gerade lag. Die meisten von ihnen waren jung, geschätzt zwischen achtzehn und fünfundzwanzig vielleicht, doch derjenige, der sich an die Spitze der Truppe gesetzt hatte, stach mit mehr als nur seinem Alter hervor.
Als einziger, der keine Uniform trug, sondern zivile, mittelständische Straßenkleidung, hatte dieser schlanke, blonde Schnurbartträger in den frühen Mittdreißigern – im Gegensatz zu den Bobbies, die ihm folgten –, keinen Schlagstock, sondern einen Revolver gezückt. Ein entschlossener, grimmiger Ausdruck umspielte seine kantigen Züge, als er mit erhobener Waffe an Randolph vorbeisprintete, ohne auch nur langsamer zu werden. Der Mann hatte noch einen Blick auf Alan erhaschen können, bevor dieser um die nächste Ecke verschwunden war, und so hielt er hauptsächlich diese Stelle als Ziel im Fokus seiner Aufmerksamkeit. Auch wenn sich Randolph weiter auf sein Schauspiel konzentrierte, entging seinen scharfen Augen nicht, dass der Bewaffnete doch etwas trug, das ihn äußerlich als Zugehörigen des Scotland Yards auszeichnete: lederne, an den Fingern mit gehärten Messingplättchen besetzte Handschuhe, die im Licht der Sonne aufgrund der Bewegungen ihres Trägers immer wieder aufblitzten.
„Drei bleiben hier!“, bellte der Tinglove in herrischem Tonfall im Moment, als er Randolph passierte, und unterbrach damit kurz sein Schnauben, das beinahe so klang und auch so gleichmäßig war wie das einer Dampflok. Es war unschwer festzustellen, dass er ein geübter Läufer war. Die zwei Bobbies, die ihm weiterhin folgten, rangen bereits nach Luft und hatten Mühe, Schritt zu halten, während die drei Nachzügler scheinbar dankbar dafür waren, nun nicht mehr rennen zu müssen. Andererseits jedoch hatten sie keine Zeit zum Verschnaufen, schließlich musste sich um den Angeschossenen gekümmert werden.
„Bleiben Sie liegen, Sir“, keuchte der, der Randolph am nächsten war, begleitet von einer beschwichtigenden Geste, und hakte seinen Schlagstock am angestammten Platz an seinem Gürtel ein, bevor er hilfsbereit auf die Knie sank, um sich die Verletzung anzusehen.
Bevor auch die anderen Bobbies den Chirurgen umringten und ihm die Sicht raubten, konnte Randolph beobachten, wie der ranghöhere, schnurbärtige Tinglove im Schutz des Eckhauses holprig bremsend zum Stehen kam, Alan hinterherspähte, sofort den Revolver in beide Hände nahm und anlegte.

Alan hetzte gerade in die nächstbeste Seitengasse, als ein Knall und ein auseinanderberstender Ziegelstein in seinem Blickwinkel ihn erschreckten. Man schoss auf ihn! – Und hatte ihn nur knapp verfehlt.

Auch die bei Randolph verbliebenen Bobbies zuckten erschrocken zusammen und blickten ihren Kollegen aufgescheucht hinterher. Der Tinglove war bereits weitergestürmt, um dem Flüchtenden nachzusetzen, und auch die beiden uniformierten Polizisten verschwanden um die Ecke, sodass sich erst nach irritiertem Zögern weiter mit dem Chirurgen befasst wurde.
Einer der Männer blieb mit gezogenem Schlagstock wachsam stehen und fischte hektisch nach seiner Pfeife, die er an einer Schnur um den Hals trug, um lautstark weitere Verstärkung zu rufen.
Dem Bobbie, der Randolph bereits angesprochen hatte, fiel scheinbar nun ein, was man ihm an Erste-Hilfe-Maßnahmen beigebracht hatte, und machte sich ans Werk. Die erste Handlung bestand darin, die Blutung einzudämmen. Das bedeutete ungünstigerweise, dem Patienten durch Unterdrückung der Blutzufuhr und das allgemeine Herumfuhrwerken an der Wunde wohl noch deutlich mehr Schmerzen zuzufügen als dieser im Moment sowieso schon hatte – weswegen der dritte Polizist nun beruhigend auf den Angeschossenen einredete und diesen vorsorglich festhielt und zu Boden drückte, damit sein Kollege diesen möglichst ungehindert und auch möglichst ohne Selbstgefährdung versorgen konnte.
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Scáth Di Mai 14 2013, 14:38

Man konnte nicht wirklich sagen dass Johanna sich beruhigte, als sie Charles Stimme hörte. Einerseits war sie erleichtert, und schaffte es auch wieder einigermaßen Luft zu bekommen, andererseits wurde ihr genau dieses Luft bekommen nun zum Verhängnis. Der Geruch von Blut, Schweiß und Erbrochenem stieg ihr in die Nase. Es war nicht verwunderlich, dass Johanna vor allem das Blut roch. Ihr Magen machte sich plötzlich wieder bemerkbar, doch um sich erneut zu übergeben, war zu wenig in ihm vorhanden.
Gerade als Johanna die bislang fest verschlossenen Augen wieder öffnen wollte, griff Melinda sie am Arm und das derart unvorsichtig, dass Johanna sich erschrocken losriss. Nicht weil es Melina war, die sie berührte, sondern weil der Schock der letzten Minuten noch zu tief war, als dass sie sich nun im Griff haben konnte. Johanna flog etwas nach hinten um, fing sich jedoch mit den Händen auf und schob sich etwas zur Seite. Nun konnte sie wieder alles sehen. Das ganze Schlachtfeld, das vor kurzer Zeit noch ein Zimmer war.
„Oh Gott..“, entfuhr es ihr leise, mit zittriger Stimme. Nie hatte sie etwas schlimmeres gesehen, als den toten, schrecklich zugerichteten Leeland. Sie wollte weg sehen, doch es gelang ihr nicht. Vorsichtig schob sie sich an der Wand nach oben, die sich direkt hinter ihr befand. Mit einem Ruck stieß sie sich von dieser ab und stolperte fast quer durch das Zimmer Richtung Tür. Dort blieb sie stehen, hielt sich der Vorsicht wegen an deren Griff fest , wartete und hoffte, dass sie sofort gehen würden, möglichst weit weg von diesem schrecklichen Ort.
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Umbra Mi Mai 15 2013, 02:28

Charles trat vor Johanna und versuchte so, ihr den Blick auf den Leichnam zu versperren. Er hätte ihr gern gesagt, dass alles wieder gut werden würde. Doch das wäre eine Lüge gewesen. Das Unheil war bereits angerichtet und er war nicht in der Lage gewesen, Johanna davor zu schützen… vor diesem Anblick. Sie hatten den Bobby sterben sehen und das war wohl eine Sache, die nicht leicht zu verkraften war. Solche Geschehnisse waren das nie. Charles ging der Exitus des Polizisten nicht nahe. Auch wenn er diesem trotz der Umstände so ein Ende gewiss nicht gewünscht hatte, empfand er beim Anblick der noch immer ausblutenden Leiche kein Bedauern. In diesem Moment erfüllten ihn die leeren Augen und das brandvernarbte Antlitz, das aus der Blutlache heraus in die Leere starrte, kaum mit Schrecken. In diesem Moment. Eine Szene wie diese sah Charles nicht zum ersten Mal und auch persönlich dem Tod ins Auge zu blicken, kam ihm schmerzlich bekannt vor.
Nun musste er Stärke zeigen, er durfte sich nicht brechen lassen, zum Grübeln und Reflektieren würde in einem ruhigen, einsamen Augenblick noch Zeit sein und wahrscheinlich würde ihn dies hier, wie so viel anderes auch, in seinen Träumen verfolgen – dort, wo er keine Kontrolle über sein Empfinden besaß.
„Lasst uns gehen“, sagte Charles, nach diesem Vorfall nun wieder äußerlich die Ruhe selbst, auch wenn ihn innerlich schon wieder unzählige Überlegungen gleichzeitig umtrieben. Sorgen, Erinnerungen, Bilder, Assoziationen… All dies waberte in ihm herum wie der berühmte, dichte Londoner Nebel. Lädiert wie er war, spürte er die Jahre auf seinen Schultern lasten – ein undefinierbar drückendes Gefühl.
„Ein weiser Mann schrieb einst: ‚Verzage nicht, auch bei allzugroßem Leid; vielleicht ist das Unglück die Quelle eines Glücks‘, zitierte er Menandros, den Komödiendichter, und übersetzte bereits den Wortlaut vom Altgriechischen des Originals ins Englische und versuchte sich an einem leichten, ermutigenden Lächeln. Vielleicht wirkte er etwas steif, doch was sollte er sagen? Was sollte er tun? Er konnte gut nachempfinden, wie sich seine Tochter gerade fühlen musste, doch er wusste nicht, wie er mit ihr umgehen sollte.
Charles suchte mit seiner noch immer behandschuhten Hand tröstend Johannas Wange und küsste ihre Stirn, dennoch darauf bedacht, ihr nicht zu nahe zu kommen, denn er war über und über mit Blut durchtränkt – und zwar in dem Maße, dass von seiner Kleidung auch zu Boden tröpfelte. Dann zog er sich von ihr zurück, würdigte weder den Bobby mit aufgeschlitzter Kehle noch Ginger eines letzten Blickes, sondern schob sich durch die Tür in den Flur. Die Blutschlieren, die er am Türrahmen hinterließ, als er daran Halt suchte, bemerkte er gar nicht.

Hier draußen war alles, als wäre im Zimmer, das er gerade verließ, nichts Ungewöhnliches geschehen. Charles‘ Körper protestierte, als er sich hinabbeugte, um Johannas Koffer, den er hier zurückgelassen hatte, wieder aufzunehmen. Zum Glück war dieser noch da und trotz der Zeit, die er unbeaufsichtigt hier herumgestanden hatte, nicht gestohlen worden – in dieser Gegend wohl ein Wunder, aber der Hausflur war nach wie vor auch menschenleer. Sicherlich hatte man den Kampf in Melindas Wohnung gehört, sicherlich auch den Schuss, aber auch wenn sich niemand zeigte, bedeutete das nicht, dass der nächste Ärger nicht schon lauerte.
Charles war dennoch erst einmal dankbar dafür, nicht dem nächsten Unruhestifter in die Arme zu laufen. Das Gewicht des Koffers ließ ihn kurz schwanken, denn plötzlich kam dieser ihm viel schwerer vor als zuvor, doch dies ließ er unkommentiert und humpelte voran. Die harten Kniestöße, die ihm am Oberschenkel und in seinen Schritt ereilt hatten, machten sich bemerkbar – besonders letzteren wollte er lieber etwas schonen.
Er prüfte, ob Melinda und Johanna ihm folgten und vertraute dann darauf, dass die beiden jungen Damen es auch weiterhin taten – und dass Melinda gegebenfalls dafür sorgte, dass Johanna auch Schritt hielt. Charles war sich nicht sicher, ob seine Tochter unter Schock stand. Er war kein Arzt, er kam nicht umhin, sich dies einzugestehen. Alles, was über Erste-Hilfe oder Erfahrungen, die er selbst schon hatte machen müssen, hinausging, überstieg in diesem Bereich seinen Horizont.

Später konnte Charles sich nicht mehr an jeden Schritt erinnern, den er hinter sich gebracht hatte, jedoch hatte er bewusst nicht den Weg genommen, den sie gekommen waren. Er führte Melinda und Johanna durch die verlassensten Gassen Whitechapels, wo lediglich Gestalten ihnen Gesellschaft leisteten, die nicht wirklich in der Lage waren, sie bewusst wahrzunehmen. Auch dies mochte eine Art Kulturschock für seine Tochter sein, doch nach dem blutigen Tod des Polizisten, den sie hat miterleben müssen, war sie sicher für alle anderen Bilder, so entsetzlich diese allein auch sein mochten, dankbar.
Charles hatte ein klares Ziel vor Augen und sein Willen gab ihm Kraft. Die Welt war wieder mit Geräuschen bevölkert. Sein Gehör ließ sich etwas Zeit, um wieder zurückzukehren. Es begann damit, dass das Dröhnen, das laute Töne unterlegte, nach und nach verschwand, dann wurde allgemein wieder alles klarer, bis er auch wieder vollständig imstande war, auszumachen, aus welcher Richtung die leisen Laute stammten. Charles genoss es, wieder Herr seiner Sinne zu sein.
Er hörte sich selbst atmen, angestrengt und bisweilen etwas rasselnd. Es tat noch immer weh, immer wenn sein Brustkorb sich hob oder senkte, doch es war kein Schmerz, der ihn wirklich einengte. Dieser Schmerz bewies ihm, dass er noch lebte. Es war ein gutes Gefühl.

Schließlich hielt er an, deutete Melinda und Johanna mit einer unauffälligen Handbewegung, es ihm gleichzutun, und ließ den Koffer behutsam zu Boden sinken. Charles stand im Schatten, im Schutze einer Einbiegung zu einer engen Seitengasse, vor ihm zog sich eine breitere Straße entlang. Während er zu Atem kam, kundschaftete er die Lage aus. Ihm fiel ins Auge, was er gehofft hatte.
„Wartet hier auf mein Zeichen“, wandte Charles sich seinen Begleiterinnen zu, bevor er voller ehrgeizgenährter Energie weiterhuschte. Ohne die Belastung des Koffers, fiel es ihm auch erheblich leichter, nicht allzu auffällig zu hinken.
Wenige Passanten waren auszumachen, sicherlich vorteilhaft. Mit der Hand an seinem Revolver nutzte Charles dennoch jeden Sichtschutz, der sich bot – schließlich sah er wirklich so aus als würde er geradewegs von einem Massaker kommen. Sein Ziel lag nicht weit entfernt und auf der gleichen Straßenseite seines Ausgangspunktes.
Eine einzelne Hackney stand parkend, eng am Bordstein in einer für Kutschen vorgesehenen Ausbuchtung der Straße. Hier, wie auch an so vielen anderen Stellen, warteten die Fahrer auf Passagiere – eigentlich, gerade in diesem Moment war es nur einer.
Der junge Mann auf dem Kutschbock hatte sich in die Sonne gefläzt und war in Ermangelung an interessanter Beschäftigung anscheinend eingedöst.
Besser so, denn das Überraschungsmoment war damit auf Charles‘ Seite.
Der angespannte Gaul scharrte etwas unruhig mit den Hufen und schnaubte vor sich hin, offenbar roch das Pferd das Blut, und in diesem Moment war Charles froh, dass er sich von hinten näherte, sodass das Tier in nicht sah. Wahrscheinlich wäre es durchgegangen. Londoner Kutschpferde waren sicher einiges gewohnt – allerdings auch nicht immun gegen Angst, wenn sie etwas Ungewohntes, erst Recht in Verbindung mit Blutgeruch, bemerkten.
Charles war nun nahe am Ziel. Er zog seinen Revolver aus seinem Hosenbund und hielt kurz inne, um sich den Kutscher anzusehen. Dieser döste nicht nur, sondern schlief zusammengesunken in leger sitzender Position, der Kopf war ihm nach hinten gefallen und er schnarchte leise mit offenem Mund. Er trug einen geöffneten, braunen Mantel aus grobem Cord – oder Manchesterstoff, nach Charles‘ Heimat benannt, der man scherzhaft aufgrund der dort zuhauf ansässigen Textilindustrie den Namen „Cottonopolis“ gegeben hatte –, darunter offenbar Hemd und Hose von durchschnittlicher Qualität. Eine fast schon dandyhafte, karierte Weste konnte Charles ebenfalls ausmachen. Der dunkelbraune Schlapphut mit schmaler Krempe war dem jungen Kutscher – Charles wusste, dass dieser dreiundzwanzig Jahre alt war, sofern er sich nun nicht verzählte – fast vom Kopf. Jahre waren vergangen, seitdem Charles David das letzte Mal gesehen hatte – bekannt war der heutige Kutscher ihm schon einige Zeit länger. Hätte Charles nicht gewusst, dass der inzwischen Erwachsene, der nun vor ihm saß – beziehungsweise lag, wie man es eben werten mochte –, tatsächlich eine ältere Version des Jungen war, an dessen Gesicht er sich noch immer genau erinnern konnte, hätte Charles ihn vielleicht nicht wiedererkannt.
Der halblange, dunkelbraune Bart des Kutschers kräuselte sich auch ohne den leichten Wind, der sanft die Straße entlangfegte.
Fast tat es Charles leid, diesen Burschen aus diesem friedlichen Moment der Entspannung zu reißen.

Ein überraschter Laut drang aus der Kehle des Kutschers, als er erwachte und bereits halb vom Kutschbock herunter war, denn Charles hatte ihn mit der Prothese am Kragen gepackt und zog den Kerl mit sich, der überrumpelt und aufgrund des Griffes gebeugt hinter ihm herstolperte. Vor Schreck war Charles‘ Opfer wohl auch nicht in den Sinn gekommen, sich zu wehren. Charles hatte den jungen Kutscher rasch in eine weitere Seitengasse bugsiert und mit Schwung an die Wand des nächsten Hauses befördert, gegen die er diesen nun presste. Nicht fest, aber mit Nachdruck.
„Hör auf zu zappeln!“, brummte Charles, obwohl diese Aufforderung in diesem Moment wohl schon nicht mehr nötig war. Dann schlich sich ein Grinsen auf sein Gesicht.
„Erfreut zu sehen, dass aus dir ein Mann geworden ist, Master Bell“, fand Charles und benutzte genau die gleiche Tonlage und Wortwahl, die er einst dem Jungen entgegengebracht hatte, der nach all den Jahren nun keiner mehr war.
Dem Kutscher schien erst jetzt aufzugehen, was gerade vor sich ging – und wen er vor sich hatte. Charles konnte beobachten, wie sich die Augen seines Gegenübers in diesem Moment erweiterten. Offenbar war diesem nicht entgangen, wie besudelt er war. Keuchend schnappte der Bursche nach Luft, schien nach Worten zu suchen, die sich ihm in aufkommender Panik entzogen.
„Keine Sorge“, kommentierte Charles, sich auf das Blut beziehend, als er den Blick des Kutschers an sich hinabzuckenden bemerkte, „das gehört nicht mir – größtenteils jedenfalls.“
„D-das hab‘ ich auch nich‘ vermutet“, presste der junge Mann nun gequält hervor und er bemühte sich, möglichst viel Abstand zu halten, indem er sich unter sichtlicher Anspannung eigenständig an die Wand drückte.
„Pass auf, David“, forderte Charles nun eindringlich mit gefasster Bestimmtheit. Er ließ diesen nicht los. „Ich brauche deine Hilfe bei einer kleinen Angelegenheit. Es handelt sich kleinen Freundschaftsdienst, um genau zu sein, der alten Zeiten willen.“
Der Kutscher starrte ihn schweigend an und Charles bemerkte neben Angst nun auch entschlossenen Widerwillen.
„Ich weiß, die Kutsche gehört nicht dir. Mr. Macaulay“, fuhr er fort und in David Bells Augen blitzten auf, als Charles den Namen des Dienstherrn des Burschen nannte, „würde es auch sicher nicht gutheißen, wenn dir der Wagen… abhanden kommt. Doch ich muss ihn mir ausleihen.“
Bevor der Angesprochene protestieren konnte – und das wollte er, das sah Charles ihm an –, machte Charles diesen auf seinen Revolver aufmerksam, indem er ihm diesen an die Brust drückte und demonstrativ den Hahn spannte. Als es klickte, zuckte der Kutscher zusammen und schluckte.
„Es tut mir leid, mein Freund“, sagte Charles aufrichtig, „dass wir uns unter diesen ungünstigen Umständen wiedersehen, aber sieh es mir bitte nach. Ich möchte dir nichts Böses, Junge. Du bist kein Feigling, wenn du nicht versuchst, mich zu hindern, dessen sei dir bewusst, und ich will dich dazu anhalten, brav und still zu sein. Ich will dir wirklich keinen Ärger machen. Verschwinde einfach. Ich werde schon dafür sorgen, dass die Kutsche gefunden wird – unbeschadet.“
Er ließ die Waffe wieder sinken, sicherte sie, ließ dann auch den Kragen des Kutschers los und trat einen Schritt zurück. Und David Bell, noch immer überfordert, weil Scarface ihm nun gegenüberstand, fand etwas Mut zur Sprache wieder.
„Das kann ich nich‘ mach’n, Boss, das wiss‘n Se, Sir“, wagte der Bursche zu sagen und musterte Charles unsicher. „Wenn se merk’n, dass der Wag‘n fort is‘ und ich noch steh’n kann, brech’n se mir alle Knoch‘n.“
Das wusste Charles. Nun hatte er seinen Gesprächspartner dort, wo er wollte. Der Widerstand begann zu bröckeln, denn David wägte nun ab, ob es ihm lieber war, es mit den Schlägern seines Dienstherrn oder mit einem vermeintlichen Serienmörder aufzunehmen. Das Zögern und der jetzige Versuch, einem unschönen Ende durch Verhandlungsansätze zu umgehen, zeigten, dass dem Kutscher beide Optionen nicht gefielen.
Würde Charles ihm einen nun gutmütig scheinenden Ausweg bieten, würde der Junge darauf eingehen. Er mochte David und deswegen regte sich sein schlechtes Gewissen leicht, weil er diesen in eine Falle manövriert hatte.
„Also schön, dann nehme ich deine Dienste in Anspruch“, sagte Charles so als würde er spontan auf den Einwand des Kutschers eingehen und als ob er dies nicht ohnehin im Sinn gehabt hätte. Sich so wie er gerade aussah und in seiner Verfassung auf den Kutschbock zu setzen, wäre wohl mit das schlimmste, was er in dieser Situation machen könnte. Er wollte kein Aufsehen erregen. Nein, er brauchte einen Fahrer. Möglichst einen, der in freiwillig beförderte, sonst würde sich die Angelegenheit als nervenraubend für alle Seiten herausstellen.
„Nenne mir deinen Preis.“
Charles sah David an, dass diesem seine Finte durchaus nicht entgangen war – ein gewisser neuer Groll war in dessen Zügen vorhanden. Auch wenn es nicht so wirken mochte, war der junge Kutscher ein intelligenter Bursche. Dennoch schien David kurz darüber nachzudenken, sein Blick blieb dann wieder an Charles‘ Kleidung haften.
„Sie seh’n furchtbar aus, Boss. Is‘ das das Blut vom alt‘n Ed?“, fragte er zweifelnd, aber Charles hörte zudem auch mehr Neugier als Abscheu in der Stimme des Kutschers.
Charles ließ sich zu einem traurigen Lächeln verleiten, schüttelte dann den Kopf und verneinte.
„Das eines Polizisten“, antwortete er ehrlich, wie immer, und ihm entging das nun umso mehr interessierte Glitzern in Davids Augen nicht.
„Es war Notwehr“, im weitesten Sinne, erzählte Charles weiter, ohne ausführlich zu werden, „und es geschah auch nicht durch meine Hand. Und auch wenn ich mich für Eds Tod verantwortlich mache, bin ich nicht sein Mörder. Ich werde denjenigen zu finden, der Ed überfallen hat und ihn zur Rechenschaft ziehen.“
Etwas unschlüssig blieb David Bell an Ort und Stelle stehen.
„Du weißt, dass ich diese Morde nicht begangen habe – nicht wahr?“, fragte Charles.
„Du glaubst mir, wenn ich dir das sage.“ Dies war keine Frage.
Charles brauchte keine Antwort, er sah es David an, dass dieser zumindest darüber nachdachte.
„Hab‘ Se noch nie lügen hör’n, Boss“, gab der Kutscher zu und verfiel wieder in schweigsames Grübeln. Der Junge war sich des Risikos bewusst, auf das er sich einlassen würde, dennoch schien er alles andere als abgeneigt zu sein. Sicher, die Scarface-Sache und dann auch noch die Parallelen, die David bestimmt zwischen sich und Ed gerade zog, mochten abschrecken – aber der Junge hatte in Charles‘ Diensten schon früher im Austausch für gute Arbeit gutes Geld bekommen.
Charles wartete eigentlich darauf, dass der Kutscher trotz dem Geplänkel noch das Weite suchte, doch dieser zögerte so lange, dass Charles noch eine andere, bessere Idee kam. Mit Edward Tilling hatte er wirklich nicht nur einen Freund, sondern auch seinen Fahrer verloren. Mobil zu sein – und das zu jeder Zeit, er wollte –, war ein verlockender Gedanke. Jedoch lag ihm nichts ferner als nun auch einen zweiten alten Bekannten in Gefahr zu bringen. Gerade David nicht, der Junge hatte sein Leben noch vor sich… Aber das gleiche tat Charles in diesem Moment auch mit vier anderen Menschen – sechs, wenn man Lived und Hyde mitzählte.
„Was sagst du, Bursche?“, hakte Charles schließlich ungeduldig nach. Er hatte nicht ewig Zeit, immerhin warteten Melinda und Johanna auf ihn.
David Bell hatte sich entschieden.
„Wo soll’s hingeh’n, Sir?“
Charles lächelte und klopfte dem jungen Kutscher anerkennend und zufrieden auf die Schulter, dann zog er ihn näher an sich heran und flüsterte ihm den Zielort ins Ohr.
Zeit, zu den Damen zurückzukehren. Er hatte diese schon zu lange warten lassen.


Zuletzt von Umbra am So Sep 08 2013, 12:53 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Elli Mi Mai 15 2013, 15:53

Schweigend betrachtete Melinda wie Charles mit Johanna umging. Erstaunlich wie schnell sich Vatergefühle entwickeln konnten. Wir wissen doch beide wie das weiter geht. Sie wird die ganze Zeit Tränen in den Augen haben und herum heulen. Das bedeutet, dass Daddy sich auf sie konzentrieren wird, aber das kennen wir ja zu Genüge. Im zweite Geige spielen warst du schon immer gut. Sie wird das aaaaach so arme Mädchen sein, dass ohne ihren Vater aufwachsen musste. Oh! Wie tragisch und dramatisch das Leben doch verlaufen ist. Das arme Ding musste in einem riesigen Herrenhaus ohne ihren Papa aufwachsen. Armes Puttputt. Wie war es noch gleich so als Waise in einer Fabrik? Und das waren deine guten Zeiten. Hihihihihihihihi. Hach ist das herrlich. Was meinst du? Ein kleiner Schluck Laudanum? Melinda ruckte ihren Kopf von rechts nach links, wie es einige Menschen bei verspannter Muskulatur zu tun pflegten und folgte der “Familie“ hinaus aus ihrem Zimmer. Sie warf einen letzten Blick nach hinten und blickte in die kalten, harten, toten Augen von Leeland. Ein Schaudern überkam sie. Charles führte die beiden Frauen durch Seitenstraßen weg vom Ort des Geschehens, alles war ihr hier bekannt und vertraut. Von der glitschigen Straße, wenn man sie so nennen wollte, bis hin zu den Häusern, deren Wände geschwärzt und kaputt in den Himmel standen. Charles sprach nicht mit ihnen und Melinda hatte keine große Lust mit Johanna zu sprechen. Noch immer musste sie daran denken, wie diese sich übergebend auf dem Boden gehockt hatte. Ganz zu schweigen von der Reaktion, als sie ihr hatte aufhelfen wollen oder besser gesagt: sollen. Als Charles ihnen bedeute stehen zu bleiben, wanderte Melinda unruhig hin und her. Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie versuchte die Gruppe einzuordnen und für sich Prioritäten zu setzen. Charles. Sie mochte ihn. Das sogar sehr. Randolph. War er ein Freund? Konnte man es so nennen? Er bedeutete ihr etwas, wenn dies auch scheinbar nicht mehr auf Gegenseitigkeit beruhte. Alan. Wie einschätzen? Was will er? Kann er nützlich sein? Oder gefährlich? Johanna. Könnte nett sein, wäre ihre unsinnige Eifersucht nicht. Das wird wohl nichts mehr mit euch beiden. Schließlich seufzte sie und ging um die Ecke herum, nicht sehr weit, dennoch wollte sie sehen was Charles so lange aufhielt.
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Scáth Mi Mai 15 2013, 19:26

Johanna hatte weder genug Zeit um auf Charles Verhalten ihr gegenüber zu reagieren, noch war sie dazu in der Lage. Sie zittert am ganzen Leib, konnte kaum denken, geschweige denn sprechen. Wortlos folgte sie Charles, der sie, dem Himmel sei Dank, aus diesem grausamen Ort führte. Die frische, wenn auch nicht ganz so frisch riechende Luft brachte Johanna zumindest wieder ein wenig zu Verstand, doch das Zittern wollte noch immer nicht aufhören.
Endlos viel Zeit schien vergangen zu sein, bis kleine Gruppe zum stehen kam. Charles bat sowohl Johanna als auch Melinda zu warten, und nur ungern befolgte Johanna dies. Sie hatte Angst, und noch mehr, wenn Charles nicht in der Nähe war. Verunsichert blickte sie kurz Melinda an. Ob sie in der Lage war die Guppe zu schützen, sollte erneut Gefahr auftauchen? Sie hatte Johanna schon bewiesen, dass sie Menschen töten konnte und hatte damit nicht nur sich selbst, sondern auch Charles und auch Johanna verteidigt. Doch ob sie das alleine geschafft hätte war fraglich. Was solche Angelegenheiten betraf war Johanna nämlich die falsche Person. Das hatte sie bewiesen, genau in dem Moment, in dem sie sich auf dem Boden des Zimmers übergab.
In ihren Gedanken versunken fasste sich Johanna an den Bauch. Noch immer war ihr schlecht, doch das war kaum verwunderlich. Das Melinda nervös auf und ab lief, steckte Johanna zusätzlich an, löste erneut Sorge in ihr aus und ließ ihre Anspannung steigen. Sie wusste nicht was sie tun sollte, stand fast wie angewurzelt da, und beobachtete, wie Melinda mit dieser Situation umging. Als sie bemerkte, dass diese gerade nachsehen wollte was Charles tat, ließ Johanna sich es nicht nehmen, ihr, mit zittrigen Beinen, näher zu kommen. Die Situation war ihr ebenfalls nicht geheuer und vielleicht wäre sie beruhigter wenn sie wüsste, was Charles gerade in diesem Moment tat.
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Elli Do Mai 16 2013, 12:57

Sie hörte die leisen Schritte hinter sich die Johanna auf der festgetretenen Erde verursachte. Im ersten Augenblick wollte sie sich um drehen und dem Hausmädchen sagen, es solle warten, aber setzte sich stattdessen selbst in Bewegung. Gemächlich ging sie durch die Straße und sah sich suchend um. Wo konnte Charles hingegangen sein? Sie wollte, auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering war, jemanden anzutreffen, den Anschein erwecken, dass sie einfach nur die Straße ging. Das nervöse Bündel hinter ihr, könnte ihr jedoch einen Strich durch die Rechnung machen. Sie ging langsam weiter, die gwohnte Umgebung, so scheusslich und unbarmherzig sie auch sein mochte, entspannte Melinda und endlich gelang es ihr das leichte Zittern einzustellen. Sie sog den Geruch der Stadt durch ihre Nase ein, als sie plötzlich, gleich in der Höhe einer Seitenstraße, eine wohlvertraute Stimme hörte. Dann eine zweite unbekannte. Noch konnte Melinda nicht recht hören, was gesagt wurde, weshalb sie ihre Schritte verlangsamte und näher an die Straßeneinmündung trat. Sie drehte sich um, gab Johanna ein Zeichen ruhig zu sein und hoffte das diese es auch sein würde.
....der Ed überfallen hat und ihn zur Rechenschaft ziehen.“
Ed? Wer zur Hölle ist Ed? Melinda konnte sich nicht daran erinnern den Namen Ed schon einmal gehört zu haben. Doch schien es, als zöge Norly eine weitaus länger und blutigere Spur durch die Stadt, als sie angenommen hatte. Die zweite Stimme fragte nach einem kurzen Schlagabtausch wo es hingehen sollte, doch so sehr Melinda es auch versuchte, sie hörte keine Antwort. Es war ihr jedoch klar, dass Charles reagieren würde und sie nun abholen würde. Tja, Schneckchen, er wird sicher nicht sehr erfreut sein, wenn er dich beim Lauschen erwischt! Katze? Maus? Vielleicht drehen sich die Rollen. Katze...Katze...Katze...Tiger...Jaguar...Hund...Katze...Maus...thihihihi. Sieh zu, dass du deinen Hintern bewegst!
Melinda ging einige Schritte rückwärts. Wenn sie Glück hatte, würde es lediglich aussehen, als würde sie nach ihm suchen. Oder besser gesagt: Johanna und sie.
Doch sollte Charles auch deswegen ungehalten reagieren, hatte Melinda bereits einen Plan.
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Beitrag von Scáth Do Mai 16 2013, 21:36

Johanna war Melinda so lange gefolgt bis diese angehalten hatte. Sie hatte kaum genug Zeit um auch einen Blick um die Ecke zu werfen, hörte dennoch Stimmen, die nicht unbedingt freundlich gestimmt waren. Melinda lief einige Schritte zurrück, stand schon bald ein Stück hinter Johanna, als plötzlich Charles um die Ecke bog. Johanna zuckte unwillkürlich zusammen. Fühlte es sich so etwa an auf frischer Tat ertappt worden zu sein? Bestürzt sah sie zu Boden. Was mochte Charles jetzt wohl denken? Sie hatte sich seiner Bitte widersetzt, und gerade sah es auch eher so aus als wäre Johanna diejenige, die Lauschen wollte. Langsam wagte sie es Charles anzusehen, ihr Zittern war mittlerweile kaum noch zu verbergen. Charles betrachtete Melinda und Johanna im Wechsel, Stirnrunzelnd sah er sie an. Was mochte er wohl denken? War er enttäuscht, gar wütend?
Johanna sah vorsichtig zu Melinda nach hinten, während ihre Hände nervös an dem Stoff ihres Kleides herumzupften.
"Ich..", begann sie mit heiserer Stimme, räusperte sich kurz darauf ein wenig. "Ich hatte mir sorgen gemacht...Ich wollte nur nachsehen ob alles in Ordnung ist. Melinda wollte mich noch aufhalten, aber ich hatte mir zu viele Gedanken gemacht. Entschuldige..", sprach sie mit zitternder, leiser Stimme, blickte danach wieder zu Boden.
Warum hatte sie das gerade getan? Warum hatte sie ausgerechnet Melinda verteidigt und die Schuld auf sich genommen? Johanna wusste es in diesem Moment selbst nicht. Es schien eine Art Reflex zu sein, alle in ihrer Umgebung zu verteidigen. Das hatte sie auch immer mit den Kindern der Bakersfields getan, sobald diese etwas ausgefressen hatten. Aber würde auch Melinda mitspielen? Oder würde sie mit der Wahrheit rausplatzen? Johanna hoffte ersteres, war sich aber in keinster Weise sicher, ob Melinda dies wirklich machte. Sie hatte es gut gemeint, wollte sich damit nicht bei Charles einschleimen oder gar Mitleid erlangen. Sie hatte in diesem Moment nur daran gedacht Melinda zu verteidigen, auch wenn Johanna nicht bewusst war wieso.
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Beitrag von Umbra Fr Mai 17 2013, 00:22

Sie brachten ihn fort. Nicht sofort und Randolph konnte auch nicht sagen, wohin, doch irgendwann fand er sich in einer Kutsche wieder, die über die Pflasterstraßen rumpelte. Genauso wie Alans Schicksal in diesem Moment für ihn ungewiss war, war es auch sein eigenes. Dr. Tremaine spürte jede Unebenheit des Bodens, die das Gefährt zum Schaukeln brachte – was ihm selbst in Mark und Bein überging. Er lag flach auf dem Rücken, auf einer dürftig gepolsterten Unterlage, die wenigstens die kleineren Erschütterungen größtenteils abfing, und spürte die Wärme einer Hand, die jemand auf seiner Brust platziert hatte. Vielleicht wollte ihr Besitzer prüfen, ob sein Herz noch schlug, oder ihn einfach in dieser Position fixieren.
Letzteres wäre nicht wirklich nötig gewesen. Randolph fühlte sich kraftlos und matt, sodass er sich noch nicht einmal aufraffen konnte, den Kopf anzuheben. Ihm war etwas schwindelig. Sein Unterschenkel schmerzte höllisch und den Druck des Gürtels, den man fest um sein Bein gezurrt hatte, empfand er als störend. Unangenehm pochend staute sich das Blut, das von seinem Herzen kam, an jener Stelle und versuchte, diese unnatürliche Barriere zu überwinden. Mit geringem Erfolg – zu Randolphs Glück.
Obwohl er die Schussverletzung behelfsmäßig, aber ziemlich zügig, nachdem Alan abgefeuert hatte, hatte verbinden können, war die Blutung dennoch nicht zu unterschätzen gewesen.
Er fror und er wusste, dass das nicht gut war. Er spürte die Erschöpfung am ganzen Leib und er wusste, dass er nicht zulassen durfte, dass er wegdämmerte. Er musste bei Bewusstsein bleiben, sonst würde er vielleicht nicht mehr aufwachen – es wäre ein passendes Ende für ihn, dachte er zynisch, jämmerlich in den Händen von Bobbies zu verrecken. Wenn er erst einmal tot war, würde man ihm den Mord anhängen, und somit hätte er das unrühmliche Ende gefunden, dem er entschlossen gewesen war, zu entgehen. Daran war allein Alan, dieser Vollidiot, Schuld! Und wenn sich dieser Mistkerl, dämlich wie er war, nun zudem auch noch schnappen oder erschießen lassen würde, wäre es um den allzu ehrenhaften Mr. Norly, das Hausmädchen und vor allen auch um Melinda ebenfalls geschehen. Das durfte er nicht zulassen!
Doch so sehr Dr. Tremaine auch gegen die Müdigkeit ankämpfte: Zusammen mit dem Schlafmangel, über den er nach der lediglich kurzen, unbequemen Nacht auf dem Fußboden seines Operationszimmers noch immer klagte, überrollte diese ihn förmlich und am Ende war er machtlos gegen sie.

Jemand tätschelte Randolphs Wange mit behutsamer Beharrlichkeit. Der Chirurg erwachte nicht sofort, als es jedoch soweit war, schreckte er überrascht hoch – und sah sofort Sterne und schwarze Flecken vor seinen Augen, weil ihn Schwindel heimsuchte. Er spürte sein Herz wild in seiner Brust schlagen.
Er lebte.
Im ersten Moment fühlte er sich etwas wirr und orientierungslos, da er die Umgebung, in der er sich befand, noch nie zuvor gesehen hatte und sich auch nicht erinnern konnte, wie er hierhergelangt war. Bevor Randolph sich jedoch ein Bild machen konnte, lenkte ihn eine Stimme ab.
„Sachte, mein Freund“, ermahnte ihn jemand in beruhigendem Tonfall. Randolph fixierte den Sprecher – einen charismatischen, schwarzhaarigen Schnurrbartträger Ende dreißig, der gut eine Armlänge entfernt neben ihm stand. Der Mann hatte seine Krawatte gelockert, war bekleidet mit einer schwarzen Hose und einer ebenso schwarzen Weste über dem schneeweißen Hemd, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte. Ein leeres, offenbar für einen Revolver bestimmtes Holster war an seinem Gürtel befestigt. Er entfernte gerade Reste von etwas, das wie Blut aussah, mit einem angefeuchteten Handtuch von seinen Händen und lächelte Randolph an.
„Sorgen Sie sich nicht, Sir, ich bin Arzt. Sie sind angeschossen worden und haben eine nicht unerhebliche Menge Blut verloren“, erinnerte der Mann den Verletzten, nur für den Fall, dass dieser eine Auffrischung des Gedächtnisses benötigte.
„Sie sollten es nun langsam angehen lassen. Mein Name ist Andrew Taylor“, stellte der andere Arzt sich vor. Randolph kam es kurz so vor als würde der Geruch von Tod und Formaldehyd in der Luft liegen. Ging das von dem Mann aus?
„Während Sie geschlafen haben, habe ich Sie zusammengeflickt und ihnen eine örtliche Betäubung gegen die Schmerzen gegeben. Ich fürchtete schon, Sie seien bereits jenseits von Gut und Böse gewesen, als man Sie hierherbrachte, doch wie ich feststellte, sind Sie gar nicht bewusstlos gewesen. Sie müssen wirklich erschöpft gewesen sein, da Sie selbst während meiner Behandlung Ihr Nickerchen nicht unterbrochen haben“, schilderte Dr. Taylor mit einem Lächeln.
„Wünschen Sie etwas zu trinken?“, bot er dann an. „Ich habe Tee kommen lassen und Scones dazu. Sie sollten etwas essen, um wieder zu Kräften zu gelangen... Außerdem sah ich mich bezwungen, Ihr Hosenbein aufzuschneiden, um Ihre Wunde freizulegen. Ich hoffe, das werden Sie mir verzeihen. Einer der Constables war so freundlich, Ihnen Ersatz zu bringen“, wies der Arzt mit einem Nicken auf das ordentlich zusammengefaltete Kleidungsstück hin, das neben einem Tablett mit dem in Aussicht gestellten Tee und Backwerk auf dem Schreibtisch lag. Man hatte Aktenstapel, Zeitungen und lose Blattsammlungen dafür beiseitegeschoben.
„Sie können sich später umziehen.“
Randolph war, wie er feststellte, in einem Zimmer, das seiner Praxis ähnelte – auch wenn es ein Stückchen kleiner und statt eines Operationstisches lediglich eine Pritsche vorhanden war, auf der er gerade saß. Neben einer dunklen Schrankwand, fanden in dem Raum noch der besagte Schreibtisch, einige Stühle und an der Wand am Fußende seines behelfsmäßigen Krankenbetts auch ein einzelner Tisch Platz, auf dem ein geöffneter Arztkoffer nebst ausgebreiteten Utensilien stand, die offenbar Verwendung bei Randolphs Behandlung gefunden haben. Tageslicht, das hinter dem Schreibtisch durch ein Fenster fiel, erhellte das Zimmer.
Randolph kniff die Augen zusammen, als es ihn blendete, doch als er seine Hand zur Abschirmung heben wollte, kam er damit nicht weit. Mit Schreck musste er feststellen, dass seine Rechte mit Handschellen an der Pritsche festgemacht worden war.

- - - - -

Charles steckte seinen Revolver ein, nickte dem jungen David noch einmal zu und machte sich im gleichen Moment auf den Weg zurück in die Straße, aus der er gekommen war. Fast wäre er in jemanden hineingerannt. Johanna. Charles blieb schlagartig stehen und runzelte missbilligend die Stirn, als er auch Melinda einige Schritte hinter seiner Tochter ausmachte. Es verärgerte ihn etwas, dass die beiden seine Bitte ignoriert und ihm trotzdem gefolgt waren.
Er hatte die beiden Frauen aus gutem Grund warten lassen, doch offenbar hatten diese seine Intention – nämlich, dass er sie hatte in Sicherheit wissen wollen – nicht begriffen. Er hatte nicht voraussehen können, wie David auf ihn reagierte… aber nicht nur das: Er hatte sich mit dem Burschen auch in privater Atmosphäre austauschen wollen.
Johanna fühlte sich nun nur zu offensichtlich beim Lauschen ertappt, wich Charles' Blick aus und flüchtete sich dann in eine gestammelte Ausrede. Das verstimmte ihren Vater umso mehr.
„ Wenn du schon nicht genügend Respekt vor mir hast, um offen dazu zu stehen, gelauscht zu haben, besitze wenigstens den Anstand, mich nicht anzulügen“, wies Charles sie brummend zurecht, konnte aber trotz der tiefend Stimmlage nicht verhindern, etwas empört zu klingen.
„Ich wünsche, dass du ehrlich zu mir bist. Lügen stehen niemandem gut zu Gesicht, besonders nicht, wenn man nicht dazu fähig ist, sie überzeugend klingen zu lassen“, kritisierte er.
Das Mädchen hatte weder ihr Stimme, noch ihre Mimik, noch ihre Haltung, noch ihr Schamgefühl im Griff – dies alles war aber notwendig, um selbst die abstruseste Unaufrichtigkeit in einen Mantel der Wahrheit zu stecken. Johanna hatte sich durch ihre Nervosität und Unsicherheit verraten. Hätte sie wirklich nur aus Sorge nach ihm sehen wollen, hätte sie sich nicht dafür schämen müssen. Offenbar hatte Johanna nicht ausreichend Übung, um eine eiskalte Lügnerin zu sein – was Charles allerdings nur gutheißen konnte. Dennoch war er enttäuscht. Nicht unbedingt, weil die beiden jungen Damen ihm nicht gehorcht hatten – das stimmte ihn nur ungehalten –, sondern weil Johanna versucht hatte, ihn für dumm zu verkaufen.
In diesem Moment trat der Kutscher, der kaum älter aussah als Melinda und Johanna es waren, neugierig hinter Charles hervor. Mit erstauntem Blick musterte er die beiden aus seinen hellen, grauen Augen und blieb damit dann errötend an Melinda hängen. Scheinbar hatte er weder erwartet, dass Charles sich in Gesellschaft befand, noch dass es sich dabei um derartige handeln könnte.
Charles merkte, dass der Bursche, wenn auch peinlich berührt, starrte, stieß ihn an und gab ihm eine Ablenkung:
„Da vorne steht ein Koffer, Mr. Bell“, wies Charles dem Kutscher mit einer Geste den Weg. „Bring ihn her.“
Nickend nahm David den Auftrag an, tippte, da ihm das nun offenbar eingefallen war, an seinem Schlapphut, um die jungen Frauen zu grüßen, und machte sich dann eifrig ihm Laufschritt auf den Weg. Charles sah dem bärtigen, jungen Mann kurz hinterher, fragte sich selbst, wo die Jahre geblieben waren, und rüttelte sich dann kopfschüttelnd auf. Sie mussten fort von hier.
Er ließ seinen Blick noch einmal zwischen Melinda und Johanna hin- und herspringen und trat dann entschlossen auf die Kutsche zu – obwohl er sich gar nicht auf die Fahrt freute. Er hasste den wenigen Platz zum Atmen, den solche Gefährte zu bieten hatten, zusammen mit dem elenden Geratter der Räder über Pflasterstraßen und das Geschaukel bei jeder kleinsten Unebenheit. Dies schmeichelte weder dem Gesäß, noch seinem Magen.
Wie es sich gehörte, hielt Charles den Damen die Tür auf und bot ihnen seine Hand als Hilfestellung an, damit diese zuerst in den Wagen steigen konnten. Erst danach hievte er sich unter Anstrengung selbst hinein. Er nahm so Platz, dass er vorwärts fuhr und am Fenster saß.
Charles traute David, sonst hätte er ihn nie belästigt, dennoch wollte er lieber sehen, wo sie hinfuhren – neben der Sache, dass so auch die Fahrt für ihn angenehmer war.
Kurz nachdem er die Tür hinter sich wieder zugezogen hatte, kehrte David Bell zurück, lud den Koffer auf und stieg auf den Kutschbock, was das ganze Gespann kurz zum Wackeln brachte. Die Passagiere hörten den jungen Mann mit der Zunge schnalzen und die Kutsche rollte an.
Charles lehnte sich zurück und betrachtete seine Gefährtinnen schweigend. Wieder runzelte er die Stirn. Er war erschöpft, doch sein Blick war klar und wach. Seine Stimme klang gefasst, als er damit begann, etwas klarzustellen, das seiner Ansicht nach geklärt werden musste.
„Ihr hättet auf mich hören sollen. Ich dachte, ich hätte mich unmissverständlich ausgedrückt. Wenn ich euch darum bitte, auf mein Zeichen zu warten, bevor ihr mir folgt, dann meine ich auch genau das und nichts anderes. Wenn ich sage, ihr sollt laufen“, fügte er hinzu und sah dabei Melinda streng an, „dann meine ich auch genau das und nichts anderes – und dann will ich kein Zögern sehen oder Widerworte hören. Verstanden?“
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Beitrag von Darnamur Fr Mai 17 2013, 16:29

Er schluckte. Sie hatten sicherlich seine Sachen untersucht. Vielleicht hatten sie auch schon Alan zu fassen bekommen. Der Arzt wusste womöglich mehr, als als es schien. Auf jeden Fall hatten die Polizisten Verdacht geschöpft. Sie hatten in seiner Kleidung seinen behelfsmäßigen Verband entdeckt, wie auch sein Skalpell. Und es wäre nicht verwunderlich, wenn sie auch das Loch in der Fensterscheibe bemerkt hätten.
Er seufzte und zwickte sich mit den Fingern in die Nasenwurzel- ein Trick den er gerne benutzte, um sich zu konzentrieren. Und tatsächlich klärten sich seine Gedanken ein wenig. Mit zittriger Hand griff er zu dem Tablett hinüber und führte die Teetasse an seine Lippen. Er trank einen Schluck und spürte wie die Hitze seinen Leib wohlig durchströmte. Ein wenig gestärkt setzte er die Tasse wieder ab.
"Vielen Dank, Mr. Taylor.", sprach er den Arzt freundlich. Dieser hatte ihn bislang sehr zuvorkommend behandelt. Wie man es mit seinen Patienten tun sollte. Randolph war eher praktischer ausgelegt. Die Bequemlichkeit seiner Kunden spielte eine eher untergeordnete Rolle. Taylor war wahrscheinlich der bessere Doktor von ihnen. Und verständlicherweise auch beliebter bei seinen Klienten. Zumindest bislang hatte er einen sehr sympathischen Eindruck gemacht.
Aber vielleicht ist seine Höflichkeit auch nur genauso falsch wie meine.
Auf jeden Fall hieß es jetzt das Beste aus der Situation zu machen.
"Was passiert jetzt mit mir?" , fragte er den Arzt.
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Beitrag von Elli Fr Mai 17 2013, 16:51

Die Lüge die Johanna Charles an den Kopf warf, wurde recht schnell als solche von ihm entdeckt. Das schien ihn ziemlich ungehalten zu stimmen und Melinda verwarf, was sie sich bereit gelegt hatte zu sagen. Sie wusste dass sie lügen konnte und das sogar recht gut. Das war ihr in ihrem Leben immer wieder von Vorteil gewesen. Sie überlegte wie vielen Männern in London sie schon gesagt, ja sogar geschworen hatte, der beste Liebhaber ganz Englands zu sein. Sie hätte vielleicht geschmunzelt, doch die Situation war ihr etwas zu angespannt, als das sie debil grinsend durch die Gegend laufen würde. Sie wollte gerade erwidern, dass sie für sich selbst sprechen konnte, als Charles sie in die Kutsche bugsierte. Er reichte ihr hilfsbereit seine Hand, welche sie dankbar annahm. Sie bedankte sich kurz. Als sie in der beengten Kutsche einen Platz ihm gegenüber eingenommen hatte, richtete er ihr Wort an sie, es war deutlich zu spüren, das er nicht sehr erfreut war, über das was geschehen ist. Charles, wenn Sie also sagen, dass ich weglaufen muss, soll ich das tun. Für sie gilt das aber nicht? Oder warum haben sie nicht reagiert, als ich in meinem Zimmer war und rief, dass man das Weite suchen solle? Ich habe nicht darum gebeten, dass jemand hereinstürmt. Mir ist durchaus bewusst, dass ich drauf gegangen wäre, hätten Sie mich nicht gerettet. Aber mein lieber Charles,“ sie beugte sich bei den Worten vor um ihm besser ins Gesicht sehen zu können, ihren Mantel hielt sie jedoch dabei zusammen, “vergessen Sie nicht, dass Sie nun eine Kugel im Kopf hätten wenn ich gegangen wäre, wie sie es mir gesagt haben. Das war auch der Grund, weshalb ich eben ihrer Bitte nicht nachkam und Ihnen folgte, mögen Sie auch diese Revolution gestartet haben und uns zusammen geführt haben, seinen Sie sich gewiss, dass Sie nicht der einzige sind, der sich Sorgen um seine Mitstreiter macht.“ Einen Augenblick überlegte sie theatralisch Tränen in ihre Augen steigen zu lassen, denn auch hierzu war sie im Stande, was eine Lüge durchaus bekräftigen konnte. Stattdessen lehnte sie sich nach hinten zurück und beschloss stattdessen ehrlich zu sein. Sie atmete tief durch. “Um manche besonders.“
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Umbra Sa Mai 18 2013, 13:09

„Dr. Taylor“, verbesserte dieser Randolph gutmütig lächelnd, aber dennoch auf seinen akademischen Grad bestehend. Inzwischen hatte er sich darangemacht, das benutzte Arztbesteck zu säubern und wieder in seiner Tasche zu verstauen.
Taylor runzelte leicht die Stirn, als sein Patient wissen wollte, wie dessen Schicksal aussah, beantwortete diese Frage jedoch bereitwillig.
„Sobald ich hier fertig bin und Sie für vernehmungsfähig erkläre, Sir, wird man in absehbarer Zeit genau das tun. Der Yard wird Ihnen Fragen stellen und je nachdem, ob ihm die Antworten gefallen oder nicht, wird man Sie in die Krankenstation eines Gefängnisses verlegen oder auf Kaution freilassen, nehme ich an. Soweit ich mitbekommen habe, wie Ihre Situation aussieht, will ich Ihnen keine zu großen Hoffnungen machen, dass Ihre Festnahme, denn eine solche war es, vollkommen ohne Konsequenzen für Sie bleibt. Ich glaube nicht, dass eine Chance besteht, dass der Chief Inspector Sie ohne weiteres ziehen lässt“, äußerte der Arzt scheinbar offen und ehrlich seine Einschätzung zu Randolphs misslicher Lage.
„Zumindest um die Kaution werden Sie wohl nicht drum herumkommen, da einige Ungereimtheiten bestehen und man Sie, fürchte ich, mit Scarface in Verbindung bringt – oder zumindest angeschossen in der Nähe eines Tatorts aufgeschnappt hat und sich noch nicht im Klaren ist, welche Rolle Sie bei diesem Massaker gespielt haben. Ich glaube, offiziell sind Sie in Untersuchungshaft und damit erst einmal Gast des Yards, bis man anders über Ihr Schicksal entscheidet. Wenn mögliche Zeugen befragt worden sind, sind Sie an der Reihe, und wenn man dann beschließt, dass es keinen dringenden Grund gibt, Sie weiterhin festzuhalten, sind Sie quasi ein freier Mann.“
Dr. Taylor schloss seine Tasche und wusch daraufhin seine Hände mit Seife in einer Waschschüssel. Nachdem er sich abgetrocknet hatte, nahm er einen goldenen Ring – einen Ehering offenbar – vom Tisch und steckte ihn sich an dessen angestammten Platz an seinem linken Ringfinger. Sehr wahrscheinlich hatte Taylor ihn vor der Behandlung von Randolphs Schussverletzung abgenommen. Der Arzt war scheinbar allmählich für den Aufbruch bereit, machte jedoch keine Anstalten zu gehen. Vielmehr warf er Randolph einen ehrlich interessierten Blick zu.
„Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf“, wechselte Dr. Taylor ein wenig das Thema, „oder auch mehrere gleichzeitig: Sagen Sie der Polizei die Wahrheit, zwar nicht so wenig, dass Sie sie verärgern könnten, aber auch nicht mehr als man von Ihnen wissen will. Essen Sie, Sir, das meine ich ernst. Die Scones sind wirklich gut und Ihr Kreislauf wird es Ihnen danken.“
Der Arzt ging um den massigen Schreibtisch, der wohl kaum durch die vergleichsweise enge Tür seinen Weg in diesen Raum gefunden hatte, herum und stellte seine Tasche dort ab. Dann setzte sich Taylor auf den bereits in die Jahre bekommenen, gepolsterten Bürostuhl, sodass er nun Randolph gegenübersaß, und faltete die Hände auf geduldig wartende Art und Weise vor sich auf dem Tisch.
„Meiner Ansicht nach gehören Sie in ein Krankenhaus oder zumindest in ein Bett“, sagte er daraufhin, „ganz sicher nicht in ein Verhörzimmer, doch der Chief Inspector ist ein ehrgeiziger Bursche. Mein Einfluss hier hält sich in Grenzen, aber ich konnte ihn dennoch überzeugen, Sie aufgrund Ihres Zustandes zu schonen“, erzählte der Arzt.
„Ich kann Ihnen noch etwas Zeit verschaffen, wenn Sie sie benötigen und wünschen. Sie können gern eine Weile hier bei mir bleiben“, bot Taylor lächelnd an, „sich ausruhen und vielleicht auch versuchen, ein wenig zu schlafen. Diese Liege ist bestimmt bequemer als jedwede Zelle – ich wollte ohnehin gerade eine Pause machen.“

- - - - -

Charles‘ Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Seine Züge wurden weder härter noch weicher, während Melinda sprach und auch nicht, als sie geendet hatte.
„Ich bin kein kleines Kind, Miss“, stellte er unwirsch klar. „Auch wenn es rührend ist, dass Sie sich Sorgen um mich machen“, sagte er und war ihr gegenüber dabei vollkommen ehrlich, denn das bedeutete ihm etwas, „bin ich mir den Folgen und Konsequenzen meines Handelns durchaus bewusst.“
Charles mochte es nicht, wenn man ihn belehrte – oder es versuchte. Er war erwachsen, verdammt noch eins, und, verdammt noch eins, nicht mehr der Jüngste. Er war erfahren genug und imstande, eigene Entscheidungen zu treffen, besonders, wenn es sich um uneigennützige handelte. Er war bei klarem Verstand, auch wenn man ihm anderes nachsagte.
„Ich habe diese Sache freiwillig auf mich genommen – und freiwillig habe ich auch in Kauf genommen, die Auseinandersetzung mit Leeland Smithson, betonte er den Namen abfällig und gab zudem auch Melinda damit zu verstehen, dass ihm durchaus bewusst war, wer nun tot in ihrer ehemaligen Behausung lag, „nicht zu überstehen.“
Charles verschränkte die Arme vor seiner blutroten, durchtränkten Brust.
„Vielleicht war es leichtsinnig von mir, mich auf einen Kampf einzulassen“, räumte er ein, „aber ich bin kein Feigling, weiß, was ich kann – und glauben Sie nicht, dass ich es bereue“, erklärte er stur.
„Ich hätte ihm auch sofort eine Kugel in den Kopf jagen können, als ich das Zimmer betreten habe, doch, wie Sie wissen, habe ich das nicht und das hat hauptsächlich nur einen Grund: Ich wollte nicht, dass Johanna das miterlebt. Ich möchte nicht töten, auch diesem Bobby wollte ich nicht das Licht auspusten, aber in diesem Moment wäre mir das vollkommen egal gewesen, weil er Sie bedroht hat.“
Auch wenn er sich selbst damit rechtfertigte, übte er unterschwellig immer noch Kritik an Melinda. Er sah nicht ein, warum er nun derjenige sein sollte, der falsch gehandelt hatte. Charles hatte das Richtige getan.
„Ich bin ins Zimmer gekommen, weil ich Sie habe schreien hören, und hätten Sie mich wirklich aufgefordert, zu verschwinden“, fügte er an und formulierte auch das bewusst streng, weil er das doch sicher gehört hätte, wenn sie ihm zugerufen hätte, zu verschwinden, „wäre ich dem nicht nachgekommen, ohne Sie in Sicherheit zu wissen.“
Melinda sollte nicht denken, dass er sich feige zurückziehen und jemanden zurücklassen würde, nur um seine eigene Haut zu retten. Das war nicht seine Art.
„Natürlich hänge ich an meinem Leben“, brummte er ungehalten. „Ich will leben – das mache ich aus Gewohnheit, wissen Sie, und ich tue mich nur schwer, wenn es darum geht, meine Gewohnheiten zu ändern“, fügte er aus Ärger leicht geringschätzig an, „– doch ich sagte, ich werde Sie beschützen, was es auch kosten mag. Dennoch Sie wissen nicht, was passiert wäre, wenn Sie mit Johanna geflohen wären, als ich es wollte. Gewiss wäre nur gewesen, dass Sie in Sicherheit gewesen wären und meine Tochter niemanden hätte sterben sehen müssen. Ich wollte Ihnen Zeit verschaffen, darum ging es mir. Hätte ich dabei mein Ende gefunden, hätte es so sein sollen.“
Charles atmete durch, setzte aber dann sofort wieder zum Sprechen an: „Jedoch lassen Sie mich eines gesagt haben: Die erste Kugel hat mich verfehlt, doch dazu, noch einmal zu zielen und seinen Fehler auszugleichen, hätte ich ihn nicht kommen lassen“, sagte er voller Selbstsicherheit. „Hätten Sie ihn nicht umgebracht, hätte ich es vielleicht getan.“
Vielleicht.
Er war kein Mörder und würde deshalb nur töten, wenn es keinen anderen Weg gab.
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Scáth Sa Mai 18 2013, 15:54

Johanna saß bis jetzt schweigend in der Kutsche und beobachtete das Gespräch zwischen Melinda und Charles. Sie konnte nicht leugnen, dass sie sich bloßgestellt fühlte, nachdem Charles ihre Lüge aufgedeckt hatte. Es schien kaum wichtig zu sein, warum Johanna gelogen hatte, auch Melinda schien es nicht im geringsten wichtig zu sein, das Johanna sie verteidigen wollte. Das kränkte Johanna sehr. Es war fast schon Hass, den Melinda Johanna gegenüber zeigte, zumindest machte es den Anschein. Melinda schien nicht in der Lage zu sein sich in andere Menschen zu versetzen, vermutlich wollte sie das gar nicht. Sie hatte ihr Leben lang allein sein müssen und war vollkommen auf sich selbst gestellt. Da war es kaum anders möglich als nur an sich selbst zu denken. Schade, wie Johanna dachte. Sie wusste nicht ob man dieses verhalten als Egoismus bezeichnen konnte. Grob gesehen war Melinda das, oder schien es zumindest zu sein, doch wenn man so aufwuchs, konnte man denn dann überhaupt anders, als egoistisch zu sein?
Johanna schüttelte kaum merklich den Kopf um sich aus diesen Gedanken zu reißen. Melinda und Charles waren vertieft in ihre Diskussion, beide schienen verärgert, doch vor allem Charles hielt stur an seiner Meinung fest. Johanna überraschte es, wie er begann die Worte "meine Tochter" so leichtfertig zu verwenden, schenkte dem aber keine weitere Beachtung sondern versuchte alles was Charles sagte, aber auch das was Melinda sagte, aufzuschnappen und zu verstehen. Johanna wusste nicht ob sie irgendetwas zwischenwerfen sollte. Es erschien ihr als unhöflich das Gespräch zwischen den Beiden zu unterbrechen und so beschloss sie noch ein wenig zu warten und sich gegebenenfalls zu überlegen, was sie sagen sollte.
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Elli So Mai 19 2013, 14:03

"Natürlich sind Sie kein kleines Kind! Das habe ich auch niemals behauptet. Aber ob es Ihnen passt oder nicht, ich bin es ebenfalls nicht. Um genau zu sein, habe ich schon eine ziemliche Menge gesehen und erlebt, sicherlich nicht in der Menge wie Sie, aber ich wuchs nun mal nicht in einem behüteten Haus auf. Man mag es kaum glauben, aber ich verstehe durchaus ihre Beweggründe. Vielleicht verstehen Sie ja auch meine."
Sie atmte kurz durch, denn sie spürte wie ihre Stimme zu zittern began, nicht weil sie davor war, zu weinen, sondern vor Wut. Sie rief sich selbst zu Ruhe und schluckte ihre Erregung herunter. Also Charles den Namen von dem toten Bobby erwähnte, zuckte sie dennoch merklich zusammen. Zwar war Smithson tot, aber sie ahnte, dass er noch eine Weile in ihrem Kopf herumspuken würde. "Schön, dass Johanna nicht sehen sollte, wie Leeland starb, aber auch für mich war es kein Vergnügen. Weder es zu sehen und noch viel weniger es zu tun!"
Och bitte, nun tu' doch nicht so. Das ist bei weitem nicht er erste Mann der durch dich oder wegen dir gestorben ist. Du verträgst doch nun wirklich mehr, wie dieses...Hausmädchen...Hmmm...lass mal nachzählen...also an drei, ach Verzeihung, nun vier Toden, bist du mehr oder weniger direkt verantwortlich. Das war nun die zweite Kehle, die der Fächer in Stücke riss. Ist es nicht ein herrliches Gefühl, wenn die Klingen, das zarte Fleisch zerreissen und das warme Blut nur so sprudelte? Ist es nicht ein großartiges Geräusch wenn der letzte Atemzug rasselnd aus der Kehle grugelt? Ist es nicht wunderbar zu sehen wie der Blick bricht, wenn das Leben den Körper verlässt? Melinda musste sich leider eingestehen, dass die Stimme gar nicht unrecht hatte, es gab weitaus schlimmeres als töten. Aber diese Erkenntnis sollte sie lieber für sich behalten. Aber insgesamt müsste es nun Nummer 12 gewesen sein, dessen Augen brechen, während du hinein gesehen hast...Ein ganzes Dutzend! Darauf einen Absinth. Auf die nächsten 12! Melinda schloss kurz die Augen. Vielleicht hatten doch die meisten Recht gehabt, als sie sagten, dass sie irre sei.
Sie war noch immer wütend, auch wenn sie sich äußerlich nichts anmerken ließ, gruben sich ihre Fingernägel schmerzhaft in ihre Handflächen, doch sie hörte nicht auf unter ihrem Mantel die Fäuste zu ballen, so schaffte sie es ruhig und beherrscht zu wirken.
"Richtig. Die erste Kugel verfehlte Sie. Weil ICH ihn daran gehindert habe, zu treffen." Sie beugte sich nun wieder vor. "...und auch wenn ich ungerne daran beteiligt bin, Menschen zu töten, ich würde es wieder tun. Ob es Ihnen passt oder nicht. Ich bin leider kein braves, folgendes Mädchen. Da hätten Sie sich eine andere aussuchen müssen." Hat er doch! Thihihihi! Melindas Blick streifte nur für Sekunden Johannas Gesicht, bevor sie sich wieder Charles zuwand. "Nicht das ich es bereue, dass sie mich erwählten, aber nun bin ich hier. Sie werden wohl damit leben müssen, dass ich bin wie ich bin. Denn das widerrum bin ich aus Gewohnheit und werde daran eben so wenig ändern, wie Sie. Manch einer sagte sogar, dass genau das an mir interessant sei."
Pahahaha! Wer findet dich denn interessant. Außer ein Freier? ...und das auch nur für vielleicht eine Stunde...
"Sehen Sie...ich tat etwas was sie nicht wollten. Ja. Andersherum taten sie das auch. 'Drum werfe jener, der ohne Sünde sei, den ersten Stein.' Ich bin mir sicher, sie kennen diesen Teil der Bibel."
Sie blieb nach vorne gebeugt. Gerade war dies einer der Momente, in denen Sie nicht wusste, wie er reagieren würde. Wenn sie Pech hatte, war das genau der Moment, in dem die Maus aus den Tatzen und Krallen der Katze entkam.
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Umbra So Mai 19 2013, 20:30

Charles‘ Züge wurden für kurze Zeit weicher und es zuckte auch ein Schmunzeln über seine Lippen, als Melinda erwähnte, dass so manch einer sie wegen ihres eigenen Willens interessant fand – ihm ging es da nicht anders –, jedoch änderte sich das, als sie trotzig auf die Bibel verwies, genauer auf die Stelle, in der Pharisäer Jesus mit einer Ehebrecherin konfontierten.
„Evangelium nach Johannes, Kapitel acht, Vers sieben: ‚Cum autem perseverarent interrogantes eum erexit se et dixit eis qui sine peccato est vestrum primus in illam lapidem mittat‘‚Doch als sie ihn weiterhin fragten, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein auf sie.‘, zitierte und übersetze er die Stelle.
„Ich glaube, ich bin bibelfester als Sie denken, Miss. Ich –“
Charles, der trotz des Gesprächs Augen und Ohren für die Welt um sie herum offen gelassen hatte, unterbrach sich selbst, um seine Aufmerksamkeit kurz dem Kutscher zuzuwenden.
„Verdammt, David!“, bellte er diesem ungehalten zu. „Bieg hier rechts ab und nimm eine Parallelstraße, sonst stecken wir gleich im Verkehr fest!“
„Ja, Sir!“, lautete die geduldige Antwort vom aus der Kabine nicht einsehbaren Kutschbock und der junge Mann tat wie geheißen.
Charles befasste sich wieder mit Melinda, nach dieser lauten Unterbrechung wieder in gedämpftem Ton und mit dem Versuch, wieder gefasster zu klingen, auch wenn er das nicht wirklich war. Er setzte anders an, als er zuvor vorgehabt hatte.
„Miss, meine Kritik mag auf mich selbst zurückfallen, denn ich bin keinesfalls ein Unschuldsengel, aber dennoch weiß ich, was verantwortungsvolles Verhalten bedeutet. Mir geht es hier nicht darum, Ihnen meinen Willen aufzudrängen, nichts stünde mir ferner, sondern Ihnen nahezulegen, vernünftig zu sein. Aus Prinzip etwas nicht zu tun, nur weil es von einem verlangt wird, ist mir durchaus nicht fremd, das gebe ich zu“, er lachte schnaufend auf und verzog kurz das Gesicht, weil sein Brustkorb dabei schmerzte, bevor er wieder ernst wurde, „doch bei aller Liebe: Hier geht es nicht um harmlose Belange, sondern um Leben und Tod.“
Charles atmete durch, allerdings bloß nicht zu tief, und fuhr fort: „Ich bin dankbar dafür, dass Sie getan haben, was Sie getan haben, verstehen Sie mich da nicht falsch, doch wenn ich für mich entscheide, dass ich Ihre Sicherheit über mein Leben stelle, bringen Sie sich bitte nicht selbst unnötig in Gefahr, indem Sie Riskantes versuchen. Ich möchte, dass wir einander vertrauen können, Miss. Es steht viel auf dem Spiel, Ihre interessante Persönlichkeit in allen Ehren, doch irgendwo müssen Sie die Grenze ziehen – sowohl eine der Vernunft als auch eine moralische, denn sonst setzen Sie uns alle einem untragbaren Risiko aus. Den Polizist getötet zu haben, laste ich Ihnen sicher nicht an, und im Grunde auch nicht, mir nicht gehorcht zu haben, immerhin sind Sie ein freier Mensch, aber gerade weil Sie sich auf die Bibel beziehen“, konnte er es nicht lassen, in seiner Argumentation einen verbalen Seitenhieb zu platzieren, „auf Jesus, der in erster Linie Mitgefühl und Nächstenliebe gepredigt hat, ist es für mich unverständlich, dass Sie Ihre Mitbewohnerin der Willkür Whitechapels ausliefern wollten.“
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Elli Mo Mai 20 2013, 20:48

Der Satz den Charles wegen Ginger sagte, traf Melinda nicht so, wie er es sich vermutlich gedacht hatte. Ungeduldig klopfte sie leise mit dem Schirm auf dem Boden, um ihre Gedanken zu sortieren, bevor sie antwortete. “Zwar mag ich die Bibel kennen und zitieren, aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich auch nach der Bibel lebe. Was denken Sie wie viele Bewohner Whitechapel’s gute Christen sind? Wenn man dort lebt, lernt man schnell, dass Gott einem hier nicht weiterhilft. Um genau zu sein, ist das nämlich der, der einen ignoriert, wenn man ihn am nötigsten hat. Weder Gott noch die Kirche hat mir je geholfen. Aber wenn Sie eine Rechtfertigung haben wollen, weshalb ich Ginger zurück gelassen hätte, zitiere ich gerne erneut ‘Aug‘ um Aug‘, Zahn um Zahn.‘ Ich bin mir sicher, auch das können sie in der lateinischen Sprache weiter ausführen.“
Sie war sich sicher, dass ihre Hände so sehr geballt waren, dass ihre Fingerknöchel weiß hervor sprangen. Sie atmete noch einmal tief durch, bevor sie weitersprach. “Charles. Mir ist bewusst, dass es um Leben und Tod ging. Glauben Sie mir, vielleicht wusste ich das beim Anblick von Leeland besser, als Sie es sich vorstellen können. Eben das war der Grund, weshalb ich versuchte Sie und Johanna wegzuschicken.“
Hat sich die Katze da was ausgesucht, was zu groß ist? Ist das Mäuschen plötzlich größer als die Katze? Hm? Thihihihi. Es kommt eben doch auf die Größe an. Der Beute meine ich natürlich. Hihihihihihihi. Fang das Mäuschen wieder ein, bevor es zur Katze wird. Los…
Sie lehnte ihren Schirm gegen die Wand der Kutsche, gerade als diese über einen Stein fuhr, oder aber durch ein Loch in der Straße durchgeschüttelt wurde, er schlug unabsichtlich gegen das Bein von Charles, wenn auch nur ganz leicht. “Huch. Verdammt! Verzeihung!“ sagte sie schnell bevor sie den Schirm mit ihrem Bein festklemmte. Sie strich sich mit den Händen durch das Gesicht, nach dem sie sich unauffällig versichert hatte, dass sie keine halbmondförmigen blutenden Verletzungen ihrer Fingernägel davon getragen hatte, und ließ diese fast kraftlos in ihren Schoss fallen. Sie war noch immer wütend, aber sie überlegte, wie sie die Situation entspannen könnte. “Gut. Halten wir fest: Sie sind wütend. Ich bin es auch. Aber ich möchte noch sagen, dass ich ganz sicher nicht aus Trotz gehandelt habe. Das nun wirklich nicht. Ob sie mir das nun glauben…oder nicht, es ist die Wahrheit.“ Schließlich verschränkte sie die Hände in einander und legte sie in den Nacken.
“Halten wir es wie im Krieg. Ich wäre sicher ein guter Soldat geworden. Sie befehlen. Ich folge.“ Hihihihihi. Das wäre was Neues!
“Zumindest auf dem Schlachtfeld.“ Sie hoffte das Streitgespräch damit etwas abgekühlt zu haben, sie war auf Grund der Entwicklung zwischen ihr und Charles deprimiert gestimmt. Ihre Stimme war durch diesen Umstand etwas dunkler als sonst. "Waffenstillstand?" Ob das was sie gesagt hatte, der Wahrheit entsprechen würde, würde sich noch zeigen.
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Scáth Di Mai 21 2013, 10:28

Wieder legte Johanna eine Hand auf ihren Bauch. Der Name Leeland war in den letzten Minuten zu oft genannt worden und die holprige Fahrt verstärkte die Übelkeit, die sich wieder einen Weg durch ihren Körper bahnte. Johanna hatte den Blick, den Melinda ihr zugeworfen hatte nicht verpasst. Ein kleines, braves und gehorsames Mädchen war sie also in ihren Augen. Johanna schüttelte kaum merklich den Kopf, und schnaufte leise, aber energisch. Es war kaum zu übersehen das Melinda sich für etwas besseres hielt und auch keine Probleme damit hatte, dies jemandem zu zeigen, vor allem denen, die sie nicht leiden kann. Ob man dieses Verhalten erwachsen nennen konnte, wusste Johanna gerade nicht. Sie wusste nur, dass sie anders mit vielen Dingen umging und auch anders handelte.
Die Dinge die Charles von sich gab, verwirrten Johanna teilweise. Vor allem dann, wenn er begann auf Latein zu zitieren. Vermutlich würde Melinda dies genauso wenig verstehen wie Johanna selbst, weshalb sie sich fragte, wieso Charles es überhaupt tat. Johanna wollte zwar nicht denken, das es lächerlich war, fand es dann aber doch etwas komisch.
Das Gespräch zwischen Melinda und Charles schien sich zu beruhigen, auch wenn man merken konnte, das nun eine Spannung zwischen den Beiden herrschte, die den Streit jeden Moment wieder auslösen konnte.
"Verzeihung, dass ich das Gespräch unterbreche..", begann Johanna und sah sowohl Melinda als auch Charles kurz entschuldigend an.
"Es tut mit mehr als nur leid, dass ich gelogen habe. Ich bereue es, auch wenn meine Absicht war einen Streit wie diesen zu vermeiden, oder wenigstens zu entschärfen. Mir tut es ebenfalls Leid, dass ich nicht gehört habe, als Sie beide gesagt haben, ich solle verschwinden.", Johanna unterbrach kurz und runzelte die Stirn. Der letzte Satz schien ihr etwas bizarr, immerhin war sie kein Hund, der einem Morgens mal eben die Zeitung brachte, wenn Herrchen das befahl.
"..nunja..was das...Ereignis vorhin betrifft..", setzte Johanna fort. Ihre Hände kneteten mittlerweile nervös den Stoff ihres Kleides, während sie versuchte das Bild vom toten Leeland aus dem Kopf zu bekommen. "Vielleicht war es gar nicht so schlecht, das ich das mitbekommen habe...ich habe so das Gefühl, dass ich das, in Anbetracht der bevorstehenden Revolution, etwas öfter sehen werde als es mir lieb ist. Und es wäre vielleicht geschickt nicht jedes mal in eine Schockstarre zu verfallen, wenn sowas passiert..". Johanna hatte ziemlich schnell gesprochen, wie es ihr erst gegen Ende des Satzes aufgefallen war. Sie wollte das alles vergessen, wollte endlich aufhören können zu zittern. Doch sie fand, dass es nötig war das zu sagen.
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Umbra Do Mai 23 2013, 00:05

Charles unterließ es, darauf hinzuweisen, dass „Aug‘ um Aug‘, Zahn um Zahn“ nicht als Racherechtfertigung gedacht war, sondern als biblische Anweisung, wie mit Mördern und anderen Schwerverbrechern umzugehen war – und, nebenbei, „oculum pro oculum dentem pro dente“ im Lateinischen heißen würde. In der Tat, er hätte es weiter ausführen können, seinetwegen hätte auch komplett ohne zu zitieren auf Latein weiterreden können, denn diese vermaledeite, nicht mehr vorherrschende, aber immer noch verbreitete Sprache der Wissenschaft hatte man ihm in seiner Kindheit förmlich eingeprügelt. Aber er war es leid, diese Diskussion mit Melinda überhaupt zu führen – einmal abgesehen davon, dass sie vermutlich kein lateinisches Wort verstanden hätte und aufgrund dieser Provokation noch wütender geworden wäre. Dass sie es war, entging ihm durchaus nicht.
Zu versuchen, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen, auch wenn die Erwähnung von Ginger hauptsächlich eines dieser Dinge gewesen war, die einem herausrutschten – etwas in der Art, das einem, aufgewühlt wie man war, eben einfach über die Lippen kam –, hatte offenbar nicht funktioniert. Dennoch entsprach es natürlich der Wahrheit, dass ihn zum Nachdenken gebracht hatte und missfiel, dass Melinda ihrer (nun vermutlich) ehemaligen Mitbewohnerin Handschellen angelegt hatte. Charles hatte eigentlich nicht vorgehabt, Ms. Bolt nach dem Verlassen des mit Constable Smithsons Blut getränkten Raums noch einmal darauf anzusprechen. Eigentlich.
Nun erwiderte er nichts auf den ersten Teil ihrer Ausführung, sondern versuchte, mit seinem eigenen unergründlichen Blick aus ihr schlau zu werden. Er nahm ihre Wut wahr, ihre Ungeduld. Ihre Entschlossenheit, ihre Eigensinnigkeit, ihre Schönheit und die Art, wie sie ihr Gesicht anspannte, wenn sie bedacht war, ihren Ärger zu beherrschen.
Charles hatte Melinda nicht verärgern oder mit ihr streiten, sondern sie zur Rede stellen wollen. Ob ihm das Ergebnis gefiel, spielte keine große Rolle. Er akzeptierte ihre Erklärung und ihre Angst um ihn. Er hätte ihr dies nicht zum Vorwurf machen dürften – schließlich hatte auch er aus Angst um sie gehandelt wie er gehandelt hatte. Beides war ihr bewusst, beides war ihm bewusst.
Charles würde nicht wieder davon anfangen – erst einmal.
Auch holte ihn Melindas Regenschirm, der gegen sein Bein rutschte, aus seinen Gedanken. Der Schirm verfehlte zufälligerweise und nur knapp einen der bestimmt zahlreichen Blutergüsse, die nun seinen Körper von oben bis unten verunstalteten, und tat ihm deswegen nicht weh.
Murmelnd erwiderte Charles Melinda etwas auf ihre Entschuldigung, wahrscheinlich sollte es die Versicherung sein, dass ihm das nichts ausmache. Ihm ging es nicht besonders gut. Da waren der allgegenwärtige Schmerz und die körperliche Mattheit auf einer Seite, doch damit kam er zurecht. Die Kutschfahrt trug schon mehr dazu bei, dass ihm auf anderer Ebene nicht wohl war. Er spürte seinen Puls in seiner Augenbraue, die der Bobby durch dessen Kopfnuss zum Aufplatzen gebracht hatte, und auch seine bereits vernähte Kopfverletzung brannte und gab ihm leichten Anlass zu Beunruhigung. Sein allgemeiner Zustand behagte ihm nicht, auch wenn er versuchte, Gelassenheit auszustrahlen. Trotz all der Schwäche spürte er noch einen Vorrat an Kraft in sich, auf den er zurückgreifen konnte. Wenn er wollte, war er aus hartem Holz geschnitzt. Es war alles eine Frage des Willens.
Aufmerksam hörte er Melinda weiterhin zu. Aufmerksam, aber dennoch eher beiläufig, folgten seine Augen der Bewegung ihrer Hände und blieb kurz an ihrem blassen, anmutigen Hals hängen, als sie diese in ihren Nacken legte, bevor sie wieder ihr Gesicht fixierten. Melinda hatte nun vollkommen eingelenkt und machte ihm das Zugeständnis, ihm im Ernstfall zu gehorchen. Er glaubte ihr, nicht aus Trotz gehandelt zu haben, und nickte akzeptierend, nicht lächelnd, aber auch nicht mehr düster dreinblickend, als sie ihm einen Waffenstillstand anbot, denn das war ganz in seinem Sinn. Doch als er dazu zu einer Antwort ansetzen wollte, mischte sich nun Johanna ein und schnitt ihm das Wort ab, bevor er dazu kam. Er ließ seine Tochter, die sehr aufgekratzt wirkte, jedoch sagen, was sie zu sagen hatte.
Bevor Charles auf Johanna reagierte, wandte er sich noch kurz Melinda zu, um auszusprechen, was er ihr hatte erwidern wollen.
„Ich bin nicht wütend“, versicherte er ruhig und suchte Augenkontakt.
„Nicht mehr. Verzeihen Sie, ich… ich bin müde und“, ein sanftes, aber bitteres Lächeln zuckte kurz über sein Gesicht, „voller Sorge. Es war unrecht von mir, dies an Ihnen auszulassen.“
Dann wandte er sich Johanna zu, die er mit in Falten gelegter Stirn Blick musterte.
„Was dich betrifft: Ich akzeptiere deine Entschuldigung, dennoch sehe ich, dass dich die Geschehnisse in diesem Zimmer beschäftigen. Das ist nichts, wofür du dich schämen müsstest“, stellte er klar.
„Nein, halte daran fest, denn dass dich dies erschüttert, ist doch wünschenswert. Es stimmt, es wird leichter, damit umzugehen, je öfter man jemanden sterben sieht, jedoch darf man dabei nicht vergessen, was der Tod bedeutet. Jemanden zu töten sollte stets nur der letzte Ausweg sein, ein erforderliches Übel, egal, was der Betroffene deiner Ansicht nach verdient hat, und egal, was man mit seinem Tod erreichen möchte. Vergiss das nie.“
Charles ließ seine Tochter darüber nachdenken, lehnte sich zurück und seinen Kopf an die Wand des Wagens. Er sah hinaus, versuchte er erkennen, wo sie gerade waren, und fand auch schnell einen Fixpunkt.

Die nächsten Minuten verbrachten die Passagiere der von David Bell gesteuerten Hackney weitestgehend schweigend. Johanna kämpfte mit der Übelkeit, Charles auch, obwohl dies sich bei ihm zum Glück in Grenzen hielt, denn vielmehr lenkten ihn Gedanken ab, denen er in sich gekehrt nachging. Schließlich gab er dem jungen Kutscher ein paar letzte Richtungsanweisungen und danach die Aufforderung, anzuhalten.
Charles sah seine Begleiterinnen an und schenkte ihnen nun ein Lächeln.
„Auch ich habe noch einige Habseligkeiten, die ich lieber bei mir wüsste, deswegen machen wir hier einen kleinen Zwischenhalt. Ich hoffe, das ist in eurem Sinne. Vielleicht“, äußerte er, „wäre es besser, wenn ihr mitkommt. Vermutlich werde ich ein wenig Zeit brauchen.“
Dann nickte er und nahm seine Hände stützend zur Hilfe, um aufzustehen. Die Kutsche schaukelte.
Bevor Charles ausstieg, vergewisserte er sich, dass er dabei niemandem in die Arme lief. Doch es befand sich weder irgendein Passant in direkter, noch in indirekter Nähe des Wagens. David wollte ihm zur Hilfe kommen, denn trotz des vielen fremden Bluts, das an Charles klebte, war es dem jungen Mann nicht entgangen, dass er verletzt war. Zu stolz, um sich von dem Burschen stützen zu lassen, wies Charles diesen ab, befreite sich aus dessen Griff und ermahnte ihn, stattdessen lieber die Augen offen zu halten. Wie um zu betonen, dass Charles keine Hilfe annahm, weil er sie nicht brauchte, straffte er sich würdevoll und rückte mit einer Bewegung sein blutgetränktes Jackett zurecht, bevor er den Damen erneut die Hand reichte – dieses Mal, um ihnen den Ausstieg aus der Kutsche hinaus zu erleichtern.
Sie befanden sich in einer Gegend, die Whitechapel nur im Entferntesten ähnelte. Ihr Weg hatte sie nach Westen geführt, zurück ins Stadtzentrum. Diese Gegend gehörte im Grunde noch zu Soho, jedoch zu einer der einigermaßen respektierlichen Ecken, und das sah man ihr auch an.
Charles vergewisserte sich, dass auch David mitkam, bevor er voranschritt. Einige Atemzüge außerhalb der Kutsche genügten ihm, um das schummrige Gefühl in seiner Magengegend zu vertreiben. Während er auf seinen Zielort zusteuerte, gab es noch einige Dinge, die er lieber erwähnen wollte, bevor es zu Problemen kommen konnte.
„Ich habe eine Wohnung hier. Nun, selbstverständlich weiß niemand der anderen Hausbewohner, dass ich es bin, der sie gemietet hat, und ich würde es auch begrüßen, wenn es dabei bleibt. Verhaltet euch im Treppenhaus einfach so still wie möglich. Besonders…“, er überlegte einen kurzen Augenblick, wie er sein Anliegen formulieren sollte.
„… Damenbesuch“, sagte Charles dann etwas verlegen, „wird hier sehr ungern gesehen, also versucht einfach, keine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, und sprecht nicht, bis wir in meiner Wohnung sind.“
Charles fischte einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche, als er auf die Eingangstür eines mehrstöckigen, ansehnlichen Reihenhauses zusteuerte. Er wählte den richtigen aus, drehte ihm im Schloss herum und spähte erst vorsichtig in den Flur, bevor er über die Schwelle trat und seine Begleitung hineinwinkte.
Er war dankbar dafür, London aussperren zu können, denn innerhalb des Hauses fühlte er sich geschützter vor Blicken. Da er draußen nirgends erschrockene Schreie aufgenommen hatte, nahm er an, dass sie – oder eher er – unentdeckt geblieben waren. Auch im schwarz-weiß-kariert gefliesten Hausflur war es ruhig. Tageslicht erhellte diesen und offenbarte eine schmale Treppe aus dunklem Holz, die, wie an die in gedämpftem Grün tapezierte Wand gelehnt, in die oberen Etagen führte.
„Zweiter Stock“, nannte Charles den anderen flüsternd das Ziel. Unglücklicherweise bedeutete dies, dass er sich nun die Treppen würde hinaufschleppen müssen.
Obwohl die Umstände besonders und nicht die besten waren, vergaß Charles seine guten Manieren nicht und ging trotzdem, wenn auch alles andere als leichtfüßig, voran. Er brachte die Schritte von der Haustür bis zur Treppe, über deren Stufen ein dunkelroter Teppich gespannt war, hinter sich und nahm das Hindernis in Angriff. Er war darauf bedacht, nicht zu langsam zu werden, biss einfach die Zähne zusammen, und suchte am Geländer Halt.
Gemälde begleiteten die vier auf dem Weg nach oben und offenbarten Panoramen von landschaftlichen Idyllen wie sie wohl so mancher Städter noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Charles interessierten diese Bilder wie immer herzlich wenig, denn er konzentrierte sich darauf, leise zu sein, auch wenn ihm das aktuell nicht leicht fiel. Oben angekommen, schnaufte und brummelte er bereits vor sich hin, während er die Wohnungstür aufsperrte und seine Gäste hineinließ.
Hatte der Flur schon gezeigt, dass dieses Haus nicht unbedingt für die Unterbringung von Arbeiterfamilien gedacht war, verdeutlichte dies Charles‘ Bleibe umso mehr – auch wenn, was den Grad an Luxus betraf, natürlich noch viel Platz nach oben war.
Nach dem Durchschreiten der Tür standen alle erst einmal in einem weitläufigen Wohnraum mit viel Mahagoni und hoher, stuckverzierter Decke, in dem Melindas Zimmer bestimmt vier- oder fünfmal Platz gefunden. Es war stilvoll eingerichtet, mit edlen Teppichen, einem Kamin, einer Sitzgruppe um einen niedrigen Tisch herum, die aus einer Couch und gepolsterten Stühlen, die schon eher Sesseln ähnelten, bestand, einem Wandschrank, einer Kommode, einem Sekretär, auf dem Werkzeuge und ein Haufen kleiner metallener Bauteile erkennbar waren, und diversen anderen Möbeln, die das Zimmer dann doch etwas überladen wirken ließen. Obwohl bestimmt kein einziges Staubkorn zu finden war und die Grundgerüst des sich hier bietenden Bildes an sich aufgeräumt wirkte, herrschte dennoch ein schier heilloses Durcheinander, das sich über den ganzen Wohnraum verteilte und offenbar hauptsächlich aus Papierkram zu bestehen schien, der sich entweder stapelte oder verteilt im Raum irgendwo wieder fand: am Boden, auf und unter Möbeln oder mit Nadeln an die Wände gepinnt – und das in solchem Maße, dass man meinen könnte, dass Charles das Ziel verfolgt haben könnte, auf unkonventionelle Weise neu zu tapezieren.
Vieles davon schienen ausgeschnittene Zeitungsartikel zu sein, allesamt mit farbig markierten, unterstrichenen oder auch durchgestrichenen Passagen, anderes waren handgeschriebene Notizen in bekannten, akribisch geschwungenen Buchstaben oder hingegen fast schon kryptischen Zeichen, einige von Charles eigens säuberlich angefertigten Skizzen waren darunter, Gebäudepläne und Straßenkarten, teils ebenfalls mit Markierungen, Akten wie jene, mit denen Charles auch in Hills Haus hantiert hatte, Unmengen an Büchern…
Kaum hatte Charles die Tür geschlossen, rauschte er auch schon zur anderen Seite des Raumes zu, wo er kurz stehen blieb, etwas unschlüssig, bevor er in einem benachbarten Zimmer verschwand – offenbar einem von zwei, die eine direkte Verbindung zum Wohnraum besaßen.
„Verzeiht die Unordnung!“, rief er von dort halblaut, während er schon auf dem Boden kniete und unter dem sich dort befindlichen Doppelbett, in dem er schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr geschlafen hatte, nach seinem Koffer fischte.
„Hätte ich geahnt, Gäste hier zu empfangen, hätte ich etwas Platz geschaffen...“
Etwas, gerade seine eigene Unterkunft, unaufgeräumt zurückzulassen, war eigentlich nicht seine Art. Aber auch wenn er den Zustand seiner Wohnung „Unordnung“ nannte, hatte er dennoch ein System dahinter. Was hier überall verstreut herumlag, war in letzter Zeit seine Beschäftigung gewesen – neben den Beobachtungen, die er durchgeführt hat, und den Phasen, in denen er in Selbstmitleid versunken oder nach tagelanger Schlafabstinenz wie ein Bewusstloser ins Bett gefallen war, um diesen nachzuholen und Kraft zu schöpfen.
„... oder etwas besorgt, was ich euch hätte anbieten können“, fuhr er fort.
„Ich… ich habe leider nicht viel hier, aber fühlt euch nur wie Daheim und macht es euch bequem. Wie wäre es mit einem Whisky, David?“
Charles überlegte kurz, während er den noch leeren Koffer nun auf das Bett schob.
„In der Glasvitrine müsste eigentlich noch eine Flasche stehen“, war er sich dann zumindest einigermaßen sicher, während er wieder aufstand und in den Wohnraum zurückkehrte, um anzufangen, einige Sachen einzusammeln. „Bediene dich ruhig.“
„Ja, danke, Boss!“, antwortete der junge Kutscher hörbar aufrichtig. Bisher hatte er einige Schritte in den Wohnraum hineingemacht, sich erst einmal eher zögerlich und mit verwunderter Miene umgesehen und dabei darauf geachtet, auf nichts womöglich Wichtiges zu treten.
Nun warf David Bell jedoch, erst einmal ohne im Chaos nach dem versprochenem Hochprozentigen zu suchen, nachdem er auch Charles etwas zerstreutes Hin- und Hergelaufe kurz verfolgt hatte, Melinda und Johanna einen fragenden Blick zu, aus dem eindeutig Verwirrung herauszulesen war.
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Beitrag von Elli Fr Mai 24 2013, 16:32

Das Charles keine großen Worte mehr erwiderte, stimmte Melinda etwas optimistischer. Sie war für wahr kein braves folgenden Hausmütterchen, dass genau das tut, was ein Mann von ihr erwartet hatte, aber so wie es aussah, würde sie sich noch länger in seiner Nähe aufhalten. Genau das wollte sie auch, wenn sie darüber nachdachte. Aber dafür musste es zumindest einigermaßen friedlich zugehen. Sie schätze dass sie das mit Charles durch aus schaffen würde, was die anderen betraf, schwankte sie eher. Im Hinblick auf Johanna, hatte sie kein gutes Gefühl. Melinda und sie hatten eine so unterschiedliche Vorstellung vom Leben, dass ein gemeinsamer Nenner wohl kaum zu finden war. Sie verstand die übertriebenen Eifersucht noch immer nicht. Sie folgte Norly die Treppe hinauf, seine schwerfälligen Bewegungen fielen ihr auf. Sie sagte jedoch nichts, ihm ihre Hilfe anzubieten, wäre ihm sicher unangenehm. Das würde nicht zu seinem Verhalten, nämlich ganz der Gentleman, passen. Nachdem die Tür aufgeschlossen war, rauschte Charles durch die Räume und Melinda sah im schweigend hinterher. Sie öffnete ihren Mantel und warf ihn über die Couch. Ihr Blick wanderte durch das geräumige Wohnzimmer, mit seinen eleganten und sicherlich teuren Möbeln. Luxus dieser Art war ihr nicht unbekannt, doch überraschte er sie. Der Ausdrucksweise nach zu urteilen, war Melinda das gute Elternhaus aus dem er stammen musste nicht entgangen, dennoch war sie erstaunt. Das hier hatte sie sicher nicht erwartet. Könnte ein guter Fang sein. Das Mäuschen muss nur noch in die Falle. Hihihihihihi. Obwohl das Wohnzimmer für ihr Verständnis einigermaßen ordentlich war, hatte Charles sich eingangs für die Unordnung entschuldigt. Sicher wäre es besser nicht zu wissen, was er von ihrer Wohnung gehalten hatte. Wohnung? Das kann man wohl kaum so nennen. Drecksloch würde besser passen. Pah!
Setzen wollte sie sich nicht, sie hatte zwar beileibe nicht so viel Blut abbekommen wie Charles, aber sie spürte wie der Saum des Kleides schwer vom Blut gegen ihre Waden schlug. Sie würde es auswaschen müssen, eine Alternative hatte sie nicht. Glücklicherweise war das Kleid schwarz, so dass keine Flecken zu sehen sein würden, die doch recht auffällig sein könnten. Sie blickte sich um, der Tatsache bewusst, dass der Kutscher David, sie fragend an sah. Sie legte ihren Kopf zur Seite. “Ja, ich würde auch einen nehmen, wenn Sie ihn denn gefunden haben.“ Sicherlich war das nicht die Information die sich der junge Mann erhofft hatte, aber eine andere würde er nicht bekommen. Vermutlich hätte sie ihn in wenigen Augenblicken um ihren kleinen Finger wickeln können, aber ihr war gerade nicht danach.
Sie schlenderte durch das den Wohnraum, als ihr Blick auf die Tür fiel. Ihre Augenbrauen zuckten erstaunt nach oben, als sie sich gewahr wurde, was sie vor sich sah. Sie war nicht durch eine einfache Holztür eingetreten, nein, stattdessen handelte es sich um eine Art Sicherheitstür. Charles hatte Vorkehrungen getroffen stellte sie anerkennend fest und trat an die metallverkleidete Fläche heran, um sie näher in Augenschein zu nehmen. Sie bemerkte die Gewichte die herunterhingen und noch leicht in Bewegung waren, vermutlich hervor gerufen, durch das Aufschließen der Tür vor einigen Augenblicken. Ihre Blicke wanderten, begleitet von ihren Fingern sanft über die Tür und blieb an den Riegeln hängen. Sie nahm den leichten Geruch von Öl war, das wohl das Gleiten der unzähligen Riegel gewährleistete. Sie verfolgte eine Reihe von Zahnrädern, durch sanftes Berühren und spürte die leicht fettige Oberfläche. Sie lächelte, sie hatte sich schon immer für Dinge dieser Art begeistern können. Als ihre Augen schließlich einen Hebel erfassten, betätigte sie diesen leicht und hörte das metallische Scharren der Riegel, die die Tür verschlossen. Bewundernd pfiff sie leise durch die Zähne, bevor sie sich wieder den anderen beiden zu wand. Sie rieb ihren Daumen gegen die Fingerspitzen.
“Ah. Öl. Ich werde es abwaschen gehen.“ Sie ging eher zufällig auf eine der Türen zu und warf einen Blick hinein, sie hatte die Küche gefunden. Prinzipiell natürlich ein geeigneter Ort um sich die Hände zu waschen, aber Melinda hatte nach etwas anderem als der Küche gesucht. Ein Blick in ein weiteres Zimmer, ließ sie das Schlafzimmer finden in dem sich Charles gerade befand, direkt dahinter erkannte sie eine Tür die ins Bad führte. Jackpot Baby! Da könnte man doch ein bisschen was draus machen!
Schnell schob sie sich durch die Tür und räusperte sich, während sie auf Charles zu ging. “Diese Tür ist wirklich faszinierend. Dummerweise bin ich bei der Betrachtung etwas ölig geworden, ich bin so frei Ihr Bad zu nutzen.“ Ihr Blick wanderte über das Bett und den Nachttisch. Ihr fiel eine leere Flasche Scotch auf dem Nachtschrank auf, ebenso wie ein leeres Glas daneben, es schien nicht recht in die akribische Ordnung, die hier vorherrschte, zu passen. Ihr huschte die Frage durch den Kopf, ob sie wohl in den Genuss kommen würde, ein solches Luxusbett, insbesondere dieses unter ihrem Körper zu spüren, sprach jedoch weiter. “Das mit ihrem Anzug tut mir wirklich leid, ich würde ja anbieten, das Blut auszuwaschen, aber ich befürchte, das wird kaum möglich sein. Bei meinem Kleid könnte ich Glück haben. Ich werde es nachher versuchen bei Randolph wieder ansehnlich zu bekommen. Ich bin mir sicher, ich finde jemandem der mir aus dem Kleid hinaus hilft.“ Sie zwinkerte ihm lächelnd zu. Sie erinnerte sich gut daran, was sie ihm versprochen hatte. Komm Mäuschen. Komm.
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Beitrag von Scáth Fr Mai 24 2013, 19:19

Johanna war erstaunt über die Wohnung von Charles. Sie hatte nicht erwartet etwas so luxuriöses zu Gesicht zu bekommen, schon allein wegen der Tatsache, dass er die meist gesuchte Person Londons war.
Charles humpelte eher die Treppen hinauf, als das er sie lief und Johanna blickte ihm besorgt hinterher. Mehrmals hielt sie ihre Hände vor sich, bereit dazu ihn aufzufangen, sollte er nach hinten fallen, denn den Anschein machte er oft genug. Doch er schaffte es, genauso wie die Anderen, schließlich hinauf in die Wohnung. Das dort etwas Chaos herrschte, zumindest im Wohnbereich, brachte Johanna jedoch zum schmunzeln. Charles machte sich gleich an die Arbeit und huschte durch die Wohnung, während er wichtige Dinge zusammenpackte. Melinda hatte sich gleich einen Whiskey bestellt, und auch Johanna gab dem Kutscher zu verstehen, dass sie ein Glas trinken würde. Obwohl sie nicht oft Alkohol trank, war sie gerade im Moment nicht abgeneigt, dies zu tun, in der Hoffnung dieser würde die Bilder in ihrem Kopf wenigstens etwas unscharf machen. Kaum zwei Minuten waren vergangen, als sie ein Glas Whiskey in die Hand gedrückt bekam. Johanna nickte dem Kutscher dankend zu, gab ihm das Glas dann allerdings wieder, da sie es sich doch anders überlegt hatte. David hatte ein weiteres Glas mit Whiskey gefüllt, wahrscheinlich um es gleich Melinda zu bringen. Johanna allerdings wandte sich von ihm ab und betrachtete nicht gerade uninteressiert das Chaos, dass sich in diesem Raum ausgebreitet hatte. Melinda war verschwunden, ins Bad, das hatte sie zumindest gesagt. Johanna warf wie sie zuvor einen Blick in die Küche. Diese schien aber wie leer gefegt und Johanna war sich sicher in den Schränken kaum etwas interessantes finden zu können, weshalb sie sich gleich abwandte, und zur anderen Tür lief.
...finde jemanden der mir aus dem Kleid hinaus hilft`, war der erste und bis jetzt letzte Satz, den Johanna aus dem Raum, der sich hinter der Tür verbarg, hören konnte. Johannas Miene verfinsterte sich augenblicklich. Keine fünf Minuten. Nein, nicht mal zwei Minuten konnte man Melinda bei Charles lassen, ohne das diese wieder der Meinung war sie müsste ihren Beruf ausüben. Und Johanna war sich nun endgültig sicher, dass sie es meiden würde eine der Beiden auch nur eine Minute allein zu lassen. David stand mittlerweile neben ihr, wollte gerade an ihr vorbei gehen, doch Johanna hielt ihn an. Sie zwang sich zu einem Lächeln. "Könnte ich Sie um einen gefallen bitten?", begann Johanna, wartete jedoch keine Antwort ab. "Könnten Sie hier vielleicht irgendwo ein paar Zigaretten auftreiben? Wäre doch gelacht, wenn der liebe Mr. Norly in diesem Chaos keine versteckt hätte..".
Johanna wartete auch diesmal keine Antwort ab, zwang sich nur noch einmal zu einem Lächeln, bevor ihre Miene wieder ernst wurde. Sie trat in Charles Schlafzimmer, räusperte sich dann kurz, damit man merkte, das sie anwesend war.
"Soll ich helfen?", fragte sie kurz, an Charles gewandt.
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Beitrag von Druzil Fr Mai 24 2013, 21:41

Alan bog mit pumpendem Herz und japsendem Atem in die Gasse ein. Sie war doch nicht so klein wie vermutet, reichte aber nicht weit, sondern schien sich nach wenigen Häusern erneut zu gabeln.
Hier gab es wenig zu sehen und keine Versteckmöglichkeiten. Tausend Gedanken schossen durch seinen Kopf. Er musste die Waffe loswerden. Musste er? Er war ein Mörder. War er? Was würde als nächstes geschehen? Er musste zum Haus des Doktors und die anderen warnen, falls die Bullen auf dumme Gedanken kamen und der Bude einen Besuch abstatteten. Gott, er wollte Norly nicht sehen. Besonders jetzt nicht. Er brauchte Schnaps. Viel Schnaps. Und ... einen Priester vielleicht? Gott? Würde er gnädig sein, würde er vergeben? Wohl kaum. Er bekam es mit der Angst zu tun. Einer Angst, die aus tieferen Gründen rührte, als die Furcht vor der Polizeibande in seinem Nacken.
Ein Junge kam aus einem der Häuser. Unter seinem Arm trug er ein dickes Bündel Papier. Ein Zeitungsjunge!
"He Bursche!", rief er und eilte auf den überraschten Jungen zu.
Alan kramte in seinen Taschen und fischte ein paar Münzen hervor. Er wusste nicht wieviel es war, aber vermutlich mehr als der Junge an diesem Tag verdienen würde.
"Die sind für dich, wenn du denen hinter mir sagst, dass ich rechts abgebogen bin."
Er drückte ihm das Geld in die Hand und rannte.
Hoffte, rannte und bog nach Links ab.
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Beitrag von Umbra Sa Mai 25 2013, 19:24

Tatsächlich schien der Zeitungsjunge Alan den Gefallen getan zu haben, und hatte dessen Verfolger in die falsche Richtung geschickt. Schon bald hörte der flüchtige Mörder keine Rufe und kein hektischen Fußgetrappel in seinem Rücken. Dennoch rannte er weiter und weiter – bis ihm schließlich endgültig die Puste wegblieb und er sich an eine Wand lehnen musste, um vor Erschöpfung und Seitenstichen nicht in die Knie zu sacken.
Keuchend und noch etwas ungläubig sah er sich um. Er hatte die Bobbies wirklich abgehängt.

- - - - -

David war etwas unzufrieden mit der Antwort, die Melinda ihm auf seinen fragenden Blick gab, denn statt einer Whiskybestellung hatte er sicherlich wissen wollen, was in Charles gefahren war, der in vermutlich gerade neben sich stand und etwas aus der Rolle fiel, was Melinda und Johanna in dessen Gesellschaft zu suchen hatten und was es denn nun allgemein mit der Scarface-Sache auf sich hatte. Dennoch ging der leichte Unmut des Kutschers in einer verlegenen Reaktion unter, denn war es schon zuvor erkennbar gewesen, dass Melinda eine Prostituierte war, hatte sie mit dem Ablegen ihres Mantels den Ausblick auf Stellen eröffnet, die eine Dame nie in der Öffentlichkeit zur Schau stellen würde. Auch wenn David ein einfacher Mann zu sein schien, besaß er dennoch genügend Anstand, (erneut) rot zu werden und den Blick zu senken, um dann auch Johannas Bestellung anzunehmen und anschließend nach dem versprochenen Alkohol zu suchen. Was der Kutscher genau von den jungen Frauen hatte wissen wollen, würden diese vermutlich erst einmal nicht erfahren.

Während Melinda und Johanna durch die Wohnung liefen, zog David eine bereits angebrochene und gut geleerte Flasche schottischen Whiskys, dem nur wenige Jahre fehlten, um so alt zu sein wie er selbst, und goss zuerst den Frauen ein. Dass Johanna dann doch ablehnte, kommentierte er mir einem Schulterzucken und führte das eigentlich für sie bestimmte Glas an seinen eigenen Mund, um vorsichtig daran zu nippen und sich gemächlich und mit sichtbarem Interesse für Charles‘ Zettelwirtschaft aufzumachen, Melinda das andere zu bringen.

Charles war unterdessen mit dem Zusammensuchen seiner wichtigsten Habseligkeiten etwas weiter gekommen. Dennoch war er noch bei dem Punkt, mit dem er begonnen hatte: seiner Kleidung – die zur Verfügung zu haben, war auf jeden Fall von Vorteil.
Er hatte verhältnismäßig nicht mehr viel, was er nun wieder einpacken konnte, weil er einerseits durch seine gestrige Kopfverletzung einige Stücke ruiniert hatte und andererseits auch das, was er nun am Leib trug, durch das Blut des Polizisten wohl nicht mehr zu retten war. Es war wirklich schade darum, er hatte gutes Geld beim Schneider seines Vertrauens dafür gezahlt und die Sachen hatten ihm, ohne eitel klingen zu wollen, geschmeichelt. Doch es brachte nichts, deswegen zu jammern.
Übrig blieben Unterwäsche, Socken, einige Krawatten, eine Handvoll Hemden, zwei Alltagsanzüge, sein schwarzer Abendanzug… und die noch brauchbaren Kleidungsstücke, die er in Eile am heutigen Morgen aus seinem Seesack gezogen, sich aber dann doch Zeit genommen hatte, sie behelfsmäßig durchgespült, weil sie verdreckt gewesen waren und nach Schnaps gestunken hatten – zusammengefasst ein Hemd, zwei Hosen, zwei Jacketts und eine Weste. Er müsste sie wohl bei anderer Gelegenheit richtig reinigen. Nun würden sie erst einmal in dem Zustand, in dem sie waren, ihren Weg in den Koffer finden.
Charles wollte gerade ins Bad gehen, um die dort aufgehängten (und hoffentlich schon getrockneten) Sachen zu holen, als Melinda auf sich aufmerksam machte. Er hielt inne und schenkte ihr nicht nur wegen ihres Kompliments für die Tür herzliches Lächeln. An dem Riegelmechanismus hatte er eine Weile getüftelt, sodass sich die Tür nun durch Kopplung mit dem normalen Türschloss auch von außen per Schlüssel sichern lassen konnte – die selbst angefertigten Planskizzen dazu lagen bestimmt noch irgendwo unter anderen Dingen verborgen im Wohnzimmer.
Natürlich wollte Charles Melinda den Vortritt lassen und würde warten, bis sie im Bad fertig war, bevor er sich um seine Besorgungen dort kümmerte. Er versicherte ihr höflich und ehrlich, dass sein Anzug ein vergleichsweise geringer Schaden war, den er angesichts dessen, was sonst hätte passieren können, gerne in Kauf nahm – auch wenn er ihr dafür dankte, dass sie zumindest angeboten hätte, seine Kleidung zu retten, wenn dies im Bereich des Möglichen gewesen wäre. An Ms. Bolts schwarzem Kleid hingegen, war Charles sich sicher, würden die Blutflecken bestimmt nicht auffallen, wenn sie es reinigen würde.
Die Natur ihres letzten Satzes, den sie an ihn richtete, und das Angebot, das dahintersteckte, löste in Charles eine Hitzewelle aus. Wären David und Johanna nicht hier… Nein, er durfte nicht daran denken, ermahnte er sich, denn er wollte sich jetzt nicht in eine peinliche Situation bringen. Sein Blut war in seinem bestimmt nun roten Kopf besser aufgehoben als anderswo. Melinda zwinkerte ihm zu und ihm blieben die Worte weg. Er brachte es nur zustande, als Antwort lächelnd auszuatmen, bevor sie im Bad verschwand.

David starrte Johanna verdutzt an, als diese ihn aufhielt und darum bat, ihr Zigaretten zu besorgen. Erst Whisky, dann Zigaretten – vermutlich würde sie die dann auch nicht mehr haben wollen! Er war doch nicht ihr Butler! Verzogenes Gör!... Dies hätte der junge Mr. Bell sagen können, vielleicht dachte er es auch, doch äußerlich runzelte er irritiert die Stirn und antwortete halblaut „Die raucht Mr. Norly nicht“, als sich Johanna schon längst ihrem Vater zugewandt hatte.

Charles wirbelte etwas überrascht herum, als jemand hinter ihm sich räusperte. Er erkannte Johanna und schenkte ihr ein Lächeln, als sie ihm ihre Hilfe anbot.
„Nein, nein, das ist nicht nötig“, antwortete er. „Aber danke“, fügte er noch hinzu.
Auch David betrat Zimmer. Charles nickte diesem grüßend zu – und schüttelte dann den Kopf, als dieser ihm einen Scotch entgegenhielt.
Charles wollte nun nichts trinken. Nicht in seinem Zustand. Obwohl… etwas Bestimmtes schon, fiel ihm siedend heiß ein – wenn auch keinen Alkohol. Charles zog sich seinen rechten Handschuh aus, schnappte sich das leere Glas von seinem Nachttisch, wartete etwas ungeduldig auf Melinda und schob sich, als sie das Badezimmer verließ, dann an ihr vorbei, noch bevor sie den Türrahmen durchquert hatte. Er stütze sich am Waschbecken ab, als er im Schränkchen darunter nach einem braunen Fläschchen griff. Charles entkorkte es und entnahm mit einem kleinen Spatel daraus eine geringe Menge eines weißen Pulvers, die er in das Glas gab und dieses mit Wasser auffüllte. Beim Umrühren, denn das Pulver löste sich nur schwer, bemerkte er die verwunderten Blicke, mit denen Melinda und Johanna ihn bedachten. David genoss seelenruhig seinen Scotch – vermutlich der beste Whisky, den er in seinem Leben je getrunken hatte – und drückte Melinda das andere, noch unangerührte Glas in die Hand.
„Wundert euch nicht, das ist Medizin“, erklärte Charles sein Handeln, während er mit dem Spatel im Glas herumrührte und missmutig das Pulver anstarrte, die nur langsam in der Flüssigkeit verschwand.
„Solange es in der richtigen Dosis verabreicht wird“, fügte er scherzhaft hinzu.
„Doch ich möchte nur ungern krank daniederliegen, deswegen nehme ich das lieber vorbeugend. Nichts, was euch Sorgen bereiten sollte“, beteuerte Charles im beruhigenden Ton und trank das bittere, auch etwas nach den Scotchresten am Glasboden schmeckende Zeug, das er zusammengemischt hatte, in einem Zug, bevor er das Gesicht etwas angewidert verzog.
„Ein altes Leiden, das ich von meinem Aufenthalt in Zentralafrika mitgebracht habe und das hin und wieder auflebt, wenn ich nicht in bester Verfassung bin.“
Die dort stationierten Soldaten hatten das Chininsalz, das auch Charles nun geschluckt hatte, zur Vorbeugung in Wasser oder Gin getrunken – wie Charles auch, dennoch hatte ihn dieser Fluch von Tropenkrankheit heimgesucht. Man nannte sie dort den Fluch der Götter. Charles wusste wieso. Malaria kehrte wieder, wenn man Pech hatte auch noch nach Jahrzehnten. Er persönlich hatte schon mehr als einen Rückfall gehabt – was immer mit Fieberschüben verbunden gewesen war, die ihn ans Bett gefesselt und so gequält hatten, dass er es kaum ausgehalten hatte. Nun hoffte er, das dieses Mal vermeiden zu können.
„Wechselfieber“, kommentierte David, wissend, dass Charles diese Krankheit hatte. Dieser nickte, verschloss das Fläschchen mit dem Chininsalz wieder und nahm es in die Hände – zusammen mit seinem Rasierzeug und seiner Zahnbürste, die er vom Waschbeckenrand einsammelte.
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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen - Seite 8 Empty Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen

Beitrag von Elli So Mai 26 2013, 14:12

Im Bad hatte Melinda die Gelegenheit der Ruhe im Bad genutzt und hatte sich ihren völlig verschmutzten Verband von der Hand genommen. Während des Kampfes war dieser zwar hinderlich gewesen, aber ihr wurde bewusst, dass die Hand nicht besonders schlimm schmerzte. Das Mull war jedoch so verschmutzt, das es kaum möglich war, zu bestimmen ob eine der Wunde das Verbandsmaterial durchblutet hatte, oder ob es ausschließlich vom Leeland stammte. Kurzentschlossen löste die den Verband ab und warf ihn in einen Eimer der neben dem Waschbecken stand. Sie wusch sich die Hände mit kaltem Wasser ab und betrachtete danach ihre Schnittwunden. Keine der Wunden war besonders schlimm und sie freute sich, endlich wieder uneingeschränkte Bewegungsfreiheit mit ihrer Hand erlangt zu haben. Durch die Tür hörte sie Charles sprechen, doch war es ihr nicht möglich zu hören, was genau er sagte. Sie öffnete die Tür zum Schlafzimmer hin und Charles drückte sich an ihr vorbei ins Bad. Die leichte Röte in seinem Gesicht war ihr nicht entgangen, schon bevor sie das Badezimmer betreten hatte, nun schob er sich an ihr vorbei. Der Körperkontakt schien ihn nicht zu hindern und Melinda lehnte sich mit locker verschränkten Armen in den Türrahmen, nachdem sie von David das Glas Whiskey entgegen genommen hatte. Sie beobachtete Norly als er seine Medizin gegen eine Krankheit nahm, von der Melinda meinte einst gehört zu haben. Wechselfieber. Sie war sich nicht sicher, ob sie wusste was es war, oder ob ihr Hirn ihr einen Streich spielte. Zentralafrika hatte er gesagt. Sie versuchte das einzuordnen, gab aber schnell auf. Sie hatte von einigen fremden Ländern gehört, denn unter den Besitzern der schwarzen Kutschen war ein Archäologe gewesen. Die meiste Zeit hatte er erzählt und ihre größte Aufgabe hatte darin bestanden im zuzuhören, wie er in seiner monotonen Stimmlage eine Geschichte aus fernen Ländern vortrug, und dabei nicht einzuschlafen. Seinen Erzählungen gab es unzählige Länder mit unnatürlich anmutenden Menschen, die nichts am Körper trugen als Blätter. Ob das in diesem Zentralafrika auch so war? Sie versuchte sich Charles dort vorzustellen, doch es gelang ihr nicht. In ihrem Kopf sprach ihre, ach so bekannte Stimme.
Die richtige Dosis. Das würde ja nun bedeuten, dass zu viel davon, dafür sorgen könnte, dass jemand der letzte Atemzug ausgehaucht wird. Gift. Oh ist das schön. Achte auf das Fläschchen. Man weiß nie wozu das gut ist.
Sie musste sich von ihrer Stimme ablenken, auch wenn sie sich bewusst war, dass der Satz nun immer in ihrem Hinterkopf sein würde. Eine solche Information war immer zu gebrauchen. Zu ihrem Giftwissen, war neben einer Überdosis Laudanum, nun das Wissen über diesen Giftstoff gekommen. Sie trank den Whiskey in langsamen bedachten Zügen aus und meinte Nüsse zu schmecken. Sie blickte das nun leere Glas an, in dem langsam und ölig die letzten Tropfen des Alkoholes hinab rannen. Sie trat einen Schritt auf Charles zu, der mit seiner Medikamenteneinnahme nun fertig war und stelle das Glas mit leichtem Klicken auf dem Waschbecken ab.
“Lassen Sie mich mal sehen.“ Charles hielt still, als sie seinen verschmutzten Verband vom Kopf nahm. Sie bedeutet ihm mit einer Handbewegung sich zu setzen, er leiste ihrer Bitte folge und setzte sich auf den Rand der Badewanne. Hier schien das Blut auf dem einst hellen Stoff jedoch nicht nur von Leeland zu stammen, sondern auch von Charles. An den genähten Wundrändern war frisches Blut ausgetreten und vom Verband aufgesaugt worden. Sie ließ den Verbandsstoff den Weg in den Eimer, ihrem eigenen folgen und blickte ihn fragend an. Er deutete auf das Schränkchen, aus dem er eben seine Medizin Sein Gihihihihihihihihihihihihihift! genommen hatte. Sie nahm einen frischen Verband raus und band ihn um seinen Kopf. Der Verband sah nicht einmal annähernd so professionell auf seinem Kopf, wie der der Randolph angelegt hatte, aber es würde reichen bis sie wieder beim Doc waren und der einen neuen anlegen könnte. Tatsächlich saß er eher schief. Ein Grinsen huschte ihr über das Gesicht, als sie an eine Zeichnung einer ihrer Freier dachte, der sich in einem Land aufgehalten hatte in dem man Leichen in Verband einwickelte. Sie hatte nie begriffen warum, es war ihr auch nicht, als wichtig vorgekommen. “Ich muss sagen Randolph kann das weit besser als ich. Wissen Sie was eine Mumie ist? Sie sehen nämlich gerade aus wie eine.“ Sie lachte. “Ihre Augenbraue sieht übel aus. Ich werde sie schnell noch sauber machen. Dann sind Sie aus meinen Händen entlassen.“
Als sie mit einem angefeuchteten Tuch die Braue berührte, zuckte er weg. Amüsiert zog sie eine ihrer Brauen nach oben. Beim Kampf mit Leeland hatte Charles es gut geschafft seine Schmerzen zu verdecken und nun berührte sie leicht die Platzwunde und er zuckte zurück. Typisch Mann. Da waren sie doch alle gleich. “Keine Sorge. Ich bin mir sicher, sie werden diese Wunde überleben.“ Zufrieden blickte sie auf sein nun wieder sauberes Gesicht, sah im kurz in die Augen bevor sie sich abwand das leere Glas ergriff und David ansah. Sie spürte das sie ihn nervös machte. “Ist noch was in der Flasche?“
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