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Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
5 verfasser
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Johanna war sichtlich überrascht, als Charles seine Medikamente nahm, und David dann begann von Wechselfieber zu sprechen. Konnte dieser Tag eigentlich noch schlimmer werden? Johanna war sich nicht sicher, ob sie in ihrem Leben jemals so besorgt gewesen war wie gerade in diesem Moment. Nicht nur, dass Charles sich kaum schmerzfrei bewegen konnte, nein, er musste sich zudem mit dieser Krankheit rumschlagen, von der Johanna wusste, dass sie nicht gerade harmlos war. Sie betete in Gedanken, das Charles gesund bleiben würde. In seinem sowieso schon geschwächten Zustand wäre es mehr als nur schlimm, sollte die Krankheit erneut ausbrechen.
Johanna entging Charles errötetes Gesicht nicht. Sollte sie nun hoffen, dass es wirklich aus Verlegenheit durch Melinda rot war? Immerhin müsste sie sich dann nicht mit den Gedanken rumschlagen, er würde Fieber bekommen. Doch auch das machte Johannas Kopf nicht gerade leerer. In den letzten Stunden musste sie sich mit mehr schrecklichen, nervenden oder gar quälenden Gedanken herumschlagen, als sonst jemals. Und gerade als Johanna für sich beschließen wollte, dass dieser Tag nicht mehr schlimmer werden konnte, wurde ihr das Gegenteil bewiesen.
Der Anblick, wie Melinda sich nun um ihren Vater kümmerte, sorgte fast wieder dafür, dass Johanna die Fassung verlor. Sie ballte kaum merklich die Fäuste. Wie steht sie selbst denn jetzt nur da? Die eigene Tochter, die nicht in der Lage war sich um ihren eigenen Vater zu kümmern. Vermutlich war Charles Melinda jetzt schon lieber. Nicht nur, weil sie sich um ihn kümmerte. Nein, vermutlich sogar deswegen, weil diese es nicht lassen konnte sich Charles fast um den Hals zu werfen. Lächerlich, wie Johanna fand.
Es war zu spät, noch etwas für Charles zu tun und Johanna konnte nicht anders, als schweigend daneben zu stehen und zuzusehen. Sie senkte den Kopf, als Melinda fertig war. Sie schämte sich dafür, sich nicht selbst um ihren eigenen Vater gekümmert zu haben.
Johanna entging Charles errötetes Gesicht nicht. Sollte sie nun hoffen, dass es wirklich aus Verlegenheit durch Melinda rot war? Immerhin müsste sie sich dann nicht mit den Gedanken rumschlagen, er würde Fieber bekommen. Doch auch das machte Johannas Kopf nicht gerade leerer. In den letzten Stunden musste sie sich mit mehr schrecklichen, nervenden oder gar quälenden Gedanken herumschlagen, als sonst jemals. Und gerade als Johanna für sich beschließen wollte, dass dieser Tag nicht mehr schlimmer werden konnte, wurde ihr das Gegenteil bewiesen.
Der Anblick, wie Melinda sich nun um ihren Vater kümmerte, sorgte fast wieder dafür, dass Johanna die Fassung verlor. Sie ballte kaum merklich die Fäuste. Wie steht sie selbst denn jetzt nur da? Die eigene Tochter, die nicht in der Lage war sich um ihren eigenen Vater zu kümmern. Vermutlich war Charles Melinda jetzt schon lieber. Nicht nur, weil sie sich um ihn kümmerte. Nein, vermutlich sogar deswegen, weil diese es nicht lassen konnte sich Charles fast um den Hals zu werfen. Lächerlich, wie Johanna fand.
Es war zu spät, noch etwas für Charles zu tun und Johanna konnte nicht anders, als schweigend daneben zu stehen und zuzusehen. Sie senkte den Kopf, als Melinda fertig war. Sie schämte sich dafür, sich nicht selbst um ihren eigenen Vater gekümmert zu haben.
Scáth- Forenzombie
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Nachdem Alan einen Augenblick verschnauft hatte eilte er weiter, von Angst und wirren Gefühlen geplagt. Ohne das er es richtig wahrnahm bewegte er sich doch wieder auf das Haus des durchgeknallten Doktors zu. Ob sie ihn bereits freigelassen haben? Er bezweifelte es. Soll der Bastard doch in irgendeinem Loch verrecken!
Wie ein Wink des Schicksals, oder eher ein himmlisches Wunder, erschien zu seiner Rechten ein kleines Lädchen.
"Weine & Destillate", versprach das Schild über dem gedrungenen Schaufenster. Alan stürmte in den Laden.
Die Welt wurde angenehm weich. Der Boden unter seinen Füssen, seine Bewegungen, die Geräusche. Die Schärfe der Dinge in seinem Blick ließ nach. Er kippte einen grossen Schluck des Schottentrunks hinterher. Gott würde ihm nicht verzeihen, aber der Schnaps. Er überlegte ob er gerade dabei war seine Seele an ihn zu verkaufen. Ach, was machts schon? Die is eh verloren.
Er taumelte zu Randolphs Haus. Der Anblick der Fassade brachte seine soeben gedämpften Gefühle jedoch erneut in Aufregung. Hier hatte der Wahn begonnen - ihre Mordtat. Seine Schuld. Er spürte wie ein unkontrollierbarer Hass in ihm aufstieg. Auf den Hurenbock, der hier hauste. Auf sich selbst. Er trat mit aller Kraft gegen die Haustür. Noch einmal. Scheisse, er hatte doch auch keine Ahnung, wo der Gnom den Schlüssel versteckt hatte.
"Dreggiger Scheissgnom", nuschelte er trunken und wütend.
Er drückte die Tür auf und stolperte ins Innere. Es war keiner da. Auch gut. Scheissbrut. Mit trüben Augen sah er sich kurz um.
Ich sollte die Drecksbude abfackeln. So verlockend die Idee auch war, fehlte ihm doch die Kraft dafür. Er war nicht mehr in der Lage eine zweite Flucht anzutreten. Während er weiter eifrig trank wankte er durch die Räume, die dreckigen Scheissräume des Scheissgnoms, bis er den Medikamentenschrank erreicht hatte.
Doch zu was gut, der Scheissgnom.
Sein Kopf war kaum noch in der Lage den Gedanken zu formen. Blindlings schlug er mit der inzwischen leeren Schnapsflasche auf die Schranktüren ein, bis Glasssplitter den Boden bedeckten und er die Auswahl des Docs vor sich sah.
Opium! Scheisse.
Opium war nicht gut für ihn, das wusste er. Gar nicht gut. Opium weckte Dinge. Alte Dinge, die lange geruht hatten.
Er entkorkte das Fläschen, in dem der Stoff in einer Flüssigkeit aufgelöst schwappte. Scheisse. Mit wenigen tiefen Zügen trank er sie aus und merkte nicht mehr, wie er benommen zu Boden sank.
Wie ein Wink des Schicksals, oder eher ein himmlisches Wunder, erschien zu seiner Rechten ein kleines Lädchen.
"Weine & Destillate", versprach das Schild über dem gedrungenen Schaufenster. Alan stürmte in den Laden.
Die Welt wurde angenehm weich. Der Boden unter seinen Füssen, seine Bewegungen, die Geräusche. Die Schärfe der Dinge in seinem Blick ließ nach. Er kippte einen grossen Schluck des Schottentrunks hinterher. Gott würde ihm nicht verzeihen, aber der Schnaps. Er überlegte ob er gerade dabei war seine Seele an ihn zu verkaufen. Ach, was machts schon? Die is eh verloren.
Er taumelte zu Randolphs Haus. Der Anblick der Fassade brachte seine soeben gedämpften Gefühle jedoch erneut in Aufregung. Hier hatte der Wahn begonnen - ihre Mordtat. Seine Schuld. Er spürte wie ein unkontrollierbarer Hass in ihm aufstieg. Auf den Hurenbock, der hier hauste. Auf sich selbst. Er trat mit aller Kraft gegen die Haustür. Noch einmal. Scheisse, er hatte doch auch keine Ahnung, wo der Gnom den Schlüssel versteckt hatte.
"Dreggiger Scheissgnom", nuschelte er trunken und wütend.
Er drückte die Tür auf und stolperte ins Innere. Es war keiner da. Auch gut. Scheissbrut. Mit trüben Augen sah er sich kurz um.
Ich sollte die Drecksbude abfackeln. So verlockend die Idee auch war, fehlte ihm doch die Kraft dafür. Er war nicht mehr in der Lage eine zweite Flucht anzutreten. Während er weiter eifrig trank wankte er durch die Räume, die dreckigen Scheissräume des Scheissgnoms, bis er den Medikamentenschrank erreicht hatte.
Doch zu was gut, der Scheissgnom.
Sein Kopf war kaum noch in der Lage den Gedanken zu formen. Blindlings schlug er mit der inzwischen leeren Schnapsflasche auf die Schranktüren ein, bis Glasssplitter den Boden bedeckten und er die Auswahl des Docs vor sich sah.
Opium! Scheisse.
Opium war nicht gut für ihn, das wusste er. Gar nicht gut. Opium weckte Dinge. Alte Dinge, die lange geruht hatten.
Er entkorkte das Fläschen, in dem der Stoff in einer Flüssigkeit aufgelöst schwappte. Scheisse. Mit wenigen tiefen Zügen trank er sie aus und merkte nicht mehr, wie er benommen zu Boden sank.
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Geduldig ließ Charles Melinda und sich kümmern und zeigte sich entgegenkommend. Sie nahm ihm den Verband ab, der ziemlich besudelt war, wie er bemerkte, als sie ihn in den Händen hielt, wischte sein Gesicht behutsam sauber und legte ihm einen frischen Verband an. Offenbar war sie wieder etwas besser gelaunt – was Charles beruhigte. Außerdem hörte und sah er sie gerne lachen.
Er hatte in letzter Zeit kaum Grund gehabt, sich ehrlich zu freuen – umso mehr genoss er es jetzt. Verletzt und seelisch angeschlagen, einerseits durch Schuldgefühle, Wut und Frust, andererseits, weil er nach so vielen Jahren der Unwissenheit erfahren hatte, dass er eine uneheliche Tochter besaß, hatten der vergangene und der nun angebrochene Tag merklich an seinen Nerven gezerrt und ihn mit spürbaren Nachwirkungen körperlich beansprucht. Die Schürfwunden und Prellungen, die er sich beim gestrigen Absturz vom Dach und der Landung auf Johannas Balkon zugezogen hatte, waren noch fern davon, als verheilt gelten zu können, das gleiche galt für seine erneut zum Bluten gebracht wordende Kopfwunde – dazu kamen nun die kleine, stechende Platzwunde an seiner Augenbraue und die vielen anderen Blessuren, die ihm der Bobby namens Smithson beigebracht hatte.
Charles sah ein, dass er leichtsinnig gehandelt hatte. Die Wut, weil der Polizist grob gegenüber Melinda gewesen war, gedroht hatte, Johanna etwas anzutun, und ihn auch noch verspottet hatte, hatte Charles rot sehen lassen. Nur deswegen, weil er die Kontrolle über seinen Zorn verloren hatte, hatte er nicht sofort zum Revolver gegriffen, um den vorlauten Leeland in dessen Schranken zu weisen, sondern hatte diesen erst windelweich prügeln wollten. Nur deswegen, aus Fahrlässigkeit, hatte er den Bobby an seine Waffe kommen lassen und hätte dies beinahe mit dem Leben bezahlt.
Wenn auch nicht in der Form, kam Charles dies nur allzu bekannt vor. Sobald er die Kontrolle über sich selbst verlor… verlor er die Kontrolle über die Situation. Das gleiche war vor zwei Monaten passiert. Hill hatte ihn provoziert, er hatte diesen aufgesucht. Hill hatte ihn noch mehr provoziert – und die Situation war eskaliert. Doch dort, im Büro des Chief Commissioners… das war nicht Charles‘ Schuld gewesen. Hill hatte ihn in eine Falle gelockt, offenbar gezielt mit der Absicht, ihn festzunehmen – und, zu Charles‘ Schande: er war hineingetappt.
Doch Melinda half ihm nun, sich besser zu fühlen. Er lachte mit ihr, als sie ihm sagte, dass er wie eine Mumie aussehe.
„Ich hoffe doch, nicht. Dazu müssten Sie mich komplett einwickeln“, erwiderte er scherzhaft grinsend, und beantwortete durch seine Worte auch indirekt, dass er wusste, was eine Mumie war – tatsächlich hatte er auch schon einmal eine gesehen. Nicht in Ägypten, dem bekanntesten Ursprungsland des rituellen Mumifizierens als Teil des Totenkults – auch wenn er die sandumwehten, berühmten Pyramiden von Gizeh, die Grabstätten alter Herrscher und das letzte erhaltene der sieben Weltwunder, schon mit eigenen Augen erblickt hatte –, sondern hier in London, im British Museum. Zumindest eine derjenigen, die man in Leinen eingewickelt hatte.
Er erinnerte sich, gelesen zu haben, dass die künstlich erzeugte Mumifizierung, die man im Altertum vollzogen hatte, auch unter natürlichen, bestimmten Begebenheiten erfolgen konnte. Moorleichen waren auch Mumien… konservierte Tote. In China hatte er auch Geschichten über alte Gräber und die dort gefundenen Toten gehört, die einfach nicht verwest waren, obwohl sie schon Jahrhunderte alt sein mochten. Für Archäologie hatte er sich eigentlich schon immer interessiert…
Schmerz lenkte Charles von diesen Gedanken ab, in die er abgeschweift war, und ließ ihn zurückzucken. Melinda befasste sich damit, die Platzwunde an seiner Augenbraue zu säubern, die er Bobby ihm durch eine schmerzhafte Kopfnuss zugefügt hatte, und schien sichtlich amüsiert zu sein, dass er sich etwas zierte. Charles gönnte ihr das Vergnügen, auch wenn er fortan bemühte, sich zusammenzureißen, und ließ ihre Behandlung über sich ergehen. Als sie fertig damit war, dankte Charles ihr lächelnd, und erhob sich wieder vom Badewannenrand.
Melinda nahm ihr geleertes Glas wieder in die Hand und fragte David, ob noch etwas in der Flasche sei.
Dieser blickte auf, schluckte, überrascht, angesprochen zu werden, und stammelte dann:
„J-Ja, Miss.“
Charles bedachte den Burschen kurz mit einem undeutbaren Blick und wandte sich dann Melinda zu.
„Wir haben noch ein Stückchen Weg vor uns und können es uns noch nicht bequem machen“, meinte er gutmütig. „Wir wissen nicht, was der Tag noch bringen mag – und außerdem sollten Sie nicht so viel trinken, meine Liebe.“
Auch wenn dies ein leichter Tadel war, äußerte er ihn in keinster Weise scharf, sondern mit sanfter Stimme. Er sah es nicht gern, wenn Frauen sich sinnlos betranken. Das gehörte sich nicht – was aber für Männer auch so galt. Er selbst gönnte sich ab und zu ein Schlückchen, in letzter Zeit vielleicht zu häufig und in zu hohem Maße als dass es schicklich wäre, doch beim schöneren Geschlecht war dies eine ganz andere Angelegenheit. Es war kein Verbot, was er ihr gegenüber äußerte, das gewiss nicht, jedoch konnte er das nicht gutheißen.
„Sorge dich nicht um mich“, bat er dann Johanna, da ihr bedrückter Gesichtsausdruck ihm nicht entging und er dies als Ursache dafür annahm. „Ich bin robuster als so manch anderer.“
Während Charles seinen Koffer packte – auch einige Bestandteile seiner bestimmt eindrucksvollen Papiersammlung landeten darin, bevor er ihn nur unter Pressen schließen konnte – warteten die anderen auf ihn.
Er brauchte und wollte keine Hilfe. Wenn fremde Hände sich einmischten, würde er nur den Überblick verlieren. Die Sachen, die nicht schmutzig werden sollten oder auch möglichst nicht knittern sollten, hatte er verstaut.
Nun kam der Rest. Viel war es nicht, auch vom Volumen nicht, aber es war schwer.
Charles wickelte sein Werkzeug in Stoff ein und verschnürte es mit sicheren, geübten Bewegungen, sodass es im Seesack nicht klirrte, auch die kleinen Metallbauteile, die sich auf dem Sekretär im Wohnzimmer gestapelt hatten, verpackte er auf diese Weise – wobei er besonders darauf achtete, dass dieses Päckchen auch geschlossen bleiben würde, denn er hatte keine Lust, sie beim späteren Öffnen des Seesacks lose herumfliegend vorzufinden und wieder einsammeln zu müssen. Aus einem Schrank holte er einige kleine, buchgroße Kartons mit Munition für seinen Revolver und auch für sein Gewehr, doch ließ genügend dort, um auch in seiner Wohnung einen Vorrat zu haben. David drückte er zwei Munitionspäckchen in die Hand – dazu seinen zweiten Revolver, den er an der Innenseite des Rahmens seines Bettgestells versteckt gehabt hatte. Der junge Kutscher war darüber nicht ganz so überrascht, wie man es eigentlich hätte annehmen können, dennoch war Verwunderung darüber vom Gesicht desselben abzulesen, als Charles ihm Waffe und Munition überließ.
Charles erklärte David knapp, dass es so sicherer sei und er bloß die Augen offen lassen solle. Jemand verfolge ihn, wer, wüsste er nicht, aber wolle auf keinen Fall, dass David das gleiche Schicksal wie Ed ereile.
Der Bursche betrachtete seine neue Bewaffnung kurz nachdenklich, nickte dann und steckte den Revolver in seine Jackentasche. Die Munitionskartons waren dazu zu groß, also steckte David sie vorläufig in den vom Gewicht seines Inhalts straff herabhängenden Seesack. Den schulterte er, wie selbstverständlich, und hob auch mit sichtbarer Anstrengung den Koffer an, als Charles das Zeichen zum Aufbruch gab. Dieser hatte sich, wie selbstverständlich, ausschließlich mit seinem Spazierstock beladen, den er allerdings nicht benutzte, sondern, offenbar nur, um ihn mitzunehmen, unter seinen linken Arm klemmte.
Charles betätigte den Hebel der Türverriegelung, da Melinda anscheinend die Tür verschlossen hatte und ließ dann den anderen höflich den Vortritt, bevor er selbst die Schwelle überquerte. Als Charles die Wohnungstür hinter ihnen abschloss, hörte besonders Melinda, weil sie nun darauf achtete, wie das Umdrehen des Schlüssels im Schloss auf der anderen Seite der Tür den Riegelmechanismus erneut auslöste – von hier draußen kaum vernehmbar.
- - - - -
Alan dämmerte zu der Zeit schon im Rausch des Alkohols und besonders des Opiats, das er geschluckt hatte (und dabei hatte er, zu seinem Glück, ein äußerst niedrig konzentriertes in seine Finger bekommen hatte, denn sonst hätte ihn Dosis dieses, wenn auch nicht bis zum Rand gefüllten, Fläschchens, wohl umgebracht), auf dem Boden des Operationszimmers vor sich hin.
Er merkte nicht, dass dieser kalt war oder dass er inmitten der Scherben lag, die er selbst verursacht hatte. Die Welt war ein wohliges, sanftes Etwas, das sich über ihn gelegt hatte.
Doch da war noch etwas anderes: wirre Träume, wirre Illusionen, Halluzinationen. In seiner Sicht schwammen Formen und Farben, trafen sich, verliefen ineinander. Mal gab es Grenzen, Gestalten, mal waren keine erkennbar, jedoch drangen im Rausch auch plötzlich die Erinnerungen auf ihn ein, die er versucht hatte, damit auszuschalten. Seine Kugel traf lautlos den Kopf dieser Frau, der in seltsame Splitter zerbarst… War es ein Kopf? Es konnte sein, dann aber wieder doch nicht. Er empfand nichts Bestimmtes dabei, nur weiche Leere. Dies war nicht die erste Halluzination, die er seit Beginn dieses Rausches hatte – oder? Er hatte es schon wieder vergessen. Die Welt drehte sich und es schwindelte ihm.
Wieder tauchte ein Schemen in seinem Gesichtsfeld auf, formlos, wahrscheinlich, oder doch ein Mensch? Er hörte Stimmen, viele Stimmen drangen auf ihn ein, plappernd und laut und dann wieder von Panik geprägt. Dann plötzlich, wenn auch weit entfernt, stach eine unter ihnen hervor.
„Sie schulden mit etwas, Mr. Stirling“, sagte sie, tief und ruhig und überheblich. Mr. C., Alan sah dessen ernste Fratze vor sich aufblitzen, bevor sie wieder mit der Umgebung verlief.
Vermutlich Einbildung.
- - - - -
Charles sehnte sich nach einem Bad. Einem heißen Bad, das die Rückstände seines letzten, viel zu blutigen fortspülte und seinen verspannten Muskels gut tat. Er wollte aus diesen Kleidern heraus, sie klebte unsäglich lästig an ihm und ließen ihn dadurch, dass sie nass waren, frieren. Angenehm war es zumindest, das Blut nicht mehr im Gesicht haften zu haben. Melinda hatte sich gründlich darum gekümmert, doch er brauchte nur an sich herabzusehen, um sich immer wieder auf’s Neue bewusst zu werden, vollkommen besudelt zu sein. Selbst Dr. Tremaine war sauberer gewesen, als sie gestern auf dessen Schwelle aufgetaucht waren – und dieser hatte mit seinem rotdurchtränkten Kittel wie ein Metzger ausgesehen!
„Scarface“ nannten sie Charles… „Den Schlächter“… So sah er gerade aus – und auch das konnte er nicht gutheißen. Er fühlte sich unwohl. Aber das lag auch an der erneuten Kutschfahrt. Er verabscheute diese verwünschten Wägen und verfluchte David innerlich, da Charles den Verdacht hegte, dass dieser Tölpel mit Absicht jede Bodenwelle mitnahm.
Dementsprechend dankbar war Charles auch, als sie endlich beim Haus des Doktors ankamen, ohne dass er sich hatte übergeben müssen.
Nachdem der junge Kutscher bestätigt hatte, dass die Luft rein war, taumelte Charles vor Eile aus dem Gefährt und genoss den Augenblick, wieder auf festem Boden zu stehen. Während David absprang, um sich um das Pferd zu kümmern, hielt Charles in alter Manier die Tür des Wagens aus und reichte den Damen seine Hand. So viel Zeit musste sein.
Anschließend ging er voran und fischte nach dem Schlüssel, als ihn ein genauerer Blick auf die Haustür innehalten ließ. Sie lehnte nur an und das metallene Gegenstück des Schlossriegels im Türrahmen war verbogen, das Holz darum war unter Gewalteinwirkung gesplittert.
Charles rief halblaut Davids Namen, gab er Tür, misstrauisch spähend, mit der Prothese einen Stoß, sodass er durch den Spalt hindurchschlüpfen konnte. Die Finger seiner rechten Hand hatten bei Charles‘ Entdeckung sofort den Griff seines Revolvers umfasst, doch erst im Haus zog er die Waffe und spannte mit einer geübten Bewegung den Hahn, während er sich schussbereit vortastete.
David war nun bei ihm, ebenfalls mit erhobenem Revolver.
Der Flur war leer. Kein Lebenszeichen, das Haus war still. Gerade deswegen wollte Charles Vorsicht walten lassen. Wer auch immer die Tür aufgebrochen hatte: Er war wegen ihm eingedrungen und vielleicht noch hier. Charles hoffte aber auch, nun keine Leichen zu finden.
Fast dachte er, seine schlimmsten Befürchtungen hätten sich bestätigt, als er schließlich ins Operationszimmer hineinlugte und, größtenteils verdeckt vom Tisch zwischen ihnen, jemanden am Boden liegen sah. Alarmiert huschte Charles ins Zimmer und als er sich bewusst wurde, unter welchen Umständen und wen er gerade sah, packte ihn neben Abscheu auch Empörung.
Alan lag seitlich dort, zwischen Erbrochenem und Scherben – offenbar Flaschen- und Medizinschrankglas.
Alan lebte, seine Lider flatterten, seine Miene war hohl… dieser versoffene Tunichtgut war vollkommen berauscht – Charles entdeckte auch, mit was. Flüchtig schnappte er ein Wort auf, das mit Opium zu tun hatte, für genaueres Hinsehen war er zu aufgebracht.
Wutgeleitet, aber nicht ohne selbst Schmerz dabei zu verspüren, schritt Charles auf Alan zu, ohne dabei dem Erbrochenem zu nahe zu kommen, beugte sich hinab, packte, nachdem er seinen Revolver wieder weggesteckt hatte, Alan mit beiden Händen am Kragen, um diesen ein Stück auf sich zuzuziehen, zu schütteln und auf ihn einzubrüllen.
„Haben Sie etwa die ganze Flasche getrunken? Wollen Sie sich umbringen, Sie elender, gottverdammter Narr?! Warum sind Sie so zugerichtet?“, war die nächste Frage, denn Alans Gesicht sah so aus, als sei er in eine heftige Prügelei geraten.
„Wo ist der Doktor? Sagen Sie es mir! Raus damit – oder ich quetsche Ihnen Ihre armselige Seele aus dem Leib!“
Er hatte in letzter Zeit kaum Grund gehabt, sich ehrlich zu freuen – umso mehr genoss er es jetzt. Verletzt und seelisch angeschlagen, einerseits durch Schuldgefühle, Wut und Frust, andererseits, weil er nach so vielen Jahren der Unwissenheit erfahren hatte, dass er eine uneheliche Tochter besaß, hatten der vergangene und der nun angebrochene Tag merklich an seinen Nerven gezerrt und ihn mit spürbaren Nachwirkungen körperlich beansprucht. Die Schürfwunden und Prellungen, die er sich beim gestrigen Absturz vom Dach und der Landung auf Johannas Balkon zugezogen hatte, waren noch fern davon, als verheilt gelten zu können, das gleiche galt für seine erneut zum Bluten gebracht wordende Kopfwunde – dazu kamen nun die kleine, stechende Platzwunde an seiner Augenbraue und die vielen anderen Blessuren, die ihm der Bobby namens Smithson beigebracht hatte.
Charles sah ein, dass er leichtsinnig gehandelt hatte. Die Wut, weil der Polizist grob gegenüber Melinda gewesen war, gedroht hatte, Johanna etwas anzutun, und ihn auch noch verspottet hatte, hatte Charles rot sehen lassen. Nur deswegen, weil er die Kontrolle über seinen Zorn verloren hatte, hatte er nicht sofort zum Revolver gegriffen, um den vorlauten Leeland in dessen Schranken zu weisen, sondern hatte diesen erst windelweich prügeln wollten. Nur deswegen, aus Fahrlässigkeit, hatte er den Bobby an seine Waffe kommen lassen und hätte dies beinahe mit dem Leben bezahlt.
Wenn auch nicht in der Form, kam Charles dies nur allzu bekannt vor. Sobald er die Kontrolle über sich selbst verlor… verlor er die Kontrolle über die Situation. Das gleiche war vor zwei Monaten passiert. Hill hatte ihn provoziert, er hatte diesen aufgesucht. Hill hatte ihn noch mehr provoziert – und die Situation war eskaliert. Doch dort, im Büro des Chief Commissioners… das war nicht Charles‘ Schuld gewesen. Hill hatte ihn in eine Falle gelockt, offenbar gezielt mit der Absicht, ihn festzunehmen – und, zu Charles‘ Schande: er war hineingetappt.
Doch Melinda half ihm nun, sich besser zu fühlen. Er lachte mit ihr, als sie ihm sagte, dass er wie eine Mumie aussehe.
„Ich hoffe doch, nicht. Dazu müssten Sie mich komplett einwickeln“, erwiderte er scherzhaft grinsend, und beantwortete durch seine Worte auch indirekt, dass er wusste, was eine Mumie war – tatsächlich hatte er auch schon einmal eine gesehen. Nicht in Ägypten, dem bekanntesten Ursprungsland des rituellen Mumifizierens als Teil des Totenkults – auch wenn er die sandumwehten, berühmten Pyramiden von Gizeh, die Grabstätten alter Herrscher und das letzte erhaltene der sieben Weltwunder, schon mit eigenen Augen erblickt hatte –, sondern hier in London, im British Museum. Zumindest eine derjenigen, die man in Leinen eingewickelt hatte.
Er erinnerte sich, gelesen zu haben, dass die künstlich erzeugte Mumifizierung, die man im Altertum vollzogen hatte, auch unter natürlichen, bestimmten Begebenheiten erfolgen konnte. Moorleichen waren auch Mumien… konservierte Tote. In China hatte er auch Geschichten über alte Gräber und die dort gefundenen Toten gehört, die einfach nicht verwest waren, obwohl sie schon Jahrhunderte alt sein mochten. Für Archäologie hatte er sich eigentlich schon immer interessiert…
Schmerz lenkte Charles von diesen Gedanken ab, in die er abgeschweift war, und ließ ihn zurückzucken. Melinda befasste sich damit, die Platzwunde an seiner Augenbraue zu säubern, die er Bobby ihm durch eine schmerzhafte Kopfnuss zugefügt hatte, und schien sichtlich amüsiert zu sein, dass er sich etwas zierte. Charles gönnte ihr das Vergnügen, auch wenn er fortan bemühte, sich zusammenzureißen, und ließ ihre Behandlung über sich ergehen. Als sie fertig damit war, dankte Charles ihr lächelnd, und erhob sich wieder vom Badewannenrand.
Melinda nahm ihr geleertes Glas wieder in die Hand und fragte David, ob noch etwas in der Flasche sei.
Dieser blickte auf, schluckte, überrascht, angesprochen zu werden, und stammelte dann:
„J-Ja, Miss.“
Charles bedachte den Burschen kurz mit einem undeutbaren Blick und wandte sich dann Melinda zu.
„Wir haben noch ein Stückchen Weg vor uns und können es uns noch nicht bequem machen“, meinte er gutmütig. „Wir wissen nicht, was der Tag noch bringen mag – und außerdem sollten Sie nicht so viel trinken, meine Liebe.“
Auch wenn dies ein leichter Tadel war, äußerte er ihn in keinster Weise scharf, sondern mit sanfter Stimme. Er sah es nicht gern, wenn Frauen sich sinnlos betranken. Das gehörte sich nicht – was aber für Männer auch so galt. Er selbst gönnte sich ab und zu ein Schlückchen, in letzter Zeit vielleicht zu häufig und in zu hohem Maße als dass es schicklich wäre, doch beim schöneren Geschlecht war dies eine ganz andere Angelegenheit. Es war kein Verbot, was er ihr gegenüber äußerte, das gewiss nicht, jedoch konnte er das nicht gutheißen.
„Sorge dich nicht um mich“, bat er dann Johanna, da ihr bedrückter Gesichtsausdruck ihm nicht entging und er dies als Ursache dafür annahm. „Ich bin robuster als so manch anderer.“
Während Charles seinen Koffer packte – auch einige Bestandteile seiner bestimmt eindrucksvollen Papiersammlung landeten darin, bevor er ihn nur unter Pressen schließen konnte – warteten die anderen auf ihn.
Er brauchte und wollte keine Hilfe. Wenn fremde Hände sich einmischten, würde er nur den Überblick verlieren. Die Sachen, die nicht schmutzig werden sollten oder auch möglichst nicht knittern sollten, hatte er verstaut.
Nun kam der Rest. Viel war es nicht, auch vom Volumen nicht, aber es war schwer.
Charles wickelte sein Werkzeug in Stoff ein und verschnürte es mit sicheren, geübten Bewegungen, sodass es im Seesack nicht klirrte, auch die kleinen Metallbauteile, die sich auf dem Sekretär im Wohnzimmer gestapelt hatten, verpackte er auf diese Weise – wobei er besonders darauf achtete, dass dieses Päckchen auch geschlossen bleiben würde, denn er hatte keine Lust, sie beim späteren Öffnen des Seesacks lose herumfliegend vorzufinden und wieder einsammeln zu müssen. Aus einem Schrank holte er einige kleine, buchgroße Kartons mit Munition für seinen Revolver und auch für sein Gewehr, doch ließ genügend dort, um auch in seiner Wohnung einen Vorrat zu haben. David drückte er zwei Munitionspäckchen in die Hand – dazu seinen zweiten Revolver, den er an der Innenseite des Rahmens seines Bettgestells versteckt gehabt hatte. Der junge Kutscher war darüber nicht ganz so überrascht, wie man es eigentlich hätte annehmen können, dennoch war Verwunderung darüber vom Gesicht desselben abzulesen, als Charles ihm Waffe und Munition überließ.
Charles erklärte David knapp, dass es so sicherer sei und er bloß die Augen offen lassen solle. Jemand verfolge ihn, wer, wüsste er nicht, aber wolle auf keinen Fall, dass David das gleiche Schicksal wie Ed ereile.
Der Bursche betrachtete seine neue Bewaffnung kurz nachdenklich, nickte dann und steckte den Revolver in seine Jackentasche. Die Munitionskartons waren dazu zu groß, also steckte David sie vorläufig in den vom Gewicht seines Inhalts straff herabhängenden Seesack. Den schulterte er, wie selbstverständlich, und hob auch mit sichtbarer Anstrengung den Koffer an, als Charles das Zeichen zum Aufbruch gab. Dieser hatte sich, wie selbstverständlich, ausschließlich mit seinem Spazierstock beladen, den er allerdings nicht benutzte, sondern, offenbar nur, um ihn mitzunehmen, unter seinen linken Arm klemmte.
Charles betätigte den Hebel der Türverriegelung, da Melinda anscheinend die Tür verschlossen hatte und ließ dann den anderen höflich den Vortritt, bevor er selbst die Schwelle überquerte. Als Charles die Wohnungstür hinter ihnen abschloss, hörte besonders Melinda, weil sie nun darauf achtete, wie das Umdrehen des Schlüssels im Schloss auf der anderen Seite der Tür den Riegelmechanismus erneut auslöste – von hier draußen kaum vernehmbar.
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Alan dämmerte zu der Zeit schon im Rausch des Alkohols und besonders des Opiats, das er geschluckt hatte (und dabei hatte er, zu seinem Glück, ein äußerst niedrig konzentriertes in seine Finger bekommen hatte, denn sonst hätte ihn Dosis dieses, wenn auch nicht bis zum Rand gefüllten, Fläschchens, wohl umgebracht), auf dem Boden des Operationszimmers vor sich hin.
Er merkte nicht, dass dieser kalt war oder dass er inmitten der Scherben lag, die er selbst verursacht hatte. Die Welt war ein wohliges, sanftes Etwas, das sich über ihn gelegt hatte.
Doch da war noch etwas anderes: wirre Träume, wirre Illusionen, Halluzinationen. In seiner Sicht schwammen Formen und Farben, trafen sich, verliefen ineinander. Mal gab es Grenzen, Gestalten, mal waren keine erkennbar, jedoch drangen im Rausch auch plötzlich die Erinnerungen auf ihn ein, die er versucht hatte, damit auszuschalten. Seine Kugel traf lautlos den Kopf dieser Frau, der in seltsame Splitter zerbarst… War es ein Kopf? Es konnte sein, dann aber wieder doch nicht. Er empfand nichts Bestimmtes dabei, nur weiche Leere. Dies war nicht die erste Halluzination, die er seit Beginn dieses Rausches hatte – oder? Er hatte es schon wieder vergessen. Die Welt drehte sich und es schwindelte ihm.
Wieder tauchte ein Schemen in seinem Gesichtsfeld auf, formlos, wahrscheinlich, oder doch ein Mensch? Er hörte Stimmen, viele Stimmen drangen auf ihn ein, plappernd und laut und dann wieder von Panik geprägt. Dann plötzlich, wenn auch weit entfernt, stach eine unter ihnen hervor.
„Sie schulden mit etwas, Mr. Stirling“, sagte sie, tief und ruhig und überheblich. Mr. C., Alan sah dessen ernste Fratze vor sich aufblitzen, bevor sie wieder mit der Umgebung verlief.
Vermutlich Einbildung.
- - - - -
Charles sehnte sich nach einem Bad. Einem heißen Bad, das die Rückstände seines letzten, viel zu blutigen fortspülte und seinen verspannten Muskels gut tat. Er wollte aus diesen Kleidern heraus, sie klebte unsäglich lästig an ihm und ließen ihn dadurch, dass sie nass waren, frieren. Angenehm war es zumindest, das Blut nicht mehr im Gesicht haften zu haben. Melinda hatte sich gründlich darum gekümmert, doch er brauchte nur an sich herabzusehen, um sich immer wieder auf’s Neue bewusst zu werden, vollkommen besudelt zu sein. Selbst Dr. Tremaine war sauberer gewesen, als sie gestern auf dessen Schwelle aufgetaucht waren – und dieser hatte mit seinem rotdurchtränkten Kittel wie ein Metzger ausgesehen!
„Scarface“ nannten sie Charles… „Den Schlächter“… So sah er gerade aus – und auch das konnte er nicht gutheißen. Er fühlte sich unwohl. Aber das lag auch an der erneuten Kutschfahrt. Er verabscheute diese verwünschten Wägen und verfluchte David innerlich, da Charles den Verdacht hegte, dass dieser Tölpel mit Absicht jede Bodenwelle mitnahm.
Dementsprechend dankbar war Charles auch, als sie endlich beim Haus des Doktors ankamen, ohne dass er sich hatte übergeben müssen.
Nachdem der junge Kutscher bestätigt hatte, dass die Luft rein war, taumelte Charles vor Eile aus dem Gefährt und genoss den Augenblick, wieder auf festem Boden zu stehen. Während David absprang, um sich um das Pferd zu kümmern, hielt Charles in alter Manier die Tür des Wagens aus und reichte den Damen seine Hand. So viel Zeit musste sein.
Anschließend ging er voran und fischte nach dem Schlüssel, als ihn ein genauerer Blick auf die Haustür innehalten ließ. Sie lehnte nur an und das metallene Gegenstück des Schlossriegels im Türrahmen war verbogen, das Holz darum war unter Gewalteinwirkung gesplittert.
Charles rief halblaut Davids Namen, gab er Tür, misstrauisch spähend, mit der Prothese einen Stoß, sodass er durch den Spalt hindurchschlüpfen konnte. Die Finger seiner rechten Hand hatten bei Charles‘ Entdeckung sofort den Griff seines Revolvers umfasst, doch erst im Haus zog er die Waffe und spannte mit einer geübten Bewegung den Hahn, während er sich schussbereit vortastete.
David war nun bei ihm, ebenfalls mit erhobenem Revolver.
Der Flur war leer. Kein Lebenszeichen, das Haus war still. Gerade deswegen wollte Charles Vorsicht walten lassen. Wer auch immer die Tür aufgebrochen hatte: Er war wegen ihm eingedrungen und vielleicht noch hier. Charles hoffte aber auch, nun keine Leichen zu finden.
Fast dachte er, seine schlimmsten Befürchtungen hätten sich bestätigt, als er schließlich ins Operationszimmer hineinlugte und, größtenteils verdeckt vom Tisch zwischen ihnen, jemanden am Boden liegen sah. Alarmiert huschte Charles ins Zimmer und als er sich bewusst wurde, unter welchen Umständen und wen er gerade sah, packte ihn neben Abscheu auch Empörung.
Alan lag seitlich dort, zwischen Erbrochenem und Scherben – offenbar Flaschen- und Medizinschrankglas.
Alan lebte, seine Lider flatterten, seine Miene war hohl… dieser versoffene Tunichtgut war vollkommen berauscht – Charles entdeckte auch, mit was. Flüchtig schnappte er ein Wort auf, das mit Opium zu tun hatte, für genaueres Hinsehen war er zu aufgebracht.
Wutgeleitet, aber nicht ohne selbst Schmerz dabei zu verspüren, schritt Charles auf Alan zu, ohne dabei dem Erbrochenem zu nahe zu kommen, beugte sich hinab, packte, nachdem er seinen Revolver wieder weggesteckt hatte, Alan mit beiden Händen am Kragen, um diesen ein Stück auf sich zuzuziehen, zu schütteln und auf ihn einzubrüllen.
„Haben Sie etwa die ganze Flasche getrunken? Wollen Sie sich umbringen, Sie elender, gottverdammter Narr?! Warum sind Sie so zugerichtet?“, war die nächste Frage, denn Alans Gesicht sah so aus, als sei er in eine heftige Prügelei geraten.
„Wo ist der Doktor? Sagen Sie es mir! Raus damit – oder ich quetsche Ihnen Ihre armselige Seele aus dem Leib!“
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Randolph nickte dem Doktor zu. Sein Angebot war überaus zuvorkommend. Dennoch würde er es ablehnen.
"Das ist sehr nett von ihnen, allerdings wäre ich froh diese Angelgenheit so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Ich werde ihren Rat bezüglich meiner anstehenden Befragung befolgen." Das würde er wirklich tun. Wenn die Witwe erst einmal ausgesagt hatte, konnte er sich nicht mehr mit Lügen aus der Situation heraus winden können. Er hoffte Alan hatte seine Verfolger abschütteln können und die anderen alarmieren.
Ja, sie würden entkommen. Er klammerte sich an diese Vorstellung. Sein eigenes Schicksal dagegen sah düster aus. Wenn er erst ausgesagt hatte, wäre er für den Yard nicht mehr für Interesse. Und das hieße...das würde seinen Tod bedeuten. Er war nicht nur in ein fremdes Haus eingedrungen, hatte dessen Insassen bedroht und verletzt, war nicht nur mitschuldig an einem Mord, nein, er würde auch als Mitverschwörer von "Scarface" dastehen. Der Schrecken sämtlicher Bobbies. Hills persönlicher Paranoia. Der blutrünstige Metzger von dreizehn Menschen. Ha-Ha-Ha.
Und wenn schon, versuchte er leichtfertig zu denken, das hattest du doch ohnehin vor. Du wolltest doch sterben. Doch es war nicht leicht loszulassen. Erst recht nicht jetzt, wo er gedacht hatte seinem Leben noch einen gewissen Sinn geben zu können.
Naja, was soll es.
"Erklären sie mich für vernehmungsfähig!"
Randolph freute sich in höchstem Maße. Schließlich gab es nichts Entspannenderes als ein bisschen Smalltalk mit Londons Ordnungsdienst.
"Das ist sehr nett von ihnen, allerdings wäre ich froh diese Angelgenheit so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Ich werde ihren Rat bezüglich meiner anstehenden Befragung befolgen." Das würde er wirklich tun. Wenn die Witwe erst einmal ausgesagt hatte, konnte er sich nicht mehr mit Lügen aus der Situation heraus winden können. Er hoffte Alan hatte seine Verfolger abschütteln können und die anderen alarmieren.
Ja, sie würden entkommen. Er klammerte sich an diese Vorstellung. Sein eigenes Schicksal dagegen sah düster aus. Wenn er erst ausgesagt hatte, wäre er für den Yard nicht mehr für Interesse. Und das hieße...das würde seinen Tod bedeuten. Er war nicht nur in ein fremdes Haus eingedrungen, hatte dessen Insassen bedroht und verletzt, war nicht nur mitschuldig an einem Mord, nein, er würde auch als Mitverschwörer von "Scarface" dastehen. Der Schrecken sämtlicher Bobbies. Hills persönlicher Paranoia. Der blutrünstige Metzger von dreizehn Menschen. Ha-Ha-Ha.
Und wenn schon, versuchte er leichtfertig zu denken, das hattest du doch ohnehin vor. Du wolltest doch sterben. Doch es war nicht leicht loszulassen. Erst recht nicht jetzt, wo er gedacht hatte seinem Leben noch einen gewissen Sinn geben zu können.
Naja, was soll es.
"Erklären sie mich für vernehmungsfähig!"
Randolph freute sich in höchstem Maße. Schließlich gab es nichts Entspannenderes als ein bisschen Smalltalk mit Londons Ordnungsdienst.
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Dr. Taylor musterte Randolph für einen Moment nachdenklich, bevor er nickte.
„Wie Sie wünschen“, antwortete er knapp und höflich. Sofort, obwohl er es sich gerade erst auf dem Bürosessel bequem gemacht hatte, stand der Arzt auf, um dem Wunsch seines Patienten nachzukommen. Schon an der Tür, wandte er sich mit dem Griff an der Klinke aber noch einmal um.
„Verstehen Sie meine Äußerung nicht falsch, doch ich werde interessiert das weitere Geschehen verfolgen. Auch wenn es im Moment still sein mag, herrscht hier im Yard helle Aufregung. Ich habe die Detectives hitzig um Sie streiten hören, Sir“, fügte er mit unverhohlener Neugier in Stimme und Blick an.
„Scheinbar will jeder von ihnen Ihre Vernehmung leiten. Wäre der Chief Commissioner im Haus, hätte er wahrscheinlich schon diese Tür hier eingerannt, um das persönlich zu übernehmen.“
Ohne auf Reaktion von Randolphs Seite aus zu warten, steckte er dann seinen Kopf in den Flur und rief zwei uniformierte, junge Polizisten hinein, die sich dann des verletzten Verdächtigen annahmen.
Man entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten und befreite ihn von den Handschellen, die ihn an die Pritsche gekettet hatten. Man ließ ihm geduldig die Gelegenheit, die dargebotene, im Gegensatz zu seiner eigenen, nicht zerfetzte Hose anzuziehen, ohne sich dabei aber um seine Privatsphäre zu scheren. Dass er zurzeit kein freier Mann war, bekam Randolph zu spüren.
Taylor hatte sich unterdessen wieder hinter dem Schreibtisch verschanzt. Dass dieser Pause – von was genau auch immer – machen wolle, hatte er wohl ernst gemeint, denn er war schon in einer Zeitung vertieft, als man seinen Patienten zu zweit stützend, aber doch die Arme entschlossen festhaltend, abführte. Dennoch blickte der Arzt kurz auf, um Randolph zum Abschied noch einmal zuzunicken.
Randolph sah Teile des Scotland Yards, die man in der Regel nur zu Gesicht bekam, wenn man dort arbeitete oder einen der Ermittler an dessen Hauptwirkungsbereich aufsuchen wollte. Das Hauptquartier des ehemaligen Metropolitan Police Service war ein verschachteltes, und vor allen Dingen großes, Gebäude. Es gab Hauptflure, doch die Gänge, die die Büros der Detectives damit und untereinander verbanden, waren schmal sowie vorherrschend bedrückend dunkel. Holz verkleidete viele Wände, die meisten davon jedoch nur bis auf Brusthöhe. Darüber Tapeten. Die wichtigsten Wege waren ausgeschildert, an den Türen hingen Messingschilder, die man mithilfe von Ätzung beschriftet hatte. Auf dem des Zimmers, in dem Randolph aufgewacht war, hatte kein Name gestanden – nur der Verweis, dass dort Mittel zur medizinischen Erstversorgung zu finden waren.
Randolphs Bein tat aufgrund der Betäubung, die Taylor ihm verpasst hatte, zwar nicht weh, aber das Gehen fiel ihm erheblich schwer. Die Bobbies, die ihm zum Zielort brachten, verhinderten, dass er zusammenbrach. Dieser Zielort lag in dem Bereich des Yards, den man als Außenstehender lieber nicht betreten wollte – denn dies bedeutete, dass man entweder als Zeuge aussagen wollte oder auszusagen hatte oder, schlimmer, als Delinquent oder zumindest als Verdächtiger hierher gebracht worden war, um unter Umständen in die Mangel genommen zu werden.
Der Wartebereich war gut besucht, hauptsächlich von Unfreiwilligen und Polizisten, die auf diese achtgaben. Blicke, die man Randolph zuwarf, waren von Desinteresse, Schadenfreue oder Abscheu geprägt. Er hörte eine Frau schluchzen und einen lallenden Kerl jammern, man möge ihn doch verdammt noch eins aus der Zelle lassen, in den man ihn offenbar zur Ausnüchterung gesperrt hatte.
In „Verhörzimmer 6“ – so die mit Messing unterlegte Ankündigung – setzte man Randolph auf den Stuhl hinter dem Tisch, der neben weiteren Sitzgelegenheiten das einzige Möbelstück im Raum war, und ließ ihn allein. Bis auf die spärliche Möblierung war der Raum leer, die Tür besaß von Innen weder Griff, noch Knauf. Durch ein vergittertes Fenster kam wenigstens Sonnenlicht hinein.
Man ließ Randolph einige Minuten in seinem Elend schmoren, bis sich etwas tat. Kurz drangen die leidenden bis wütenden Geräusche vom Flur hinein, bis die Tür wieder ins Schloss fiel und davon nichts mehr zu hören war.
Zwei Männer waren gekommen, beide sichtlich unbewaffnet mit leeren Holstern, genauso wie auch Dr. Taylor zuvor – offensichtlich eine routinemäßige Sicherheitsvorkehrung hier im Yard im Umgang mit Verdächtigen.
Es waren ein Polizist mittleren Alters in Uniform und ein einige Jahre jüngerer in zivilem schwarzgrau, der sich auf einen Gehstock stützte, um sein Bein zu schonen – offenbar war dieser Polizist zufälligerweise auf ähnliche Art wie Randolph verletzt –, dies aber mit Mühe unauffällig gestaltete. Der uniformierte Bobby, Randolph erkannte ihn als den Mann, der Alan hinterherjagt war (offenbar hatte der Polizist sich seiner Zivilkleidung entledigt), hatte sich bereits auf den Stuhl neben der Tür sinken lassen und sich bereitgemacht, Protokoll zu führen.
Der zweite war von dünner Statur, ein rothaariger Lockenkopf mit gestutztem Backenbart, der beinahe schon lächerlich klischeehaft irisch aussah.
Dennoch klang er wie ein Engländer, als er das Wort ergriff, nachdem er Randolph gegenüber am Tisch Platz genommen und vor sich eine erstaunlich dicke Akte abgelegt hatte.
- - - - -
„Ich bin Detective Chief Inspector Drake“, stellte dieser sich mit seiner vollständigen neuen Rangbezeichnung vor, denn so etwas schaffte in der Regel Eindruck. Die Worte kamen mit einer Selbstverständlichkeit über seine Lippen als wäre er nie etwas anderes gewesen. Dass er aber erst vor wenigen Stunden zum Chief Inspector gefördert worden war, konnte sein Gegenüber nicht wissen. Für Drake war der Gedanke noch immer etwas befremdlich, auch wenn er natürlich Stolz empfand, dass der Chief Commissioner ihm diese Position zutraute – trotz seiner jungen Jahre. Die meisten seiner nun Untergebenen waren älter als er – so auch sein Begleiter. Mit Neidern hatte er sich schon auseinandersetzen müssen und ein Machtwort seinerseits war vonnöten gewesen, als es darum ging, wer nun das Verhör dieses verdächtigen leiten würde.
„Lassen Sie sich von Sergeant Davies hinter mir nicht irritieren“, fügte er freundlich hinzu.
Drake hielt sich an das, was man ihm in seiner Ausbildung beigebracht hatte. Die Arbeit mit Zeugen und Verdächtigen waren der Grundstein der ermittelnden Polizeiarbeit. Ziel war es, eine möglichst vertrauensvolle Umgebung zu schaffen, in der der Befragte bereitwillig redete, aber diesen gleichzeitig nicht vergessen zu lassen, dass man Repräsentant einer höheren Instanz war, die ihre Aufgabe stets streng erfüllen würde. Darüber hinaus sammelte jeder Polizist im Laufe seiner Dienstzeit Erfahrungen und entwickelte ein eigenes Gespür dafür, den spezifisch richtigen Umgang für jeden Gesprächspartner zu finden und sich zu Nutze zu machen.
Ruhe auszustrahlen und nett zu sein, konnte für den Anfang immer nicht schaden.
„Sind Sie sich bewusst, warum Sie hier sind, Mr. …?“, wollte Drake, dass sein Gesprächspartner vervollständigte und auch die Frage beantwortete.
Damit begann das ernste Spiel.
„Wie Sie wünschen“, antwortete er knapp und höflich. Sofort, obwohl er es sich gerade erst auf dem Bürosessel bequem gemacht hatte, stand der Arzt auf, um dem Wunsch seines Patienten nachzukommen. Schon an der Tür, wandte er sich mit dem Griff an der Klinke aber noch einmal um.
„Verstehen Sie meine Äußerung nicht falsch, doch ich werde interessiert das weitere Geschehen verfolgen. Auch wenn es im Moment still sein mag, herrscht hier im Yard helle Aufregung. Ich habe die Detectives hitzig um Sie streiten hören, Sir“, fügte er mit unverhohlener Neugier in Stimme und Blick an.
„Scheinbar will jeder von ihnen Ihre Vernehmung leiten. Wäre der Chief Commissioner im Haus, hätte er wahrscheinlich schon diese Tür hier eingerannt, um das persönlich zu übernehmen.“
Ohne auf Reaktion von Randolphs Seite aus zu warten, steckte er dann seinen Kopf in den Flur und rief zwei uniformierte, junge Polizisten hinein, die sich dann des verletzten Verdächtigen annahmen.
Man entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten und befreite ihn von den Handschellen, die ihn an die Pritsche gekettet hatten. Man ließ ihm geduldig die Gelegenheit, die dargebotene, im Gegensatz zu seiner eigenen, nicht zerfetzte Hose anzuziehen, ohne sich dabei aber um seine Privatsphäre zu scheren. Dass er zurzeit kein freier Mann war, bekam Randolph zu spüren.
Taylor hatte sich unterdessen wieder hinter dem Schreibtisch verschanzt. Dass dieser Pause – von was genau auch immer – machen wolle, hatte er wohl ernst gemeint, denn er war schon in einer Zeitung vertieft, als man seinen Patienten zu zweit stützend, aber doch die Arme entschlossen festhaltend, abführte. Dennoch blickte der Arzt kurz auf, um Randolph zum Abschied noch einmal zuzunicken.
Randolph sah Teile des Scotland Yards, die man in der Regel nur zu Gesicht bekam, wenn man dort arbeitete oder einen der Ermittler an dessen Hauptwirkungsbereich aufsuchen wollte. Das Hauptquartier des ehemaligen Metropolitan Police Service war ein verschachteltes, und vor allen Dingen großes, Gebäude. Es gab Hauptflure, doch die Gänge, die die Büros der Detectives damit und untereinander verbanden, waren schmal sowie vorherrschend bedrückend dunkel. Holz verkleidete viele Wände, die meisten davon jedoch nur bis auf Brusthöhe. Darüber Tapeten. Die wichtigsten Wege waren ausgeschildert, an den Türen hingen Messingschilder, die man mithilfe von Ätzung beschriftet hatte. Auf dem des Zimmers, in dem Randolph aufgewacht war, hatte kein Name gestanden – nur der Verweis, dass dort Mittel zur medizinischen Erstversorgung zu finden waren.
Randolphs Bein tat aufgrund der Betäubung, die Taylor ihm verpasst hatte, zwar nicht weh, aber das Gehen fiel ihm erheblich schwer. Die Bobbies, die ihm zum Zielort brachten, verhinderten, dass er zusammenbrach. Dieser Zielort lag in dem Bereich des Yards, den man als Außenstehender lieber nicht betreten wollte – denn dies bedeutete, dass man entweder als Zeuge aussagen wollte oder auszusagen hatte oder, schlimmer, als Delinquent oder zumindest als Verdächtiger hierher gebracht worden war, um unter Umständen in die Mangel genommen zu werden.
Der Wartebereich war gut besucht, hauptsächlich von Unfreiwilligen und Polizisten, die auf diese achtgaben. Blicke, die man Randolph zuwarf, waren von Desinteresse, Schadenfreue oder Abscheu geprägt. Er hörte eine Frau schluchzen und einen lallenden Kerl jammern, man möge ihn doch verdammt noch eins aus der Zelle lassen, in den man ihn offenbar zur Ausnüchterung gesperrt hatte.
In „Verhörzimmer 6“ – so die mit Messing unterlegte Ankündigung – setzte man Randolph auf den Stuhl hinter dem Tisch, der neben weiteren Sitzgelegenheiten das einzige Möbelstück im Raum war, und ließ ihn allein. Bis auf die spärliche Möblierung war der Raum leer, die Tür besaß von Innen weder Griff, noch Knauf. Durch ein vergittertes Fenster kam wenigstens Sonnenlicht hinein.
Man ließ Randolph einige Minuten in seinem Elend schmoren, bis sich etwas tat. Kurz drangen die leidenden bis wütenden Geräusche vom Flur hinein, bis die Tür wieder ins Schloss fiel und davon nichts mehr zu hören war.
Zwei Männer waren gekommen, beide sichtlich unbewaffnet mit leeren Holstern, genauso wie auch Dr. Taylor zuvor – offensichtlich eine routinemäßige Sicherheitsvorkehrung hier im Yard im Umgang mit Verdächtigen.
Es waren ein Polizist mittleren Alters in Uniform und ein einige Jahre jüngerer in zivilem schwarzgrau, der sich auf einen Gehstock stützte, um sein Bein zu schonen – offenbar war dieser Polizist zufälligerweise auf ähnliche Art wie Randolph verletzt –, dies aber mit Mühe unauffällig gestaltete. Der uniformierte Bobby, Randolph erkannte ihn als den Mann, der Alan hinterherjagt war (offenbar hatte der Polizist sich seiner Zivilkleidung entledigt), hatte sich bereits auf den Stuhl neben der Tür sinken lassen und sich bereitgemacht, Protokoll zu führen.
Der zweite war von dünner Statur, ein rothaariger Lockenkopf mit gestutztem Backenbart, der beinahe schon lächerlich klischeehaft irisch aussah.
Dennoch klang er wie ein Engländer, als er das Wort ergriff, nachdem er Randolph gegenüber am Tisch Platz genommen und vor sich eine erstaunlich dicke Akte abgelegt hatte.
- - - - -
„Ich bin Detective Chief Inspector Drake“, stellte dieser sich mit seiner vollständigen neuen Rangbezeichnung vor, denn so etwas schaffte in der Regel Eindruck. Die Worte kamen mit einer Selbstverständlichkeit über seine Lippen als wäre er nie etwas anderes gewesen. Dass er aber erst vor wenigen Stunden zum Chief Inspector gefördert worden war, konnte sein Gegenüber nicht wissen. Für Drake war der Gedanke noch immer etwas befremdlich, auch wenn er natürlich Stolz empfand, dass der Chief Commissioner ihm diese Position zutraute – trotz seiner jungen Jahre. Die meisten seiner nun Untergebenen waren älter als er – so auch sein Begleiter. Mit Neidern hatte er sich schon auseinandersetzen müssen und ein Machtwort seinerseits war vonnöten gewesen, als es darum ging, wer nun das Verhör dieses verdächtigen leiten würde.
„Lassen Sie sich von Sergeant Davies hinter mir nicht irritieren“, fügte er freundlich hinzu.
Drake hielt sich an das, was man ihm in seiner Ausbildung beigebracht hatte. Die Arbeit mit Zeugen und Verdächtigen waren der Grundstein der ermittelnden Polizeiarbeit. Ziel war es, eine möglichst vertrauensvolle Umgebung zu schaffen, in der der Befragte bereitwillig redete, aber diesen gleichzeitig nicht vergessen zu lassen, dass man Repräsentant einer höheren Instanz war, die ihre Aufgabe stets streng erfüllen würde. Darüber hinaus sammelte jeder Polizist im Laufe seiner Dienstzeit Erfahrungen und entwickelte ein eigenes Gespür dafür, den spezifisch richtigen Umgang für jeden Gesprächspartner zu finden und sich zu Nutze zu machen.
Ruhe auszustrahlen und nett zu sein, konnte für den Anfang immer nicht schaden.
„Sind Sie sich bewusst, warum Sie hier sind, Mr. …?“, wollte Drake, dass sein Gesprächspartner vervollständigte und auch die Frage beantwortete.
Damit begann das ernste Spiel.
Zuletzt von Umbra am Sa Jun 22 2013, 17:18 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
Umbra- Tiefseemonster
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Mit Kutschfahrten hatte Melinda bisher nie Schwierigkeiten gehabt, so nutzte sie die Zeit bis zum Haus des Doktors um ihren Fächern zu säubern. Das gröbste hatte sie bereits an der Leiche von Leeland abgewischt, doch nun beschäftigte sie sich damit, die Klingen penibel zu säubern. So manche Errungenschaft hatte irgendwann nicht mehr funktioniert, weil sie Rost zum Opfer gefallen war, das wollte sie auf jeden Fall vermeiden. Sie testet die Klingen danach ob sie noch sauber ausfuhren. Nach dem die Klingen zum dritten Mal mit einem sauberen Tsching die Luft zerteilt hatten, ließ sie sie zufrieden zusammen schnappen. Charles sah müde, abgeschlagen und ein wenig grün um die Nase aus. Vermutlich vertrug er die Kutschfahrt zu allem sonstigen Übel hinzukommend nicht. Johanna machte auch keine bessere Figur. Doch auch Melinda musste sich eingestehen, dass es ihr schon besser gegangen war. Nicht oft, aber gelegentlich. Ihre Glieder schmerzten und sie freute sich, wenigstens ein wenig zur Ruhe zu kommen. Als sie endlich ankamen, schien ihr Wunsch jedoch unerfüllt zu bleiben. Sie blieb hinter Charles zurück, als dieser die Tür untersuchte und legte sich die Kapuze ihres Mantels über. Eine Flucht war denkbar, sie wollte darauf vorbereitet sein. Doch dann handelte Charles schnell und agil und drang in das Haus ein. Mit etwas Abstand folgte sie ihm und erblickte, fast im gleichen Augenblick wie Norly, Alan der auf dem Boden lag. Ihr erster Blick wanderte über die Scherben die auf dem Boden lagen, die identifizierte Schnaps, doch zum Glück kein Absinth, was ihr erster Gedanke bei dem Anblick von Alan gewesen war, hoch zu dem verschlossenen Schrank in dem sich die Medikamente befanden. Die ehemals säuberlich sortierten Flaschen waren um hergeschoben worden, eine lag zur Seite gekippt, wenn auch noch verschlossen und wurde von einer herausragenden Scherbe gehalten, die einst zu dem Schrank gehört hatte.
Die ganze Vorsicht hättest du dir sparen können. Du hättest das Glas auch einfach zerschlagen können, dann hättest du nun eine MENGE Laudanum und unser Alan hier hätte es auch einfacher gehabt.
Das stimmte, doch war nicht von der Hand zu weisen, dass Charles es sicher nicht gutgehießen hätte, wenn er gesehen hätte, dass sie Laudanum an sich genommen hatte. Das sollte auch vorerst ihr Geheimnis bleiben.
Charles war offensichtlich außer sich vor Wut, als er Alan anschrie, doch als Melinda seine Worte vernahm, sah auch sie rot. Randolph war nicht da. Bei dem Lärm den Charles verursachte, wäre er längst herbei geeilt um zu nörgeln. Zudem hätte er sie natürlich begrüßt.
Sie drehte sich um und rannte aus dem Raum, sie stieß David mit der Schulter an, der erschrocken einen Satz nach hinten machte. Sie eilte in die Küche, zog einen Eimer hervor, den sie beim Kochen gesehen hatte und ließ ihn mit eiskaltem Wasser volllaufen. Ungeduldig schimpfte sie auf den geringen Wasserdruck, bis der Eimer, nach einer gefühlten Ewigkeit, fast vollständig mit Wasser gefüllt war. Sie hob den Eimer an, überrascht über dessen Gewicht und brachte ihn zurück zu Alan und den anderen. Mit letzter Kraft hob sie den Eimer an und schüttete dessen Inhalt über Alans Gesicht aus. Noch bevor sie eine Reaktion von Alan abwartet ging sie neben ihm auf die Knie und fauchte ihn regelrecht an. “WO ist Randolph?“
Da haben wir es mal wieder. Du bist eben doch die Katze. Katzen reizt man nicht. Es sei denn man kommt mit ihren Krallen zurecht. Zeig‘s dem Mistkerl. Prost!
Die ganze Vorsicht hättest du dir sparen können. Du hättest das Glas auch einfach zerschlagen können, dann hättest du nun eine MENGE Laudanum und unser Alan hier hätte es auch einfacher gehabt.
Das stimmte, doch war nicht von der Hand zu weisen, dass Charles es sicher nicht gutgehießen hätte, wenn er gesehen hätte, dass sie Laudanum an sich genommen hatte. Das sollte auch vorerst ihr Geheimnis bleiben.
Charles war offensichtlich außer sich vor Wut, als er Alan anschrie, doch als Melinda seine Worte vernahm, sah auch sie rot. Randolph war nicht da. Bei dem Lärm den Charles verursachte, wäre er längst herbei geeilt um zu nörgeln. Zudem hätte er sie natürlich begrüßt.
Sie drehte sich um und rannte aus dem Raum, sie stieß David mit der Schulter an, der erschrocken einen Satz nach hinten machte. Sie eilte in die Küche, zog einen Eimer hervor, den sie beim Kochen gesehen hatte und ließ ihn mit eiskaltem Wasser volllaufen. Ungeduldig schimpfte sie auf den geringen Wasserdruck, bis der Eimer, nach einer gefühlten Ewigkeit, fast vollständig mit Wasser gefüllt war. Sie hob den Eimer an, überrascht über dessen Gewicht und brachte ihn zurück zu Alan und den anderen. Mit letzter Kraft hob sie den Eimer an und schüttete dessen Inhalt über Alans Gesicht aus. Noch bevor sie eine Reaktion von Alan abwartet ging sie neben ihm auf die Knie und fauchte ihn regelrecht an. “WO ist Randolph?“
Da haben wir es mal wieder. Du bist eben doch die Katze. Katzen reizt man nicht. Es sei denn man kommt mit ihren Krallen zurecht. Zeig‘s dem Mistkerl. Prost!
Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
"Tremaine. Randolph Tremaine. Es erfreut mich, Sie kennenzulernen, Detective Chief Inspector." Es hatte keinen Sinn, dem Mann etwas vorzuleugnen, das er ohnehin leicht herausfinden konnte, oder vielleicht schon hatte. Randolph bemühte sich, möglichst gelassen zu wirken.
"Nur keine Scheu, fragen Sie, was Sie wissen wollen. Ich denke, es ist im Interesse aller, wenn wir diese "Unterredung" so schnell wie möglich hinter uns bringen." In Wirklichkeit war der Doktor alles andere als zuversichtlich, doch es konnte nicht schaden, sich zunächst kooperativ zu zeigen - vor allem bei Fragen, deren Antwort ohnehin leicht zu recherchieren war.
Der Inspector nickte ernst und ließ seine gestellte Frage, ohne Antwort bekommen zu haben, auf sich beruhen.
„Nur keine Eile, Mr. Tremaine, es sind Formalitäten einzuhalten.“
Dann erkundigte er sich nach Randolphs Wohnort, Beruf und Familienstand. Der Protokollführer dokumentierte eifrig scheinbar jedes gesprochene Wort.
Als sie das hinter sich gebracht hatten, kam Drake auf den Grund ihrer „Unterredung“ zurück.
„Nun, Mr. – Dr. Tremaine“, korrigierte er sich, da er nun wusste, dass Randolph diesen Titel trug.
„Sie sind hier, weil wir“, der Inspector benutzte das Wort „wir“ mit Absicht, „einige Fragen an Sie richten wollen und wir uns erhoffen, dass Sie einige Unklarheiten beseitigen können. Wir haben Sie schwer verletzt in der Nähe eines Tatortes gefunden und es stellt sich nun die Frage, was Sie mit den Geschehnissen zu tun haben könnten. Ihre Anwesenheit hier ist, wie immer in solchen Fällen, ebenfalls reine Formalität“, erklärte Drake Randolph.
„Wir betrachten Sie als potenziell wichtigen Zeugen“, und Verdächtigen, „und wünschen uns von Ihnen eine möglichst detailgenaue Aussage.
Lassen wir uns also beginnen.“
Drake verlagerte sein Gewicht auf seinem Stuhl und fuhr dann fort, offenbar die Dinge auswendig wissend, die er aussprach, und beabsichtigt in einem protokollwürdigen Stil.
„Am frühen Nachmittag des heutigen Tages, des 8. März 1868, kam es zu einem blutrünstigen Verbrechen in Pimlico, 34 Eccleston Square, dem vier Personen zum Opfer fielen – drei Frauen und ein Mann, für die jede Hilfe zu spät kam. Die Täter, die sich beim Eintreffen der Beamten des London Police Service noch im Haus befanden, flohen, als besagte Beamte unter Leitung Detective Sergeant Thomas Davies die Haustür stürmten. Während der Verfolgung besagter Flüchtiger, trafen die Polizisten auf Sie, Dr. Tremaine.
Wie ist es zu Ihrer Schussverletzung gekommen, Sir? Können Sie den Schützen identifizieren?“
Hieß das etwa, sie wussten noch nicht, dass er einer der beiden "Täter" war. Aber wenn sie es noch nicht wussten, letztendlich würden sie es erfahren. Er überlegte sich ein halbes Dutzend Lügen und verwarf sie allesamt im nächsten Moment wieder. Na schön, dann wollen wir mal...
"Nun, werter Detective Chief Inspector, ich denke dass es nun an der Zeit ist ihnen eine kleine Geschichte zu erzählen, um den Nebel der Verwirrung fortzuwehen." Randolph unterstrich seine Worte durch eine dramatische Geste mit der rechten Hand.
"Es ist nämlich so, dass ich nicht etwa nur ein "Zeuge" bin - was sie aufgrund ihrer Kombinationsgabe sicher schon längst vermuten. Nein, ich bin einer der "Täter". Zusammen mit einem "Mitstreiter", zu diesem Zeitpunkt zumindest war er noch einer - namens Alan Stirling - drangen wir ins Innere des Hauses der Witwe Mauney vor. Unter falschem Namen gaben wir uns als ehemalige Kollegen ihres Mannes aus, der vor nicht allzu langer Zeit, ein Opfer des allseits bekannten Massenmörders Charles Norly wurde, auch "Scarface" genannt. Was das Motiv dieser Tat war? Informationen bezüglich eben jenes Mannes. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Situation noch unter Kontrolle, doch dann ergab sich eine unglückliche Aneinderkettung von Ereignissen. Haben sie schon Fragen oder soll ich fortfahren?"
Der Protokollführer hielt inne und auch der Chief Inspector sah Randolph verwundert an, als beiden klar wurde, dass die „kleine Geschichte“ sich als Ansatz eines Geständnisses herausstellte. Nichts anderes schien der Chirurg gerade zu äußern. Die Polizisten fingen sich aber schnell wieder – solche Offenheit hatten sie dennoch nicht erwartet gehabt.
Normalerweise muss man denen alles aus der Nase ziehen, dachte Detective Chief Inspector Drake.
Der Bleistift des Sergeants kratzte wieder eifrig über das Papier und Drake musterte Dr. Tremaine nun mit einem noch undeutbareren Blick als zuvor.
„Nein, bitte, fahren Sie fort“, antwortete er mit einer einladenden Geste, als Randolph danach fragte, und lehnte sich gespannt auf das, was nun kam, in seinem Stuhl zurück.
Randolph nickte: "Es hat sich also herausgestellt, dass die beiden Frauen - also eigentlich Mrs. Mauney, denn sie ist schließlich die Einzige, die die Wahrheit kennt nicht sonderlich erpicht darauf waren uns Informationen zu geben. Was ja durchaus verständlich ist. Wieso sollten sie uns auch etwas anderes erzählen, als der Polizei. Daraufhin habe ich die Witwe ganz offen dazu aufgefordert uns mit ihren Lügen zu verschonen. Damals zumindest dachte ich das es Lügen seien- mittlerweile bin ich mir dessen nicht mehr so sicher. Die Frauen hetzten daraufhin ihren Butler auf uns, doch es gelang mir ihn binnen weniger Sekunden ihn bewusstlos zu schlagen. Diese Schandtat ist allein mir anzulasten. Ich wusste, dass der arme Mann mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun hatte. Dennoch tat ich es, weil ich dachte das sei es wert um die Wahrheit ans Licht zu bringen, was in jener Nacht geschah. Also- in der Nacht, in der Harrold Mauney starb. Naja, zumindest habe ich es kurz und schmerzlos hinter sich gebracht. Als Chirurg weiß man, welche Körperpartien die Anfälligsten sind."
Wobei auch ein Nichtchirurg vermutlich weiß, das es sinnvoll ist in die "untere Körperzone" zu schlagen.
"Das ist aber auch schon Alles, was ich zu meiner Verteidigung sagen kann. Danach verließ ich für einen Augenblick das Zimmer, um die in Panik geratene Haushälterin wieder einzufangen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass mein "Partner"...", Randolph spie das Wort förmlich aus, "... so durchdrehen würde. Er geriet nämlich in Panik und verließ ebenfalls den Raum, sodass die Frauen sich vernünftigerweise verbarrikadieren und um Hilfe rufen konnten. Das versetzte seiner Psyche offensichtlich den letzten Schlag. Er ging mit seinem Revolver auf die Haushälterin los. "Sie kennen unsere Gesichter, Randolph!", brüllte er mich an und forderte mich auf zur Seite zu treten. Doch ich wollte diesen Wahnsinn nicht zulassen. Ich bin zwar fähig Gewalt anzuwenden, aber ich bin kein Mörder. Also stürzte ich mich auf den Irren und versuchte ihn aufzuhalten. Zunächst sah es auch gar nicht schlecht für mich aus, doch dann schoss er einfach auf mich. So entstand meine Beinverletzung. Dann wandte er sich der Haushälterin zu, die starr vor Schreck war. Warum ist sie nur nicht weggelaufen? WARUM IST SIE NICHT WEGGELAUFEN?" Randolph drückte sich die Hand ins Gesicht. Eigentlich war seine Schlägerei mit Alan weitaus weniger heroisch verlaufen, doch es konnte sicher nicht schaden, sich selbst in ein vorteilhafteres Licht zu rücken. Außerdem klang es vielleicht sogar stichhaltiger, dass Alans Schuss auf Randolph sich vor dem Schuss auf die Ehefrau des Butlers ereignet hat.
"Er hat sie erschossen", fuhr er mit tonloser Stimme fort. "...und ich konnte nichts dagegen tun. Anschließend wollte er sich die Frauen vornehmen, doch ich konnte ihn zur Flucht überreden, indem ich ihn warnte, dass die Polizei schon auf dem Weg sei. Als ihr dann endlich kamt, waren wir schon dabei durch den Hinterausgang zu verschwinden. Doch unsere Flucht wurde durch mein kaputtes Bein gehemmt. Also stieß er mich zu Boden, um selbst entkommen zu können. Im Anschluss versuchte ich noch mich als angeschossener Passant auszugeben. Das erklärt den blutigen Verband in meiner Tasche, den ich mir selbst herunterriss. Naja, ich wollte es wenigstens versucht haben. Habt ihr zumindest diesen Bastard einfangen können?"
Wenn Alan es nicht geschafft hatte, wäre alles aus.
"Nur keine Scheu, fragen Sie, was Sie wissen wollen. Ich denke, es ist im Interesse aller, wenn wir diese "Unterredung" so schnell wie möglich hinter uns bringen." In Wirklichkeit war der Doktor alles andere als zuversichtlich, doch es konnte nicht schaden, sich zunächst kooperativ zu zeigen - vor allem bei Fragen, deren Antwort ohnehin leicht zu recherchieren war.
Der Inspector nickte ernst und ließ seine gestellte Frage, ohne Antwort bekommen zu haben, auf sich beruhen.
„Nur keine Eile, Mr. Tremaine, es sind Formalitäten einzuhalten.“
Dann erkundigte er sich nach Randolphs Wohnort, Beruf und Familienstand. Der Protokollführer dokumentierte eifrig scheinbar jedes gesprochene Wort.
Als sie das hinter sich gebracht hatten, kam Drake auf den Grund ihrer „Unterredung“ zurück.
„Nun, Mr. – Dr. Tremaine“, korrigierte er sich, da er nun wusste, dass Randolph diesen Titel trug.
„Sie sind hier, weil wir“, der Inspector benutzte das Wort „wir“ mit Absicht, „einige Fragen an Sie richten wollen und wir uns erhoffen, dass Sie einige Unklarheiten beseitigen können. Wir haben Sie schwer verletzt in der Nähe eines Tatortes gefunden und es stellt sich nun die Frage, was Sie mit den Geschehnissen zu tun haben könnten. Ihre Anwesenheit hier ist, wie immer in solchen Fällen, ebenfalls reine Formalität“, erklärte Drake Randolph.
„Wir betrachten Sie als potenziell wichtigen Zeugen“, und Verdächtigen, „und wünschen uns von Ihnen eine möglichst detailgenaue Aussage.
Lassen wir uns also beginnen.“
Drake verlagerte sein Gewicht auf seinem Stuhl und fuhr dann fort, offenbar die Dinge auswendig wissend, die er aussprach, und beabsichtigt in einem protokollwürdigen Stil.
„Am frühen Nachmittag des heutigen Tages, des 8. März 1868, kam es zu einem blutrünstigen Verbrechen in Pimlico, 34 Eccleston Square, dem vier Personen zum Opfer fielen – drei Frauen und ein Mann, für die jede Hilfe zu spät kam. Die Täter, die sich beim Eintreffen der Beamten des London Police Service noch im Haus befanden, flohen, als besagte Beamte unter Leitung Detective Sergeant Thomas Davies die Haustür stürmten. Während der Verfolgung besagter Flüchtiger, trafen die Polizisten auf Sie, Dr. Tremaine.
Wie ist es zu Ihrer Schussverletzung gekommen, Sir? Können Sie den Schützen identifizieren?“
Hieß das etwa, sie wussten noch nicht, dass er einer der beiden "Täter" war. Aber wenn sie es noch nicht wussten, letztendlich würden sie es erfahren. Er überlegte sich ein halbes Dutzend Lügen und verwarf sie allesamt im nächsten Moment wieder. Na schön, dann wollen wir mal...
"Nun, werter Detective Chief Inspector, ich denke dass es nun an der Zeit ist ihnen eine kleine Geschichte zu erzählen, um den Nebel der Verwirrung fortzuwehen." Randolph unterstrich seine Worte durch eine dramatische Geste mit der rechten Hand.
"Es ist nämlich so, dass ich nicht etwa nur ein "Zeuge" bin - was sie aufgrund ihrer Kombinationsgabe sicher schon längst vermuten. Nein, ich bin einer der "Täter". Zusammen mit einem "Mitstreiter", zu diesem Zeitpunkt zumindest war er noch einer - namens Alan Stirling - drangen wir ins Innere des Hauses der Witwe Mauney vor. Unter falschem Namen gaben wir uns als ehemalige Kollegen ihres Mannes aus, der vor nicht allzu langer Zeit, ein Opfer des allseits bekannten Massenmörders Charles Norly wurde, auch "Scarface" genannt. Was das Motiv dieser Tat war? Informationen bezüglich eben jenes Mannes. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Situation noch unter Kontrolle, doch dann ergab sich eine unglückliche Aneinderkettung von Ereignissen. Haben sie schon Fragen oder soll ich fortfahren?"
Der Protokollführer hielt inne und auch der Chief Inspector sah Randolph verwundert an, als beiden klar wurde, dass die „kleine Geschichte“ sich als Ansatz eines Geständnisses herausstellte. Nichts anderes schien der Chirurg gerade zu äußern. Die Polizisten fingen sich aber schnell wieder – solche Offenheit hatten sie dennoch nicht erwartet gehabt.
Normalerweise muss man denen alles aus der Nase ziehen, dachte Detective Chief Inspector Drake.
Der Bleistift des Sergeants kratzte wieder eifrig über das Papier und Drake musterte Dr. Tremaine nun mit einem noch undeutbareren Blick als zuvor.
„Nein, bitte, fahren Sie fort“, antwortete er mit einer einladenden Geste, als Randolph danach fragte, und lehnte sich gespannt auf das, was nun kam, in seinem Stuhl zurück.
Randolph nickte: "Es hat sich also herausgestellt, dass die beiden Frauen - also eigentlich Mrs. Mauney, denn sie ist schließlich die Einzige, die die Wahrheit kennt nicht sonderlich erpicht darauf waren uns Informationen zu geben. Was ja durchaus verständlich ist. Wieso sollten sie uns auch etwas anderes erzählen, als der Polizei. Daraufhin habe ich die Witwe ganz offen dazu aufgefordert uns mit ihren Lügen zu verschonen. Damals zumindest dachte ich das es Lügen seien- mittlerweile bin ich mir dessen nicht mehr so sicher. Die Frauen hetzten daraufhin ihren Butler auf uns, doch es gelang mir ihn binnen weniger Sekunden ihn bewusstlos zu schlagen. Diese Schandtat ist allein mir anzulasten. Ich wusste, dass der arme Mann mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun hatte. Dennoch tat ich es, weil ich dachte das sei es wert um die Wahrheit ans Licht zu bringen, was in jener Nacht geschah. Also- in der Nacht, in der Harrold Mauney starb. Naja, zumindest habe ich es kurz und schmerzlos hinter sich gebracht. Als Chirurg weiß man, welche Körperpartien die Anfälligsten sind."
Wobei auch ein Nichtchirurg vermutlich weiß, das es sinnvoll ist in die "untere Körperzone" zu schlagen.
"Das ist aber auch schon Alles, was ich zu meiner Verteidigung sagen kann. Danach verließ ich für einen Augenblick das Zimmer, um die in Panik geratene Haushälterin wieder einzufangen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass mein "Partner"...", Randolph spie das Wort förmlich aus, "... so durchdrehen würde. Er geriet nämlich in Panik und verließ ebenfalls den Raum, sodass die Frauen sich vernünftigerweise verbarrikadieren und um Hilfe rufen konnten. Das versetzte seiner Psyche offensichtlich den letzten Schlag. Er ging mit seinem Revolver auf die Haushälterin los. "Sie kennen unsere Gesichter, Randolph!", brüllte er mich an und forderte mich auf zur Seite zu treten. Doch ich wollte diesen Wahnsinn nicht zulassen. Ich bin zwar fähig Gewalt anzuwenden, aber ich bin kein Mörder. Also stürzte ich mich auf den Irren und versuchte ihn aufzuhalten. Zunächst sah es auch gar nicht schlecht für mich aus, doch dann schoss er einfach auf mich. So entstand meine Beinverletzung. Dann wandte er sich der Haushälterin zu, die starr vor Schreck war. Warum ist sie nur nicht weggelaufen? WARUM IST SIE NICHT WEGGELAUFEN?" Randolph drückte sich die Hand ins Gesicht. Eigentlich war seine Schlägerei mit Alan weitaus weniger heroisch verlaufen, doch es konnte sicher nicht schaden, sich selbst in ein vorteilhafteres Licht zu rücken. Außerdem klang es vielleicht sogar stichhaltiger, dass Alans Schuss auf Randolph sich vor dem Schuss auf die Ehefrau des Butlers ereignet hat.
"Er hat sie erschossen", fuhr er mit tonloser Stimme fort. "...und ich konnte nichts dagegen tun. Anschließend wollte er sich die Frauen vornehmen, doch ich konnte ihn zur Flucht überreden, indem ich ihn warnte, dass die Polizei schon auf dem Weg sei. Als ihr dann endlich kamt, waren wir schon dabei durch den Hinterausgang zu verschwinden. Doch unsere Flucht wurde durch mein kaputtes Bein gehemmt. Also stieß er mich zu Boden, um selbst entkommen zu können. Im Anschluss versuchte ich noch mich als angeschossener Passant auszugeben. Das erklärt den blutigen Verband in meiner Tasche, den ich mir selbst herunterriss. Naja, ich wollte es wenigstens versucht haben. Habt ihr zumindest diesen Bastard einfangen können?"
Wenn Alan es nicht geschafft hatte, wäre alles aus.
Zuletzt von Umbra am Sa Jun 22 2013, 17:19 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
Umbra- Tiefseemonster
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Ein kurzes Schweigen brach aus, denn Inspector Drake musste seine Gedanken etwas sammeln. Er hatte schon vieles gehört, viel Gejammer, viele Lügen, viel Gefasel von geistig Verwirrten. Im Moment versuchte er abzuwägen, welche der beiden letzten Optionen wohl am ehesten zutraf. Der Befragte redete freiwillig und viel, das war schon einmal gut aus der Sicht der Polizei, doch der Inhalt des Geredes passte einerseits nicht komplett zu den vorgefundenen Begebenheiten, andererseits entzog sich die Aussage Drakes Ansicht nach jedweder Vernunft, sollte es sich, zumindest in Teilen, so abgespielt haben.
„Bevor ich Ihnen vielleicht Informationen gebe, die Sie sich wünschen, lassen Sie uns Ihre Aussage Schritt für Schritt durchgehen“, stellte der rothaarige Polizist im geduldigen Ton als Belohnung in Aussicht, stützte seine Unterarme nun auf dem Tisch auf und beugte sich leicht vor.
„Sie haben zusammen mit diesem Stirling unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Mrs. Mauney aufgesucht, haben sie in ihrere Trauer belästigt, weil Sie der Überzeugung sind – oder waren, immerhin sind Sie sich inzwischen dessen nicht mehr so sicher –, sie habe bezüglich des Mords an ihrem Mann falsch gegen den flüchtigen Mr. Norly ausgesagt. Als Mrs. Mauney Ihnen nicht gab, was Sie verlangten, haben Sie es sich versucht, mit Gewalt zu nehmen.“
Er sah Randolph eindringlich an.
„Sie scheinen zumindest zu diesem Zeitpunkt sehr sicher gewesen zu sein, dass die Witwe dem Scotland Yard gegenüber falsche Angaben gemacht hat. Was hat Sie veranlasst, dies anzunehmen? Und warum haben Sie, da Sie sich dessen so sicher waren, nicht Kontakt zu uns aufgenommen? Stattdessen haben Sie sich in laufende Ermittlungen eingemischt, was für sich strafbar ist, und sich, laut Ihres Geständnisses, allein bis zu diesem Punkt drei verschiedenen weiteren Straftaten schuldig gemacht, die da wären: Hausfriedensbruch, Nötigung und zudem gefährliche Körperverletzung. Das sind keine Kavaliersdelikte, Doktor“, stellte Drake klar.
„Zudem muss ich an dieser Stelle annehmen, dass Sie Beweismittel vor uns zurückgehalten haben, also bitte ich Sie, mich nun aufzuklären.“
Darauf hatte Randolph schon gewartet: "Beantworten sie mir zunächst eine Frage, Detective Chief Inspector und ich werde ihre beantworten: Was ist das signifikanteste Merkmal der Scarface-Mordserie? Was lässt einen Mord als die Bluttat dieses Mannes erkennen?"
Drake zeigte sich kooperativ: „Signifikant ist das Gesamtbild, das sich bietet, Sir. Der Tathergang zum einen, Zeugenberichte zum anderen. Wir stützen uns auf fundierte Beweise, die sich aus Tatortuntersuchung, Obduktionsbefunden und besagten Aussagen zusammensetzen. Dazu kommen die Ermittlungen im Bereich der Hintergründe und möglichen persönlichen Bezügen, die allerdings stets weitere Gutachten erfordern. Dazu ziehen wir auch externe Quellen zu Rate. Aber ich verstehe nicht – worauf wollen Sie hinaus? Sie haben scheinbar etwas Bestimmtes im Sinn.“
"Worauf ich hinaus will, ist die "Narbe". Der Spalt in den Gesichtern seiner Opfer, den er mit seinem Messer hineinzeichnet. Vermutlich um an die Narbe in seinem eigenem Gesicht zu erinnern. Das Zeichen, das er hinterlässt, um dem Chief Comissionar sein Unvermögen ihn aufzuhalten vor Augen zu führen! Nunja, vielleicht übertreibe ich ein wenig, aber es ist ja wirklich so das man diese "Narbe" beim Großteil der Opfer finden kann. Bei der Unterschiedlichkeit der Opfer ist es zudem kaum zu denken, dass Scarface wirkliche Motive bei der Auswahl seiner Opfer hat. Er tut es, weil es ihm Lust bereitet, oder um seinen Rachefeldzug gegen den Chief Comissionar fortzuführen. Und das aufgeschlitzte Gesicht ist dabei sein Markenzeichen. Wieso sollte er es also weglassen und ein Opfer wie Harrold Mauney mit einer Schrotflinte erschiessen? Daraus ergibt sich doch die Schlussfolgerung, dass es eventuell gar nicht Scarface war, der diesen Mord begangen hat. Man nutzt lediglich die bestehende Mordserie, um den eigenen Mord jemand anderem unter zu schieben. Alan hat vermutet, dass Mrs. Mauney entweder geschmiert oder erpresst wurde. Außerdem darf man nicht vergessen, dass die Ehe der beiden kinderlos war. Sie wird sicherlich einen Großteil des Besitzes erben, den ihr Mann im Laufe der Zeit erarbeitet hatte. Mit dieser Theorie hatte mich Alan überzeugt. Er hat zudem die Vermutung geäußert, dass der Yard in einige Morde verwickelt sein könnte. Das fand ich zwar lächerlich, aber das ist der Grund, warum wir uns nicht gemeldet haben.
Was halten sie von dieser Theorie, Detective Chief Inspector?"
„Sie haben sich also von Gerüchten und dem Gerede eines einzelnen Mannes beeinflussen lassen?“
Einem solch gebildeten Mann war ein derartiger Grad an Naivität kaum zutraubar. Drake kaufte dies dem Befragten nicht so ganz ab, hielt es für eine Ausrede, behielt aber die Möglichkeit im Hinterkopf, es womöglich wirklich mit einem Verrückten zu tun zu haben. Mit diesem Gedanken konnte sich der Inspector immer mehr anfreunden, bedachte er doch das Gesamtbild und die Äußerungen dieses Dr. Tremaines.
„Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass sie auf Grundlage dessen einen derartigen Übergriff, wie Sie ihn begangen haben, rechtfertigen wollen?“, fragte der Inspector rhetorisch und signalisierte Randolph damit, dass dieser sich eindeutig auf dünnes Eis begeben hatte.
Der Polizist ließ dies jedoch auf sich beruhen und ging stattdessen näher auf das Gesagte ein: „Denken Sie, wir hätten die Möglichkeiten nicht ausgiebig abgesteckt? Wir sind uns der Eventualität, dass es Nachahmungstäter geben könnte, durchaus bewusst, und schließend dies auch nicht aus, bevor wir uns dessen absolut sicher sind. Habsucht ist eins der, wenn die sogar das häufigste Mordmotiv unserer Zeit – selbstverständlich haben wir Mrs. Mauney eingehend überprüft. Dass sie jemand, auf welche Art auch immer, zur Falschaussage brachte, halte ich für sehr unwahrscheinlich“, offenbarte er.
„Unterschiedliche Waffenwahl und nicht identischer Tathergang bilden für uns kein hinreichender Ansatz, so etwas in Erwägung zu ziehen.“
Der Polizist pausierte kurz.
„Lassen Sie sich nur eins gesagt sein: In diesem Fall sehen wir sehr wohl ein Motiv, was die Auswahl des Opfers betrifft. Fakt ist, dass Mr. Mauney und Norly einander kannten. Sie waren Geschäftspartner, über Jahre hinweg, wobei uns über die Natur dieser Geschäfte wohl nur Mr. Norly persönlich Genaueres sagen könnte, denn bis auf Überweisungen gibt es keine Dokumentation – was uns illegale Aktivitäten nicht ausschließen lässt. Gerade deswegen nehmen stark an, dass dies in Verbindung mit dieser Einzeltat stehen könnte.“
Ärger war zunehmend aus der Stimme des Inspectors herauszulesen gewesen.
„Genug davon, ich bin nicht hier, um mit Ihnen Meinungsaustausch zu halten. Ich bin auch nicht befugt, Ihnen Einsicht in den Stand der Ermittlungen zu geben. Also bleiben wir bei Ihnen. In welchem Verhältnis stehen Sie zu Alan Stirling und wie kommen Sie darauf, dass Mr. Norly einen ‚Rachefeldzug‘ gegen den Chief Commissioner führt? Hat Stirling Ihnen dies etwa auch eingetrichtert?“
Mist! Was hatte Dr. Taylor noch gesagt? Das er nicht mehr sagen sollte, als er musste? Sein Vorhaben Drake davon zu überzeugen, dass der Mord von Mauney nicht "Scarface" war lächerlich gewesen. Er wollte es wenigstens versucht haben. Aber die Information, dass Norly mit Harrold eine Verbindung hatte war interessant. Wieso hatte er davon nicht gewusst?
Am Besten wäre es vermutlich, wenn er sich nun an den Ratschlag Taylors hielt, bevor er die Lage noch weiter verschlimmerte.
"Er war ein ehemaliger Patient von mir. Und seine Theorien haben sich für mich sehr schlüssig angehört." Jetzt machte es auch nichts mehr, die ganze Schuld auf Alan abzuschieben. Die Kerle glaubten ihm wahrscheinlich ohnehin nichts mehr.
„So, haben sie das?“, entgegnete Inspector Drake stirnrunzelnd und durchdrang Randolph förmlich mit einem prüfenden Blick.
„Nun, fahren wir fort. Stirling überzeugte Sie also, dass dieses Vorhaben eine gute Idee war. Im Haus der Witwe gerieten Sie jedoch in Streit, erst schoss er Sie an, dann war die Haushälterin, wie eigentlich geplant, an der Reihe...“, leierte der Polizist nicht ohne provokanten Unterton in der Stimme herunter.
„Vielleicht hat es sich so ereignet, doch was geschah dann?“, fragte er interessiert.
„War er es, der den Butler erschoss und die Frauen? Immerhin hatten sie Sie gesehen, stimmt’s?“, griff er die Wortwahl aus Randolphs Aussage auf.
„Er hat Sie außer Gefecht gesetzt und dann trotzdem reinen Tisch gemacht. War es so? Aber warum hat er Sie dann trotzdem mitgenommen, als er floh?“
„Bevor ich Ihnen vielleicht Informationen gebe, die Sie sich wünschen, lassen Sie uns Ihre Aussage Schritt für Schritt durchgehen“, stellte der rothaarige Polizist im geduldigen Ton als Belohnung in Aussicht, stützte seine Unterarme nun auf dem Tisch auf und beugte sich leicht vor.
„Sie haben zusammen mit diesem Stirling unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Mrs. Mauney aufgesucht, haben sie in ihrere Trauer belästigt, weil Sie der Überzeugung sind – oder waren, immerhin sind Sie sich inzwischen dessen nicht mehr so sicher –, sie habe bezüglich des Mords an ihrem Mann falsch gegen den flüchtigen Mr. Norly ausgesagt. Als Mrs. Mauney Ihnen nicht gab, was Sie verlangten, haben Sie es sich versucht, mit Gewalt zu nehmen.“
Er sah Randolph eindringlich an.
„Sie scheinen zumindest zu diesem Zeitpunkt sehr sicher gewesen zu sein, dass die Witwe dem Scotland Yard gegenüber falsche Angaben gemacht hat. Was hat Sie veranlasst, dies anzunehmen? Und warum haben Sie, da Sie sich dessen so sicher waren, nicht Kontakt zu uns aufgenommen? Stattdessen haben Sie sich in laufende Ermittlungen eingemischt, was für sich strafbar ist, und sich, laut Ihres Geständnisses, allein bis zu diesem Punkt drei verschiedenen weiteren Straftaten schuldig gemacht, die da wären: Hausfriedensbruch, Nötigung und zudem gefährliche Körperverletzung. Das sind keine Kavaliersdelikte, Doktor“, stellte Drake klar.
„Zudem muss ich an dieser Stelle annehmen, dass Sie Beweismittel vor uns zurückgehalten haben, also bitte ich Sie, mich nun aufzuklären.“
Darauf hatte Randolph schon gewartet: "Beantworten sie mir zunächst eine Frage, Detective Chief Inspector und ich werde ihre beantworten: Was ist das signifikanteste Merkmal der Scarface-Mordserie? Was lässt einen Mord als die Bluttat dieses Mannes erkennen?"
Drake zeigte sich kooperativ: „Signifikant ist das Gesamtbild, das sich bietet, Sir. Der Tathergang zum einen, Zeugenberichte zum anderen. Wir stützen uns auf fundierte Beweise, die sich aus Tatortuntersuchung, Obduktionsbefunden und besagten Aussagen zusammensetzen. Dazu kommen die Ermittlungen im Bereich der Hintergründe und möglichen persönlichen Bezügen, die allerdings stets weitere Gutachten erfordern. Dazu ziehen wir auch externe Quellen zu Rate. Aber ich verstehe nicht – worauf wollen Sie hinaus? Sie haben scheinbar etwas Bestimmtes im Sinn.“
"Worauf ich hinaus will, ist die "Narbe". Der Spalt in den Gesichtern seiner Opfer, den er mit seinem Messer hineinzeichnet. Vermutlich um an die Narbe in seinem eigenem Gesicht zu erinnern. Das Zeichen, das er hinterlässt, um dem Chief Comissionar sein Unvermögen ihn aufzuhalten vor Augen zu führen! Nunja, vielleicht übertreibe ich ein wenig, aber es ist ja wirklich so das man diese "Narbe" beim Großteil der Opfer finden kann. Bei der Unterschiedlichkeit der Opfer ist es zudem kaum zu denken, dass Scarface wirkliche Motive bei der Auswahl seiner Opfer hat. Er tut es, weil es ihm Lust bereitet, oder um seinen Rachefeldzug gegen den Chief Comissionar fortzuführen. Und das aufgeschlitzte Gesicht ist dabei sein Markenzeichen. Wieso sollte er es also weglassen und ein Opfer wie Harrold Mauney mit einer Schrotflinte erschiessen? Daraus ergibt sich doch die Schlussfolgerung, dass es eventuell gar nicht Scarface war, der diesen Mord begangen hat. Man nutzt lediglich die bestehende Mordserie, um den eigenen Mord jemand anderem unter zu schieben. Alan hat vermutet, dass Mrs. Mauney entweder geschmiert oder erpresst wurde. Außerdem darf man nicht vergessen, dass die Ehe der beiden kinderlos war. Sie wird sicherlich einen Großteil des Besitzes erben, den ihr Mann im Laufe der Zeit erarbeitet hatte. Mit dieser Theorie hatte mich Alan überzeugt. Er hat zudem die Vermutung geäußert, dass der Yard in einige Morde verwickelt sein könnte. Das fand ich zwar lächerlich, aber das ist der Grund, warum wir uns nicht gemeldet haben.
Was halten sie von dieser Theorie, Detective Chief Inspector?"
„Sie haben sich also von Gerüchten und dem Gerede eines einzelnen Mannes beeinflussen lassen?“
Einem solch gebildeten Mann war ein derartiger Grad an Naivität kaum zutraubar. Drake kaufte dies dem Befragten nicht so ganz ab, hielt es für eine Ausrede, behielt aber die Möglichkeit im Hinterkopf, es womöglich wirklich mit einem Verrückten zu tun zu haben. Mit diesem Gedanken konnte sich der Inspector immer mehr anfreunden, bedachte er doch das Gesamtbild und die Äußerungen dieses Dr. Tremaines.
„Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass sie auf Grundlage dessen einen derartigen Übergriff, wie Sie ihn begangen haben, rechtfertigen wollen?“, fragte der Inspector rhetorisch und signalisierte Randolph damit, dass dieser sich eindeutig auf dünnes Eis begeben hatte.
Der Polizist ließ dies jedoch auf sich beruhen und ging stattdessen näher auf das Gesagte ein: „Denken Sie, wir hätten die Möglichkeiten nicht ausgiebig abgesteckt? Wir sind uns der Eventualität, dass es Nachahmungstäter geben könnte, durchaus bewusst, und schließend dies auch nicht aus, bevor wir uns dessen absolut sicher sind. Habsucht ist eins der, wenn die sogar das häufigste Mordmotiv unserer Zeit – selbstverständlich haben wir Mrs. Mauney eingehend überprüft. Dass sie jemand, auf welche Art auch immer, zur Falschaussage brachte, halte ich für sehr unwahrscheinlich“, offenbarte er.
„Unterschiedliche Waffenwahl und nicht identischer Tathergang bilden für uns kein hinreichender Ansatz, so etwas in Erwägung zu ziehen.“
Der Polizist pausierte kurz.
„Lassen Sie sich nur eins gesagt sein: In diesem Fall sehen wir sehr wohl ein Motiv, was die Auswahl des Opfers betrifft. Fakt ist, dass Mr. Mauney und Norly einander kannten. Sie waren Geschäftspartner, über Jahre hinweg, wobei uns über die Natur dieser Geschäfte wohl nur Mr. Norly persönlich Genaueres sagen könnte, denn bis auf Überweisungen gibt es keine Dokumentation – was uns illegale Aktivitäten nicht ausschließen lässt. Gerade deswegen nehmen stark an, dass dies in Verbindung mit dieser Einzeltat stehen könnte.“
Ärger war zunehmend aus der Stimme des Inspectors herauszulesen gewesen.
„Genug davon, ich bin nicht hier, um mit Ihnen Meinungsaustausch zu halten. Ich bin auch nicht befugt, Ihnen Einsicht in den Stand der Ermittlungen zu geben. Also bleiben wir bei Ihnen. In welchem Verhältnis stehen Sie zu Alan Stirling und wie kommen Sie darauf, dass Mr. Norly einen ‚Rachefeldzug‘ gegen den Chief Commissioner führt? Hat Stirling Ihnen dies etwa auch eingetrichtert?“
Mist! Was hatte Dr. Taylor noch gesagt? Das er nicht mehr sagen sollte, als er musste? Sein Vorhaben Drake davon zu überzeugen, dass der Mord von Mauney nicht "Scarface" war lächerlich gewesen. Er wollte es wenigstens versucht haben. Aber die Information, dass Norly mit Harrold eine Verbindung hatte war interessant. Wieso hatte er davon nicht gewusst?
Am Besten wäre es vermutlich, wenn er sich nun an den Ratschlag Taylors hielt, bevor er die Lage noch weiter verschlimmerte.
"Er war ein ehemaliger Patient von mir. Und seine Theorien haben sich für mich sehr schlüssig angehört." Jetzt machte es auch nichts mehr, die ganze Schuld auf Alan abzuschieben. Die Kerle glaubten ihm wahrscheinlich ohnehin nichts mehr.
„So, haben sie das?“, entgegnete Inspector Drake stirnrunzelnd und durchdrang Randolph förmlich mit einem prüfenden Blick.
„Nun, fahren wir fort. Stirling überzeugte Sie also, dass dieses Vorhaben eine gute Idee war. Im Haus der Witwe gerieten Sie jedoch in Streit, erst schoss er Sie an, dann war die Haushälterin, wie eigentlich geplant, an der Reihe...“, leierte der Polizist nicht ohne provokanten Unterton in der Stimme herunter.
„Vielleicht hat es sich so ereignet, doch was geschah dann?“, fragte er interessiert.
„War er es, der den Butler erschoss und die Frauen? Immerhin hatten sie Sie gesehen, stimmt’s?“, griff er die Wortwahl aus Randolphs Aussage auf.
„Er hat Sie außer Gefecht gesetzt und dann trotzdem reinen Tisch gemacht. War es so? Aber warum hat er Sie dann trotzdem mitgenommen, als er floh?“
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Randolph gefror das Blut in den Adern und seine Kinnlade sackte herab. Ach du Scheiße!
"Scheiße, nein! Wovon reden sie verdammt noch mal? Wie konnte das passieren? Das ist doch ABSOLUT UNMÖGLICH!!!!" Der Doktor registrierte erst jetzt, dass er aufgesprungen war. Der Schmerz in seinem Bein und die geistige Erschöpfung ließen ihn aber fast augenblicklich wieder auf den Sitz sinken.
Drake war in seinem Stuhl alarmiert zurückgezuckt, als Randolph aufgesprungen war, und der Protokollführer war offenbar bereit dazu gewesen, seinen ebenfalls angeschlagenen Chief Inspector zu verteidigen, doch beide Polizisten entspannten sich wieder etwas, als der Befragte zurück auf seinen Stuhl sank.
Drake blickte Randolph ernst an. Da er diesen doch nun in die sprichwörtliche Ecke gedrängt hatte, kam er nicht umhin, eine gewissen Form von Zufriedenheit in sich zu spüren. Doch sein Gegenüber schien entweder wirklich überrascht über den nun direkt ausgesprochenen Tatbestand zu sein oder war ein guter Schauspieler.
Der Inspector würde nachbohren – schließlich war genau das seine Aufgabe hier. Er entschloss sich, den Druck zu erhöhen.
„Fragen Sie mich nicht, wie das passieren konnte, sondern sagen Sie mir, wie die Kugeln in den Köpfen dieser vier Menschen gelandet sind! Sie hören nun mit den Lügen auf und rücken mit der Wahrheit heraus, sonst schwöre ich, bei meiner Ehre, dass Sie und Stirling hängen werden! Ich lasse mich nicht für dumm verkaufen, Dr. Tremaine, und der Richter wird Ihnen diese armselige Geschichte auch nicht abkaufen! Sagen Sie mir, was in dem Haus wirklich passiert ist, sofort!“, zischte er nun beinahe und schlug mit der Handfläche beim letzten Wort hart auf den Tisch.
Randolph überlegte fieberhaft, was er tun sollte. Seine Gedanken waren wirr und aufgewühlt. Was hat das alles zu bedeuten? Und was war das für ein Killer, der drei Personen in einem abgeriegeltem Raum getötet hatte und das, wo er vielleicht gerade mal eine Minute Zeit hatte, bis die Polizei kam? Gab es in London vielleicht wirklich einen "Scarface", eine Art böser Zwilling von Charles? Der Doktor schloss die Augen und zwickte sich in die Nasenwurzel. Kein Wunder, das Drake ihn so seltsam angeschaut hatte, als er begonnen hatte seine "Geschichte" zu erzählen. Dabei hätte er sich so einfach herausreden können. Wenn er schon zuvor gewusst hätte, das alle Zeugen tot seien...hätte er sich einfach als angeschossener Passant ausgeben können- genau wie geplant. Und der "Detective Chief Inspector" hatte ihm sogar noch einen Hinweis gegeben, als er sagte: "Drei Frauen und ein Mann, für die jede Hilfe zu spät kam". Warum hatte ihn diese Bemerkung nicht stutzig gemacht? Dabei war er doch sonst so aufmerksam. Mist! Mist! Mist! Sich aufzuregen, würde ihm nicht weiterhelfen. Denk nach, Randolph, denk nach! Ihm blieb nichts anderes übrig als einen neuen Tathergang zu konstruieren, der mit seinem vorherigen einigermaßen konform ging. Das was ich jetzt tun werde, tut mir wirklich Leid Charles.
Er holte langsam Luft und begann: "Sie haben Recht, meine Herren, ich habe sie tatsächlich angelogen- oder besser: Ihnen etwas Essenzielles verschwiegen. Ich wusste nämlich wirklich nichts über den Tod der verbleibenden drei Personen im Mauney-Haus. Doch jetzt ist mir Alles klar. Um ganz am Anfang zu beginnen, muss ich euch von den Ereignissen der letzten Nacht erzählen. Denn in dieser Nacht wurde ich von "Scarface" aufgesucht. Er hatte eine Kopfverletzung- offensichtlich von einer Flasche, die auf seinem Kopf zerschlagen wurde. Er zwang mich sie zu behandeln. Und wie es der Zufall wollte, hatte ich um diese späte Uhrzeit noch einen Patienten bei mir. Alan Stirling, der sich von einem Rausch auskurierte. Und tatsächlich ließ er uns dafür am Leben und verschwand wieder in die Nacht.
Am nächsten Tag fassten Stirling und ich den Entschluss Mrs. Mauney um Rat zu fragen. Schließlich hatte sie schon Erfahrungen mit Scarface und eine Begegnung mit ihm überlebt- genau wie wir. Doch wir waren nicht alleine. Er musste uns gefolgt sein. Plötzlich war er im Zimmer und hatte innerhalb von Sekundenbruchteilen den Butler niedergerungen. Alan hatte seinen Revolver dabei, aber bevor er ihn ziehen konnte, hatte Scarface schon seine Waffe auf ihn gerichtet. Die Haushälterin war zu diesem Zeitpunkt die einzige Person außerhalb des Zimmers und rannte, als sie die Situation erblickte die Treppe hinab. Scarface schickte mich ihr hinterher mit der Drohung, er würde sonst alle Anwesenden umbringen. Also rannte ich so schnell ich konnte hinab und da sie nicht sonderlich athletisch war, konnte ich sie einholen. Ich zwang sie wieder mit hoch zu kommen. Als wir allerdings im Flur ankamen trafen wir auf Scarface und Alan. Ich wusste nicht genau, was geschehen war, jedenfalls zwang Scarface Alan die Haushälterin zu erschiessen. Vielleicht erhoffte er sich dadurch unser Stillschweigen. Vielleicht wollte er auch einfach nur seinen Sadismus ausleben. Ich wollte ihn aufhalten- das Ergebnis kennen sie. Anschließend befahl er uns zu verschwinden. Ich hatte gerade meinen Verband umgelegt, als der Inspector und seine Männer schon kamen. Wir türmten. Ich hätte nie gedacht, dass er es in dieser Zeit schafft, die Frauen und den Butler zu töten."
Was Inspector Drake denken mochte, war ihm bestimmt nicht leicht aus dem Gesicht abzulesen, doch dass seine Gedanken rasten, war unschwer zu erkennen. Die korrigierte Aussage Dr. Tremaine warf ein ganz anderes Licht auf die Sache, wenn sie denn nun zutraf. Kaum hatte der Chirurg angefangen, den Verhörraum mit neuen Informationen zu füllen, hatte Drake auch schon damit begonnen, diese gedanklich auseinanderzunehmen und zu analysieren.
Es war der Polizei bekannt, dass Scarface in der letzten Nacht verletzt gewesen war – eine Platzwunde am Kopf, aus der Norly laut Aussage von Mr. Bakersfield, dessen Hausmädchen entführt worden war, stark geblutet hatte. Diese Information hätte kaum in Tremaines Hände gelangen können, denn die Bakersfields hätten dies nicht preisgeben können, da der Yard sie auf eigenen Wunsch in Sicherheit untergebracht hatte, und sonst wollte die Entführung niemand beobachtet haben. Dass Tremaine Norly so begegnet war, wie geschildert, war durchaus möglich. Dass Scarface hatte verhindern wollen, dass Tremaine und Stirling mit der Witwe hatten sprechen wollen, war nachvollziehbar, wenn die Frau tatsächlich mehr gewusst als sie gegenüber der Polizei zugegeben hatte. Innerlich verfluchte Drake den Chief Commissioner ein wenig, schließlich hatte Hill veranlasst, von der Witwe abzulassen. Aber Drake wusste, weil allein er persönlich die Frau zweimal befragt hatte (neben einigen Malen, in denen das Kollegen getan hatten), dass mehr als wiederholte, hysterische Nervenzusammenbrüche und Beteuerungen, nicht die leiseste Idee zu haben, warum es gerade ihren Harrold erwischt hatte, nicht aus Mrs. Mauney herauszubekommen gewesen waren. Drake wusste nicht, ob er nun davon ausgehen konnte, dass Dr. Tremaine die Wahrheit sagte, doch verdammt sollte er sein, die Witwe hatte so überzeugend gewirkt! Nun hatte sie eine Kugel im Kopf, genau wie ihre Schwester und ihre Bediensteten, und war leider nicht mehr für eine erneute Befragung verfügbar.
Die Information mit der Kopfwunde sprach für Dr. Tremaine, allerdings warf der Hinweis, dass diese Scarface mit einer Flasche beigebracht worden war, eine weitere Frage auf. Von wem stammte sie?
Beim ermordeten Kutscher, Tilling, hatte man eine Whiskyflasche gefunden, doch die war, bis auf dem Umstand, so gut wie leer gewesen zu sein, in heilem Zustand gewesen. Auch waren an diesem Tatort nicht genug Scherben sichergestellt worden, dass dies darauf hinweisen könnte, dass Tilling sich gegen seinen Mörder zur Wehr gesetzt hatte.
Scarface musste diese Verletzung vermutlich nicht lange vor der Entführung der jungen Ms. Stead beigebracht worden sein, also bedeutete das, dass noch eine andere Person im Spiel gewesen sein musste.
Die naheliegendste Schlussfolgerung war, dass des Chief Commissioners Haushälterin, Mrs. Newcomb, Scarface beim Einbruch in Hills Haus überrascht haben musste. Leider gab dies ernsten Grund zur Annahme, dass man diese wohl in der nun ausgebrannten Ruine finden würde. Bisher hatte man das, soweit Drake wusste, nicht, doch die Bergungsarbeiten waren auch noch nicht abgeschlossen. Sollte man keine Leiche finden, müsste der Yard wohl nach der Person fahnden, die Norly verletzt haben könnte. Drake hoffte dies zutiefst, dass Mrs. Newcomb noch lebte, auch wenn dies ein neues Loch in seinen Ermittlungsakten bedeuten würde.
Vielleicht war auch der unbekannte Attentäter, der Mr. John Hyde niedergeschossen und ihn, Drake, verletzt hatte, der Schlüssel. Da Tilling und Norly einander gekannt hatten, war nicht auszuschließen, dass der Kutscher dem Mörder geholfen hatte, sich unentdeckt in der Stadt zu bewegen. Wenn Scarface seines Gehilfen nun überdrüssig geworden war… Hydes Attentäter war in den Augen der Polizei ebenfalls ein möglicher, weiterer Mann unter Scarfaces Fuchtel, denn die zeitgleichen Anschläge auf den Ingenieur und Hills Haus in einem so engen, räumlichen Abstand mochten wohl kaum Zufall sein. Dem Unbekannten könnte Norlys Vorgehensweise nicht gefallen haben, hatte sich womöglich selbst bald als Opfer gesehen, und war darüber mit Scarface in Streit geraten. Dies könnte mit einer zerschmetterten Flasche und einer Platzwunde geendet haben…
Drake beschloss, sich später darüber noch einmal nachzudenken, denn schon ergab es sich, dass der Befragte verstummte.
Dieses Szenario, dass der Doktor geschildert hatte, klang, betrachtete Drake das mit seinem tiefen Wissen über den Scarface-Fall, denkbar, aber solange sie diesen Stirling nicht befragt hatten, stand nichts in Stein gemeißelt. Tremaine mochte ein Opfer sein, möglicherweise, erschüttert genug schien er jedenfalls zu sein, doch Drake konnte sich, besonders nach dem anfänglichen Mangel an Ehrlichkeit, nicht sicher sein. Doch Angst war, wie er wusste, eine der stärksten Emotionen, von denen sich Menschen leiten ließen. Dass Tremaine aus Angst vor Scarface zuerst falsch ausgesagt hatte, konnte Drake nachvollziehen, auch wenn er dies natürlich nicht guthieß. Nur zu gut konnte er sich an den Anblick dieses Mannes erinnern, als dieser Hill als Geisel durch das komplette Gebäude gezerrt hatte…
Drake schluckte, um seine Kehle zu befeuchten. Als er nun begann, zu sprechen, war sein Ton wieder ernst, aber höflich, ohne jegliche Spur von Zorn oder Provokation.
„Hatte Mr. Norly, als er zu Ihnen kam, ein Mädchen bei sich? Kaum zwanzig, braunes Haar und, möglicherweise, leicht bekleidet?“
Ms. Stead, das arme Ding, war seit ihrer Entführung nicht wieder aufgetaucht. Das Schlimmste war anzunehmen und ob sie zum Zeitpunkt des Besuchs beim Arzt noch bei Scarface gewesen war, war erst einmal das Wichtigste, das Drake wissen wollte.
"Scheiße, nein! Wovon reden sie verdammt noch mal? Wie konnte das passieren? Das ist doch ABSOLUT UNMÖGLICH!!!!" Der Doktor registrierte erst jetzt, dass er aufgesprungen war. Der Schmerz in seinem Bein und die geistige Erschöpfung ließen ihn aber fast augenblicklich wieder auf den Sitz sinken.
Drake war in seinem Stuhl alarmiert zurückgezuckt, als Randolph aufgesprungen war, und der Protokollführer war offenbar bereit dazu gewesen, seinen ebenfalls angeschlagenen Chief Inspector zu verteidigen, doch beide Polizisten entspannten sich wieder etwas, als der Befragte zurück auf seinen Stuhl sank.
Drake blickte Randolph ernst an. Da er diesen doch nun in die sprichwörtliche Ecke gedrängt hatte, kam er nicht umhin, eine gewissen Form von Zufriedenheit in sich zu spüren. Doch sein Gegenüber schien entweder wirklich überrascht über den nun direkt ausgesprochenen Tatbestand zu sein oder war ein guter Schauspieler.
Der Inspector würde nachbohren – schließlich war genau das seine Aufgabe hier. Er entschloss sich, den Druck zu erhöhen.
„Fragen Sie mich nicht, wie das passieren konnte, sondern sagen Sie mir, wie die Kugeln in den Köpfen dieser vier Menschen gelandet sind! Sie hören nun mit den Lügen auf und rücken mit der Wahrheit heraus, sonst schwöre ich, bei meiner Ehre, dass Sie und Stirling hängen werden! Ich lasse mich nicht für dumm verkaufen, Dr. Tremaine, und der Richter wird Ihnen diese armselige Geschichte auch nicht abkaufen! Sagen Sie mir, was in dem Haus wirklich passiert ist, sofort!“, zischte er nun beinahe und schlug mit der Handfläche beim letzten Wort hart auf den Tisch.
Randolph überlegte fieberhaft, was er tun sollte. Seine Gedanken waren wirr und aufgewühlt. Was hat das alles zu bedeuten? Und was war das für ein Killer, der drei Personen in einem abgeriegeltem Raum getötet hatte und das, wo er vielleicht gerade mal eine Minute Zeit hatte, bis die Polizei kam? Gab es in London vielleicht wirklich einen "Scarface", eine Art böser Zwilling von Charles? Der Doktor schloss die Augen und zwickte sich in die Nasenwurzel. Kein Wunder, das Drake ihn so seltsam angeschaut hatte, als er begonnen hatte seine "Geschichte" zu erzählen. Dabei hätte er sich so einfach herausreden können. Wenn er schon zuvor gewusst hätte, das alle Zeugen tot seien...hätte er sich einfach als angeschossener Passant ausgeben können- genau wie geplant. Und der "Detective Chief Inspector" hatte ihm sogar noch einen Hinweis gegeben, als er sagte: "Drei Frauen und ein Mann, für die jede Hilfe zu spät kam". Warum hatte ihn diese Bemerkung nicht stutzig gemacht? Dabei war er doch sonst so aufmerksam. Mist! Mist! Mist! Sich aufzuregen, würde ihm nicht weiterhelfen. Denk nach, Randolph, denk nach! Ihm blieb nichts anderes übrig als einen neuen Tathergang zu konstruieren, der mit seinem vorherigen einigermaßen konform ging. Das was ich jetzt tun werde, tut mir wirklich Leid Charles.
Er holte langsam Luft und begann: "Sie haben Recht, meine Herren, ich habe sie tatsächlich angelogen- oder besser: Ihnen etwas Essenzielles verschwiegen. Ich wusste nämlich wirklich nichts über den Tod der verbleibenden drei Personen im Mauney-Haus. Doch jetzt ist mir Alles klar. Um ganz am Anfang zu beginnen, muss ich euch von den Ereignissen der letzten Nacht erzählen. Denn in dieser Nacht wurde ich von "Scarface" aufgesucht. Er hatte eine Kopfverletzung- offensichtlich von einer Flasche, die auf seinem Kopf zerschlagen wurde. Er zwang mich sie zu behandeln. Und wie es der Zufall wollte, hatte ich um diese späte Uhrzeit noch einen Patienten bei mir. Alan Stirling, der sich von einem Rausch auskurierte. Und tatsächlich ließ er uns dafür am Leben und verschwand wieder in die Nacht.
Am nächsten Tag fassten Stirling und ich den Entschluss Mrs. Mauney um Rat zu fragen. Schließlich hatte sie schon Erfahrungen mit Scarface und eine Begegnung mit ihm überlebt- genau wie wir. Doch wir waren nicht alleine. Er musste uns gefolgt sein. Plötzlich war er im Zimmer und hatte innerhalb von Sekundenbruchteilen den Butler niedergerungen. Alan hatte seinen Revolver dabei, aber bevor er ihn ziehen konnte, hatte Scarface schon seine Waffe auf ihn gerichtet. Die Haushälterin war zu diesem Zeitpunkt die einzige Person außerhalb des Zimmers und rannte, als sie die Situation erblickte die Treppe hinab. Scarface schickte mich ihr hinterher mit der Drohung, er würde sonst alle Anwesenden umbringen. Also rannte ich so schnell ich konnte hinab und da sie nicht sonderlich athletisch war, konnte ich sie einholen. Ich zwang sie wieder mit hoch zu kommen. Als wir allerdings im Flur ankamen trafen wir auf Scarface und Alan. Ich wusste nicht genau, was geschehen war, jedenfalls zwang Scarface Alan die Haushälterin zu erschiessen. Vielleicht erhoffte er sich dadurch unser Stillschweigen. Vielleicht wollte er auch einfach nur seinen Sadismus ausleben. Ich wollte ihn aufhalten- das Ergebnis kennen sie. Anschließend befahl er uns zu verschwinden. Ich hatte gerade meinen Verband umgelegt, als der Inspector und seine Männer schon kamen. Wir türmten. Ich hätte nie gedacht, dass er es in dieser Zeit schafft, die Frauen und den Butler zu töten."
Was Inspector Drake denken mochte, war ihm bestimmt nicht leicht aus dem Gesicht abzulesen, doch dass seine Gedanken rasten, war unschwer zu erkennen. Die korrigierte Aussage Dr. Tremaine warf ein ganz anderes Licht auf die Sache, wenn sie denn nun zutraf. Kaum hatte der Chirurg angefangen, den Verhörraum mit neuen Informationen zu füllen, hatte Drake auch schon damit begonnen, diese gedanklich auseinanderzunehmen und zu analysieren.
Es war der Polizei bekannt, dass Scarface in der letzten Nacht verletzt gewesen war – eine Platzwunde am Kopf, aus der Norly laut Aussage von Mr. Bakersfield, dessen Hausmädchen entführt worden war, stark geblutet hatte. Diese Information hätte kaum in Tremaines Hände gelangen können, denn die Bakersfields hätten dies nicht preisgeben können, da der Yard sie auf eigenen Wunsch in Sicherheit untergebracht hatte, und sonst wollte die Entführung niemand beobachtet haben. Dass Tremaine Norly so begegnet war, wie geschildert, war durchaus möglich. Dass Scarface hatte verhindern wollen, dass Tremaine und Stirling mit der Witwe hatten sprechen wollen, war nachvollziehbar, wenn die Frau tatsächlich mehr gewusst als sie gegenüber der Polizei zugegeben hatte. Innerlich verfluchte Drake den Chief Commissioner ein wenig, schließlich hatte Hill veranlasst, von der Witwe abzulassen. Aber Drake wusste, weil allein er persönlich die Frau zweimal befragt hatte (neben einigen Malen, in denen das Kollegen getan hatten), dass mehr als wiederholte, hysterische Nervenzusammenbrüche und Beteuerungen, nicht die leiseste Idee zu haben, warum es gerade ihren Harrold erwischt hatte, nicht aus Mrs. Mauney herauszubekommen gewesen waren. Drake wusste nicht, ob er nun davon ausgehen konnte, dass Dr. Tremaine die Wahrheit sagte, doch verdammt sollte er sein, die Witwe hatte so überzeugend gewirkt! Nun hatte sie eine Kugel im Kopf, genau wie ihre Schwester und ihre Bediensteten, und war leider nicht mehr für eine erneute Befragung verfügbar.
Die Information mit der Kopfwunde sprach für Dr. Tremaine, allerdings warf der Hinweis, dass diese Scarface mit einer Flasche beigebracht worden war, eine weitere Frage auf. Von wem stammte sie?
Beim ermordeten Kutscher, Tilling, hatte man eine Whiskyflasche gefunden, doch die war, bis auf dem Umstand, so gut wie leer gewesen zu sein, in heilem Zustand gewesen. Auch waren an diesem Tatort nicht genug Scherben sichergestellt worden, dass dies darauf hinweisen könnte, dass Tilling sich gegen seinen Mörder zur Wehr gesetzt hatte.
Scarface musste diese Verletzung vermutlich nicht lange vor der Entführung der jungen Ms. Stead beigebracht worden sein, also bedeutete das, dass noch eine andere Person im Spiel gewesen sein musste.
Die naheliegendste Schlussfolgerung war, dass des Chief Commissioners Haushälterin, Mrs. Newcomb, Scarface beim Einbruch in Hills Haus überrascht haben musste. Leider gab dies ernsten Grund zur Annahme, dass man diese wohl in der nun ausgebrannten Ruine finden würde. Bisher hatte man das, soweit Drake wusste, nicht, doch die Bergungsarbeiten waren auch noch nicht abgeschlossen. Sollte man keine Leiche finden, müsste der Yard wohl nach der Person fahnden, die Norly verletzt haben könnte. Drake hoffte dies zutiefst, dass Mrs. Newcomb noch lebte, auch wenn dies ein neues Loch in seinen Ermittlungsakten bedeuten würde.
Vielleicht war auch der unbekannte Attentäter, der Mr. John Hyde niedergeschossen und ihn, Drake, verletzt hatte, der Schlüssel. Da Tilling und Norly einander gekannt hatten, war nicht auszuschließen, dass der Kutscher dem Mörder geholfen hatte, sich unentdeckt in der Stadt zu bewegen. Wenn Scarface seines Gehilfen nun überdrüssig geworden war… Hydes Attentäter war in den Augen der Polizei ebenfalls ein möglicher, weiterer Mann unter Scarfaces Fuchtel, denn die zeitgleichen Anschläge auf den Ingenieur und Hills Haus in einem so engen, räumlichen Abstand mochten wohl kaum Zufall sein. Dem Unbekannten könnte Norlys Vorgehensweise nicht gefallen haben, hatte sich womöglich selbst bald als Opfer gesehen, und war darüber mit Scarface in Streit geraten. Dies könnte mit einer zerschmetterten Flasche und einer Platzwunde geendet haben…
Drake beschloss, sich später darüber noch einmal nachzudenken, denn schon ergab es sich, dass der Befragte verstummte.
Dieses Szenario, dass der Doktor geschildert hatte, klang, betrachtete Drake das mit seinem tiefen Wissen über den Scarface-Fall, denkbar, aber solange sie diesen Stirling nicht befragt hatten, stand nichts in Stein gemeißelt. Tremaine mochte ein Opfer sein, möglicherweise, erschüttert genug schien er jedenfalls zu sein, doch Drake konnte sich, besonders nach dem anfänglichen Mangel an Ehrlichkeit, nicht sicher sein. Doch Angst war, wie er wusste, eine der stärksten Emotionen, von denen sich Menschen leiten ließen. Dass Tremaine aus Angst vor Scarface zuerst falsch ausgesagt hatte, konnte Drake nachvollziehen, auch wenn er dies natürlich nicht guthieß. Nur zu gut konnte er sich an den Anblick dieses Mannes erinnern, als dieser Hill als Geisel durch das komplette Gebäude gezerrt hatte…
Drake schluckte, um seine Kehle zu befeuchten. Als er nun begann, zu sprechen, war sein Ton wieder ernst, aber höflich, ohne jegliche Spur von Zorn oder Provokation.
„Hatte Mr. Norly, als er zu Ihnen kam, ein Mädchen bei sich? Kaum zwanzig, braunes Haar und, möglicherweise, leicht bekleidet?“
Ms. Stead, das arme Ding, war seit ihrer Entführung nicht wieder aufgetaucht. Das Schlimmste war anzunehmen und ob sie zum Zeitpunkt des Besuchs beim Arzt noch bei Scarface gewesen war, war erst einmal das Wichtigste, das Drake wissen wollte.
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Japsend wachte Alan aus seinem komatösen Zustand auf. Die schmierigen Bilder huschten aus seinen Gedanken und er war heilfroh, dass sie sich lautlos verabschiedeten. Irritiert öffnete er die Augen und blinzelte, immer noch stark benommen, umher. Norly. Seine dämliche Visage formte sich in seinem Blickfeld. Und Melinda. Zum Glück keine Bullen.
"Lass mich los, Norly. Du Hund!"
Alan machte eine grobe, völlig unkoordinierte Bewegung mit der Hand, die sein Gegenüber wohl zur Seite befördern sollte.
"Wo ist der Doc? Der Irre? Scheisse. Scheisse."
Fluchend mühte er sich auf die Beine. Sein Magen fühlte sich fürchterlich an, er hatte den sauren Geschmack von Galle in der Kehle. Der Whisky, das Opium,... Ihm dämmerte was geschehen war. Warum es geschehen war.
"Du trägst die Schuld an dem ganzen Scheiss hier!", schrie er Norly urplötzlich entgegen.
"Du hast uns in das Haus dieses Irren geführt! Der Bestie! Ihr seid ein verfluchtes Mörderpack, alle beide!"
Alan wankte unsicher auf den Beinen und es gelang ihm nur mühsam seine Wut zu zügeln.
"Den Doc haben die Bullen. Weil er durchgedreht ist. Komplett durchgedreht! Der wollte die Frauen foltern! Scheisse, ich konnt doch nicht anders... ich wollt das nicht. Das ist alles die Schuld von dem Kranken! Diese Dreckgeburt! Diese scheiss Missgeburt!"
Alan schwankte aufgebracht hin und her.
"Die Bullen haben ihn und werden bestimmt bald hier sein. Scheisse. Er hat gesagt wir sollen zu dir gehen."
Er deutete auf Melinda.
"Aber wenn ihr mich fragt soll der Bastard verrecken. Wir müssen abhauen."
"Lass mich los, Norly. Du Hund!"
Alan machte eine grobe, völlig unkoordinierte Bewegung mit der Hand, die sein Gegenüber wohl zur Seite befördern sollte.
"Wo ist der Doc? Der Irre? Scheisse. Scheisse."
Fluchend mühte er sich auf die Beine. Sein Magen fühlte sich fürchterlich an, er hatte den sauren Geschmack von Galle in der Kehle. Der Whisky, das Opium,... Ihm dämmerte was geschehen war. Warum es geschehen war.
"Du trägst die Schuld an dem ganzen Scheiss hier!", schrie er Norly urplötzlich entgegen.
"Du hast uns in das Haus dieses Irren geführt! Der Bestie! Ihr seid ein verfluchtes Mörderpack, alle beide!"
Alan wankte unsicher auf den Beinen und es gelang ihm nur mühsam seine Wut zu zügeln.
"Den Doc haben die Bullen. Weil er durchgedreht ist. Komplett durchgedreht! Der wollte die Frauen foltern! Scheisse, ich konnt doch nicht anders... ich wollt das nicht. Das ist alles die Schuld von dem Kranken! Diese Dreckgeburt! Diese scheiss Missgeburt!"
Alan schwankte aufgebracht hin und her.
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Er deutete auf Melinda.
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck ließ Charles Alan nach Melindas Wasserdusche, vor der er gerade noch rechtzeitig seine Prothese hatte in Sicherheit bringen können, und dem kläglichen Stoß, der ihn zwar traf, aber ihn nicht dazu bringen konnte, sich auch nur um eine Haaresbreite zu bewegen, los. Dabei merkte Alan scheinbar, zugedröhnt und besoffen wie er war, noch nicht einmal, dass Charles‘ Ärmel feuchtglänzendes Rot auf seiner Hand hinterließ. Getrocknet war das Blut des Bobbies nämlich noch nicht, so durchtränkt hatte es Charles‘ Kleidung.
Doch Charles hatte seinen Zustand für den Moment nun endgültig vergessen. Er ließ sich von Alan beschimpfen und anschreien – und hörte sich dessen Gefasel an. Wut brodelte in ihm wie flüssiges Gestein in einem Vulkan, der auszubrechen drohte. Charles hätte Alan anschreien oder zusammenschlagen oder hätte sogar beides tun können, doch über diesen Grad der Wut war er hinaus.
Auf den ersten Blick mochte er nun ziemlich gelassen wirken, nur seine Hände waren zu Fäusten geballt, doch seine Augen, in denen unbändiger Zorn glitzerte, mochten seine Gemütslage verraten.
„Scheinbar sind Sie der Irre, Sie verdammter Idiot!“, knurrte Charles gefährlich leise und vergaß dabei einmal wieder die Sittsamkeit, die er verbot, in Anwesenheit von Frauen zu fluchen.
„Sie hätten auf den Doktor achten sollen, ich dachte, das wäre selbstverständlich gewesen, aber nein: Sie haben ihn der Polizei überlassen, sind dann hierhergekommen, haben vandaliert und sich zugedröhnt, Sie versoffener Nichtsnutz! Denken Sie überhaupt irgendwann einmal nach, bevor Sie irgendetwas tun? Wie, haben Sie gedacht, wird das für Sie enden, mein Guter? Ja, wir werden aufbrechen, doch zu Melinda können wir nicht – und erst einmal werden Sie mit diesem Gefasel von Andeutungen aufhören und Klartext mit mir reden! Was haben Sie beide getrieben?“, wollte Charles wissen und durchbohrte Alan mit eindringlichen Augen. Es gefiel ihm nicht, dass Alan Tremaine „Mörder“ nannte, der Satz „Der wollte die Frauen foltern!“ brachte Charles in Rage, und „Scheisse, ich konnt doch nicht anders... ich wollt das nicht“ war genausowenig beruhigend.
„David, mein Gewehr!“, rief er dann, da Eile gefragt war, dem jungen Kutscher zu, der dem Ganzen bisher in einer passiven Beobachterrolle beigewohnt hatte, und dabei war Charles‘ Stimme plötzlich wieder in ihre normale Tonlage gerutscht.
„Wohnzimmer!“, fügte er noch an und machte eine vage Handbewegung in die besagte Richtung – der Bursche machte sich eifrig auf den Weg –, bevor Charles sich wieder knurrend Alan zuwandte.
„Und noch etwas: Ich. Bin. Kein. Mörder.“ Er betonte es langsam und gestikulierend, damit es selbst einen so diffusen Verstand wie den Alans erreichen konnte.
„Wann geht das endlich in Ihren Schädel?“
Doch Charles hatte seinen Zustand für den Moment nun endgültig vergessen. Er ließ sich von Alan beschimpfen und anschreien – und hörte sich dessen Gefasel an. Wut brodelte in ihm wie flüssiges Gestein in einem Vulkan, der auszubrechen drohte. Charles hätte Alan anschreien oder zusammenschlagen oder hätte sogar beides tun können, doch über diesen Grad der Wut war er hinaus.
Auf den ersten Blick mochte er nun ziemlich gelassen wirken, nur seine Hände waren zu Fäusten geballt, doch seine Augen, in denen unbändiger Zorn glitzerte, mochten seine Gemütslage verraten.
„Scheinbar sind Sie der Irre, Sie verdammter Idiot!“, knurrte Charles gefährlich leise und vergaß dabei einmal wieder die Sittsamkeit, die er verbot, in Anwesenheit von Frauen zu fluchen.
„Sie hätten auf den Doktor achten sollen, ich dachte, das wäre selbstverständlich gewesen, aber nein: Sie haben ihn der Polizei überlassen, sind dann hierhergekommen, haben vandaliert und sich zugedröhnt, Sie versoffener Nichtsnutz! Denken Sie überhaupt irgendwann einmal nach, bevor Sie irgendetwas tun? Wie, haben Sie gedacht, wird das für Sie enden, mein Guter? Ja, wir werden aufbrechen, doch zu Melinda können wir nicht – und erst einmal werden Sie mit diesem Gefasel von Andeutungen aufhören und Klartext mit mir reden! Was haben Sie beide getrieben?“, wollte Charles wissen und durchbohrte Alan mit eindringlichen Augen. Es gefiel ihm nicht, dass Alan Tremaine „Mörder“ nannte, der Satz „Der wollte die Frauen foltern!“ brachte Charles in Rage, und „Scheisse, ich konnt doch nicht anders... ich wollt das nicht“ war genausowenig beruhigend.
„David, mein Gewehr!“, rief er dann, da Eile gefragt war, dem jungen Kutscher zu, der dem Ganzen bisher in einer passiven Beobachterrolle beigewohnt hatte, und dabei war Charles‘ Stimme plötzlich wieder in ihre normale Tonlage gerutscht.
„Wohnzimmer!“, fügte er noch an und machte eine vage Handbewegung in die besagte Richtung – der Bursche machte sich eifrig auf den Weg –, bevor Charles sich wieder knurrend Alan zuwandte.
„Und noch etwas: Ich. Bin. Kein. Mörder.“ Er betonte es langsam und gestikulierend, damit es selbst einen so diffusen Verstand wie den Alans erreichen konnte.
„Wann geht das endlich in Ihren Schädel?“
Zuletzt von Umbra am Fr Jun 21 2013, 17:25 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
Umbra- Tiefseemonster
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
"Auf den Doktor achten?"
Alan musste beinahe losprusten. Norly hatte mal wieder keinen blassen Schimmer.
Die Tirade von ihm prallte an Alan ab. Nichstnutz, versoffen, bekannte Worte, die er oft gehört hatte.
"Du raffst einfach gar nichts, Norly."
Er griff nach dem Verrückten und versuchte sich an dessen Kleidung festzuhalten.
"Der Doktor ist ein Irrer! Der is auf mich losgegangen, wie ein Kranker!"
Alan atmete tief durch und versuchte seine Gedanken zu klären.
"Okay, okay. Scheisse. Okay. Wir sind los, weil der Doc die Mauneys, oder wie die heissen, aufsuchen wollt. Kapiert? Die, wo du den Mann umgebracht hast. Na, klingelts? Ich hat schon die ganze Zeit son Scheissgefühl bei der Scheisssache. Der Doc war so ... der wollt die mit allen Mitteln ausquetschen. Ob du wirklich der Mörder gewesen bist, und so weiter. Der hatte so nen ganz kranken Blick in den Augen. Scheisse, der wollt die foltern, man! Foltern! Die Witwe. Ich habs genau gesehen. Die kranke Mistsau! Der hatte richtig Lust drauf den was anzutun."
Schmerz stand in Alans Gesicht geschrieben und er brauchte einen Moment um fortzufahren.
"Gott vergib uns. Also, wir waren im Haus von denen. Der Doc kam mit seinen Fragen nicht weiter. Und da is er durchgedreht. Wollt sich auf die Frauen stürzen. Da waren zwei Frauen. Die Witwe und noch eine. Er hat den Butler niedergeschlagen. Scheisse, ich weiß nich mehr genau, was dann war... das ging alles so scheisse schnell. Ich wollt ihn aufhalten, aber er war völlig im Rausch. Wollt über die herfallen. Gott, ich wette, der wollt die vergewaltigen! Scheisse. Dann ... sind wir irgendwie aneinander geraten. Die Frauen konnten sich in nem Zimmer einschließen, weil ich mich mitm Doc geprügelt hab. Scheisse, der war völlig ausser Kontrolle! Dann, verdammt, ... die Haushälterin ist irgendwie ... tot gegangen. Die Bullen kamen und wir mussten raus. Scheisse, ich hab ihn sogar die Strasse langgeschleppt, weil er nich mehr gehen konnte. Aber die Bullen haben aufgeholt! Verstehste Norly? Ich konnt den Kranken nich mehr weiterschleppen! Wollts ja, aber er sagte, ich soll ihn liegen lassen. Bißchen rumballern und ihn liegen lassen. Er würde den Bullen irgendeinen Scheiss erzählen. Das Scarface ihn angeschossen hat, oder so. Scheisse, dann bin ich einfach weg."
Alan schüttelte den Kopf.
"Hoffe die Bullen ham ihn ordentlich zusammengeprügelt."
Alan musste beinahe losprusten. Norly hatte mal wieder keinen blassen Schimmer.
Die Tirade von ihm prallte an Alan ab. Nichstnutz, versoffen, bekannte Worte, die er oft gehört hatte.
"Du raffst einfach gar nichts, Norly."
Er griff nach dem Verrückten und versuchte sich an dessen Kleidung festzuhalten.
"Der Doktor ist ein Irrer! Der is auf mich losgegangen, wie ein Kranker!"
Alan atmete tief durch und versuchte seine Gedanken zu klären.
"Okay, okay. Scheisse. Okay. Wir sind los, weil der Doc die Mauneys, oder wie die heissen, aufsuchen wollt. Kapiert? Die, wo du den Mann umgebracht hast. Na, klingelts? Ich hat schon die ganze Zeit son Scheissgefühl bei der Scheisssache. Der Doc war so ... der wollt die mit allen Mitteln ausquetschen. Ob du wirklich der Mörder gewesen bist, und so weiter. Der hatte so nen ganz kranken Blick in den Augen. Scheisse, der wollt die foltern, man! Foltern! Die Witwe. Ich habs genau gesehen. Die kranke Mistsau! Der hatte richtig Lust drauf den was anzutun."
Schmerz stand in Alans Gesicht geschrieben und er brauchte einen Moment um fortzufahren.
"Gott vergib uns. Also, wir waren im Haus von denen. Der Doc kam mit seinen Fragen nicht weiter. Und da is er durchgedreht. Wollt sich auf die Frauen stürzen. Da waren zwei Frauen. Die Witwe und noch eine. Er hat den Butler niedergeschlagen. Scheisse, ich weiß nich mehr genau, was dann war... das ging alles so scheisse schnell. Ich wollt ihn aufhalten, aber er war völlig im Rausch. Wollt über die herfallen. Gott, ich wette, der wollt die vergewaltigen! Scheisse. Dann ... sind wir irgendwie aneinander geraten. Die Frauen konnten sich in nem Zimmer einschließen, weil ich mich mitm Doc geprügelt hab. Scheisse, der war völlig ausser Kontrolle! Dann, verdammt, ... die Haushälterin ist irgendwie ... tot gegangen. Die Bullen kamen und wir mussten raus. Scheisse, ich hab ihn sogar die Strasse langgeschleppt, weil er nich mehr gehen konnte. Aber die Bullen haben aufgeholt! Verstehste Norly? Ich konnt den Kranken nich mehr weiterschleppen! Wollts ja, aber er sagte, ich soll ihn liegen lassen. Bißchen rumballern und ihn liegen lassen. Er würde den Bullen irgendeinen Scheiss erzählen. Das Scarface ihn angeschossen hat, oder so. Scheisse, dann bin ich einfach weg."
Alan schüttelte den Kopf.
"Hoffe die Bullen ham ihn ordentlich zusammengeprügelt."
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Tatsächlich schlug Alan die Augen auf und kam überraschenderweise auf die Füße. Schnell machte Melinda einen Schritt nach hinten, denn sehr sicher auf den Beinen wirkte das Gegenüber nicht. Sie blickte in die Augen und sah den Schleier, denn die Drogen hinterließen noch sehr deutlich, ganz bei sich war er noch nicht. Als er sagte, dass Randolph von den Bobbies aufgegriffen wurde, spürte sie eine heiße Wut in sich aufsteigen, dieser Idiot, hatte den Doc tatsächlich zurück gelassen. Ihr erster Implus war es Alan für diese Tat irgendetwas gegen seinen verdammten Schädel zu schlagen. Doch gerade als sie sich nach einem passenden Gegenstand umsehen wollte, in ihrer Vorstellung war dieser schwer und am besten scharfkantig, meldete sich ihre Stimme.
WARTE! WARTE! WARTE! Immer ruhig Blut. Wir haben noch nicht herausgefunden, wofür wir Alan gebrauchen können. Er könnte sich als nützlich erweisen, aber nicht mit einem Loch im Kopf. Ein Mord durch deine Hand am Tag sollte doch genügen, findest du nicht?
Charles ergriff derweil das Wort, der Unterton in seiner ruhigen Stimme war Melinda nicht entgangen, er warf ein, dass eine Flucht in ihre Behausung nicht möglich war.
Nicht in die letzte. Aber da würde es schon einen Ort geben. Das wäre doch lustig Mel, findest du nicht? Zurück zu den Wurzeln. Hihihihi. Ja, Melinda kannte einen Ort an dem sie sich verstecken konnten. Sie seufzte und wollte eben diese Erkenntnis anbringen, auch wenn sie der Bestimmungsort mehr als düster stimmte, als Alan plötzlich nach Charles griff und seine Geschichte weitererzählte.
...Gott, ich wette, der wollt die vergewaltigen!... Den Rest des Satzes nahm sie nicht mehr bewusst wahr.
Vergessen waren die Einwände ihrer eigenen Stimme im Kopf, die Anwesenheit der anderen, insbesondere Charles, gegen den sie stieß, als sie ausholte und Alan eine schallende Ohrfeige verpasste. “LÜGNER!“
Niemals würde Randolph sich auf solch schändliche Weise an Frauen vergreifen.
WARTE! WARTE! WARTE! Immer ruhig Blut. Wir haben noch nicht herausgefunden, wofür wir Alan gebrauchen können. Er könnte sich als nützlich erweisen, aber nicht mit einem Loch im Kopf. Ein Mord durch deine Hand am Tag sollte doch genügen, findest du nicht?
Charles ergriff derweil das Wort, der Unterton in seiner ruhigen Stimme war Melinda nicht entgangen, er warf ein, dass eine Flucht in ihre Behausung nicht möglich war.
Nicht in die letzte. Aber da würde es schon einen Ort geben. Das wäre doch lustig Mel, findest du nicht? Zurück zu den Wurzeln. Hihihihi. Ja, Melinda kannte einen Ort an dem sie sich verstecken konnten. Sie seufzte und wollte eben diese Erkenntnis anbringen, auch wenn sie der Bestimmungsort mehr als düster stimmte, als Alan plötzlich nach Charles griff und seine Geschichte weitererzählte.
...Gott, ich wette, der wollt die vergewaltigen!... Den Rest des Satzes nahm sie nicht mehr bewusst wahr.
Vergessen waren die Einwände ihrer eigenen Stimme im Kopf, die Anwesenheit der anderen, insbesondere Charles, gegen den sie stieß, als sie ausholte und Alan eine schallende Ohrfeige verpasste. “LÜGNER!“
Niemals würde Randolph sich auf solch schändliche Weise an Frauen vergreifen.
Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Alan traf der Schlag mit der Handfläche völlig unvorbereitet. Er klatschte gegen seine Wange und brachte ihn zu Fall. Wie ein Blatt im Wind taumelte er für einen Sekundenbruchteil und ging dann zu Boden. Er schlug hart auf und lag wieder in Glassscherben und Erbrochenem.
"Scheisse..."
"Scheisse..."
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Charles schlug Alans Hand mit einer bestimmten, schnellen Bewegung weg, noch bevor sich dessen Finger im Stoff seines Jacketts verankern konnten. Er duldete es nicht, dass man ihn ungefragt anfasste.
Mit leicht aufeinandermahlenden Kiefern zwang Charles sich, geduldig dem trunkenen Gefasel zu lauschen, auch wenn seine Gesichtszüge sich vor Zorn immer weiter verspannten, je mehr Worte aus Alan heraussprudelten, und Charles‘ Augen sich voller Verachtung verengten.
Konnte man diesen verdammten Säufer nicht für ein paar Stunden aus den Augen lassen? Und Tremaine, der Vatermörder, schien nur Besuch von einem steckbrieflich Gesuchten bekommen zu brauchen, um das als Anreiz zu nehmen, Sitte und Ordnung über den Haufen zu werfen. Diese beiden unbedachten Tölpel waren ein duo infernale!
Alans letzter Satz ging leicht in Melindas Ruf unter, die fast schon einen Satz auf diesen zumachte, um dann mit einer laut schallenden Ohrfeige auszuteilen, die den hünenhaften, benebelten Trinker tatsächlich niederstreckte.
Charles spürte immer noch einen Hauch von Melindas Berührung, da diese ihn bei ihrer Aktion unbeabsichtigt abgestoßen hatte, und kam nicht umhin, für einen kurzen Moment verwundert dazustehen. „Lügner!“, hatte sie Alan genannt – und das mit so plötzlicher, bestimmt schmerzhafter Eindringlichkeit, dass sie es wohl kaum ernster hätte meinen können.
Charles lagen zornige Worte auf der Zunge, die er Alan als seine persönliche Reaktion auf dessen Geschichte hatte entgegenschleudern wollen, diese waren jedoch von Melinda insoweit unterdrückt worden, dass er sie auch jetzt nicht mehr in der Form aussprach, in der er es hatte wollen.
Er machte einen fixen Schritt zwischen Melinda und den am Boden liegenden Alan und schob die junge Frau dabei mit einer sanften Geste, die sie am Arm berührte, ein Stück aus dem Weg, bevor sie noch weiterer wutentbrannte Schritte – oder eher Schläge oder Tritte – unternehmen konnte.
Obwohl sein Körper protestierte und Charles unwillkürlich sein Gesicht dabei vor Schmerz verzog, beugte er sich zu Alan hinunter, packte diesen an der Schulter und zog den Bewältigten zurück auf die Füße.
„‚Ist irgendwie totgegangen‘?“, zitierte er voller Abneigung. „Ich werde Sie für das, was mit dem Doktor passiert ist, zur Verantwortung ziehen. Und dann werde ich ihn zur Verantwortung ziehen“, kündigte er voller Selbstsicherheit an. „Darüber reden wir später, Sie Narr! Wir müssen fort von hier.“
„Zurück zu Ihnen, Boss?“
Charles sah zu David auf, der gerade zurück in den Operationsraum geschneit war, und ließ Alan los.
„Nein, zu wenig Platz, zu auffällig“, antwortete Charles, während er schon, leicht humpelnd, auf den jungen Kutscher zuschritt und diesem das dargebotene, aus dem Wohnzimmer geholte Gewehr abnahm. Er steckte seinen Arm durch den Gurt und schulterte es.
„Dort müssen wir sehr leise sein und können nicht ungestört kommen und gehen – außerdem kann ich da niemanden gebrauchen, der in meinen Sachen herumwühlt und weiteres Chaos stiftet“, fügte er hinzu und meinte damit Alan.
„Kommen Sir, Mr. Stirling, bewegen Sie sich, sonst bleiben Sie hier!“, brummte er grimmig, ohne Alan direkt anzusehen.
Charles überlegte, während er in den Flur trat, und sich seinen Zylinder von der Kommode nahm, den er beim letzten Aufbruch von hier dort zurückgelassen hatte. Er war dem Chirurg dankbar dafür gewesen, dass dieser ihre Anwesenheit hier gestattet hatte, denn in der letzten Nacht war mit Hills Haus die einzige vernünftige Unterkunft, die für eine Gruppengröße wie die ihre geeignet war, niedergebrannt. Er hatte einige Objekte im Sinn – die alle nicht perfekt waren. Entweder sehr heruntergekommen, sehr ungünstig gelegen oder, besonders was Schlafplätze, Kochgelegenheit und Sanitäranlagen betraf, kaum zumutbar.
„Limehouse“, sagte Charles an David gerichtet, während er vor dem Spiegel im Flur seinen Zylinder zurechtrückte.
„Bringe uns erst einmal dorthin.“
Dies war das geringste Übel und sollte auch nur eine vorübergehende Lösung sein – eine Lagerhalle der Eisenbahngesellschaft, direkt an der Themse und mitten im stadtbekannten Hafen- und Industriegebiet des East Ends.
Mit leicht aufeinandermahlenden Kiefern zwang Charles sich, geduldig dem trunkenen Gefasel zu lauschen, auch wenn seine Gesichtszüge sich vor Zorn immer weiter verspannten, je mehr Worte aus Alan heraussprudelten, und Charles‘ Augen sich voller Verachtung verengten.
Konnte man diesen verdammten Säufer nicht für ein paar Stunden aus den Augen lassen? Und Tremaine, der Vatermörder, schien nur Besuch von einem steckbrieflich Gesuchten bekommen zu brauchen, um das als Anreiz zu nehmen, Sitte und Ordnung über den Haufen zu werfen. Diese beiden unbedachten Tölpel waren ein duo infernale!
Alans letzter Satz ging leicht in Melindas Ruf unter, die fast schon einen Satz auf diesen zumachte, um dann mit einer laut schallenden Ohrfeige auszuteilen, die den hünenhaften, benebelten Trinker tatsächlich niederstreckte.
Charles spürte immer noch einen Hauch von Melindas Berührung, da diese ihn bei ihrer Aktion unbeabsichtigt abgestoßen hatte, und kam nicht umhin, für einen kurzen Moment verwundert dazustehen. „Lügner!“, hatte sie Alan genannt – und das mit so plötzlicher, bestimmt schmerzhafter Eindringlichkeit, dass sie es wohl kaum ernster hätte meinen können.
Charles lagen zornige Worte auf der Zunge, die er Alan als seine persönliche Reaktion auf dessen Geschichte hatte entgegenschleudern wollen, diese waren jedoch von Melinda insoweit unterdrückt worden, dass er sie auch jetzt nicht mehr in der Form aussprach, in der er es hatte wollen.
Er machte einen fixen Schritt zwischen Melinda und den am Boden liegenden Alan und schob die junge Frau dabei mit einer sanften Geste, die sie am Arm berührte, ein Stück aus dem Weg, bevor sie noch weiterer wutentbrannte Schritte – oder eher Schläge oder Tritte – unternehmen konnte.
Obwohl sein Körper protestierte und Charles unwillkürlich sein Gesicht dabei vor Schmerz verzog, beugte er sich zu Alan hinunter, packte diesen an der Schulter und zog den Bewältigten zurück auf die Füße.
„‚Ist irgendwie totgegangen‘?“, zitierte er voller Abneigung. „Ich werde Sie für das, was mit dem Doktor passiert ist, zur Verantwortung ziehen. Und dann werde ich ihn zur Verantwortung ziehen“, kündigte er voller Selbstsicherheit an. „Darüber reden wir später, Sie Narr! Wir müssen fort von hier.“
„Zurück zu Ihnen, Boss?“
Charles sah zu David auf, der gerade zurück in den Operationsraum geschneit war, und ließ Alan los.
„Nein, zu wenig Platz, zu auffällig“, antwortete Charles, während er schon, leicht humpelnd, auf den jungen Kutscher zuschritt und diesem das dargebotene, aus dem Wohnzimmer geholte Gewehr abnahm. Er steckte seinen Arm durch den Gurt und schulterte es.
„Dort müssen wir sehr leise sein und können nicht ungestört kommen und gehen – außerdem kann ich da niemanden gebrauchen, der in meinen Sachen herumwühlt und weiteres Chaos stiftet“, fügte er hinzu und meinte damit Alan.
„Kommen Sir, Mr. Stirling, bewegen Sie sich, sonst bleiben Sie hier!“, brummte er grimmig, ohne Alan direkt anzusehen.
Charles überlegte, während er in den Flur trat, und sich seinen Zylinder von der Kommode nahm, den er beim letzten Aufbruch von hier dort zurückgelassen hatte. Er war dem Chirurg dankbar dafür gewesen, dass dieser ihre Anwesenheit hier gestattet hatte, denn in der letzten Nacht war mit Hills Haus die einzige vernünftige Unterkunft, die für eine Gruppengröße wie die ihre geeignet war, niedergebrannt. Er hatte einige Objekte im Sinn – die alle nicht perfekt waren. Entweder sehr heruntergekommen, sehr ungünstig gelegen oder, besonders was Schlafplätze, Kochgelegenheit und Sanitäranlagen betraf, kaum zumutbar.
„Limehouse“, sagte Charles an David gerichtet, während er vor dem Spiegel im Flur seinen Zylinder zurechtrückte.
„Bringe uns erst einmal dorthin.“
Dies war das geringste Übel und sollte auch nur eine vorübergehende Lösung sein – eine Lagerhalle der Eisenbahngesellschaft, direkt an der Themse und mitten im stadtbekannten Hafen- und Industriegebiet des East Ends.
Zuletzt von Umbra am Di Jun 04 2013, 19:42 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Im Grunde hatte Melinda mit allem gerechnet, aber sicher nicht, dass ihr Schlag Alan wieder zurück auf den Boden befördern würde, von dem er sich so mühselig aufgerafft hatte. Sie hatte nicht vor, ihrer Handlung weitere Schritte dieser Art folgen zu lassen, aber Charles schob sie bereits zur Seite, so dass ihr auch keine Gelegenheit dazu geblieben wäre. Dieser sprach davon Alan zur Verantwortung zu ziehen, sie fragte sich wie das wohl aussehen mochte.
“Limehouse.“ Melinda stellten sich die feinen Härchen im Nacken auf, als die den Bestimmungsort hörte. Eine Hure in London konnte nur noch tiefer wie Whitechapel sinken, wenn sie an den Docks arbeitete. Die Frauen dort waren das, was Whitechapel verbraucht und zerstört ausgespuckt hatte.
Aber nicht nur deshalb grauste es Melinda vor diesem Ort, die Docks waren geradezu überlebensfeindlich.
Komm', da kennen wir doch einen besseren Ort. Nein, nein, wehr dich nicht. Hör' dir an was ich zu sagen habe! Es ist immer noch besser, als die Docks. Du kennst dich dort gut aus, es wird sicher richtig gemütlich. Thihihihi. Die alte Mitchell ist doch nun auch schon eine Weile tot, aber vielleicht besucht dich ja ihr Geist ab und zu? Man sagt dort spukt es. Sie könnte sich mit mir den Platz hier teilen, manchmal ist es schon ein bisschen langweilig, wenn du mich versuchst zu ignorieren.
Melinda schluckte und atmete durch um ihre letzte Wut, die noch Alan galt, aus ihrer Stimme zu verbannen, wenn auch gleich die Andeutung mit dem Spuken eine hilfreiche Nebensächlichkeit sein könnte. “Charles, verzeihen Sie…aber die Docks? Limehouse? Wirklich? Ich hätte da einen Gegenvorschlag. Ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen, die Leiterin des Heimes, eine wirklich reizende Frau ist vor zwei Jahren gestorben. Das Haus steht seitdem leer und man sagt, dass es dort spukt. Entsprechend kümmert sich niemand darum und es wird gemieden. Die Leute reden eine Menge dummes Zeug, dass dort die Seelen von Kindern spuken, die die Herzlichkeit von Mitchell nicht überlebt haben…so etwas in der Art. Angeblich meiden selbst streunende Hunde das Gebiet.“ Obwohl sie das Waisenhaus mit aller ihrer Herzenskraft hasste und die damit verbunden Erinnerungen, kehrte sie immer wieder dorthin zurück, um die Bilder in ihrem Kopf aufzufrischen. Sie kannte das Waisenhaus in und auswendig und selbst als die Gerüchte über Geister einsetzten, ließ sie sich nicht davon abhalten, die Gemäuer zu betreten, in ihr altes Zimmer zu gehen und auf das Bett zu starren, in dem sie so lange hatte liegen müssen. “Jedenfalls hätten wir dort genug Platz und Betten. Die Einrichtung ist ganz gut erhalten und es funktioniert so weit auch noch, soweit ich das beurteilen kann. Es liegt am Rande eines Parks, ich denke, man könnte dort ganz gut ungestört durchkommen, immerhin ist da nichts beleuchtet. Also die Rückseite des Hauses ist zum Park hin, wir nannten ihn immer Cats' Garden als Kinder, weil dort so viele Katzen streunten. Das liegt direkt bei Charing Cross, York Builds heißt die Straße.“
Cats' Garden. Sind diese Zufälle nicht immer wieder belustigend. Hach ja, zurück zu den Wurzeln. Ich sagte es ja bereits.
Sie hielt inne, da sie nicht im geringsten wusste, ob Charles ihren Vorschlag auch nur im Entferntesten interessieren würde. “Nur als Vorschlag…wir können natürlich auch nach Limehouse. Allerdings müssen sie mich vielleicht erst in Fesseln schlagen, damit ich mich dort hinbegebe.“
“Limehouse.“ Melinda stellten sich die feinen Härchen im Nacken auf, als die den Bestimmungsort hörte. Eine Hure in London konnte nur noch tiefer wie Whitechapel sinken, wenn sie an den Docks arbeitete. Die Frauen dort waren das, was Whitechapel verbraucht und zerstört ausgespuckt hatte.
Aber nicht nur deshalb grauste es Melinda vor diesem Ort, die Docks waren geradezu überlebensfeindlich.
Komm', da kennen wir doch einen besseren Ort. Nein, nein, wehr dich nicht. Hör' dir an was ich zu sagen habe! Es ist immer noch besser, als die Docks. Du kennst dich dort gut aus, es wird sicher richtig gemütlich. Thihihihi. Die alte Mitchell ist doch nun auch schon eine Weile tot, aber vielleicht besucht dich ja ihr Geist ab und zu? Man sagt dort spukt es. Sie könnte sich mit mir den Platz hier teilen, manchmal ist es schon ein bisschen langweilig, wenn du mich versuchst zu ignorieren.
Melinda schluckte und atmete durch um ihre letzte Wut, die noch Alan galt, aus ihrer Stimme zu verbannen, wenn auch gleich die Andeutung mit dem Spuken eine hilfreiche Nebensächlichkeit sein könnte. “Charles, verzeihen Sie…aber die Docks? Limehouse? Wirklich? Ich hätte da einen Gegenvorschlag. Ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen, die Leiterin des Heimes, eine wirklich reizende Frau ist vor zwei Jahren gestorben. Das Haus steht seitdem leer und man sagt, dass es dort spukt. Entsprechend kümmert sich niemand darum und es wird gemieden. Die Leute reden eine Menge dummes Zeug, dass dort die Seelen von Kindern spuken, die die Herzlichkeit von Mitchell nicht überlebt haben…so etwas in der Art. Angeblich meiden selbst streunende Hunde das Gebiet.“ Obwohl sie das Waisenhaus mit aller ihrer Herzenskraft hasste und die damit verbunden Erinnerungen, kehrte sie immer wieder dorthin zurück, um die Bilder in ihrem Kopf aufzufrischen. Sie kannte das Waisenhaus in und auswendig und selbst als die Gerüchte über Geister einsetzten, ließ sie sich nicht davon abhalten, die Gemäuer zu betreten, in ihr altes Zimmer zu gehen und auf das Bett zu starren, in dem sie so lange hatte liegen müssen. “Jedenfalls hätten wir dort genug Platz und Betten. Die Einrichtung ist ganz gut erhalten und es funktioniert so weit auch noch, soweit ich das beurteilen kann. Es liegt am Rande eines Parks, ich denke, man könnte dort ganz gut ungestört durchkommen, immerhin ist da nichts beleuchtet. Also die Rückseite des Hauses ist zum Park hin, wir nannten ihn immer Cats' Garden als Kinder, weil dort so viele Katzen streunten. Das liegt direkt bei Charing Cross, York Builds heißt die Straße.“
Cats' Garden. Sind diese Zufälle nicht immer wieder belustigend. Hach ja, zurück zu den Wurzeln. Ich sagte es ja bereits.
Sie hielt inne, da sie nicht im geringsten wusste, ob Charles ihren Vorschlag auch nur im Entferntesten interessieren würde. “Nur als Vorschlag…wir können natürlich auch nach Limehouse. Allerdings müssen sie mich vielleicht erst in Fesseln schlagen, damit ich mich dort hinbegebe.“
Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Ruhe. Einfach nur ein paar Minuten Ruhe hatte sich Johanna gewünscht und Charles und sogar Melinda hätte sie diese Ruhe auch gegönnt. Doch dieser Wunsch wurde ihr nicht erfüllt, denn kaum hatten sie das Haus des Arztes betreten, wartete gleich die nächsten Schwierigkeiten auf die Gruppe. Sie waren nicht alleine dort. Alan befand sich nun ebenfalls im Haus, zumindest Körperlich. Über das Geistliche war sich Johanna nicht sicher.
Sie hielt sich im Hintergrund, während Charles die Fassung verlor, und auch Melinda packte die Wut, sogar so sehr, dass sie Handgreiflich wurde. 'Nicht schon wieder', dachte Johanna und zuckte kurz zusammen, als Melindas Handfläche Alans Wange traf. Doch weitere Schläge folgten nicht. Johanna entspannte sich wieder etwas.
Als darüber geredet wurde, wohin sie fliehen würde, blickte Johanna nervös durch die umliegenden Fenster. Sie sah niemanden, doch das würde noch lange nicht bedeuten, das man sie nicht verfolgt hatte.
"Bist du dir denn sicher, dass du dorthin zurück willst?", fragte Johanna vorsichtig, nachdem sie Melindas Bitte angehört hatte. Sie konnte sich vorstellen das es für Melinda alles andere als leicht sein würde das Waisenhaus noch einmal von innen zu sehen. Vielleicht würden Erinnerungen sie heimsuchen, die mittlerweile tief vergraben waren. Johannas Bedenken waren ernst gemeint, auch wenn Melinda sie vermutlich nicht als solche aufschnappen würde. Johanna hoffte trotzdem, dass sie nicht annahm das man sie als schwach bezeichnet hatte.
Johanna wandte sich dann Alan zu. Sie war der Meinung, er hatte sowohl körperlich, als auch seelisch genug eingesteckt. Sie hielt ihm den Arm hin. Wenn er wollte, würde er sich abstützen können.
Sie hielt sich im Hintergrund, während Charles die Fassung verlor, und auch Melinda packte die Wut, sogar so sehr, dass sie Handgreiflich wurde. 'Nicht schon wieder', dachte Johanna und zuckte kurz zusammen, als Melindas Handfläche Alans Wange traf. Doch weitere Schläge folgten nicht. Johanna entspannte sich wieder etwas.
Als darüber geredet wurde, wohin sie fliehen würde, blickte Johanna nervös durch die umliegenden Fenster. Sie sah niemanden, doch das würde noch lange nicht bedeuten, das man sie nicht verfolgt hatte.
"Bist du dir denn sicher, dass du dorthin zurück willst?", fragte Johanna vorsichtig, nachdem sie Melindas Bitte angehört hatte. Sie konnte sich vorstellen das es für Melinda alles andere als leicht sein würde das Waisenhaus noch einmal von innen zu sehen. Vielleicht würden Erinnerungen sie heimsuchen, die mittlerweile tief vergraben waren. Johannas Bedenken waren ernst gemeint, auch wenn Melinda sie vermutlich nicht als solche aufschnappen würde. Johanna hoffte trotzdem, dass sie nicht annahm das man sie als schwach bezeichnet hatte.
Johanna wandte sich dann Alan zu. Sie war der Meinung, er hatte sowohl körperlich, als auch seelisch genug eingesteckt. Sie hielt ihm den Arm hin. Wenn er wollte, würde er sich abstützen können.
Scáth- Forenzombie
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
"Zieh dich doch selbst zur Verantwortung. Du Penner", murmelte Alan, mittlerweile wieder auf den Beinen.
Mühsam richtete er seine zerknitterte Kleidung und warf der Hure dabei bitterböse, trübe Blicke zu.
"In Fesseln schlagen? Sie scheinen ihren kranken Doc ja wirklich zu vermissen."
Dankbar nahm er die Stütze von Johanna an. Es war gut zu wissen, dass wenigstens eine Person nicht völlig durchgedreht in diesem Haufen war.
"Ich sag ihnen was, Melinda. Es hat sich genau so abgespielt. Ob sie es haben wollen oder nich. Er wollt den Frauen, der Witwe, Böses antun. Und ich red nich nur von Schlägen..."
Mühsam richtete er seine zerknitterte Kleidung und warf der Hure dabei bitterböse, trübe Blicke zu.
"In Fesseln schlagen? Sie scheinen ihren kranken Doc ja wirklich zu vermissen."
Dankbar nahm er die Stütze von Johanna an. Es war gut zu wissen, dass wenigstens eine Person nicht völlig durchgedreht in diesem Haufen war.
"Ich sag ihnen was, Melinda. Es hat sich genau so abgespielt. Ob sie es haben wollen oder nich. Er wollt den Frauen, der Witwe, Böses antun. Und ich red nich nur von Schlägen..."
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Die Geste die Johanna Alan entgegen brachte war in Melindas Augen nicht gerechtfertigt. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte dieser Mistkerl auf immer in Erbrochenem und Scherben liegen können.
“Ich kann nicht wirklich behaupten, dass ich mich freuen würde, dorthin zurück zu kehren, aber es geht nicht immer um die eigenen Bedürfnisse.“ Diesen Satz wählte sie mit Bedacht so, auch wenn sie sich fragte ob Johanna ihre Anspielung überhaupt verstehen würde.
“Andererseits, schon mal an den Docks gewesen Johanna? Eins ist sicher, da ist selbst das Waisenhaus von Ms. Mitchell ein netterer Ort.“
Sie hörte Alan zu, verschränkte die Arme vor der Brust. “Ich kenne Randolph fast mein ganzes Leben lang und Sie, Mr. Stirling, seit gestern, seitdem Sie mir Ihre wunderbare Persönlichkeit vor Augen geführt haben. Sie sind der Raufbold, der wild um sich schießt. Nicht Randolph. Ich glaube kein Wort von dem, was Sie sagen. Randolph würde sich niemals an einer Frau vergreifen. Nie. Sie lügen.“
“Ich kann nicht wirklich behaupten, dass ich mich freuen würde, dorthin zurück zu kehren, aber es geht nicht immer um die eigenen Bedürfnisse.“ Diesen Satz wählte sie mit Bedacht so, auch wenn sie sich fragte ob Johanna ihre Anspielung überhaupt verstehen würde.
“Andererseits, schon mal an den Docks gewesen Johanna? Eins ist sicher, da ist selbst das Waisenhaus von Ms. Mitchell ein netterer Ort.“
Sie hörte Alan zu, verschränkte die Arme vor der Brust. “Ich kenne Randolph fast mein ganzes Leben lang und Sie, Mr. Stirling, seit gestern, seitdem Sie mir Ihre wunderbare Persönlichkeit vor Augen geführt haben. Sie sind der Raufbold, der wild um sich schießt. Nicht Randolph. Ich glaube kein Wort von dem, was Sie sagen. Randolph würde sich niemals an einer Frau vergreifen. Nie. Sie lügen.“
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
"..aber es geht nicht immer um die eigenen Bedürfnisse". Dieser Satz hallte Johanna im Kopf, wie ein unaufhörliches Echo. Sie verstand die Anspielung, und das mehr als ihr lieb war. Die Hand, die Johanna kurz davor auf Alans Arm gelegt hatte, um ihn besser stützen zu können, krampfte sich zusammen. Sie achtete in diesem Moment nicht darauf, das Alan dies spüren konnte.
'Das sagst DU mir?', fauchte sie innerlich. Gerade Johanna war für gewöhnlich jemand, der überhaupt nicht auf sich selbst achtete. Egoismus schien so gut wie nicht vorhanden. Nein, die Kinder der Bakersfields und auch deren Eltern standen für sie immer im Vordergrund. Und nun meinte Melinda ihr vorwerfen zu können, sie sei Egoistin? Johanna war sich sicher, dass der Satz genau das aussagen sollte. Und das zu unrecht. Nein, das sollte Melinda lieber zu sich selbst sagen. War sie es doch, die nicht von Charles ablassen konnte, war sie es doch, die es nicht schaffte sich auch in Johanna hinein zu versetzen. Melinda war diejenige, die nicht nachgeben wollte, bis sie das hatte was sie will. Eine Egoistin, das war Melinda um einiges mehr, als Johanna es angeblich sei. Doch einsehen konnte sie das nicht. Lächerlich.
Johannas Hand griff fester um das Handgelenk von Alan, während sie Melinda fast schon wütend ansah. Diese war jedoch gerade damit beschäftigt mit Alan zu sprechen.
Konnte Johanna etwas dafür, dass sie Charles Tochter war? Nein. Es war selbstverständlich dass Johanna nicht wollte, das eine Frau, die genauso alt war wie sie selbst und somit ebenfalls Charles Tochter sein könnte, sich an diesen ranschmiss. Noch verletzender war es, dass Charles es zu gefallen schien. Er hatte gesagt, er würde sie kennen lernen wollen. Er hatte erst seit einigen Stunden seine Tochter kennen gelernt, und doch schien Melinda um einiges wichtiger zu sein. Wenn nicht sogar viel wichtiger.
Als Johanna merkte, dass sie Alan womöglich weh getan hatte, lockerte sich ihr Griff urplötzlich. Etwas erschrocken blickte sie ihn an und formte mit ihren Lippen ein kurzes "Tschuldige".
Eine Revolution. Das war der Grund, weshalb alle hier waren. Zumindest sollte es so sein. Doch Johanna kam das alles momentan ganz anders vor.
'Das sagst DU mir?', fauchte sie innerlich. Gerade Johanna war für gewöhnlich jemand, der überhaupt nicht auf sich selbst achtete. Egoismus schien so gut wie nicht vorhanden. Nein, die Kinder der Bakersfields und auch deren Eltern standen für sie immer im Vordergrund. Und nun meinte Melinda ihr vorwerfen zu können, sie sei Egoistin? Johanna war sich sicher, dass der Satz genau das aussagen sollte. Und das zu unrecht. Nein, das sollte Melinda lieber zu sich selbst sagen. War sie es doch, die nicht von Charles ablassen konnte, war sie es doch, die es nicht schaffte sich auch in Johanna hinein zu versetzen. Melinda war diejenige, die nicht nachgeben wollte, bis sie das hatte was sie will. Eine Egoistin, das war Melinda um einiges mehr, als Johanna es angeblich sei. Doch einsehen konnte sie das nicht. Lächerlich.
Johannas Hand griff fester um das Handgelenk von Alan, während sie Melinda fast schon wütend ansah. Diese war jedoch gerade damit beschäftigt mit Alan zu sprechen.
Konnte Johanna etwas dafür, dass sie Charles Tochter war? Nein. Es war selbstverständlich dass Johanna nicht wollte, das eine Frau, die genauso alt war wie sie selbst und somit ebenfalls Charles Tochter sein könnte, sich an diesen ranschmiss. Noch verletzender war es, dass Charles es zu gefallen schien. Er hatte gesagt, er würde sie kennen lernen wollen. Er hatte erst seit einigen Stunden seine Tochter kennen gelernt, und doch schien Melinda um einiges wichtiger zu sein. Wenn nicht sogar viel wichtiger.
Als Johanna merkte, dass sie Alan womöglich weh getan hatte, lockerte sich ihr Griff urplötzlich. Etwas erschrocken blickte sie ihn an und formte mit ihren Lippen ein kurzes "Tschuldige".
Eine Revolution. Das war der Grund, weshalb alle hier waren. Zumindest sollte es so sein. Doch Johanna kam das alles momentan ganz anders vor.
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Charles hatte sich eigentlich schon zum Gehen wenden wollen, doch Melinda ließ ihn innehalten und er hörte sich ihren Vorschlag interessiert an. David hingegen, auch wenn Charles dies nicht bemerkte, schien Melinda erst verwundert anzusehen und dann mit jedem Wort, das sie aussprach, mehr und mehr unglücklich das Gesicht zu verziehen.
Johanna und auch Alan meldeten sich zu Wort, dann wieder Melinda. Charles verfolgte die jeweiligen Sprecher stumm und mit aufmerksamem, nachdenklichem Blick. Melinda schien ihre eigene Anregung, lieber das leerstehende Waisenhaus zu beziehen, selbst nicht zu gefallen, doch Charles rechnete es ihr hoch an, dass sie diese Option dennoch in den Raum gestellt hatte.
Er räusperte sich hinter vorgehaltener Faust, um den Disput, der zwischen Melinda und Alan aufzukommen drohte, zu unterbinden.
„Sie in Fesseln zu schlagen, würde mir im Traum nicht einfallen, meine Liebe“, kam er zu dem, für ihn, gerade relevanten Thema zurück, denn anderes konnten sie seiner Meinung nach aufgrund des Zeitmangels erst einmal verschieben, und schenkte Melinda ein charmantes Lächeln.
„Fast jeder Ort ist mir lieber als Limehouse, seien Sie da unbesorgt.“
Kurz bedachte Charles den jungen Kutscher mit einem Blick und registrierte dessen gequälte Miene, bevor er wieder Melinda fokussierte.
„Ich wusste gar nicht, dass Maybrick Manor verlassen ist“, sagte er dann in gedämpftem Ton als würde er befürchten, dass jemand sie belauschen könnte. Hätte er schon früher von dieser Information Kenntnis gehabt… Er war, deutlich im Gegensatz zu David, der beim Hören dieses Namens begonnen hatte, mit gesenktem Blick mit den Füßen zu scharren, und auch zu Melinda, wahrlich nicht abgeneigt. Geistergeschichten würden ihn nicht dazu bringen, sich wie ein kleiner Junge bibbernd unter dem Bett zu verstecken.
„Sicher kann es nicht schaden, sich das anzusehen“, fuhr Charles, mehr im Selbstgespräch als noch an Melinda gerichtet, fort. Er überschlug die Möglichkeiten, die dieses Herrenhaus, dessen Existenz ihm, offensichtlich, durchaus bekannt war, bieten würde.
„Charing Cross liegt sehr zentral, zwar in der Nähe zum Scotland Yard, aber dies kann uns zum Vorteil gereichen. Nicht nur der Park ist uneinsichtig, sondern auch der Innenhof“, meinte er sich zu erinnern, obwohl er nur ein einziges Mal an diesem Ort gewesen war – und dies war etliche Jahre her. Eine dort parkende Kutsche würde dort nicht auffallen.
„Ungestört sind wir dort bestimmt, wenn wir nicht allzu nachlässig sind.“
Charles schlug David mehr seine Hand auf die Schulter als dass er sie legte, eigentlich mit der Absicht, die Geste aufmunternd wirken zu lassen, erschreckte den Burschen aber unbeabsichtigt. Davon ließ Charles sich jedoch nicht einmal einen Augenblick irritieren.
„Na dann voran, du kennst ja den Weg“, sagte Charles mit einer Zuversichtlichkeit, an der es dem Kutscher mangelte. Um das zu erkennen, musste man sich nur sein Gesicht ansehen.
„David hat, wie es der Zufall will“, erklärte Charles Melinda mit einem Augenzwinkern, „auch einige Jahre dort gelebt.“
Da David aber scheinbar die Motivation fehlte, sich sofort in Bewegung zu setzen, schritt Charles voran in Richtung Straße und Kutsche.
„Fast sechs“, korrigierte der junge Mann murmelnd, da „einige Jahre“ ihm wohl zu optimistisch klangen.
Johanna und auch Alan meldeten sich zu Wort, dann wieder Melinda. Charles verfolgte die jeweiligen Sprecher stumm und mit aufmerksamem, nachdenklichem Blick. Melinda schien ihre eigene Anregung, lieber das leerstehende Waisenhaus zu beziehen, selbst nicht zu gefallen, doch Charles rechnete es ihr hoch an, dass sie diese Option dennoch in den Raum gestellt hatte.
Er räusperte sich hinter vorgehaltener Faust, um den Disput, der zwischen Melinda und Alan aufzukommen drohte, zu unterbinden.
„Sie in Fesseln zu schlagen, würde mir im Traum nicht einfallen, meine Liebe“, kam er zu dem, für ihn, gerade relevanten Thema zurück, denn anderes konnten sie seiner Meinung nach aufgrund des Zeitmangels erst einmal verschieben, und schenkte Melinda ein charmantes Lächeln.
„Fast jeder Ort ist mir lieber als Limehouse, seien Sie da unbesorgt.“
Kurz bedachte Charles den jungen Kutscher mit einem Blick und registrierte dessen gequälte Miene, bevor er wieder Melinda fokussierte.
„Ich wusste gar nicht, dass Maybrick Manor verlassen ist“, sagte er dann in gedämpftem Ton als würde er befürchten, dass jemand sie belauschen könnte. Hätte er schon früher von dieser Information Kenntnis gehabt… Er war, deutlich im Gegensatz zu David, der beim Hören dieses Namens begonnen hatte, mit gesenktem Blick mit den Füßen zu scharren, und auch zu Melinda, wahrlich nicht abgeneigt. Geistergeschichten würden ihn nicht dazu bringen, sich wie ein kleiner Junge bibbernd unter dem Bett zu verstecken.
„Sicher kann es nicht schaden, sich das anzusehen“, fuhr Charles, mehr im Selbstgespräch als noch an Melinda gerichtet, fort. Er überschlug die Möglichkeiten, die dieses Herrenhaus, dessen Existenz ihm, offensichtlich, durchaus bekannt war, bieten würde.
„Charing Cross liegt sehr zentral, zwar in der Nähe zum Scotland Yard, aber dies kann uns zum Vorteil gereichen. Nicht nur der Park ist uneinsichtig, sondern auch der Innenhof“, meinte er sich zu erinnern, obwohl er nur ein einziges Mal an diesem Ort gewesen war – und dies war etliche Jahre her. Eine dort parkende Kutsche würde dort nicht auffallen.
„Ungestört sind wir dort bestimmt, wenn wir nicht allzu nachlässig sind.“
Charles schlug David mehr seine Hand auf die Schulter als dass er sie legte, eigentlich mit der Absicht, die Geste aufmunternd wirken zu lassen, erschreckte den Burschen aber unbeabsichtigt. Davon ließ Charles sich jedoch nicht einmal einen Augenblick irritieren.
„Na dann voran, du kennst ja den Weg“, sagte Charles mit einer Zuversichtlichkeit, an der es dem Kutscher mangelte. Um das zu erkennen, musste man sich nur sein Gesicht ansehen.
„David hat, wie es der Zufall will“, erklärte Charles Melinda mit einem Augenzwinkern, „auch einige Jahre dort gelebt.“
Da David aber scheinbar die Motivation fehlte, sich sofort in Bewegung zu setzen, schritt Charles voran in Richtung Straße und Kutsche.
„Fast sechs“, korrigierte der junge Mann murmelnd, da „einige Jahre“ ihm wohl zu optimistisch klangen.
Zuletzt von Umbra am Fr Jun 21 2013, 17:36 bearbeitet; insgesamt 2-mal bearbeitet
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Den Blick den Johanna Melinda zuwarf, war mehr als deutlich, auch wenn sie es nur mit den Augenwinkel wahrnahm. Mit Mühe unterdrückte Melinda es sich die Augen zu verdrehen, es wäre ohnehin sinnlos gewesen. Das Mädchen verstand einfach nicht worum es ging. Sie stellte ihre Bedürfnisse weit über die ihres Vaters. Aber das war nicht Melindas Problem, sondern das von ihr und Charles. Sie wand sich erfreut Charles zu, als dieser ihren Vorschlag begrüßte und nicht nach Limehouse wollte. Zudem schien ihm der Gedanke an das leer stehende Gebäude zu gefallen, die Lage war nicht die schlechteste. Auch wenn Scotland Yard quasi in der Nachbarschaft lag, wer würde schon vermuten, dass Norly sich gleich dort in der Nachbarschaft niederlassen würde? Niemand. Ja, Maybrick Manor schien ideal. Abgesehen von der Tatsache, dass Melinda dort sicher keine schönen Kindheitserinnerungen erfahren hatten. Charles erwähnte, dass David selbst dort als Kind gelebt hatte.
Na, ob das Zufall ist? Ein Schelm der böses denkt.
Melinda betrachtete den jungen Kutscher und versuchte sich das Gesicht kindlicher vorzustellen, ohne Bart und den Hut den er trug.
Ob es ihm wohl unangenehm war, so von einer Hure angestarrt zu werden.
Mitchell hatte die Kinder in ihrer Obhut stets mit Mädchen und Junge angesprochen um ihre Überlegenheit zu demonstrieren, natürlich mit Verniedlichung der Namen. Melinda war stets als Melly angesprochen worden, aber auch die älteren Kinder und Jugendliche waren nie beim richtigen Namen genannt worden. David…Dave…nein, nicht kindlich genug…Davey...ja, möglich das sie den Namen kannte.
“Ich kann nicht wirklich behaupten, mich zu erinnern. Schade. Aber vielleicht war ich auch einfach zu jung.“ Diese Information konnte auch für sie noch nützlich sein. Er würde Maybrick Manor also vermutlich eben so gut kennen, wie sie selbst. Auch wenn es ihm unangenehmer schien.
Ach…erzähl doch nichts! Dir ist das auch unangenehm. Du zeigst es nur nicht. Aber ich, ICH, bin hier drin und weiß ganz genau was du denkst. An was du dich erinnerst, wenn du Mitchells Namen hörst. An jedes Detail. An jedes Wort, das weder Absinth noch Laudanum aus deinem Hirn löschen konnten. Ich bewahre das Alles für dich auf. Für immer.
“Ich schätze, wir sollten langsam los, wenn Randolph beim Scotland Yard ist, wird es hier sicher bald vor Bobbies wimmeln.“ Melinda dachte an den Doc, was würde mit ihm passieren? Würde er inhaftiert? Wenn nicht, wie würden sie ihn finden?
Na, ob das Zufall ist? Ein Schelm der böses denkt.
Melinda betrachtete den jungen Kutscher und versuchte sich das Gesicht kindlicher vorzustellen, ohne Bart und den Hut den er trug.
Ob es ihm wohl unangenehm war, so von einer Hure angestarrt zu werden.
Mitchell hatte die Kinder in ihrer Obhut stets mit Mädchen und Junge angesprochen um ihre Überlegenheit zu demonstrieren, natürlich mit Verniedlichung der Namen. Melinda war stets als Melly angesprochen worden, aber auch die älteren Kinder und Jugendliche waren nie beim richtigen Namen genannt worden. David…Dave…nein, nicht kindlich genug…Davey...ja, möglich das sie den Namen kannte.
“Ich kann nicht wirklich behaupten, mich zu erinnern. Schade. Aber vielleicht war ich auch einfach zu jung.“ Diese Information konnte auch für sie noch nützlich sein. Er würde Maybrick Manor also vermutlich eben so gut kennen, wie sie selbst. Auch wenn es ihm unangenehmer schien.
Ach…erzähl doch nichts! Dir ist das auch unangenehm. Du zeigst es nur nicht. Aber ich, ICH, bin hier drin und weiß ganz genau was du denkst. An was du dich erinnerst, wenn du Mitchells Namen hörst. An jedes Detail. An jedes Wort, das weder Absinth noch Laudanum aus deinem Hirn löschen konnten. Ich bewahre das Alles für dich auf. Für immer.
“Ich schätze, wir sollten langsam los, wenn Randolph beim Scotland Yard ist, wird es hier sicher bald vor Bobbies wimmeln.“ Melinda dachte an den Doc, was würde mit ihm passieren? Würde er inhaftiert? Wenn nicht, wie würden sie ihn finden?
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Randolph überlegte, was wohl am sinnvollsten wäre: Preiszugeben, ob Johanna bei Charles war oder nicht. Da er es vorher in seiner Aussage nicht erwähnt hatte, entschied er sich für Letzteres. "Als er bei mir war nicht, nein! Handelt es sich um eine Geisel?"
Drake hatte es befürchtet. Trotzdem konnte er seine Bestürzung über diese Nachricht nicht verbergen und fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht. Es war eine lange, schreckliche Nacht gewesen, er war müde und die Stichverletzung in seinem Oberschenkel schmerzte. Doch er musste sich nun zusammenreißen und diese Befragung zu Ende führen.
„Er hat sie entführt, bevor er Sie aufgesucht hat, so viel steht fest“, antwortete der Chief Inspector nach kurzer Bedenkzeit, in der er zu dem Schluss gekommen war, diese Information preisgeben zu können. Immerhin hatte er es nun angesprochen. Mehr sagte er dazu jedoch nicht. Dass Ms. Stead seitdem als vermisst galt und laut Tremaines Aussage dessen Haus nicht mehr erreicht hatte, war davon auszugehen, dass Scarface sich ihrer auf dem Weg von Mayfair nach Soho entledigt hatte. Es war ein grauenvoller Gedanke. Der Yard würde wohl Suchstaffeln losschicken, jetzt, da die Polizei einen Anhaltspunkt hatte.
„Zurück zu Ihrer Aussage, Doktor“, leitete Drake ein und konzentrierte sich wieder.
„Als Mr. Norly bei Ihnen war, hat er dann mit Ihnen gesprochen – bis auf die Forderung, ihn zu behandeln? Versuchen Sie, sich zu erinnern. Je genauer Sie sind, desto mehr helfen Sie uns – und sich.“
Der rothaarige Inspector wollte dies nicht ohne Grund erfahren. Nach Tremaines erster Aussage, waren Stirling und er aufgrund der Vermutung und der wilden Theorie, Scarface könnte unschuldig sein, zum Haus der Witwe Mauney aufgebrochen. Dies war an dieser Stelle schon unstimmig gewesen, nun, nach der zweiten Aussage, umso mehr. Warum hatten Sie, wenn die zweite Aussage in der Form nun korrekt war, Mrs. Mauney um Rat ersuchen wollen? Allein aufgrund der Begebenheit, dass Scarface Tremaine und Stirling verschont hatte, kam ihm das etwas fadenscheinig vor. Wer hätte nach so einem Aufeinandertreffen denn nicht die Polizei aufgesucht, wenn er nicht ernste Zweifel an Scarfaces Schuld gehabt hätte? Denn solche Zweifel ließen sich nur schwer sähen, wenn man jemanden mit einer Waffe bedrohte und diesen zu etwas zwang. Drake vermutete, dass mehr dahinter steckte als der Doktor bisher preisgegeben hatte.
Randolph überlegte tatsächlich. Allerdings weniger darüber, was Charles zu ihm gesagt hatte- denn das war nicht sonderlich viel gewesen, sondern was er Drake erzählen sollte. Was genau erhoffte er sich? Imformationen über Charles Geisel? Oder wollte er lediglich den Wahrheitsgehalt von Randolphs Aussage überprüfen. Charles war in der Regel durchaus geschwätzig, Sollte der Doktor ihn "reden lassen"? Er beließ es bei der Wahrheit: "Er wirkte relativ müde und geschwächt. Wir haben ein paar Worte gewechselt, allerdings über keine relevanten Themen."
Drake nickte, war mit der Antwort aber offenbar nicht zufrieden.
„Berichten Sie mir dennoch davon. Alles kann relevant sein, auch wenn es nicht so scheint. Hat er vielleicht einen Ort erwähnt? Oder Namen? Hat er sich zu den Morden oder seiner Situation geäußert?“
Der Inspector hatte nicht vor, mit der Tür ins Haus zu fallen und direkt zu sagen, worauf er abzielte: Der derzeitige Stand von Tremaines Aussage war nicht komplett nachvollziehbar. Erst einmal wollte Drake so viele Informationen wie möglich darüber, was Scarface gesagt hatte – so geringfügig die Dinge im Einzelnen auch zu sein schienen und vielleicht auch mochten. Dennoch musste Drake sie zuerst einmal hören, um sie als unbedeutend abtun zu können.
Worauf wollte der Kerl hinaus? Randolph war es immer noch nicht klar. Aber er spielte mit. "Zunächst fragte ich ihn, um die Umstände der Verletzung. Er witzelte etwas darüber, wie er die Flasche ins Gesicht bekommen hat, den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr. Er gab an, dass diese Auseinandersetzung in etwa vierzig Minuten zurückliegt- vielleicht ist das ja von Interesse für sie." Was hatte Charles denn noch alles gesagt? Randolph entschied sich ein wenig erfinderisch zu werden: "Er fragte mich, was ich von unserem Chief Commissionar hielt. Wenn Scarface von ihm sprach verzerrten sich seine Züge hasserfüllt." So konnte er eventuell erklären, warum er von einem "Rachefeldzug" gesprochen hatte. War es das, worauf Drake aus war? Seine erste Aussage strotze wirklich vor Logiklücken und Randolph war sich nicht sicher, ob er sie alle füllen konnte. Im Zweifelsfall konnte er ja noch behaupten, dass er geistig noch etwas verwirrt war zum Zeitpunkt der Aussage.
Randolph entschied sich zum Schluss zu kommen und abzuwarten: "Ansonsten hat er noch ein paar Fragen bezüglich meiner Profession gestellt. Und etwas, dass ich ganz vergessen hatte: Er hat meine Schmerzmittel abgelehnt. Das müsste es sein- ja. Allgemein hat er sich überraschend höflich und zurückhaltend benommen, ganz im Gegensatz zu der Aktion bei den Mauneys."
Drake hatte es befürchtet. Trotzdem konnte er seine Bestürzung über diese Nachricht nicht verbergen und fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht. Es war eine lange, schreckliche Nacht gewesen, er war müde und die Stichverletzung in seinem Oberschenkel schmerzte. Doch er musste sich nun zusammenreißen und diese Befragung zu Ende führen.
„Er hat sie entführt, bevor er Sie aufgesucht hat, so viel steht fest“, antwortete der Chief Inspector nach kurzer Bedenkzeit, in der er zu dem Schluss gekommen war, diese Information preisgeben zu können. Immerhin hatte er es nun angesprochen. Mehr sagte er dazu jedoch nicht. Dass Ms. Stead seitdem als vermisst galt und laut Tremaines Aussage dessen Haus nicht mehr erreicht hatte, war davon auszugehen, dass Scarface sich ihrer auf dem Weg von Mayfair nach Soho entledigt hatte. Es war ein grauenvoller Gedanke. Der Yard würde wohl Suchstaffeln losschicken, jetzt, da die Polizei einen Anhaltspunkt hatte.
„Zurück zu Ihrer Aussage, Doktor“, leitete Drake ein und konzentrierte sich wieder.
„Als Mr. Norly bei Ihnen war, hat er dann mit Ihnen gesprochen – bis auf die Forderung, ihn zu behandeln? Versuchen Sie, sich zu erinnern. Je genauer Sie sind, desto mehr helfen Sie uns – und sich.“
Der rothaarige Inspector wollte dies nicht ohne Grund erfahren. Nach Tremaines erster Aussage, waren Stirling und er aufgrund der Vermutung und der wilden Theorie, Scarface könnte unschuldig sein, zum Haus der Witwe Mauney aufgebrochen. Dies war an dieser Stelle schon unstimmig gewesen, nun, nach der zweiten Aussage, umso mehr. Warum hatten Sie, wenn die zweite Aussage in der Form nun korrekt war, Mrs. Mauney um Rat ersuchen wollen? Allein aufgrund der Begebenheit, dass Scarface Tremaine und Stirling verschont hatte, kam ihm das etwas fadenscheinig vor. Wer hätte nach so einem Aufeinandertreffen denn nicht die Polizei aufgesucht, wenn er nicht ernste Zweifel an Scarfaces Schuld gehabt hätte? Denn solche Zweifel ließen sich nur schwer sähen, wenn man jemanden mit einer Waffe bedrohte und diesen zu etwas zwang. Drake vermutete, dass mehr dahinter steckte als der Doktor bisher preisgegeben hatte.
Randolph überlegte tatsächlich. Allerdings weniger darüber, was Charles zu ihm gesagt hatte- denn das war nicht sonderlich viel gewesen, sondern was er Drake erzählen sollte. Was genau erhoffte er sich? Imformationen über Charles Geisel? Oder wollte er lediglich den Wahrheitsgehalt von Randolphs Aussage überprüfen. Charles war in der Regel durchaus geschwätzig, Sollte der Doktor ihn "reden lassen"? Er beließ es bei der Wahrheit: "Er wirkte relativ müde und geschwächt. Wir haben ein paar Worte gewechselt, allerdings über keine relevanten Themen."
Drake nickte, war mit der Antwort aber offenbar nicht zufrieden.
„Berichten Sie mir dennoch davon. Alles kann relevant sein, auch wenn es nicht so scheint. Hat er vielleicht einen Ort erwähnt? Oder Namen? Hat er sich zu den Morden oder seiner Situation geäußert?“
Der Inspector hatte nicht vor, mit der Tür ins Haus zu fallen und direkt zu sagen, worauf er abzielte: Der derzeitige Stand von Tremaines Aussage war nicht komplett nachvollziehbar. Erst einmal wollte Drake so viele Informationen wie möglich darüber, was Scarface gesagt hatte – so geringfügig die Dinge im Einzelnen auch zu sein schienen und vielleicht auch mochten. Dennoch musste Drake sie zuerst einmal hören, um sie als unbedeutend abtun zu können.
Worauf wollte der Kerl hinaus? Randolph war es immer noch nicht klar. Aber er spielte mit. "Zunächst fragte ich ihn, um die Umstände der Verletzung. Er witzelte etwas darüber, wie er die Flasche ins Gesicht bekommen hat, den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr. Er gab an, dass diese Auseinandersetzung in etwa vierzig Minuten zurückliegt- vielleicht ist das ja von Interesse für sie." Was hatte Charles denn noch alles gesagt? Randolph entschied sich ein wenig erfinderisch zu werden: "Er fragte mich, was ich von unserem Chief Commissionar hielt. Wenn Scarface von ihm sprach verzerrten sich seine Züge hasserfüllt." So konnte er eventuell erklären, warum er von einem "Rachefeldzug" gesprochen hatte. War es das, worauf Drake aus war? Seine erste Aussage strotze wirklich vor Logiklücken und Randolph war sich nicht sicher, ob er sie alle füllen konnte. Im Zweifelsfall konnte er ja noch behaupten, dass er geistig noch etwas verwirrt war zum Zeitpunkt der Aussage.
Randolph entschied sich zum Schluss zu kommen und abzuwarten: "Ansonsten hat er noch ein paar Fragen bezüglich meiner Profession gestellt. Und etwas, dass ich ganz vergessen hatte: Er hat meine Schmerzmittel abgelehnt. Das müsste es sein- ja. Allgemein hat er sich überraschend höflich und zurückhaltend benommen, ganz im Gegensatz zu der Aktion bei den Mauneys."
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Auch David konnte sich nicht an Melinda erinnern, schließlich war auch er damals noch ein Kind gewesen, vielleicht war dies aber auch zusätzlich davon beeinflusst, dass für den Kutscher rein optisch ein zu großer Unterschied zwischen einem sehr jungen Mädchen und einer nun erwachsenen Prostituierten bestand. Verlegen und unter Melindas Beäugung rot angelaufen, antwortete er auf ihre Vermutung, vermutlich zu jung gewesen zu sein, um sich an ihn erinnern zu können: „Wahrscheinlich, Miss. Bin ’55 von dort fort, da war ich erst knapp zehn.“
Dabei beließ David es, nahm Alans Seesack auf, auf den Charles ihn noch aufmerksam gemacht hatte, bevor er auf die Straße getreten war, und eilte dem älteren Mann wie ein treuer Hund hinterher. Doch auch Melindas ausgesprochener Verdacht, dass hier wohl bald ein Aufgebot des Scotland Yards auftauchen würde, war für alle Beteiligten Ansporn genug, nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln.
Charles hielt erneut höflich die Tür des Gefährts auf, um den anderen, selbst Alan (dem aber weniger sanft), hineinzuhelfen, bevor er sich selbst mit zusammengebissenen Zähnen bemühte. Er wählte den Platz, den er auch vorhin eingenommen gehabt hatte, mit Blick nach vorn und aus einem der Fenster hinaus. Er hasste das Fahren und den beengten Raum, aber auf dem Weg zum ehemaligen Waisenheim, dem wiederum ehemaligen Familiensitz der Maybricks, trieben Charles andere Gedanken um. Das, was er heute erfahren und gesehen hatte, wollte ihm nicht aus dem Kopf – besonders Mr. Stirling drogenbetäubte, fast schon halb gebrabbelte Schilderung der Ereignisse im Hause Mauney. Auch wenn Charles nun dazu nichts sagte, hieß das noch lange nicht, dass er diese Angelegenheit auf sich beruhen lassen würde. Gerade aufgrund des Abhandenkommens von Dr. Tremaine nicht. Aus Alans Gerede war nur ein grober Verlauf der Geschehnisse rekonstruierbar, doch für Charles waren zwei Dinge klar: Erstens: Der Chirurg war verletzt, vielleicht sogar ernsthaft, vermutlich durch die Prügel, die Alan diesem beigebracht hatte, und dann noch durch eine Kugel, wenn Charles dies richtig verstanden und Alan nicht wirr geredet hatte. Zweitens: Die Haushälterin der Mauneys hatte dieses unbedachte Schlamassel nicht überlebt. Wie es dazu gekommen war, musste noch eingehend geklärt werden.
Der Wohnsitz des ermordeten Harrold Mauney lag in Pimlico, nicht sehr weit vom Scotland Yard. Es war sehr wahrscheinlich, dass man den Doktor dorthin gebracht hatte, anstatt in eine andere, kleinere Polizeiwache. Gerade, wenn Mord im Spiel war. Gerade, wenn wirklich der Name „Scarface“ gefallen war – aber die Verbindung mit der Witwe des Mordopfers Mauney hatte vermutlich sogar schon ausgereicht, um ernstes Geschütz aufzufahren. Dazu kam, dass im Hauptquartier des ehemaligen Metropolitan Police Services neben den Polizisten und unzähligen zivilen Angestellten in der Regel auch Ärzte zugegen waren. Daher musste auch nicht unbedingt ein Umweg über ein Krankenhaus genommen werden, wenn Festgenommene verletzt waren.
Ja, doch, es war logisch, dass Dr. Tremaine sich gerade in der Höhle des Löwen befand.
Es blieb nun zu hoffen, dass Randolph Tremaine als studierter Mediziner kein Fachidiot, sondern allgemein ein schlauer Kerl war und sich nicht um Kopf und Kragen reden würde. Charles war sich dessen nicht sicher – immerhin war das spontane Aufsuchen eines vielleicht überwachten Hauses, um deren jetzige Herrin zum Auspacken zu nötigen, ziemlich gedankenlos gewesen. Nun, im Stillen musste Charles zugeben, dass er selbst Befragung von Zeugen in Erwägung gezogen und auch versucht hatte (um jedes Mal nicht viel mehr aus ihnen herauszubekommen als Gejammer, Geheule und Bitten um Milde), aber ungeachtet dessen würde er nie so mit einer Frau umspringen. Um zu erfahren, was wirklich geschehen war – oder um Alan zu bestätigen –, würde sich Charles wohl des Doktors Sicht der Dinge anhören müssen.
Einerseits war Charles abgeneigt, Dummheit mit Rettung zu belohnen, andererseits stellte Tremaine in den Händen der Polizei aber ein Risiko dar. Außerdem schien Melinda wirklich an dem Arzt zu hängen, bedachte Charles (wenn auch nicht ohne leichte Eifersucht) ihre Reaktion auf Alan vorhin im Operationszimmer, und er wollte nicht, dass sie sich unnötig Sorgen machte. Vielleicht lächelte Charles das Schicksal zu und er müsste Dr. Tremaine nicht aus irgendeinem Gefängnis befreien.
Das hätte mir gerade noch gefehlt!
Der Weg von Dr. Tremaines Haus zur Maybrick Manor am Ende der Straße Yorks Builds, deren Park an die bekannte Bahnstation Charing Cross anschloss, war nicht sonderlich weit. David steuerte die Kutsche trotz des Stadtverkehrs in guter Zeit ans Ziel.
Wie Charles in Erinnerung gehabt hatte, bot nicht nur die leicht verwilderte Grünfläche an der Rückseite des Herrenhauses Sichtschutz, sondern auch Bäume und eine hohe Mauer, die den Innenhof umsäumte. David sprang vom Kutschbock ab, öffnete das schwere, mit Rankenpflanzen bewucherte Tor, dessen angerostete Angeln unter der Bewegung geräuschvoll ächzten, und parkte die Kutsche anschließend im Schatten der Mauer und einer alten, knorrigen Walnuss, wo weder Pferd noch Wagen von der Straße aus auszumachen waren.
Charles nahm sein Gewehr und seinen Gehstock an sich, die er für die Fahrt abgestellt hatte, und stieg wieder als erster aus. Von Moos leicht grünlich gefärbter Kies knirschte, als Charles darauf landete. Er setzte seinen Zylinder auf, bevor er, in alter Manier, den anderen erneut beim Aussteigen half.
Vor ihnen bot sich der Anblick eines alten, zweitstöckigen Herrenhauses im georgianischen Stil, mit Giebeln, steilen Dachansätzen, die an der First zu Flachdächern übergingen, mit vielen Kaminschloten und sogar Turmspitzen. Der wuchernde Garten vor dem Herrenhaus beschränkte die Sicht auf die im Kontrast zum grauen Stein weiß ornamentierte, efeubesetzte Fassade etwas – jedoch schmälerte dies den Eindruck, den Maybrick Manor bot, keinesfalls.
Der mit Unkraut übersäte Kiesweg führte zu einer ausladenden Treppe, auf der ein von einstmals weißen Pilastern gesäumtes Portal thronte.
Charles gab David die Anweisung, schon einmal etwas von ihrem Gepäck mitzunehmen. Er selbst hatte, zusätzlich zu seinem nun wieder geschulterten Gewehr und seinem Gehstock, nur seinen Seesack an sich genommen, als er mit knarzendem Untergrund unter seinen Schuhen auf das verlassene Gebäude zuschritt und versuchte, dabei nicht allzu sehr zu humpeln. Trotz allem schien Maybrick Manor nicht viel zu sehr heruntergekommen zu sein. Die Fensterscheiben waren, auf den ersten Blick, größtenteils noch ganz und, falls nicht, mit Brettern vernagelt, die Türen hingen nicht schief in den Angeln und es waren auch nirgendswo Anzeichen, wie Graffiti oder leere Flaschen, zu sehen, dass sich hier gelegentlich Jugendliche herumtrieben.
Wahrlich geisterhaft verlassen. Perfekt.
Auch wenn sich Charles bewusst war, dass er auch das Innere sehen müsste, um zu entscheiden, wie geeignet Maybrick Manor wirklich für ihre Zwecke war, kam er auch jetzt nicht umhin, Zufriedenheit auszustrahlen. Schließlich überließ er jedoch kurz Melinda die Führung, damit die junge Frau ihm einen Weg zeigen konnte, der nicht erforderte, sich am Schloss der Haupttür zu schaffen zu machen oder ein Fenster aufzuhebeln.
An der Nordseite des Herrenhauses befand sich ein Eingang zum Keller, der offenbar einst für Angestellte bestimmt gewesen war. Hinter einer schrägen, bodennahen Doppeltür aus fahlem, leicht verwittertem Holz führte eine steinerne Treppe hinab zu jener Tür, durch die man das ehemalige Waisenhaus ohne weitere Hindernisse betreten konnte, wie Melinda versicherte.
Charles ging wieder voran und Melinda hinter ihm wies ihm die Richtung. Er achtete aufmerksam darauf, wo er hintrat. Der Keller war ziemlich dunkel, verwinkelt und zugestellt, es roch modrig und schwach nach Schimmel. Staub war allgegenwärtig und Charles befreite den Weg vor sich mit seinem Gehstock von Spinnenweben, um sich nicht in diesen zu verfangen.
Er war dankbar dafür, als er die Treppe hoch ins Erdgeschoss nehmen konnte, auch wenn diese eine erneut schmerzhafte, kleine Herausforderung für ihn darstellte. Melinda lotste die Gruppe über knarrende Dielen und abgetretene, staubige Läufer erst einmal in die Eingangshalle.
Den Namen „Eingangshalle“ verdiente sie gewiss. Der georgianische Stil des Baus und der Fassade setzte sich hier fort – auch wenn einige Anspielungen auf noch ältere Zeiten gemacht worden waren. Gegenüber der wuchtigen, dunklen Eingangstür wanden sich zwei sich oben treffende, geschwungene Treppen hinauf zu einer Galerie im ersten Stockwerk. Die Wände waren verziert mit, nunmehr abgegriffenen und verstaubten, Holzschnitzereien; eine Sitzgruppe aus vom Sonnenlicht gebleichten Polsterstühlen umgab einen Beistelltisch vor einer großen Feuerstelle, noch verrußt und voller heruntergebranntem Holz von ihrer letzten Benutzung; ein breiter, mitgenommener Läufer sollte ehemals wohl dazu einladen, einzutreten; Gemälde und einige alte Portraits säumten die Galerie; schwere Vorhänge umrahmten die angelaufenen Fenster, durch die Strahlen von Tageslicht hineinrieselten.
Charles war sichtlich begeistert, als er sich mit langen Schritten absetzte und sich in die Mitte des riesigen Raums begab. Über einen großen, dunklen Fleck auf dem Läufer, der verdächtig nach getrocknetem Blut aussah, machte er im letzten Moment noch einen Ausfallschritt, bevor er zum Stehen kam und seinen Seesack, begleitet von einem dumpfen Geräusch (und einer aufwirbelnden Staubwolke), zu Boden sinken ließ.
Charles breitete die Arme aus und wandte sich wieder seinen Begleitern zu.
„Ich danke Ihnen für diese wundervolle Idee, Melinda!“, sprach er und seine Stimme hallte von den Wänden und der hohen Decke wider. „Dies scheint wirklich ein außergewöhnlicher Ort zu sein – passend für außergewöhnliche Leute wie uns, nicht wahr?“, fügte er mit einem breiten Lächeln an. „Ich muss zugeben, meine Alternative in Limehouse wäre im Vergleich hierzu ein Loch gewesen. Hiermit lässt sich auf jeden Fall etwas anfangen.“
Nun wartete viel Arbeit.
Dabei beließ David es, nahm Alans Seesack auf, auf den Charles ihn noch aufmerksam gemacht hatte, bevor er auf die Straße getreten war, und eilte dem älteren Mann wie ein treuer Hund hinterher. Doch auch Melindas ausgesprochener Verdacht, dass hier wohl bald ein Aufgebot des Scotland Yards auftauchen würde, war für alle Beteiligten Ansporn genug, nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln.
Charles hielt erneut höflich die Tür des Gefährts auf, um den anderen, selbst Alan (dem aber weniger sanft), hineinzuhelfen, bevor er sich selbst mit zusammengebissenen Zähnen bemühte. Er wählte den Platz, den er auch vorhin eingenommen gehabt hatte, mit Blick nach vorn und aus einem der Fenster hinaus. Er hasste das Fahren und den beengten Raum, aber auf dem Weg zum ehemaligen Waisenheim, dem wiederum ehemaligen Familiensitz der Maybricks, trieben Charles andere Gedanken um. Das, was er heute erfahren und gesehen hatte, wollte ihm nicht aus dem Kopf – besonders Mr. Stirling drogenbetäubte, fast schon halb gebrabbelte Schilderung der Ereignisse im Hause Mauney. Auch wenn Charles nun dazu nichts sagte, hieß das noch lange nicht, dass er diese Angelegenheit auf sich beruhen lassen würde. Gerade aufgrund des Abhandenkommens von Dr. Tremaine nicht. Aus Alans Gerede war nur ein grober Verlauf der Geschehnisse rekonstruierbar, doch für Charles waren zwei Dinge klar: Erstens: Der Chirurg war verletzt, vielleicht sogar ernsthaft, vermutlich durch die Prügel, die Alan diesem beigebracht hatte, und dann noch durch eine Kugel, wenn Charles dies richtig verstanden und Alan nicht wirr geredet hatte. Zweitens: Die Haushälterin der Mauneys hatte dieses unbedachte Schlamassel nicht überlebt. Wie es dazu gekommen war, musste noch eingehend geklärt werden.
Der Wohnsitz des ermordeten Harrold Mauney lag in Pimlico, nicht sehr weit vom Scotland Yard. Es war sehr wahrscheinlich, dass man den Doktor dorthin gebracht hatte, anstatt in eine andere, kleinere Polizeiwache. Gerade, wenn Mord im Spiel war. Gerade, wenn wirklich der Name „Scarface“ gefallen war – aber die Verbindung mit der Witwe des Mordopfers Mauney hatte vermutlich sogar schon ausgereicht, um ernstes Geschütz aufzufahren. Dazu kam, dass im Hauptquartier des ehemaligen Metropolitan Police Services neben den Polizisten und unzähligen zivilen Angestellten in der Regel auch Ärzte zugegen waren. Daher musste auch nicht unbedingt ein Umweg über ein Krankenhaus genommen werden, wenn Festgenommene verletzt waren.
Ja, doch, es war logisch, dass Dr. Tremaine sich gerade in der Höhle des Löwen befand.
Es blieb nun zu hoffen, dass Randolph Tremaine als studierter Mediziner kein Fachidiot, sondern allgemein ein schlauer Kerl war und sich nicht um Kopf und Kragen reden würde. Charles war sich dessen nicht sicher – immerhin war das spontane Aufsuchen eines vielleicht überwachten Hauses, um deren jetzige Herrin zum Auspacken zu nötigen, ziemlich gedankenlos gewesen. Nun, im Stillen musste Charles zugeben, dass er selbst Befragung von Zeugen in Erwägung gezogen und auch versucht hatte (um jedes Mal nicht viel mehr aus ihnen herauszubekommen als Gejammer, Geheule und Bitten um Milde), aber ungeachtet dessen würde er nie so mit einer Frau umspringen. Um zu erfahren, was wirklich geschehen war – oder um Alan zu bestätigen –, würde sich Charles wohl des Doktors Sicht der Dinge anhören müssen.
Einerseits war Charles abgeneigt, Dummheit mit Rettung zu belohnen, andererseits stellte Tremaine in den Händen der Polizei aber ein Risiko dar. Außerdem schien Melinda wirklich an dem Arzt zu hängen, bedachte Charles (wenn auch nicht ohne leichte Eifersucht) ihre Reaktion auf Alan vorhin im Operationszimmer, und er wollte nicht, dass sie sich unnötig Sorgen machte. Vielleicht lächelte Charles das Schicksal zu und er müsste Dr. Tremaine nicht aus irgendeinem Gefängnis befreien.
Das hätte mir gerade noch gefehlt!
Der Weg von Dr. Tremaines Haus zur Maybrick Manor am Ende der Straße Yorks Builds, deren Park an die bekannte Bahnstation Charing Cross anschloss, war nicht sonderlich weit. David steuerte die Kutsche trotz des Stadtverkehrs in guter Zeit ans Ziel.
Wie Charles in Erinnerung gehabt hatte, bot nicht nur die leicht verwilderte Grünfläche an der Rückseite des Herrenhauses Sichtschutz, sondern auch Bäume und eine hohe Mauer, die den Innenhof umsäumte. David sprang vom Kutschbock ab, öffnete das schwere, mit Rankenpflanzen bewucherte Tor, dessen angerostete Angeln unter der Bewegung geräuschvoll ächzten, und parkte die Kutsche anschließend im Schatten der Mauer und einer alten, knorrigen Walnuss, wo weder Pferd noch Wagen von der Straße aus auszumachen waren.
Charles nahm sein Gewehr und seinen Gehstock an sich, die er für die Fahrt abgestellt hatte, und stieg wieder als erster aus. Von Moos leicht grünlich gefärbter Kies knirschte, als Charles darauf landete. Er setzte seinen Zylinder auf, bevor er, in alter Manier, den anderen erneut beim Aussteigen half.
Vor ihnen bot sich der Anblick eines alten, zweitstöckigen Herrenhauses im georgianischen Stil, mit Giebeln, steilen Dachansätzen, die an der First zu Flachdächern übergingen, mit vielen Kaminschloten und sogar Turmspitzen. Der wuchernde Garten vor dem Herrenhaus beschränkte die Sicht auf die im Kontrast zum grauen Stein weiß ornamentierte, efeubesetzte Fassade etwas – jedoch schmälerte dies den Eindruck, den Maybrick Manor bot, keinesfalls.
Der mit Unkraut übersäte Kiesweg führte zu einer ausladenden Treppe, auf der ein von einstmals weißen Pilastern gesäumtes Portal thronte.
Charles gab David die Anweisung, schon einmal etwas von ihrem Gepäck mitzunehmen. Er selbst hatte, zusätzlich zu seinem nun wieder geschulterten Gewehr und seinem Gehstock, nur seinen Seesack an sich genommen, als er mit knarzendem Untergrund unter seinen Schuhen auf das verlassene Gebäude zuschritt und versuchte, dabei nicht allzu sehr zu humpeln. Trotz allem schien Maybrick Manor nicht viel zu sehr heruntergekommen zu sein. Die Fensterscheiben waren, auf den ersten Blick, größtenteils noch ganz und, falls nicht, mit Brettern vernagelt, die Türen hingen nicht schief in den Angeln und es waren auch nirgendswo Anzeichen, wie Graffiti oder leere Flaschen, zu sehen, dass sich hier gelegentlich Jugendliche herumtrieben.
Wahrlich geisterhaft verlassen. Perfekt.
Auch wenn sich Charles bewusst war, dass er auch das Innere sehen müsste, um zu entscheiden, wie geeignet Maybrick Manor wirklich für ihre Zwecke war, kam er auch jetzt nicht umhin, Zufriedenheit auszustrahlen. Schließlich überließ er jedoch kurz Melinda die Führung, damit die junge Frau ihm einen Weg zeigen konnte, der nicht erforderte, sich am Schloss der Haupttür zu schaffen zu machen oder ein Fenster aufzuhebeln.
An der Nordseite des Herrenhauses befand sich ein Eingang zum Keller, der offenbar einst für Angestellte bestimmt gewesen war. Hinter einer schrägen, bodennahen Doppeltür aus fahlem, leicht verwittertem Holz führte eine steinerne Treppe hinab zu jener Tür, durch die man das ehemalige Waisenhaus ohne weitere Hindernisse betreten konnte, wie Melinda versicherte.
Charles ging wieder voran und Melinda hinter ihm wies ihm die Richtung. Er achtete aufmerksam darauf, wo er hintrat. Der Keller war ziemlich dunkel, verwinkelt und zugestellt, es roch modrig und schwach nach Schimmel. Staub war allgegenwärtig und Charles befreite den Weg vor sich mit seinem Gehstock von Spinnenweben, um sich nicht in diesen zu verfangen.
Er war dankbar dafür, als er die Treppe hoch ins Erdgeschoss nehmen konnte, auch wenn diese eine erneut schmerzhafte, kleine Herausforderung für ihn darstellte. Melinda lotste die Gruppe über knarrende Dielen und abgetretene, staubige Läufer erst einmal in die Eingangshalle.
Den Namen „Eingangshalle“ verdiente sie gewiss. Der georgianische Stil des Baus und der Fassade setzte sich hier fort – auch wenn einige Anspielungen auf noch ältere Zeiten gemacht worden waren. Gegenüber der wuchtigen, dunklen Eingangstür wanden sich zwei sich oben treffende, geschwungene Treppen hinauf zu einer Galerie im ersten Stockwerk. Die Wände waren verziert mit, nunmehr abgegriffenen und verstaubten, Holzschnitzereien; eine Sitzgruppe aus vom Sonnenlicht gebleichten Polsterstühlen umgab einen Beistelltisch vor einer großen Feuerstelle, noch verrußt und voller heruntergebranntem Holz von ihrer letzten Benutzung; ein breiter, mitgenommener Läufer sollte ehemals wohl dazu einladen, einzutreten; Gemälde und einige alte Portraits säumten die Galerie; schwere Vorhänge umrahmten die angelaufenen Fenster, durch die Strahlen von Tageslicht hineinrieselten.
Charles war sichtlich begeistert, als er sich mit langen Schritten absetzte und sich in die Mitte des riesigen Raums begab. Über einen großen, dunklen Fleck auf dem Läufer, der verdächtig nach getrocknetem Blut aussah, machte er im letzten Moment noch einen Ausfallschritt, bevor er zum Stehen kam und seinen Seesack, begleitet von einem dumpfen Geräusch (und einer aufwirbelnden Staubwolke), zu Boden sinken ließ.
Charles breitete die Arme aus und wandte sich wieder seinen Begleitern zu.
„Ich danke Ihnen für diese wundervolle Idee, Melinda!“, sprach er und seine Stimme hallte von den Wänden und der hohen Decke wider. „Dies scheint wirklich ein außergewöhnlicher Ort zu sein – passend für außergewöhnliche Leute wie uns, nicht wahr?“, fügte er mit einem breiten Lächeln an. „Ich muss zugeben, meine Alternative in Limehouse wäre im Vergleich hierzu ein Loch gewesen. Hiermit lässt sich auf jeden Fall etwas anfangen.“
Nun wartete viel Arbeit.
Zuletzt von Umbra am Fr Jun 14 2013, 15:02 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Re: Götterblut - Kapitel 2: Gut geplant ist halb gewonnen
Ohne zu zögern hatte Melinda die Truppe durch den Keller in das Anwesen geführt. Sie kannte noch einige andere Wege um das Gebäude zu betreten, doch dies war der einfachste und schnellste Weg gewesen. Außerdem wollte sie ihr Wissen um Maybrick Manor vorerst nicht preisgeben, auf keinen Fall sofort und schon gar nicht mit allen. Sie kannte neben den eigentlichen Wohn- und Nutzräumen auch den Keller und den Speicher. Natürlich war ihr bewusst, dass sie längst nicht alle Geheimnisse und Verstecke kannte. Dafür war die Zeit zu knapp, das Anwesen zu groß und der Kopf zu vernebelt gewesen. Immerhin hatte sie, neben den Streifzügen, die sie als Erwachsene, nach der Schließung des Waisenhauses, unternahm, ein Jahr lang Zeit gehabt, lose Dielenbretter und Ziegelsteine die schon lange nicht mehr von Mörtel gehalten wurden zu suchen und schlussendlich auch zu finden. Zwar hatte man ihr strickte Bettruhe verordnet, aber immer wenn ihr körperlicher Zustand es zuließ, hatte sie sich auf Streifzüge begeben, als sie noch Kind gewesen war. Die Bediensteten interessierten sich ohnehin nur für die Kinder, wenn diese etwas erledigen sollten. Noch heute fragte sich Melinda warum Mitchell überhaupt Angestellte gehabt hatte. Es hatte eine Nonne gegeben, die neben ihren medizinischen, begrenzten Fähigkeiten, dafür zuständig gewesen war, den Kindern Bibelverse einzubläuen, notfalls auch einzuprügeln, um gute Menschen aus ihnen zu machen. So ironisch wie es auch schien, war die Schwester, die gute Seele des Hauses gewesen. Wenn dies auch bei den anderen Angestellten keine große Herausforderung beziehungsweise Konkurrenz darstellte. Zumindest um die ganz Kleinen, hatte sich die Schwester immer herzergreifend gekümmert.
Seltsamerweise war ihr Gesicht, dass einzige, neben dem von Mitchell, an das sich Melinda noch genau erinnern konnte. Die Namen und Gesichter der anderen Pflegerinnen waren verschwommen, ihre Identität hatte die Zeit mit sich gerissen. Sie erinnerte sich auch dunkel an Männer die im Haus herumliefen, aber deren Aufgabe war ihr heute schleierhaft, denn neben etlichen Fabrikbesitzern, die Ein- und Ausgingen um Arbeitskräfte zu finden, hatte es wohl auch zwei oder drei männliche Angestellte gegeben. Angestrengt versuchte sie sich das erste Mal seit Jahren an deren Existenz und Aufgaben zu erinnern, als Charles sein Gepäck fallen ließ und zu sprechen begann.
Melinda betrachte den Staub, den Charles aufgewirbelt hatte, der sanft durch den Lichteinfall zwischen den schweren Vorhängen segelte. Es hatte etwas seltsames Friedvolles an sich, ein Trugschluss wie sie fand, denn friedlich war es hier nie gewesen, zumindest nicht zu Mitchell’s Lebzeiten. Ein Zuhause war dieses Heim wohl für keines der Kinder gewesen. Auch wenn es gelegentlich ein Lieblingskind von Mitchell gab, dass alle Zuwendungen der verschrobenen Frau erhielt und die anderen ärgern konnte, soviel es nur wollte. Es war augenscheinlich, dass Melinda, auch wenn sie den Namen der verstorbenen Schwester erhalten hatte, nie ein solches Kind gewesen war. Vielleicht gerade wegen der Namensgebung, doch das würde sie nie herausfinden.
“Nichts zu danken, Charles.“ sagte sie während sie durch die Halle auf eine der Treppen zusteuerte, sanft strich sie über das abgeriebene Holz, von dem in den Jahren unzählige Händen die Farbe abgerieben hatten. Sie blickte die lange Treppe hinauf zum Obergeschoss hoch und drehte sich wieder den anderen zu, sie ging zu dem Fleck, den Norly gemieden hatte und tippte mit ihrer Stiefelspitze darauf herum.
“Hatte ich schon erwähnt, wie es zu dem Tod, der bezaubernden Mitchell kam?“
Ohhh! Eine Willkommensgeschichte! Da fühlen sich bestimmt, alle gleich viel wohler hier! Los! Los! Lass dich nicht aufhalten!
“Sie wurde erschlagen, mit einer Axt. Es muss nachts geschehen sein, denn man fand sie am frühen Morgen. Schon seltsam, dass niemand etwas mitbekommen haben will. Es lebten immer eine Menge Kinder hier, irgendwann erzählte mir jemand es seien an die 60 Stück gewesen.“ Für Melinda die nie eine Schulbildung genossen hatte und sich alles was sie wusste, selbst beigebracht hatte, war dies eine erschreckend hohe Zahl gewesen, andererseits hatte die Anzahl von 1000 Kinder genauso auf sie gewirkt. Sie wusste jedoch das 60 eine ganze Menge sein musste. “Niemand will etwas gesehen oder gehört haben, auch nicht die Angestellten. Die Schwester fand sie hier liegen.“ Melinda machte eine kurze Pause. “Sie muss auf dem Weg in die Morgenmesse gewesen sein. Allerdings stimmt es nicht ganz, was ich eben sagte. Sie fand nicht Mitchell hier liegen. Ihren Körper hat man nie gefunden.“ Wieder hielt sie inne und tippte sich mit dem Nagel gegen die Vorderzähne. “Genau hier lag ihr Kopf.“ Sie unterstrich jedes ihrer Worte mit einem Tipp in den alten Blutfleck. “In dieser Nacht, soll es auch angefangen haben zu spuken. Schon komisch, alle Schützlinge erzählten, dass sie seltsame Träume gehabt hätten. Und zack. War Mitchell tot.“
Schließlich nahm Melinda ihren Fuß aus dem Fleck heraus und blickte gleichgültig durch die Halle.
“Vielleicht sollten wir uns ein paar Zimmer aussuchen, es gibt immerhin genug davon.“
Seltsamerweise war ihr Gesicht, dass einzige, neben dem von Mitchell, an das sich Melinda noch genau erinnern konnte. Die Namen und Gesichter der anderen Pflegerinnen waren verschwommen, ihre Identität hatte die Zeit mit sich gerissen. Sie erinnerte sich auch dunkel an Männer die im Haus herumliefen, aber deren Aufgabe war ihr heute schleierhaft, denn neben etlichen Fabrikbesitzern, die Ein- und Ausgingen um Arbeitskräfte zu finden, hatte es wohl auch zwei oder drei männliche Angestellte gegeben. Angestrengt versuchte sie sich das erste Mal seit Jahren an deren Existenz und Aufgaben zu erinnern, als Charles sein Gepäck fallen ließ und zu sprechen begann.
Melinda betrachte den Staub, den Charles aufgewirbelt hatte, der sanft durch den Lichteinfall zwischen den schweren Vorhängen segelte. Es hatte etwas seltsames Friedvolles an sich, ein Trugschluss wie sie fand, denn friedlich war es hier nie gewesen, zumindest nicht zu Mitchell’s Lebzeiten. Ein Zuhause war dieses Heim wohl für keines der Kinder gewesen. Auch wenn es gelegentlich ein Lieblingskind von Mitchell gab, dass alle Zuwendungen der verschrobenen Frau erhielt und die anderen ärgern konnte, soviel es nur wollte. Es war augenscheinlich, dass Melinda, auch wenn sie den Namen der verstorbenen Schwester erhalten hatte, nie ein solches Kind gewesen war. Vielleicht gerade wegen der Namensgebung, doch das würde sie nie herausfinden.
“Nichts zu danken, Charles.“ sagte sie während sie durch die Halle auf eine der Treppen zusteuerte, sanft strich sie über das abgeriebene Holz, von dem in den Jahren unzählige Händen die Farbe abgerieben hatten. Sie blickte die lange Treppe hinauf zum Obergeschoss hoch und drehte sich wieder den anderen zu, sie ging zu dem Fleck, den Norly gemieden hatte und tippte mit ihrer Stiefelspitze darauf herum.
“Hatte ich schon erwähnt, wie es zu dem Tod, der bezaubernden Mitchell kam?“
Ohhh! Eine Willkommensgeschichte! Da fühlen sich bestimmt, alle gleich viel wohler hier! Los! Los! Lass dich nicht aufhalten!
“Sie wurde erschlagen, mit einer Axt. Es muss nachts geschehen sein, denn man fand sie am frühen Morgen. Schon seltsam, dass niemand etwas mitbekommen haben will. Es lebten immer eine Menge Kinder hier, irgendwann erzählte mir jemand es seien an die 60 Stück gewesen.“ Für Melinda die nie eine Schulbildung genossen hatte und sich alles was sie wusste, selbst beigebracht hatte, war dies eine erschreckend hohe Zahl gewesen, andererseits hatte die Anzahl von 1000 Kinder genauso auf sie gewirkt. Sie wusste jedoch das 60 eine ganze Menge sein musste. “Niemand will etwas gesehen oder gehört haben, auch nicht die Angestellten. Die Schwester fand sie hier liegen.“ Melinda machte eine kurze Pause. “Sie muss auf dem Weg in die Morgenmesse gewesen sein. Allerdings stimmt es nicht ganz, was ich eben sagte. Sie fand nicht Mitchell hier liegen. Ihren Körper hat man nie gefunden.“ Wieder hielt sie inne und tippte sich mit dem Nagel gegen die Vorderzähne. “Genau hier lag ihr Kopf.“ Sie unterstrich jedes ihrer Worte mit einem Tipp in den alten Blutfleck. “In dieser Nacht, soll es auch angefangen haben zu spuken. Schon komisch, alle Schützlinge erzählten, dass sie seltsame Träume gehabt hätten. Und zack. War Mitchell tot.“
Schließlich nahm Melinda ihren Fuß aus dem Fleck heraus und blickte gleichgültig durch die Halle.
“Vielleicht sollten wir uns ein paar Zimmer aussuchen, es gibt immerhin genug davon.“
Elli- Piratenpinguin
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