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Götterblut - Kapitel 3: Scarface

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Götterblut - Kapitel 3: Scarface Empty Götterblut - Kapitel 3: Scarface

Beitrag von Umbra Mi Aug 21 2013, 23:51

„Was blutig anfing, mit Verrat und Mord,
Das setzt sich nur durch blut'ge Taten fort!“
~ Friedrich Schiller, Macbeth (Übersetzung des Trauerspiels von William Shakespeare)


Zuletzt von Umbra am Sa Okt 12 2013, 14:16 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Götterblut - Kapitel 3: Scarface Empty Re: Götterblut - Kapitel 3: Scarface

Beitrag von Elli Do Aug 22 2013, 10:55

Montag, 9. März 1868

Melinda war in einen, für sie tiefen Schlaf gefallen, die fehlenden Stunden Ruhe, der Alkohol, der Kampf mit Leeland und der Sturz auf dem Dachboden hatten ihren Tribut gefordert. Die letzten paar Male Schlaf waren weniger erholsam gewesen, dennoch wacht sie mitten in der Nacht bei den mitternächtlichen Glockenschlägen der nahen Kirchturmuhr auf. Ihr innerer Rhythmus war ordentlich durcheinander geraten, seit sie auf Charles getroffen war. Im Regelfall war sie Nachts auf und schlief bis in den Nachmittag. Am Tag gab es auch wenig zu erledigen für eine Hure, ihren Beruf übte sie im Regelfall bei Nacht aus. Es war dunkel, doch das war für sie nie ein großes Problem gewesen, in der Dunkelheit fühlte sie sich so manches Mal sicherer, als am Tag. Sie stand auf und ging ins Bad um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Sie fühlte sich wesentlich besser, als nach dem letzten Schlaf, auch wenn sie einen fiesen Nachgeschmack im Mund hatte, sie spülte ihn einigemal aus, bevor sie sich ihrem Kleid zu wand. Tatsächlich hatte sie einen Moment mit dem Gedanken gespielt, die Tracht der Schwester anzuziehen, aber sich aufgrund der Begebenheiten dagegen entschieden. Das Kleid war glücklicherweise wieder trocken und eine Nonne würde auch um diese Uhrzeit mehr auffallen, als eine Hure. Sie band sich ihre Haare zusammen und hob ihre Schuhe an. Sie wollte niemanden aufwecken, wenn sie das Haus verließ. Sie brauchte Informationen, dass wurde ihr bewusst, sie wusste zu wenig, gerade über Charles. Einen Augenblick überlegte sie, ob es nicht am einfachsten sein würde, ihn zu fragen, aber sie hatte ganz gerne einen Trumpf im Ärmel. Eine Info von der nicht wusste oder nur ahnen könnte, ob sie darüber informiert war. Außerdem griff sie ihren Mantel, denn ein zuckender Blitz vor dem Fenster ließ das nahende Gewitter erahnen. Noch donnerte und regnete es nicht, doch wie sie London kannte, konnte das nicht mehr lange auf sich warten lassen. Sie öffnete leise die Tür in den Flur und spähte so gut es ging hinein. Es herrschte Stille im Haus, abgesehen von dem Knacken des alten Holzes. Einen Augenblick blieb sie in der Tür stehen um sich zu vergewissern, dass niemand aus der Truppe ihr begegnen würde – nach einer für sie empfundenen angemessenen Wartezeit, schloss sie die Tür hinter sich und bewegte sich auf leisen Sohlen die Treppe hinab. Zügig erreichte sie die Tür, welche sie direkt in den Park geführt hatte sich jedoch als abgeschlossen erwies. Hatte Charles die Tür verschlossen? Was sie überhaupt auf gewesen? Melinda konnte sich nicht erinnern und machte kehrt, sie hatte den anderen in diesem Haus definitiv den Vorteil, dass sie weder die Haustüren, noch den Einstieg im Keller angewiesen war. Sie wartete wieder einen Moment lauschend, bevor sie sich in eines der alten Kinderzimmer stahl und sorgfältig die Tür hinter sich verschloss. Nun bedurfte es nur noch weniger Handgriffe und Melinda spürte die kalte Luft in ihrem Gesicht, während sie sich ihre Schuhe anzog. Sie warf sich Mantel und Kapuze über, just in dem Moment als ein weiterer Blitz die Nacht erhellte. Schnellen Schrittes bewegte sie sich durch die dunkeln Straßen und Gassen. Ein Donner zerfetzte die Stille Londons und sogleich begann es zu regnen.
Die Waterloo Bridge zu der sie musste, war leicht zu erreichen, aufgrund diverser kleiner Seitengasse, schaffte sie es mehr oder minder unbeachtet zu ihrem Ziel zu gelangen. Dass das Waisenhaus, nicht weit entfernt lag, hatte sich zu einem zusätzlichen Pluspunkt entwickelt. Sie hatte eine Weile nicht mehr von ihm Gebrauch gemacht, aber nun musste ein alter Freund behilflich sein. Als sie unter der Brücke ankam, raffte sie ihr Kleid etwas um über den übermäßigen Unrat zu steigen und war froh wieder einigermaßen trockenen Boden unter den Füßen zu haben. In der Dunkelheit herrschte fast gänzlich Stille, abgesehen von einem winselnden Hund, der groß und schwarz in der Ecke lag und dem Knistern einer kleiner Feuerstelle, die es kaum wert war so genannt zu werden. Sie blieb stehen, während sie den Hund im Auge behielt und flüstere dann einen jedem Kind bekannten Reim in die Stille.
“Humpty Dumpty sat on a wall,
Humpty Dumpty had a great fall,
All the King's horses and all the King's men,
Couldn't put Humpty together again“

Ein leises Geräusch vermittelte die Gewissheit, dass sich hier noch jemand aufhielt, abgesehen von der zotteligen Promenadenmischung die sich bei dem Reim aufgesetzt hatte und zu Melinda herüberkam um sich streicheln zu lassen. Das Tier sollte bedrohlich wirken, was es vermutlich auch auf jeden außer auf sie tat. Das Tier hatte sie schon als Welpen gekannt und ihn mehr oder minder seinem jetzigen Herrchen in den Schoss gelegt. Offensichtlich hatte der Hund, der auf den Namen „Bone“ hörte, einen Narren an ihr gefressen. Sie zerzauste ihm das Fell auf dem massigen Kopf. Der Körperbau erinnerte an einen Rottweiler, das lange, zottige Fell, zeitige jedoch überdeutlich, dass hier mehrere Rassen munter vermischt waren. Hechelnd ließ der Hund seine Zunge aus dem Maul hängen und entblößte seine großen Eckzähne.
“Sieh an. Klein-Melly gibt sich die Ehre, den alten Humpty Dumpty zu besuchen. Wusste ich doch, dass du nicht einfach vom Erdboden verschluckt wurdest. Bist du freiwillig verschwunden oder wurdest du, wie man mir zugetragen hat, verschleppt?“
Bei der Erwähnung ihres Kosenamens zog sie spöttisch die Augenbraue hoch, bevor sie näher trat. Humpty Dumpty war natürlich nur ein Deckname, aber Melinda sprach ihn fast ausschließlich so an. Abgesehen davon, dass er äußerlich wenig mit einem Ei gemeinsam hatte, hatte es dennoch Gründe dass er so hieß. Einst war er ein angesehener Mann gewesen, hatte Spionage betrieben, manche sagten sogar für das Königshaus. Doch er war, wie in der Reimvorlage, gefallen, zwar nicht von einer Mauer, sondern von seinem Posten. Die genauen Hintergründe waren Melinda unbekannt, aber sie wusste, dass niemand seinen Ruf wieder hatte herstellen können. Trotz allen Widrigkeiten und der Tatsache, dass er nun unter einer Brücke hauste (Melinda vermutete jedoch nur zum Schein, da er tagsüber nie hier zu finden war), war er noch immer Spion. Nur nun für ein anderes Klientel. Zudem waren auch seine körperlichen Attribute eine schlüssige Erklärung für seinen Namen, er war tatsächlich zerbrechlich. Eine seltsame Krankheit plagte den Mann, der sich leichter Knochen brach, als man es für möglich halten würde. Es war ein Rätsel wie er jahrelang in einer Spionage tätig gewesen sein sollte, wo es nicht einmal schaffte einen Treppenabsatz hinunter zu springen, ohne sich die Knöchel zu brechen.
“Momentan treibe ich mich freiwillig in einer gewissen Grauzone herum. Ich brauche Informationen.“
“Schade. Schade. Ich hatte gehofft in den Genuss eines Schäferstündchens zu kommen. Immerhin machst du deinem Beruf alle Ehre. Eine Menge schwarze Kutschen, richtig?“
Melinda ging nicht darauf ein. “Was weißt du über Charles Norly?“
Eine kurze Stille erfolgte, während sich ihr Gegenüber eine Zigarette an der Glut anzündete. Sein Gesicht wurde Augenblicke lang von dem Feuer erhellt, er war alt geworden. “Scarface? Was willst du denn über den wissen? Wie viele Menschen er auf dem Gewissen hat? Das brauche ich dir sicher nicht zu sagen.“
“Alles was du weißt.“
Wieder einen Augenblick Stille, gefolgt von dem Aufflammen der Zigarette, deren übler Geruch in Melindas Richtung wehte. “Charles Norly, also. Ist ein fieser Zeitgenosse, von seinen Morden einmal abgesehen. Ich hoffe er ist kein Kunde von dir, du hast ein unglaubliches Talent dich in Schwierigkeiten zu bringen.“
“Das sagt der Richtige.“
Humpty Dumpty lachte leise auf, sie hörte mehr, als das sie sah, wie er sich aufsetzte. “Der Großvater von Scarface hat risikofreudig eine Textilfabrik gegründet – mit Erfolg. Die Sippe ist reich, wirklich ziemlich reich – besser gesagt war es. Scarred Charlie hat das Geschäft übernommen und kaputt gemacht. Niemand weiß so recht wo die Flocken geblieben sind. Sicherlich hat er ein nettes Leben damit geführt. Wetten, Schnaps, Drogen,“ wieder das Aufglimmen der Zigarettenglut “Huren. Hat sich mit den falschen Leuten eingelassen, das Übliche eben. Ich glaube nicht daran, dass er keine Moneten mehr hat. Hatte ich erwähnt, dass seine komplette Familie tot ist? Vermutlich bewahrt er die Banknoten in den Schädeln seiner Anverwandten auf und hat zusätzlich den Backenzahn seiner Mutter als Kette an.
Man munkelt von medizinischen Experimenten die er ausübt. Lediglich am Spaß an der Freude und um zu sehen, ob seine Ideen einen Sinn machen.  Ekelhaftes Zeug hört man da. Einem seiner Opfer hat er das Ungeborene aus dem Leib geschnitten, wer weiß was er damit getan hat?“

Melinda war verwirrt, das passte in keinster Weise zu dem Charles, denn sie kannte, wenn sie ihn auch nur kurz kannte. Die Zeit reichte jedoch aus, um zu wissen, dass er nicht den Anschein eines Arztes machte. Medizinische Experimente dieser Art hielt sie für ausgeschlossen.
Der Regen hatte sich mittlerweile gesteigert und nahm sowohl an Menge, als auch an Lautstärke zu, Melinda trat näher um ihren Gesprächspartner besser zu verstehen. Erneut zuckte ein Blitz über den Himmel und hüllte die Szenerie unter der Brücke in ein fast orangefarbenes Licht. Sofort schloss sich ein lautes Donnern an. Das Gewitter musste gleich über ihnen sein. Sie fürchtete sich nicht, Gewitter hatte sie immer gemocht und auch der große Hund schien sich nicht weiter an den Wetterbedingungen zu stören.
“Alles was sich in seiner Nähe aufhält verdorrt irgendwann, wie eine Blume im prallen Sonnenlicht. Wer ihn unterschätzt ist ein Narr, an Hills Stelle, wäre ich mehr als vorsichtig, was das angeht. Irgendwann hat man ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen - vielleicht hat er den Verstand verloren, vielleicht hatte er auch einfach nichts mehr Bares. Die Sache mit dem Geld macht für mich keinen Sinn, denn plötzlich ging er auf Reisen. Es macht den Anschein als sei er einfach schon überall gewesen. Der Schlächter hatte schon immer einen an der Waffel, wenn du mich fragst, aber gegen Ende wurde er immer absonderlicher. Angeblich hat jemand versucht ihn um die Ecke zu bringen. Total durch geknallt, ich sag‘ es dir. Ist in einer Nervenheilanstalt gelandet. Ich habe sogar gehört, dass er in Bedlam gewesen ist. Bei seinem Ausbruch hat er die Station verwüstet und alle die ihm im Weg standen, hat er aus selbigem geschafft. Einem Arzt hat er die Augen ausgestochen, mit den Fingern. Sind zerplatzt wie reife Weintrauben wenn man drauf beißt. BATZ! Sogar eine Nonne soll er dabei getötet haben. Unglaublich, man weiß ja, dass er keinen Respekt vor nichts hat, aber eine Geistliche?“
Na, was fällt uns dazu ein? „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“ Vielleicht solltest du ihn das bei Gelegenheit mal fragen.
“Das halte ich aber für Spekulation. Mehr weiß ich nicht.“
“Natürlich weißt du mehr. Komm schon raus mit der Sprache. Dann lass ich dir auch ein paar Infos da.“
“Knallharter Geschäftspartner. Keinen Rabatt auch nicht für Stammkundschaft, was? Sieh mal Scarface ist wie ein Schatten. Er taucht immer wieder auf, aber zu fassen bekommt man ihn einfach nicht. Es wird viel geredet, was davon wahr ist, und was nicht, niemand weiß es so genau. Es gibt die wildesten Gerüchte. Neulich habe ich sogar gehört, er habe seinen Fuß verloren. Ich habe ihn einmal gesehen und er bewegte sich absolut normal. Wie soll so etwas funktionieren, wenn einem ein Fuß fehlt? – Richtig, gar nicht. Das würde nun wirklich auffallen, wenn man eine Gliedmaße verliert.
Nicht sein Fuß. Schlechte Informationen, wer weiß was davon alles stimmt.
Eine kurze Stille folgte, der Spion schien nachzudenken. "Also gut – was gibt es noch? Er ist wie schon gesagt, viel gereist. Wo er genau war, konnte mir bisher niemand mit Bestimmtheit sagen. Mal war er Wochen unterwegs, mal Monate, vielleicht sogar Jahre. Hat Kontakte geknüpft. Zur Royal Geographical Society und zur British Army – kein Mitglied, kein Soldat, alles aus eigenem Interesse oder Antrieb. Irre - aber nicht dumm.  In Europa  hat er sicherlich das ein oder andere Land aufgesucht, er spricht angeblich einige Sprachen. Schade, dass ein so brillanter Geist so durchdreht. Man sagt ja, dass Genie und Wahnsinn nah beieinander liegen. Muss in Indien gewesen sein und China - will gar nicht wissen, was er alles dort getrieben hat. Vermutlich eine Opiumhöhle in den Ruin getrieben. In Afrika war er auch. Ein Wilder hat ihn da mit einem Speer erwischt. Alle Männer aus der Expedition hat es dahin gerafft, nur Scarface ist davon gekommen. Wundert mich, dass er keine Malaria angeschleppt hat. Sein Fahndungsplakat hast du sicher schon gesehen? Die Narbe im Gesicht ist kaum zu übersehen. Da gibt es nette Geschichten zu, eine besagt, dass seine Mutter sie ihm zugefügt hat, als er sie langsam und qualvoll erstickt hat.. Sie hat einen Schürhaken zu fassen bekommen und ihn damit im letzten Moment erwischt. Dabei ist er völlig ausgeflippt - hat ihr die Nase abgebissen. Eine Theorie besagt, dass er sich die Narbe zuzog, als er im Ausland war, ein Ritual, eine Beschwörung oder etwas in der Art, vielleicht mit Satan, oder ähnliches. Irgendein Dämon steckt ohne Frage in dem Kerl. Manche sagen er hätte sie von einer Peitsche, die die ihm durchs Gesicht gezogen wurde, andere sagen er habe mit bloßen Händen gegen einen Tiger gekämpft und gewonnen. Wenn du mich fragst, ist das der Grund weshalb er seine Opfer verstümmelt und auch die plausibelste Geschichte. Er denkt sicherlich er sei selbst ein Tiger seit dem Angriff und möchte das alle wissen lassen.“
Melinda war froh wieder einigermaßen klar im Kopf zu sein. Sie hatte mehr Informationen erhalten, als sie vermutet hatte und sortierte ihre Gedanken. Eine Speernarbe hatte sie nicht entdeckt, vielleicht sollte sie der Sache mehr auf den Grund gehen. Ob die Infos von Nutzen sein konnten, würde sich erst mit der Zeit zeigen. “Das war’s?“
“Für den Moment ja. Ich kann versuchen mehr zu erfahren. Was hast du nun für mich? Sicher kein Zufall, dass Smithson tot in deiner Schabracke gefunden wurde und von der kleinen Melly jede Spur fehlt – und die gute Ginger wurde mit zum Yard genommen. Singt sicher wie ein Vögelchen.“
“Leeland ist tot?“
“Deine schauspielerischen Fähigkeiten in aller Ehre, aber das kaufe ich dir nicht ab.“ er schnippte die Zigarette in Richtung der stinkenden Themse.
“Smisthon hat sich mit den falschen Leuten anlegt. Nein, es ist kein Zufall, dass er tot in meiner Wohnung lag. Finde mehr für mich heraus.“
“Warum Norly? Was hast du vor?“
“Vergiss nicht was du mir schuldig bist. Ich habe eine Info für dich, Norly hat ein Kind. Sieh zu, was du daraus machst.“
“Interessant…interessant…du wirst mir doch keine Konkurrenz machen wollen?“
“Vergiss es nicht, Robert. Vergiss es nicht.“
Melinda erwartete keine Antwort auf das Gesagte von ihr, doch wusste sie dass ihre Worte nicht unbeachtet bleiben würden. Seinen richtigen Namen zu nutzen, den nur die wenigsten kannten, würde abgesehen mit der Erinnerung an vergangene Tage dazu beitragen, dass er niemand davon erzählen würde, dass sie ihn je aufgesucht hatte, noch dass sie nach Scarface gefragt hatte.
Dennoch erwiderte er etwas. “Man sagt, wenn man stirbt sieht man ein helles Licht. Was denkst du, was das ist?"
“Der Teufel. Mit einer Fackel in der Hand.“
Sie streichelte dem Hund kurz über den Kopf, bevor sie in die Dunkelheit verschwand. Sie hörte die Pfoten über den Boden neben ihr laufen, als sie sich entfernte. So war Bone schon immer gewesen, er vergewisserte sich, dass die Besucher seines Herrchens sich weit genug entfernten, oder aber in diesem Fall, sicher den Ort des Geschehen verließen.
Sie war völlig in Gedanken versunken über das was sie gehört hatte, dass sie ihrer Umgebung keine große Aufmerksamkeit schenkte. Zusätzlich störte der Regen ihre Sicht, sodass sie ihren Kopf nach unten vorne geneigt hielt und nach unten geneigt hielt. Bevor sie es wirklich realsierte, sah sie plötzlich ein paar Männerschuhe in ihrem Sichtfeld und knallte gegen den Besitzer selbiger. Ein Schreck durchfuhr sie. Bone war eben noch neben ihre gewesen, doch schien sich zurück gezogen zu haben. Ein Ausruf des Schreckens entfuhr ihr.
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Götterblut - Kapitel 3: Scarface Empty Re: Götterblut - Kapitel 3: Scarface

Beitrag von Umbra Do Aug 22 2013, 20:26

Der Mann schien im Gegensatz zu Melinda überhaupt nicht überrascht vom Zusammenstoß mit ihr zu sein. Er rührte sich kein bisschen, sondern begann mit Wehmut und zugleich auch Belustigung in der Stimme zu reden – etwas lauter, um den Regen zu übertönen.
„Es liegt des Nachts eine stille Würde über den Gassen dieser Stadt – ein Hauch von Geschichte und Schicksal, meinen Sie nicht auch? Wenn dazu der Himmel seine Pforten öffnet, Blitze zucken und die Donner über die Dächer rollen, wird zumindest für eine Weile der ganze Dreck, Gestank und Abschaum hinfortgespült, sodass man ungestört hier wandeln und seine Gedanken in ungeahnten Sphären schweifen lassen kann.“ Ein Seufzen, unterlegt von dem unnachgiebigen Rauschen und Gluckern des Regens, der mit Schwere auf alles hinabprasselte und mit sich tränkte, das ihm in die Quere kam.
„Sie wären verwundert zu sehen, was die Welt zu bieten hat, Miss. Allerdings es gibt keinen Ort wie London – oh nein, das kann ich Ihnen mit Gewissheit sagen. So viel Zivilisation und so viel menschlicher Unrat auf einem Haufen, dass man daran verzweifeln möchte.“
Ein Wetterleuchten, sogleich gefolgt von einem krachenden Donnergrollen, drang sich Melinda und ihrer unverhofften Begegnung auf und spätestens im hellen Aufgleißen des Blitzes konnte sie Charles‘ Antlitz nah vor sich sehen. Doch bestimmt hatte sie ihn schon längst an der Stimme und seiner Wortwahl erkannt.
Trotzdem er seinen Zylinder trug, hielt dieser den Regen nur mäßig von seinem Gesicht ab. Das Wasser rann durch seinen ergrauenden Bart und floss an seinem nun stoppeligen, da unrasierten Kinn zusammen, um von dort aus den raschen Weg Richtung Boden anzutreten.
Charles hatte Melinda ertappt. Die Narbe verzog das selbstsichere und schelmische Lächeln, das deswegen seine Züge umspielte, ein wenig.
„Was treiben Sie hier draußen still und heimlich zu dieser unchristlichen Stunde, meine Liebe?“, wollte er von ihr wissen und verschränkte seine behandschuhten Hände, scheinbar gespannt auf die Antwort, die er bekommen würde, gelassen hinter seinem Körper.
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Götterblut - Kapitel 3: Scarface Empty Re: Götterblut - Kapitel 3: Scarface

Beitrag von Scáth Do Aug 22 2013, 23:22

Mittlerweile war die Nacht eingebrochen und mit ihr ein schweres Gewitter. Normalerweise machte das Johanna nichts aus, doch sie hatte es nur geschafft eine Stunde lang in eine art Dämmerschlaf zu fallen, den Rest der Zeit war sie hellwach. Da sie sich sicher war ohnehin nicht schlafen zu können, trat sie aus ihrem Zimmer hinaus in den Flur. Charles Tür fiel ihr als erstes ins Auge. Ob er wohl noch wach war? Vielleicht würde sich auch jetzt eine Gelegenheit zum reden bieten. Johanna trat kurzerhand vor die Tür. Sie lauschte einen Moment, doch nichts war zu hören. Zaghaft klopfte sie an das Holz, doch auch jetzt kam keine Antwort. Leise drückte Johanna die Türklinke hinunter und sah durch einen dünnen Spalt der nun geöffneten Tür. Genau in diesem Moment erhellte ein greller Blitz den Raum. Er war leer, sowohl das Schlafzimmer als auch das Bad. Irritiert lief Johanna zu dem Ort, der ihr als nächstes einfiel, doch auch in Melindas Zimmer war es ruhig. 'Verdammt Mädchen lass es gut sein. Geb auf. Das hat ohnehin keinen Sinn', sprach sie zu sich selbst und bewegte sich langsam die Treppe hinunter Richtung Küche. Auch diese Tür öffnete Johanna leise und trat ein paar Schritte in die Küche.
Panisch zuckte sie zusammen als sich plötzlich der Schatten einer Person auf dem Boden abzeichnete.
"Verdammt David! Jagen Sie mir nie wieder so einen Schrecken ein!", zischte Johanna leise als sie erkannte dass es sich um den jungen Kutscher handelte der am Tisch saß, doch erst nachdem sie gesprochen hatte merkte sie dass er schlief.
Seufzend lief Johanna zum Waschbecken und schenkte sich ein Glas Wasser ein. Sie setzte sich gegenüber von David an den Tisch und beobachtete den Kutscher fast schon belustigt beim Schlafen.
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Beitrag von Elli Fr Aug 23 2013, 11:48

Trotz ihrer Stimme, die ihr riet das Weite zu suchen, blieb Melinda stehen. Ihre Hand hatte sich bereits wie automatisch auf den Weg zu ihrem Fächer gemacht, als sie erkannte wen sie vor sich hatte. Das schon bevor er zu reden begann. Der Klang seiner Stimme gab ihr jedoch Gewissheit über ihre Vermutung. Ihren Fächer nun eher nutzlos in der Hand halten, fasste sie sich ans Herz “Beim Königshaus, sind Sie verrückt mich so zu erschrecken Charles?“ Sie musste wahnsinnig geworden sein, sich so unaufmerksam durch die Straßen zu laufen. Was wäre gewesen wenn nun tatsächlich der Mörder vor ihr gestanden hatte?
Und wer sagt dir, dass es eben nicht Charles ist? Du bist eine Närrin so blind durch London zu stapfen!!!
"Was den menschlichen Unrat betrifft, kann ich Ihnen nur zustimmen." Sie ging einige Schritte zur Seite um unter eine Markise eines Obst- und Gemüsehandlers zu gelangen, um zumindest ein wenig vorm Regen geschützt zu sein – viel half das allerdings nicht. Trotz des Regens und der Dunkelheit sah sie ganz in ihrer Nähe die Augen von Bone aufblitzen, als ein weiterer Blitz die Dunkelheit erhellte.
Melinda war wegen dem Schrecken den er ihr verpasst hatte, etwas angespannt. "Ich bin ein Nachtmensch, Charles. Das bringt mein Beruf so mit sich. Da ich ohnehin wach wurde, entschied ich mich etwas umherzustreifen, leider muss ich zugeben, dass mich das Gewitter etwas überrascht hat. Man sollte meinen ich wüsste es besser – immerhin lebe ich in London. Das selbe könnte ich aber auch sie fragen." Sie hatte nicht einmal gelogen, als sie mit ihm sprach. Dass er so unvermittelt vor ihr aufgetaucht war, war ein Hinweis, dass er sie gesehen haben musste. Es fragte sich nur wie lange schon. Unter die Brücke konnte er nicht gelangt sein, das hätte sie bemerkt, wenn nicht sie, dann Bone. Einen Bären aufbinden würde sie nicht können, da sie nicht wusste, was er gesehen hatte. Den gleichen Fehler wie seine Tochter wollte sie nicht begehen, auch wenn sie sich selbst dazu im Stande sah um einiges besser zu lügen mit der Konsequenz dabei nicht erwischt zu werden. Sie blickte ihn fragend an. Er hatte einiges abbekommen und wäre im Bett sicherlich besser aufgehoben gewesen, wie in dieser feuchten, unfreundlichen Nacht.
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Beitrag von Umbra Sa Aug 24 2013, 19:38

David hatte sich an einem kleinen Tisch am Fenster der Küche niedergelassen. Diese besaß beträchtlich viel Fläche und Oberflächen, mitsamt Schränken und nicht weniger Herdplatten, sodass wohl eine ganze Schar von Köchen, Dienern und Gehilfen hier Platz zum Arbeiten finden könnte – aber das war für ein Herrenhaus dieser Größenordnung nicht verwunderlich. Die Einrichtung war alt und verstaubt, aber scheinbar gut in Schuss… sofern Johanna das in der Dunkelheit beurteilen konnte.
David saß zusammengesunken und mit ausgestreckten Beinen auf seinem Stuhl, ein Arm auf dem Tisch, der andere baumelte entspannt in der Luft. Sein dunkles, lockiges Haar fiel ihm in die Stirn und sein kräuseliger Bart knautschte sich leicht, da ihm sein Kinn auf die Brust gesunken war. Seine Jacke hing über seiner Stuhllehne, deswegen sah Johanna die karierte Weste, die er über einem hellen Hemd trug. Etwas fehl am Platz, oder zumindest am Körper eines Kutschers, sah diese Weste schon aus, denn modisch fiel sie auf jeden Fall auf. Allgemein wirkte Davids Kleidung, auch wenn sie von eher durchschnittlicher Qualität zu sein schien, nicht so, als würde sie einem armen Mann gehören – so viel konnte Johanna sagen. Das Mädchen sah das Glitzern einer Uhrenkette, die aus Davids Westentasche herausragte, aber dann glitt ihr Blick auf die Tischplatte, von der sich etwas abzeichnete.
Johanna konnte, bis auf dass es sich um eine Zeitung handelte, nicht viel erkennen. Aufgrund der Lichtverhältnisse bot das Papier einfach nicht genügend Kontrast zum Text. Selbst die wenigen, abgedruckten Bilder waren beim besten Willen höchstens sehr unscharf. Es blitzte und der Raum war erneut kurz von bleichem Licht erfüllt. Vielleicht hatte Johanna in diesem kurzen Moment das handtellergroße Antlitz ihres Vaters auf der aufgeschlagenen Zeitungsseite erkennen können, aber da Davids linker Arm über der Zeitung lag und das Papier knitterte, war sie sich nicht sicher.
Der junge Mann schlummerte seelenruhig weiter, auch wenn seine Haltung alles andere als danach aussah, auf Dauer bequem sein zu können.
Vermutlich war er bereits eingeschlafen, als es noch hell gewesen war, denn wie es aussah, hatte er die vor sich liegende Zeitung gelesen – und auch wenn eine Packung Zündhölzer auf dem Tisch lag, brannte die beistehende Öllampe weder, noch schien ihr Brennmittel aufgebraucht zu sein.
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Beitrag von Scáth Sa Aug 24 2013, 21:33

Dass ein Artikel über Scarface in der Zeitung steht war nicht undenkbar, immerhin wurden schon einige davon gedruckt. Aber ob es sich nun wirklich um Charles handelte, der da auf dem Blatt abgedruckt war, konnte Johanna nicht mit Sicherheit sagen. Kurz dachte sie darüber nach sich die Zeitung zu nehmen, ließ es dann aber doch sein. Vielleicht würde sie David darauf ansprechen wenn er wach war.
Johanna nahm die Lampe auf dem Tisch wahr und griff nach den Zündhölzern. Sie hatte Hunger, und wenn sie nach Lebensmitteln suchen wollte wäre ein wenig Licht nicht schlecht. Vorsichtig zündete sie eines der Hölzer an und brachte die Öllampe zum brennen.
Johanna blickte hinter sich in Richtung der Schränke und überlegte wo sie wohl zuerst suchen würde.
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Beitrag von Umbra So Aug 25 2013, 19:48

„Ich bin nicht verrückt“, erwiderte Charles Melinda erst einmal und eine Pause entstand. Er war ihr nicht unter die Markise gefolgt, um ebenfalls Schutz vor dem Regen zu suchen. Notwendig war dies nun ohnehin nicht mehr, denn nass war er bereits – auch wenn sein dunkler, hochwertiger Wollmantel ihn warm hielt.
Charles‘ Grinsen war verschwunden, während er Melindas Worten und dem Gewitter gelauscht hatte. Jetzt schlich sich ein nachsichtiges Lächeln auf sein Gesicht.
„Mir lag es fern, Sie zu erschrecken. Ich hatte gehofft, Sie würden mir erlauben, Ihnen bei Ihrem… Streifzug Gesellschaft zu leisten. Die Waterloo Bridge ist ein interessantes Ziel für einen Spaziergang“, begann er zu plaudern, auch wenn er dabei fast rufen musste, um die Geräusche des Wetters um sich herum zu übertönen und den Abstand zwischen Melinda und ihm zu überbrücken.
„Sie ist die längste Brücke Londons, wussten Sie das? Bei Waterloo siegten die alliierten Truppen unter General Wellington und dem preußischen Feldmarschall Blücher gegen Napoleon Bonaparte – das war zehn Jahre vor meiner Geburt. Allerdings war im meinem Leben das Erste, was ich über sie erfuhr, dass sie wohl ein äußerst beliebter Platz in dieser Stadt ist, um Suizid zu begehen. Ich las einmal ein Gedicht über eine junge Frau, die von dieser Brücke sprang:

One more Unfortunate,
Weary of breath,
Rashly importunate,
Gone to her death!*...“


Charles verstummte mit einem seine Zähne zeigenden Lächeln. Nicht, weil er sich nicht sicher war, den Rest nicht richtig zitieren zu können, denn er besaß ein ausgezeichnetes Gedächtnis, sondern weil ihm eingefallen war, dass dies vielleicht keine so gute Idee wäre. Er wollte nicht, dass Melinda ein falsches Bild von ihm bekam – zumindest kein falsches, das er selbst ihr suggerierte. Ein Gedicht, das auf gewisse Weise die Schönheit eines toten, (in zweierlei Hinsicht) gefallenen Mädchens thematisierte, war nichts, das man einem noch Lebenden vortrug, dessen Vertrauen man gewinnen wollte.
Er wollte Melinda weder einschüchtern, noch den Eindruck vermitteln, dass er ihr drohte.
„Wie dem auch sei“, lenkte er ab, breitete mit einer knappen Geste kurz die Arme aus und verschränkte die Hände danach sofort wieder hinter seinem Körper. Er fuhr anders fort:
„Ich habe nichts zu verbergen. Auch ich war rastlos“, erzählte Charles, „also entschied ich mich, die Zeit zu nutzen und ein Versprechen einzulösen, das ich dem jungen Mr. Bell gegeben habe. Ich erinnere mich gut daran, dass ich mich auf dem Rückweg beeilte, das Herrenhaus zu erreichen, weil es bereits blitzte. Es wundert es mich etwas, dass Sie der Einbruch des Gewitters überraschte“, äußerte er ohne jeglichen Vorwurf in der Stimme, „immerhin konnte ich bei dieser Gelegenheit und zu meiner Überraschung beobachten, wie Sie sich durch ein Fenster ins Freie gestohlen haben und davonhuschten. Aus Interesse, wohin Sie Ihr Weg mitten in der Nacht bei drohendem Unwetter wohl führen könnte, bin ich Ihnen gefolgt – ich gebe es zu.“
Es blitzte. Charles lief das Wasser weiterhin über das Gesicht, allerdings schlug es andere Bahnen ein, als er erneut lächelte. Melinda mochte sich herausreden wollen, doch so leicht kam sie ihm nicht davon.
„Wollen Sie mir Ihre Bekanntschaft nicht vorstellen?“, fragte er ganz unschuldig.

_________________
*Beginn des Gedichts The Bridge of Sighs von Thomas Hood
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Götterblut - Kapitel 3: Scarface Empty Re: Götterblut - Kapitel 3: Scarface

Beitrag von Elli Mo Aug 26 2013, 11:36

Ohoh! Er ist dir gefolgt. Früher warst du einmal aufmerksamer. Bist du immer noch die Katze? Sag – wie fühlt es sich an, wenn sich die Beute zur Katze umkehrt und auf dich zu rennt? Eine lustige Vorstellung. Wo das wohl hinführt? Verbrenn dir nicht die Finger an Norly. Vielleicht solltest du dich lieber umorientieren? Gibt doch genug andere Männer. Scarface interessiert sich ohnehin nicht für dich – dein Körper ist was zählt. Er wird irgendwann genug von dir als Bettgespielin haben und dich wie all die anderen in die Gosse zurückwerfen, aus der er dich aufgelesen hat. Du bist ihm völlig egal, versteh das doch endlich! Du hast die Maus gefangen. Kurz. Aber das ist nun vorbei.
Melinda erfreute die Erkenntnis nicht sonderlich, überhaupt gefiel es ihr nicht was gerade passierte. Dennoch hatte sie ihre Mimik und auch ihre Stimme unter Kontrolle, abgesehen von einem Augenbrauen zucken, als er ihre Bekanntschaft erwähnte. Sie überlegte stumm, was sie nun tun sollte. Um die Situation zu überbrücken, griff sie ihre Kapuze und schob sie ein wenig nach hinten. Das Gewitter wurde heftiger. Die Blitze zuckten in immer kürzeren Abständen und die Lautstärke der Donnerschläge nahmen zu. In nicht allzu weiter Ferne war ein Haus in Flammen aufgegangen, die Flammen züngelten trotz des Regens in die Höhe und im Lichtschein der Blitze waren schwere Rauchschwaden zu sehen. Ungerührt betrachtete Melinda den vermutlichen Niedergang einer Existenz.
"Ein nettes Gedicht. Sehen Sie ich habe zwar keine Schule besucht, aber dennoch kenne ich so manche Gedichtzeile. Ich persönlich kann dazu nur sagen, dass man nur fallen kann, wenn man einen gewissen Stand hat. Das ist der gesellschaftliche Vorteil einer Hure. Ich hänge in der Achtung der Menschen so weit unten, dass ich gar nicht tiefer fallen kann." Sie schüttelte ihre Arme aus um sie dann vor der Brust zu verschränken.
Sie seufzte "Da die Türen alle verschlossen waren, blieb mir auf die Schnelle kein anderer Weg aus dem Haus heraus, als das Fenster zu nehmen. Auch wenn Maybrick Mansion noch über diverse andere Möglichkeiten verfügt – und was das Gewitter betrifft…ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm sein würde."
Sie dachte über seine letzten Worte nach und saß durch diese in einer gewaltigen Zwickmühle. Bevor sie sich zu einer Antwort zwingen musste, eilten nicht weit entfernt Feuerwehrmänner durch das Unwetter, Melinda sah quasi vor ihrem inneren Augen die Stanzung "Merryweather  & Sons, Greenwich" auf der Feuerspritze. Ach ja, der gute alte Mr. Merryweather. Sie blickte den laufenden Männern so gut es ging in die Dunkelheit hinterher um etwas Zeit zu gewinnen und sich klar zu werden, was sie nun sagen sollte. Woher wusste Charles überhaupt, dass sie jemanden getroffen hatte? Er konnte unmöglich gehört haben, was Robert erzählt hatte, noch konnte er gefolgt sein. Bone hätte ihn sicherlich angekündigt. Andererseits musste sie das Vertrauen von Charles gewinnen, soviel war klar. In diesem Spiel, war er die stärkste Figur auf dem Schachbrett. Sie wusste, dass Robert nichts davon erzählen würde, was er ihr gesagt hatte und vielleicht konnte er sogar nützlich für Norly sein und ihr einen Pluspunkt einbringen. "Gut, sehen Sie. Ich habe einen alten Freund aufgesucht. Wenn Sie Wert darauf legen, kann ich sie zu ihm führen. Sie haben doch sicher nichts gegen eine kleine Lebensversicherung meines Freundes?"
Sie pfiff leise durch ihre Zähne und in einem weiteren kurzen Aufleuchten am Himmel, sah sie wie Bone sich erhob, ein Bellen hallte herüber, selbst durch den lauten Regen klang es laut, dunkel und bedrohlich. Er hatte hinter Norly gesessen und trabte nun auf ihn zu. Gleich neben ihm blieb er stehen und schüttelte sein vor Regen triefendes Fell aus.


Zuletzt von Elli am Mo Aug 26 2013, 19:08 bearbeitet; insgesamt 2-mal bearbeitet
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Götterblut - Kapitel 3: Scarface Empty Re: Götterblut - Kapitel 3: Scarface

Beitrag von Umbra Mo Aug 26 2013, 16:52

Johanna kam jedoch erst einmal nicht dazu, sich genauer umzusehen. David war zwar bisher nicht wach geworden, aber einen allzu tiefen Schlaf besaß er nicht. Aufgescheucht davon, dass plötzlich Licht brannte, entfuhr ihm ein erschreckter Laut – begleitet von einem lauten Poltern, denn der Versuch, von seinem Stuhl hastig aufzuspringen und auf die Füße zu kommen, schlug fehl. Als der junge Mann sich mit den Händen vom Tisch abstoßen wollte, kippte er mitsamt seinem Stuhl hintenüber, jedoch rollte er sich geschickt ab und blieb aufgescheucht atmend auf dem Rücken liegen. Zeitungsseiten segelten durch die Luft und es klickte – mit beiden Händen umklammerte David den nun entsicherten Revolver, den Charles ihm überlassen hatte, und richtete ihn auf die Person, die ihn geweckt hatte.
Seine Augen weiteten sich etwas, als er Johanna erkannte.
„Sie?“, fragte er verwundert, obwohl er sich sicher war, dass seine Sinne ihn nicht täuschten. Sofort sicherte den Hahn des Revolvers und ließ ihn sinken.
„Sie… Sie sollten mich nicht… so erschrecken, Miss“, brachte David etwas außer Atem hervor. Einen kaum hörbaren Fluch auf den Lippen, rappelte er sich wieder auf – nur um dann erneut in Hektik zu verfallen, nachdem sein Blick von der brennenden Öllampe zum Fenster gewandert war. Mit einem dumpfen Geräusch knallte der Revolver auf die Tischplatte, als David sich dessen dort entledigte, um die Hände frei zu haben. Eine gewaltige Staubwolke rieselte auf Johanna und ihn hinab als er mit Eile die Vorhänge zuzog, denn nun, da es Nacht war, würde brennendes Licht im Haus mit Pech Aufmerksamkeit hierherziehen.
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Beitrag von Scáth Mo Aug 26 2013, 22:38

Johanna fuhr panisch von ihrem Stuhl hoch, der ebenfalls nach hinten kippte. Sie schluckte schwer, sah in etwa so aus wie ein Reh das gleich von einem Bären gerissen wurde. Ihr Blick war direkt auf den Lauf des Revolvers gerichtet, der sich glücklicherweise langsam wieder senkte.
"Ich...ich...es tut mir leid", stotterte das Hausmädchen leise und starrte noch immer entgeistert auf die Waffe die sich nun auf dem Tisch befand. Sie hatte beim besten Willen nicht gedacht dass David durch solch schwaches Licht aufwachte, wo doch das Fluchen vor einigen Minuten weitaus auffälliger war. Sie wollte den Kutscher nicht erschrecken, hatte aber genauso wenig mit einer solch radikalen Reaktion gerechnet.
Johanna musste niesen als die Staubwolke sie erwischte und während ihr Blick auf den Boden wanderte entdeckte sie Charles Gesicht direkt vor ihren Füßen. Ein Teil der Zeitung war vor ihr gelandet und lud geradezu zum lesen ein. Langsam ging Johanna in die Knie und hob das Zeitungsblatt auf. Sie runzelte leicht die Stirn als sie Charles Gesicht näher betrachtete. In Zeitungen sah er ihrer Meinung nach etwas seltsam aus. Sie richtete ihren Blick auf den darunter stehenden Text und begann zu lesen.
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Beitrag von Umbra Di Aug 27 2013, 22:54

Tatsächlich hatte Charles nur geraten, dass Melinda sich mit jemandem getroffen hatte. Allerdings war dies eher eine logische Schlussfolgerung als eine Vermutung gewesen, denn unter verschiedenen Optionen, was die junge Frau wohl mitten in der Nacht und bei diesem Wetter auf die Straße und dann unter die Waterloo Bridge getrieben hatte, war diejenige, die er ausgewählt hatte, die wahrscheinlichste gewesen. Denn wer würde, beispielsweise, schon bei diesem Wetter – nein, überhaupt einen Ausflug machen, nur um die bestimmt bezaubernde Unterseite dieser Granitbrücke zu bewundern?
Charles ließ sich davon, dass er und Melinda sich nicht allein auf den Straßen befanden, nicht beunruhigen. Der brennende Dachstuhl kam nicht von ungefähr, sondern loderte bereits einige Minuten vor sich hin, und die Feuerwehrmänner näherten sich ihnen nicht und waren außerdem zu beschäftigt, um sie zu bemerken  – oder, selbst wenn sie es täten, genauer in Augenschein zu nehmen.
Ihn interessierte auch eher Melindas Reaktion auf seine Konfrontation und seine aufgestellte Behauptung. Fast schon wollte er widersprechen, als sie äußerte, dass sie als Prostituierte (dieses Thema war ihm nach wie vor unangenehm) in der Achtung der Menschen nicht noch tiefer fallen konnte, behielt den Kommentar, der ihm auf der Zunge lag, allerdings für sich und ließ sie weitersprechen.
Auch wenn der Regen und die Lichtverhältnisse ihm die Sicht erschwerten, ließ Charles Melindas Körper… -sprache und Mimik nicht aus den Augen. Er war einmal wieder dabei, jedes einzelne Detail zu analysieren, obwohl er zugeben musste, das Melinda in der Hinsicht weniger preisgab als andere. Doch er erkannte, dass sie angespannt war und ein Stückweit unzufrieden. Sie war unschlüssig, offensichtlich, und zögerte eine konkrete Antwort bezüglich ihres Anwesenheitsgrunds hier hinaus. Charles wusste schon, bevor Melinda zugab, einen alten Freund besucht zu haben, was immer dies auch explizit bedeuten mochte, dass er mit seiner ins Blaue geäußerten These ins Schwarze getroffen hatte.
Auch wenn Charles nicht erwartet hätte, dass Melinda sich tatsächlich dazu bereit erklären würde, ihm ihren mysteriösen Unter-der-Waterloo-Bridge-Freund vorzustellen, zeigte er sich nicht überrascht, als sie einwilligte und schenkte ihr ein Lächeln – das jedoch schnell einem leichten Stirnrunzeln wich, als sie ihn fragte, ob er etwas gegen eine kleine Lebensversicherung ihres Freundes habe.
Charles beschlich schlagartig ein ungutes Gefühl, doch bevor er nachhaken konnte, wovon sie denn sprach, pfiff sie.
Ein tiefes, grollendes Bellen ließ ihn erschrocken zusammenfahren. Sofort schoss Adrenalin durch seinen Körper und sein Herz begann zu rasen, während seine Muskeln sich anspannten und er sich versteifte. Er konnte nichts dagegen tun, dass lähmende Angst ihn übernahm, er kaum zu atmen wagte und das Blut vor Schreck aus seinem Gesicht wich.
Ein Hund.
Und er hatte so geklungen, als ob sich dieser direkt hinter ihm befinden würde. Charles wurde kalt und heiß, doch als er in seinem Augenwinkel, unten links direkt neben sich, eine Bewegung wahrnahm, kam auch plötzlich Bewegung in ihn.
Mit einem aufgescheuchten Satz brachte Charles Abstand zwischen sich und den schwarzen Schatten – nein, das Ungetüm von einem Köter, das der Hölle entstammen musste, anders konnte es fast gar nicht sein. Massig und riesig mit langem, zotteligen, rabenschwarzen Fell, das das Biest zu Charles‘ Ekel auch noch neben ihm ausschüttelte, sodass ihm der selbst durch den vielen Regen wahrnehmbare Gestank nach nassen Hund an die Kleidung spritzte.
Wie betäubt wich Charles weiter von dem Tier zurück, das ihn so anstarrte als wolle es sich jeden Moment auf ihn stürzen, um ihn zu verschlingen. Er selbst ließ den Hund nicht aus den Augen, er konnte gar nicht anders, und setzte einen Fuß hinter den anderen, immer weiter rückwärts, bis er nach nur wenigen Schritten unverhofft auf ein Hindernis in Form einer Wand stieß.
Er saß in der Falle. Panik breitete sich wie ein stechender Schmerz in Charles' Brust aus.
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Beitrag von Elli Mi Aug 28 2013, 10:27

Das nahe Feuer ermöglichte Melinda einen besseren Gesamteindruck von der Reaktion Charles, dessen rechte Körperhälfte nun in ein flackerndes Orange gehüllt war. Blitze hätten es sicherlich nicht vermocht, die Mimik zu deutlich zu zeigen und sie war fast froh um das Feuer - immerhin betraf es sie nicht.
Sie hatte für sich beschlossen, dass es nur von Vorteil sein würde Norly und Robert miteinander bekannt zu machen. Da sie die meiste Zeit am Tage damit beschäftigt war für sich Vorteile abzuwägen, schaffte sie dies recht schnell und auch meist mit einer genauen Zielsicherheit. Würde Charles nach dem Besuch fragen, was sie habe wissen wollten, könnte sie immer noch eine Ausrede finden oder einfach schwammig antworten. Das war beides keine große Kunst für sie und sie sah einem Aufeinandertreffen, auch wenn die Gerüchte die sie gehört hatte sie ein wenig verunsicherten, gelassen entgegen. Er lächelte sie an, offensichtlich weil es ihm gefiel, dass die Situation sich nach seinem Wohlgefallen weiterentwickeln würde, bis sie Bone erwähnte. Diese Anmerkung ließ ihn nun überrascht aussehen – bis Bone in Aktion trat. Melinda wusste, dass der Hund bedrohlich wirkte, aber mit einer solchen Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Es war keine Angst mehr die ihn ausweichen ließ, sondern regelrecht Panik. Melinda wusste wie sich dieser Zustand anfühlte, immerhin war die Begegnung mit Leeland noch nicht sehr lange her.
Haha! Schau mal! Du bist wieder im Rennen! Nun hat die Katze wieder das Sagen!
Das Charles regelrecht fort sprang und dann starr auf Bone blickend nach hinten auswich, brachte diesen dazu sein antrainiertes Verhalten unter Beweis zu stellen. Robert hatte ihn mit viel Geschick zu einem Wachhund gemacht, der, wenn sein Gegenüber zurückwich, eins besonders gut konnte: Noch bedrohlicher wirken. Im Lichte des Feuers und der Blitze sah Melinda wie seine Nackenhaare sträubte, während er seinen  Körper streckte und seine Rute waagrecht zitternd im Regen stand.
Erinnerst du dich? Robert hat mal erzähl, dass Hunde von Wölfen abstammen. Die jagen ja völlig anders als Katzen. Da wird nicht mit der Maus gespielt, sondern sie wird vor sich her getrieben. Schau nur! Wie schön Bone seine Beute treibt…
Eine Pfote vor die andere setzend ging er langsam auf Charles zu, der gegen eine Wand gepresst stand. Selbst der Regen konnte das Knurren des Tieres nicht übertönen, das Bone nur durch gelegentliche unterbrach. Er leckte sich schnell über die nach oben gezerrten Lefzen. Ein falscher Schritt von Charles und Bone würde zum Angriff übergehen. Melinda musste sich gestehen, dass sie es einen Augenblick genoss, die einzige Rettung für Charles zu sein. Sie pfiff ein weiteres Mal, diesmal etwas unterbrochen, und Bone verließ augenblicklich seine Angriffsstellung, nachdem er noch ein letztes Mal geifernd bellte. Der Hund blickte weiterhin zu Charles herüber, nun jedoch eher interessiert als bedrohlich. Die Panik war jedoch noch immer in das Gesicht des Mannes geschrieben. Mit einigen Schritten brachte sie sich zwischen Charles und Bone und legte dem Mann beruhigend ihre Hand auf den Oberarm. "Das  ist die angekündigte Lebensversicherung meines Freundes. Doch keine Sorge, solange ich in der Nähe bin, haben Sie ihn nicht zu fürchten. Dann ist er einfach nur ein Hund."
Ein großer, schwarzer, stinkender Hund!
Es war zwar unterschwellig gewesen, aber sie wollte kurz klar stellen, dass sie die Fäden in der Hand hatte – wenn auch nur für einen kurzen Augenblick.
Sie dachte einen kurzen Augenblick nach, wirklich beruhigt schien er nicht zu sein. Also tat sie das was sie am besten konnte und setzte ihren Körper ein. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. "Ganz ruhig..." sagte sie schließlich noch, während sie versuchte seinen Blick auf sie zu wenden. Trotz der schlechten Lichtverhältnisse sah Melinda seinen Adamsapfel krampfhaft arbeiten, er war offensichtlich sehr bemüht seine Fassung wieder zu erlangen. Einige Augenblicke später warf er ihr einen kurzen Blick zu. Melinda griff schließlich seine Hand und zog ihn mit sanfter Gewalt fort. Seine Köperhaltung sprach noch immer Bände, auch wenn er es geschafft hatte seine Panik zu unterdrücken oder zu überwinden. Etwas steif blieb er erst stehen, mit ihrem geringen Körpergewicht konnte sie ihm natürlich nichts entgegen setzten, aber schließlich bewegte er sich und folgte ihr. Noch immer beunruhigt warf er immer wieder Blicke in Richtung von Bone, der im angemessenen Abstand hinter ihnen herlief.
Auch unter der Brücke waren die Lichtverhältnisse aufgrund des Brandes etwas erhellt. Sie brauchte H. D. nicht zu sagen, dass sie zurück gekehrt war. Wieder glimmte eine Zigarettenglut im Dunkeln auf. Der Spion stand schließlich mit einigen Schwierigkeiten auf, wobei der die Wand zur Hilfe nahm. Er stöhnte vor Schmerzen auf, während das Rauschen des Wassers und Regens die Szenerie passend untermalte. "Na Melly, wen bringst du mir denn...", doch dann stoppte er, den offenbar erkannte er sein Gegenüber, dass sich mittlerweile von ihrer Hand gelöst hatte und sich den Hemdkragen richtete.
Ein unglaubliches Lachen erklang in der Dunkelheit, begleitet von einem Bellen von Bone.
"Charles Norly. Welch Freude." sagte er mit einer gehörigen Portion Sarkasmus in der Stimmer, bevor er Melinda einen Blick zuwarf und seine Augenbrauen in die Höhe zog. "Ich möchte natürlich nicht unhöflich erscheinen. Nennen Sie mich Humpty Dumpty." er streckte seine Hand nach vorne um die Begrüßung komplett zu machen.
Bone ließ sich in der Nähe des Feuers nieder, nachdem er sich noch einmal ordentlich geschüttelt hatte.


Zuletzt von Elli am So Sep 01 2013, 18:46 bearbeitet; insgesamt 4-mal bearbeitet
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Beitrag von Druzil Mi Aug 28 2013, 20:14

Ein ruhiger Schlaf war Alan nicht vergönnt. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich. Um die Polizei, den Doctor, Norly und sein Gegockel. Es war zum Haareraufen. Und wo zum Henker war eigentlich dieser milchgesichtige Laufbursche mit dem Wein?
Grummelnd erhob er sich von dem Bett, an Schlaf war eh nicht zu denken. Nachdem er ein paar Minuten unruhig im Zimmer auf und ab getigert war, weckten Geräusche seine Neugier. Ein Poltern. Stimmen. Aus der Küche? Er machte sich auf den Weg.
Unsicher schlich er durch das dunkle Gewölbe, doch ein schwacher Lichtschein von unten wies ihm die Richtung. Er trug noch seine Tageskleidung und war einigermaßen froh, nicht in halbnackt durch die Gänge geistern zu müssen. Bald hatte er die Treppe erreicht, stieg die Stufen hinab und erblickte die Norly-Tochter und den faulen Kutscherknaben.
"Das ist doch nicht zu fassen!", donnerte Alan mit klarer Stimme los und bewegte sich schnell zu den beiden.
"Du freches Bürschchen machst dich an der Tochter deines Chefs zu schaffen? Hast du denn gar keinen Anstand, du Widerling? So ein junges Ding in die Küche zu locken, um ... Pass auf, dass ich dir nicht eine verpasse!"
Alan baute sich vor den vermeintlichen Turteltauben auf.
"Das wird deinem Boss gar nicht gefallen. Oh nein. Und wo ist überhaupt mein Wein? Haste vor lauter Weiberanstarren und Rumfummeln vergessen, was?"
Seine Stimme klang bedrohlich, sollte sie auch. Er würde es Norly berichten, das war die Botschaft. Innerlich musste er jedoch kichern. Der macht sich bestimmt gleich in die Hose.
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Beitrag von Umbra Sa Aug 31 2013, 17:31

Johanna begann den Zeitungsartikel, der sich auf eine Kopie des Bildes bezog, das auch auf den Fahndungsplakaten an beinahe jeder Straßenecke zu finden war, zu lesen. Im orangen Schein der Öllampe waren die Buchstaben nun erkennbar.
„Mutmaßlicher Mordanschlag auf Chief Commissioner Hill“ verkündete der Schlagzeile des  Artikels, doch dazu, sich danach auf den Text zu konzentrieren, kam das Hausmädchen nicht. David griff nach den Seiten, um Johannas Aufmerksamkeit zwangsläufig auf sich zu lenken.
„Sie können doch nicht einfach nachts Licht anmachen!“, erklärte er sein hektisches Herumfuhrwerken mit den Vorhängen. Dabei klang der junge Kutscher nicht allzu streng, aber merkbar angespannt, was sich auch darin wiederspiegelte, dass er deutlich sprach.
Auch wenn man das Gewitter draußen nun nicht mehr sah, denn selbst das grelle Licht der Blitze kam nicht am dicken, schweren Stoff der blickdichten Gardine vorbei, hörte man den Donner krachen und grollen.
„Haben Sie schon vergessen, was Mr. Norly dazu gesagt hat?“, fragte David tadelnd. Er hatte Charles‘ „Hausregeln“ mitangehört, bevor er diesen angesprochen hatte und daraufhin aufgebrochen war, um einige Lebensmittel zu besorgen.
„Die Bäume bieten zwar etwas Sichtschutz, doch darauf können wir uns nicht verlassen. Sie sollten wirklich bedachter handeln, das ist wichtig. Ich hätte beinahe auf Sie geschossen, weil Sie mich erschreckt haben. Das nächste Mal geht es vielleicht nicht gut, wenn Sie sich an andere so anschleichen. Was suchen Sie überhaupt hier?“

Doch eine Antwort bekam David darauf erst einmal nicht. Er erschreckte sich erneut und fuhr zu Alan herum, der plötzlich laut schimpfend in der Küche stand und glaubte, Johanna und David bei einem intimen Treffen erwischt zu haben.
Der junge Kutscher starrte Alan entgeistert an.
„W-Was?“, griff er stammelnd und unbewussterweise das letzte Wort auf, das an ihn gerichtet worden war.
„Nein, i-ich…“ Kurz flog ein gequältes, unsicheres Lächeln über sein Gesicht. Dass er wohl über Alans Drohung und über eine Reaktion Charles‘ hektisch nachdachte, war ihm anzusehen. Doch dann festigte sich sein Blick, der inzwischen unstet über Alans Gesicht gehuscht war.
David straffte sich und schluckte. Röte war ihm in sein bärtiges Gesicht gestiegen. Er fasste klare, kühle Worte, die mit einem Mal selbstsicher und sehr förmlich klangen – weiterhin vollkommen ohne umgangssprachliche Wortwahl oder undeutliche Aussprache.
„Wie erlauben Sie sich eigentlich, mit mir zu reden, Sir? Glauben Sie ja nicht, dass ich mir Ihren Ton und Ihre unlauteren Anschuldigungen gefallen lasse. Ich verlange, dass Sie sich sofort bei der Dame – und bei mir – entschuldigen.“ David mochte jung sein und ein merkbares Stück kleiner als Alan, doch scheinbar wollte er diesem klarmachen, dass er trotzdem anständig behandelt werden wollte und sich nicht ohne weiteres herumscheuchen ließ. Das hatte er schon nicht mit sich machen lassen, als Alan ihn aufgefordert hatte, den Wein zu besorgen. Da Mr. Stirling scheinbar nun danach verlangte, ging David darauf ein:
„Vorher werde ich Ihnen sicher nicht verraten, wo ich Mr. Norlys Wein“, stellte er mit erinnerndem und bedeutendem Unterton heraus, „verstaut habe, den ich mit seiner Erlaubnis mit seinem Geld für Sie besorgt habe, um Ihnen einen Gefallen zu tun. Ich weiß nicht, für wen Sie sich halten, Sir, aber ich bin nicht Ihr Diener.“
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Beitrag von Umbra Mo Sep 02 2013, 19:20

Charles folgte Melinda steif. Auch wenn sie seine Hand locker festhielt, musste sie nicht ziehen, damit er ihr hinterhertrottete. Er humpelte noch immer. Der Schreck saß ihm noch in den Gliedern. Er ärgerte sich innerlich darüber, so auf den Hund reagiert zu haben, doch hatte er das nicht verhindern können. Er ärgerte sich darüber, dass Melinda sein Verhalten hatte beobachten können, doch nun war dies nicht mehr rückgängig zu machen. Ihr Kuss auf seine Wange hatte ihm geholfen, sich einigermaßen zusammenzureißen. Der Hund begleitete sie, doch war es inzwischen nicht mehr Panik, die Charles verspürte, sondern nur noch gehörigen, leicht ängstlichen Respekt – was er zu überspielen versuchte.
So traten Melinda und er schließlich unter die regengeschützte Waterloo Bridge. Charles hatte das Feuerchen, das hier brannte, schon gesehen, als sie von der Straße hinab ans Ufer der Themse getreten waren.
Der Mann, der sie empfing, war recht klein, wenn auch weniger als eine Handbreite kleiner als Charles selbst, trug Schnürschuhe, eine dunkle Hose und ein tweedjackenähnliches Flickengebilde. Ursprünglich war dieses Oberteil sicher einmal nicht günstig gewesen, das war Tweed im neuen Zustand sehr, sehr selten – das wusste man als ehemaliger Textilfabrikant und auch, wenn man, wie Charles, sich Jagdjacke aus Tweed angeschafft hatte, so wie sie sich beim Landadel an Beliebtheit erfreute. Stellte sich also die Frage, ob Humpty Dumpty die seine einst für sich hatte schneidern lassen, sie auf Umwegen in seinen Besitz gelangt war oder er sie sich ergaunert hatte. Zwielichtig war dieser Mann allemal. Etwa in Charles' Alter mochte er sein. Das Aufstehen schien ihm Schmerzen bereitet zu haben.
Charles ließ Melindas Hand los und richtete seinen Kragen. Er fühlte sich noch immer unwohl und war angespannt. Solange der Hund anwesend war, würde sich das auch nicht ändern. Dieser verdammte Köter. Charles zuckte unwillkürlich etwas und für einen kurzen Moment die Augen, als das Tier mit Gebelle in das Lachen seines Herrn einstimmte. In seinem Gesicht zeigte sich jedoch daneben keine Regung. Der Gestank – und in diesem Fall war es wirklich Gestank – vom Tabakqualm, den der Mann ausstieß, wehte Charles entgegen.
Melindas Freund war ihr offenbar nicht im Mindesten dankbar dafür, dass sie gerade Scarface mitgebracht hatte. Doch der Fremde trug es mit verzweifeltem Humor, wie Charles vermutete. Natürlich war er sofort erkannt worden, aber wenigstens nannte der Mann ihn beim Namen und nicht „Scarface“.
Humpty Dumpty. Interessant, dachte Charles, auch wenn er sich etwas auf den Arm genommen fühlte. Sein Gegenüber wollte ihm nicht seinen richtigen Namen nennen. Das war beinahe zu erwarten gewesen bei dieser Kulisse und Charles‘ Ruf, aber… Humpty Dumpty? Vielleicht hing diese Wahl mit dem Zynismus zusammen, die Charles bei seinem Gesprächspartner erkannte. Er konnte sich gut vorstellen, dass hinter diesem Pseudonym eine tiefere Bedeutung steckte. Darüber hinaus war Charles aufgefallen, dass in Humpty Dumptys Aussprache ein leichter Akzent lag – ein deutscher, wie er zu identifizieren wusste.
Er ergriff nicht sofort die zur Begrüßung dargebotene Hand, sondern machte sich daran, dafür seinen rechten Handschuh auszuziehen.
An diese leidige Berühmtheit, erwiderte er währenddessen, die deutsche Sprache nutzend und mit einem bemüht gutmütigen Lächeln, habe ich mich noch immer nicht komplett gewöhnt.
Er erkannte, dass sein Gesprächspartner verstand, was er von sich gegeben hatte – was bedeuteten konnte, nicht musste, dass der leichte Akzent dieses Mannes nicht gespielt war –, also fuhr Charles auf Deutsch fort.
Selbst in einem abgelegenen Winkel wie unter einer Brücke kann ich nicht davon ausgehen, dass ich unerkannt bleibe und man mir unvoreingenommen gegenübertritt.
Da er seine rechte Hand inzwischen von dem Handschuh befreit hatte, nahm er nun auch mit der Linken seinen Zylinder ab. Einerseits wollte er uneingeschränkte Sicht in alle Richtungen haben, andererseits machte er dies aus Höflichkeit. Er tat einfach so, als ob er Humpty Dumptys Domizil betreten hätte, auch wenn er arg bezweifelte, dass dieser Mann tatsächlich obdachlos war und hier hausierte.
Im Gesicht und auf dem Kopf sah der schwarzhaarige Fremde gepflegter aus als das Charles‘ in diesem Moment, da eine Rasur inzwischen wohl überfällig sein dürfte und der Verband ihm etwas die Frisur zerstörte. Auch der Bauchansatz seines Gegenübers zeugte nicht davon, dass dieser gerade eine Zeit des Mangels durchlebte. Nein, dies waren Unstimmigkeiten, die nicht zum Gesamtbild passten. Vielleicht mochte die Kleidung, dieser Ort und das Feuerchen für Humpty Dumptys üblichen Umgang und für die Polizei als Tarnung reichen, doch Charles bezweifelte, dass der Mann das war, wonach es anscheinend aussehen sollte. Dazu dieser monströse Wachhund… Charles hatte eine Theorie, der er sich ziemlich sicher war.
Die Freude scheint hingegen komplett auf meiner Seite zu sein, Herr Dumpty. Das war offensichtlich keine Floskel, sondern eine Feststellung. Doch war vollkommen ernst gemeint, dass Charles erfreut war. Gesprächspartner zu analysieren und allein dadurch hinter Geheimnisse zu kommen, machte ihm, wie immer, Spaß. Wenig entging seinem aufmerksamen, wachen Blick – dessen war er sich, natürlich ohne jegliche Überheblichkeit, bewusst.
Nun ergriff Charles die dargebotene des Mannes, um diese zu schütteln. Ihm fiel auf, dass die Kuppe des kleinen Fingers fehlte.
Bitte sehen Sie es Fräulein Bolt nach. Ich bezweifle, dass es ursprünglich in ihrer Absicht lag, in dieser Nacht ein weiteres Mal Ihre Ruhe und Abgeschiedenheit zu stören. Und verzeihen Sie mir meine etwas ungelenke Aussprache. Man versicherte mir einst, sie sei für die eines Engländers wohl passabel, doch mir fehlte die Gelegenheit, das Deutsche so gründlich zu studieren, wie ich es mir gewünscht hätte.
Charles löste seinen Griff von der Hand seines Gesprächspartners, die er vielleicht etwas länger festgehalten hatte als es notwendig gewesen wäre. Mit der Erwiderung des Grußes hatte er schon vor einigen Worten aufgehört.
Nun verschränkte Charles, entgegen seiner Gewohnheit, die Hände nicht hinter, sondern vor seinem Körper, denn er wollte sich die Befähigung für möglichst schnelle Reaktionen, sollten diese sich als notwendig erweisen, erhalten. Sein Revolver befand sich in der samtgefütterten, rechten Tasche seines Mantels und würde damit Charles‘ erste Wahl sein, wenn er sich – und Melinda – verteidigen müsste. Aber auch von seinem Bowiemesser trennte ihn nur ein Griff unter den Saum seines Mantels.
Seine mechanischen, lederumhüllten Finger, unterdessen, hielten seinen Handschuh und seinen Zylinder fest.
Charles wechselte mit einem Lächeln wieder zu seiner Muttersprache, während er sich demonstrativ seinen Blick ein wenig schweifen ließ, erst zum Feuer, auch wenn er dem dort liegenden Hund absichtlich so wenig Beachtung wie möglich schenkte, dann nach oben in Richtung der Brückenkonstruktion. Was ihm jedoch aufgefallen war, ohne ihn direkt angesehen zu haben, war ein mannshoher, vergitterter Zugang zur Kanalisation, von dem aus eine Regenlaufrinne in die Themse führte. Wohl für Wartungsarbeiter gedacht, war sich Charles dennoch fast sicher, dass sein Gegenüber diese Möglichkeit im Notfall auch als Fluchtweg in Betracht ziehen könnte.
„Ein interessantes Plätzchen haben Sie hier gefunden. Nicht unbedingt angenehm, will ich meinen, aber interessant mit Sicherheit“, äußerte Charles anerkennend und fixierte Humpty Dumpty daraufhin wieder. Komplett aus den Augen gelassen hatte er diesen jedoch keinen Moment – denn Charles wollte genauso wenig von Humpty Dumpty hinterrücks angefallen werden wie von diesem struppigen Biest von Hund, das er ebenfalls möglichst in seinem Sichtfeld behielt.
„Ihr pelziger Gefährte, nebenbei, ist ein beeindruckender Bursche. Miss Bolt nannte ihn Ihre Lebensversicherung. Was soll ich sagen?“
Charles lachte leise. „Ich weiß, warum. Er hat mich ein wenig erschreckt.“
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Beitrag von Druzil Mo Sep 02 2013, 20:09

"Jetzt hör mal gut zu, Jungchen", begann Alan und legte den Kopf schief.
"Wir können die ganze Sache hier friedlich abhaken, wenn du dich ein bißchen am Riemen reisst. Verstanden? Okay. Guck mal, was soll ich denn deinem Boss Morgen sagen? Ich meine, ich kam hier rein, erwischte dich mit runtergelassener Hose ... ich mein, mal ehrlich, mein Freund."
Er zog die Schultern hoch und vollführte mit den Händen eine hilflose Geste.
"Also, etwas Wein würde mir helfen den verstörenden Anblick zu vergessen."
Er schaute den Jungen hoffnungsvoll an.
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Beitrag von Scáth Di Sep 03 2013, 10:32

Johanna runzelte verwirrt die Stirn nachdem sie die Überschrift des Artikels gelesen hatte und gerade als sie der Sache auf den Grund gehen wollte entriss ihr David das dünne Papier.
„Hey!“, entfuhr es ihr und sie blickte den Kutscher verärgert an.
Er hatte recht damit dass er sagte sie sei zu unvorsichtig gewesen, doch als er anfing von Charles Regeln zu reden verdrehte das Hausmädchen genervt die Augen. Sie war nicht Charles Leibeigene und sich ihm zu fügen stand nicht einmal ansatzweise auf ihrer To-do Liste. Johanna würde nicht weiter auf das Thema Regeln eingehen. Sie wollte keine Diskussion auslösen, die wäre ohnehin Sinnlos denn vor Charles Schoßhund David sollte sie dessen Regeln wohl eher nicht in Frage stellen.
Johanna fuhr sich genervt durchs Gesicht. Ein lauter Donner grollte während sie genervt schnaubte. Gerade wollte sie David wieder auf den Artikel ansprechen als die Tür der Küche sich öffnete. Alan trat ein und schien nicht weniger nüchtern als vor ein paar Stunden. Dennoch schenkte das Hausmädchen ihm ein Lächeln als er über die Türschwelle trat, doch dieses verschwand augenblicklich wieder nachdem sie hörte was er sagte.
Erneut verdrehte Johanna die Augen. Das ganze Theater das sich hier nach und nach abspielte ging nun auch ihr gehörig auf die Nerven und das, obwohl sie mit den Kindern der Bakersfields eigentlich eine Menge Stress gewohnt war. Man mochte meinen sie hätte es hier mit ganzen 5 Kindern zu tun und wenn sie ehrlich zu sich selbst war dann verhielten sich auch mehr als die Hälfte der Kandidaten hier wie solche.
„Fraglich wem Mr.Norly glaubt. Ihnen, Alan, oder mir“, sprach sie nun, nachdem sie merkte wie rot David angelaufen war. Das lustige an diesem Satz war jedoch, dass Johanna wirklich nicht wusste wem Charles glauben würde, obwohl sie eindeutig zu Alan tendierte.
Mehr als diesen einen Satz wollte sie zu diesem Thema dann aber doch nicht beitragen. Auch das hatte keinen Sinn. Ignorieren war bei den Kindern der Bakersfields erfahrungsgemäß eine gute Maßnahme und vielleicht würde sie auch hier wirken. Das Geistige Alter der Beteiligten schien jedenfalls passend zu sein.
"Ich wollte mir eigentlich eine Kleinigkeit zu Essen machen. Wollen die Herren auch etwas? Vielleicht lässt sich ja dann auch ein Glas Wein für Sie auftreiben", fügte sie hinzu und wandte sich mit einem lächeln zu Alan, da der letzte Teil des Satzes an ihn gerichtet war. Während sie die Antwort der beiden Männer abwartete lief sie schon einmal zu den Küchenschränken und suchte nach einigen Lebensmitteln.
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Beitrag von Elli Di Sep 03 2013, 15:32

Schau sie dir an! Wie zwei Hunde, erst mal beschnuppern und dann ab und zu mal bellen um zu zeigen, wer der Chef im Ring ist. Wirf‘ mal ‘nen Knochen zwischen die Beiden. Hihihi.
Melinda verschränkte die Arme vor der Brust, nachdem sie sich ihre Kapuze wieder tiefer ins Gesicht gezogen hatte. Sie stand still und stumm da. Zwar mochte Charles einiges daran liegen, sich seine Unsicherheit was Bone betraf nicht anmerken zu lassen, doch ein kleines Zucken, als dieser bellte, war dennoch sichtbar. Wenn auch nur minimal und den schlechten Lichterverhältnissen geschuldet wäre es vermutlich nicht mal sichtbar gewesen, hätte Charles nicht näher am Feuer gestanden, als sie selbst. Das Gewitter foderte seinen Tribut, auch wenn Melindas Mantel ihr stets gute Dienste erwies, war ein Gewitter im März keine nette Begebenheit.
Hm, lange nichts mehr an der Lunge gehabt. Wird ja auch mal wieder Zeit. Dabei fällt mir ein – werde bloß nicht krank! Wir beide haben genug Geburtstage im Bett verbracht!
Der Gedanke an ihren Geburtstag erfreute Melinda nicht besonders. Für gewöhnlich versuchte sie den Tag zu verdrängen – sie konnte ja nicht einmal sicher wissen, ob es wirklich der Tag ihrer Geburt war.
Humpty Dumpty lehnte noch immer an Wand, heute schien er einen schlechten Tag zu haben. Manchmal wurde Melinda bei seinem schmerzgeplagten Gesicht, welche Tücken das Alter mit sich brachte. Bisher hatte sich Norly diesbezüglich besser geschlagen, trotz seiner ergrauenden Haare und Bartes hatte er nicht einen solch schlechten Eindruck gemacht, wie es sein Gegenüber gerade tat.
Krankheiten sind Schweine!!
Ein anerkennendes Zucken vermochte sie dann aber doch in seinem Gesicht zu vernehmen, als Charles in einer anderen Sprache sprach. Er schüttelte die Hand die ihm Charles reichte, auch wenn alleine diese leichte Berührung vermutlich Schmerzen bereitete. “Fräulein?“, Belustigung war in seiner Stimme zu hören, hingegen seines Gesprächspartners antwortete Robert auf Englisch. Auch wenn er die deutsche Sprache sicherlich besser sprach als Norly. “Nicht gerade höflich in der Gegenwart des Fräuleins in einer Sprache zu sprechen, die sie nicht versteht. Wenn Melly sie mit herbringt, kennen sie sie gut genug um zu wissen, dass das Schmuckstück dort hinten im Mantel nur zwei Sprachen spricht. Englisch und die Sprache der Straße – was durchaus von Vorteil sein kann. Ihre Berühmtheit ist wahrlich erstrebenswert. Momentan sind Sie in mehr Mündern, als die Queen. Vermutlich tauchen Sie auch in ebenso vielen Schreckensmärchen für Kinder auf. ‘Wenn du jetzt nicht ins Bett gehst, kommt Scarface dich holen!‘ Zumindest hört man einiges von ihnen zur Zeit.“
Natürlich erinnerte er sich selbst an die Worte die er an Melinda gerichtet hatte, er hatte keine Angst vor Norly. Es gab schlimmere Schicksale als den Tod. Trotzdem wagte er es nicht ihn zu unterschätzen.  
“Die Waterloo Bridge wurde zu größtenteils von Frauen erbaut, wussten Sie das? Ich denke man kann schlechtere Plätze finden. Manchmal komme ich mir fast so vor, als sei ich von ihren Geistern umgeben.“
Er wartete einen Augenblick den er dazu nutze eine weitere Zigaretten anzuzünden. “Sie haben also bereits Bone kennen gelernt. Lebensversicherung trifft es gut – immerhin lebt man unter Brücken nicht besonders ungefährlich. Die Themse in der Nähe, da schwimmen häufiger Leichen drin herum, als sie sich vorstellen können. Ist London nicht eine wunderbare Stadt?“
Er zog an der Zigarette und blies den Rauch ihn in die Dunkelheit “Nun frage ich mich dennoch was mir die Ehre ihres Besuches verschafft.“[/i]
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Beitrag von Umbra Do Sep 05 2013, 19:40

David wurde bei Alans Worten noch ein Stück röter im Gesicht, als er ohnehin gewesen war. Doch handelte es sich inzwischen eher Zornes- als Schamesröte – die Körperspannung, die gerunzelte Stirn und die aufeinandergepressten Lippen des jungen Mannes sprachen Bände. Was auch immer David dazu bewegte, nicht nachzugeben, setzte sich offenbar über die Nervosität hinweg, die ihm ebenfalls anzumerken war. Vielleicht wollte er sich lediglich für Alans Art der erpresserischen Diplomatie nicht empfänglich zeigen.
Jedoch irritierte Johannas Reaktion David sichtlich, da ihr die grobe Beleidigung, die Alan schließlich auch ihr hatte zuteilwerden lassen, egal zu sein schien und sie unvermittelt fragte, ob Alan und er etwas zu essen haben wollten.
„Äh… Gern, Miss“, antwortete David ihr stockend und verwirrt, aber nur um sich schnell wieder zu fangen und die Worte auszusprechen, zu denen er vor Johannas Unterbrechung bereits angesetzt hatte. Wahrscheinlich ignorierte er bewusst das Zugeständnis, das sie Alan bezüglich des Weins gegeben hatte.
„Von Ihnen lass‘ ich mich nicht einschüchtern!“, stellte David selbstsicher klar. Er war wütend, würde aber nicht allzu laut, sondern schlug eher einen konternden Ton ein.
„Sie kennen die Bedingung dafür, dass ich Ihnen verrat‘, wo der Wein ist“, ließ er Alans Hoffnung darauf, dass der junge Kutscher nun einlenken würde, zerplatzen.
„Aber Mr. Norly weiß es auch – fragen Sie ihn doch, wenn Sie sowieso zu ihm wollen, um mich zu verpfeifen. Vielleicht war es auch ganz anders und ich hab‘ Sie dabei erwischt, wie Sie Miss Stead belästigten“, drehte David nun den Spieß um. Die Zeitungsseiten, die er Johanna entrissen hatten, knisterten in seiner Hand, da seine Finger vor Anspannung daran kneteten.
„Nach dem, was Sie sich gestern geleistet haben, würd’s sicher niemanden wundern.“
Die Augen des jungen Kutschers wurden schmal, als er eine kleine, bedeutende Pause einlegte.
„Wer von uns beiden hat wohl mehr Angst vor Scarface, Mister?“
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Beitrag von Druzil Do Sep 05 2013, 20:37

Verflucht! Der Bursche war loyaler als er gedacht hatte. Das war doch nicht zu fassen! Was hatte der Kerl nur an Norly gefressen? Alan schüttelte den Kopf.
"Angst vor Scarface?" Er muste grinsen.
"Frag doch am besten einfach mal deinen Herren und Meister ob dieser Stirling wohl Angst vor ihm habe. Ach, und wenn ihr schon plaudert, kannste auch gleich fragen, von wem er denn wohl in letzter Zeit mal ordentlich eine verpasst bekommen hat. Ja, frag ihn das mal, den großen, gefährlichen Scarface. Pass auf, ich sag dir mal was. Norly, oder Scarface, wie er genannt wird, ist ein Großmaul. Einer, der große Töne spuckt. Aber da steckt nichts dahinter. Gar nichts. Deswegen ist dieser ganze Auflauf hier und das Gelaber um Revolution auch ein Haufen stinkender Mist. Norly hat gar nicht den Mumm eine Revolution anzuzetteln. So siehts aus."
Er ging zu dem Tisch und ließ sich auf einen der Stühle sinken.
"Okay, ich sehe wie haben wohl nicht den selben Humor, was? Hugo? So war doch dein Name, oder? Lassen wir die gute Miss Stead aus der Sache raus. Aber sag mir mal eins. Warum hängst du so an Norly? Ich meine ..."
Er sah zu Johanna, zu "Hugo".
"Du bist doch nicht sein Sohn, oder so was?"
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Beitrag von Umbra Fr Sep 06 2013, 21:45

In Charles‘ Augen funkelte etwas, das Belustigung bedeuten mochte, aber möglicherweise auch etwas ganz anderes. Sein Gesicht lag teils im Schatten, da er dem Feuer nicht zugewandt war, und das war ihm ziemlich recht. Auch wenn der Hund im Moment keine direkte Bedrohung darstellte, war er immer noch anwesend. Das reichte Charles aus, um sich unbehaglich zu fühlen – allerdings wollte er sich keine Blöße geben.
„Neugier“, antwortete er Humpty Dumpty schlicht, aber mit einem verschmitzten, von seiner Narbe leicht verzerrten Lächeln, bei dem das Spiel des orange-flackenden Lichts auf seiner entstellten Wange deutlich betonte, warum man ihn „Scarface“ getauft hatte.
„Doch geehrt müssen Sie sich aufgrund meines Besuchs hier nicht fühlten“, fuhr Charles plaudernd fort, „denn meine Neugier ist universell und Berühmtheit macht einen noch lange nicht zu einem Menschen, dem Ehre gebührt.“
Er pausierte kurz, ein Lächeln blitzte auf, bevor er weiterredete.
‚Erstrebenswert‘, zitierte er durch langsame Aussprache betonend, „würde ich mein“, ein einziger lachender Laut entfuhr ihm, „Prestige und meinen Einfluss auf angsteinflößende Geschichten nicht nennen.“
Er verzog leicht das Gesicht.
„– Sie verzeihen mir, dass ich Ihnen da widerspreche.“
Vielleicht war es doch nicht Belustigung, sondern Ärger gewesen, der in Charles Augen aufgefunkelt war, während Humpty Dumpty gesprochen hatte. Inzwischen klang ein Unterton in seiner Stimme etwas ungehalten und zynisch, auch wenn der Oberton gelassen blieb.
„Sie wissen bestimmt, wie das mit Gerüchten ist: Sie werden weitergereicht und weitererzählt, gewinnen mit jedem Mal an Abstrusität“, leierte er schon fast, „und schon muss man sich damit abfinden, vom ganzen Königreich auf ein Körperattribut und einen Ruf reduziert zu werden, der aus Halbwahrheiten und erdichteten Beschuldigungen zusammengeflickt wurde.“
Charles atmete tief durch die Nase durch.
„Sehen Sie“, legte er dann dar, „unter diesen Umständen ist es nicht schwer, ein heißer begehrteres Diskussionsobjekt zu sein als die Queen, die meines Wissens weiterhin zurückgezogen im Balmoral Castle residiert, wohin die feinen Politiker und Staatsmänner zitiert werden, wenn Ihre Majestät sich dazu bequemt, sich nicht aus den Angelegenheiten des Reiches herauszuhalten. Doch England, Windsor, Buckingham Palace und auch London scheinen blendend ohne Ihre Majestät zurechtzukommen. Wunderbar fürwahr“, griff er erneut Mr. Dumptys Formulierung auf und wurde nun offenkundig zynisch, „wenn Sie diesen Moloch einer Stadt, belebt von morallosem Ungeziefer und Abschaum, so nennen wollen. Der tägliche Trott, verborgen unter bürgerlicher Zivilisation, zeigt nichts anderes auf als dass Gerechtigkeit nicht existiert. Habgier ist der nicht stillbare Hunger, der unsere Gesellschaft lose zusammenhält und antreibt. London ist eine Bestie, die die verschlingt, die vor ihr nicht gefeit sind – nehmen Sie sich dazu nur ihre Themse-Leichen zum Beispiel. Und doch nennt unsereins dieses Land noch Heimat.“
Er musterte seinen Gesprächspartner nur für die Dauer einer Atempause schweigend, bevor er leise hinzufügte:
„Das ist sehr interessant.“
Wieder ein Lächeln, auch wenn dieses sicher nicht Charles‘ Augen erreichte, sollte das im spärlichen Licht überhaupt erkennbar sein.
„Unhöflichkeiten verlieren hier in der Wildnis der Stadt an Gewicht, nehme ich an –“, griff er nun dieses Thema auf, denn Humpty Dumptys Kommentar bezüglich seines Benehmens gegenüber Melinda wollte er nicht auf sich sitzen lassen. Dies tat er allerdings nicht dadurch, dass er direkt darauf einging, sondern den Spieß umdrehte.
„– sonst würden Sie, werter Mr. Dumpty, mir Ihren richtigen Namen nennen und weder in der Anwesenheit einer Dame rauchen, noch würden Sie ihren wunderschönen Namen verunstalten, indem Sie sie ‚Melly‘ nennen, oder sie als ‚das Schmuckstück dort hinten im Mantel‘ bezeichnen, denn sicherlich ist Miss Bolt viel mehr als nur eine Zierobjekt.“
Damit war Charles für seinen Geschmack fertig mit diesem Gespräch.
„Meine Neugier ist bis auf’s Weitere gestillt“, teilte er den Anwesenden mit, während er seinen Zylinder wieder auf seinem Kopf platzierte.
Auf unser nächstes Treffen, mein Freund, verabschiedete Charles sich dann augenzwinkernd in deutscher Sprache von Humpty Dumpty.
Gönnen Sie sich in der Zwischenzeit ein weniger feuchtes Plätzchen und etwas Warmes zu essen, dieser Ort hier scheint Ihrer Gesundheit nicht gut zu bekommen.
Charles ließ seinen Gesprächspartner einfach stehen und schlüpfte, bereits im Gehen, mit seiner rechten Hand zurück in den Lederhandschuh, den er für die Begrüßung abgelegt hatte.
„Kommen Sie, meine Liebe?“, rief Charles Melinda, wie in Englisch, zu, ohne sich noch einmal zu ihr oder Humpty Dumpty umzudrehen, bevor er seine Hände in den Manteltaschen vergrub, leicht humpelnd die Brückenunterseite hinter sich ließ und in den strömenden Regen hinausstapfte.
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Beitrag von Scáth Sa Sep 07 2013, 20:21

Johanna hatte sich von den beiden Männern abgewandt um Essbares zu suchen und tatsächlich hatte sie Glück etwas passendes zu finden. David hatte für reichlich Nahrung gesorgt, aber da Johanna nicht vor hatte eine richtige Mahlzeit zu kochen, was sich zu dieser Stunde ohnehin nicht gehörte, entschied sie nur eine Kleinigkeit zuzubereiten die den Hunger für kurze Zeit stillen würde.
Sie griff nach einer Packung Eier und dem Laib Brot, das schon so einladend und frisch duftete dass Johanna das Wasser im Mund zusammenlief. Hätten sie die Bakersfields um diese Uhrzeit in der Küche beim Kochen erwischt, wären diese wohl vollkommen verwirrt, wer weiß, vielleicht sogar entsetzt. Absurd was für sinnlose Regeln es gab wenn es um Verhalten ging und noch absurder war es das Johanna sich bislang immer daran gehalten hatte obwohl es eigentlich nichts gab was sie davon hätte abhalten können es nicht zu tun.
Das Hausmädchen fand in den Schränken der Küche eine Pfanne und einen Kochlöffel, die sie kurz mit Wasser abwusch. Sie nahm eines der Streichhölzer vom Tisch und brachte eine Herdplatte zum brennen. All das waren Handgriffe die sie gewohnt war und die schon vollkommen automatisch abliefen. Nichts besonderes, wenn man mal genauer darüber nachdachte. Der ganze Beruf war nicht besonders und vor Allem alles andere als abwechslungsreich.
Johanna schüttelte leicht den Kopf um die wirren Gedanken loszuwerden und lauschte dann wieder dem Gespräch der beiden Männer, während sie das erste Ei aufschlug und in die Pfanne gab. Ein leises zischen ertönte.
"Es wäre nett wenn Sie nicht über mich reden würden als sei ich nicht anwesend", warf sie kurz ein, da es ihr alles andere als nett erschien wie gesprochen wurde.
Nachdem sie Alan's Frage hörte wurde sie allerdings hellhörig. Sie hob ihren Blick von der Pfanne und sah nach hinten zu David. Wieso war sie nicht selbst darauf gekommen? Der Gedanke war zwar abwegig, aber dennoch nicht auszuschließen.
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Beitrag von Elli So Sep 08 2013, 15:13

Sich nach wie vor im Hintergrund haltend und den Wortwechsel so gut wie möglich verfolgend, konnte Melinda nicht umhin, im Schutze ihrer Kapuze zu lächeln. Natürlich hatte sie nicht damit gerechnet, Charles, im wahrsten Sinne des Wortes, in die Arme zu laufen, aber die Situation hätte sich gar nicht besser entwickeln können. Ebenso wie Robert angemerkt hatte, Norly nicht zu unterschätzen, sollte man nicht den Fehler begehen, die Bauernschläue einer Hure ins falsche Licht zu rücken. Ab dem Moment an, als Charles gefragt hatte, ob er ihre Bekanntschaft kennen lernen könne, hatte sich in Melindas Kopf ein Plan zusammen gesponnen. Was dazu führte, dass selbst ihre innere Stimme momentan schwieg und sie vorrangig ein Gedanke beherrscht – Es lief alles nach Plan.
Obwohl es klar war, dass weder Robert noch Charles dazu im Stand gewesen wären, ihren Gesichtsausdruck zu sehen, verzichtete sie lieber darauf ihr Lächeln beizubehalten.
Charles wechselte beim Gespräch immer wieder zwischen der Sprache die Melinda nicht verstand und auch nicht dazu in der Lage war zu benennen. Sie überschlug im Kopf Gespräche mit Humpty Dumpty um Rückschlüsse ziehen zu können, welche Sprachen er beherrschte. Doch auf eine Lösung kam sie nicht wirklich. Sie widerstand dem Drang mit ihrem Fingernagel gegen die Schneidezähne zu tippen, Humpty kannte ihre Körperbewegungen zu gut, als das er dieses Verhalten nicht erkennen und zuordnen könnte. Meist geschah diese Bewegung unbewusst, aber aufgrund des unangenehmen Wetters und der damit einhergehende kühle Temperatur, wollte sie ihre Hände ohnehin lieber im inneren ihres Mantels behalten.

Als Charles seine Gesundheit ansprach, antworte er zum einzigen Mal in deutscher Sprache "Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, die eine will sich von der andern trennen: die eine hält in derber Liebeslust sich an die Welt mit klammernden Organen; die andre hebt gewaltsam sich vom Dust zu den Gefilden hoher Ahnen." Sein Körper entsprach nicht seinem Geist. Ein vitaler Geist, im Körper eines Krüppels.
Robert lauschte den weiteren Worten Norlys ohne sich groß zu regen. Das meiste was Charles sagte, nahm er auf und verarbeitete es, ohne eine jegliche Reaktion. Das hatte er schon immer gemacht, er wartete lieber ab und hörte zu. Natürlich entging ihm die Tatsache, wie sein Gegenüber immer wieder auf Bone blickte nicht, zu lange hatte er Menschen beobachtet, als das er glauben könnte, dass er nur vor diesem einen speziellen Hund hatte. Eine Anmerkung von Norly kommentierte er dann doch auf Englisch, wie schon die ganze Zeit. “Mr. Norly, sehen Sie, wenn Melly von irgendeinem Menschen keine Höflichkeit erwartet, dann von mir. Bei Ihnen allerdings, geht man doch davon aus. Auch wenn Sie als Mörder verschrieen sind, hören und sehen Sie sich selbst zu? Ihnen liegt so viel an ihrem Auftreten, dass ich nicht glauben kann, sie würden keinen Wert auf Etikette legen.“
Dass dieser sich bereits zum Gehen gewandt hatte, störte den vermeintlichen Penner keineswegs, er wusste, dass er die Worte gehört haben würde. Nicht zuletzt, weil Bone ein letztes Bellen erklingen ließ, als Charles sich anschickte den Schutz der Brücke zu verlassen.
Melinda blickte ihm trotz der Aufforderung zuerst einen Moment nach und blickte ihren alten Freund an, der sich schon wieder eine Zigarette anzündete. “Kannst du dieses Kraut nicht wenigstens NICHT rauchen, wenn ich in der Nähe bin? Das riecht schauderhaft.“
“Das Kraut sollte deine geringste Sorge sein. Was läuft da mit Scarface? Ein Kunde von dir? Ich dachte immer du würdest dich nicht unter Wert verkaufen.“
Melinda biss die Zähne zusammen und zog sich ruckartig die Kapuze vom Kopf. “Er ist kein Kunde.“ presste sie hervor.
Ein Lachen erklang. “Da weiß man nicht wer nun irrer ist. Er weil er sich mit dir eingelassen hat oder du weil du dich mit ihm einlässt.  Nicht ganz bei Trost - verloren noch dazu.“
Nun war es an Melinda zu lachen. Obwohl der Regen noch immer laut dröhnte, senkte sie ihre Stimme und flüsterte nun eher. “Ich war schon am Tag meiner Geburt verloren. Im Gegensatz zu dir, habe ich keine Laufbahn unter der britischen Krone vorzuweisen. “
Robert erwiderte nichts, warf jedoch die Zigarette von sich. Bone verfolgte das Glimmen in der Dunkelheit, bevor er mit einem schnaufenden Seufzer seinen massigen Kopf auf den Boden sinken ließ. Im Schein des Feuers konnte Melinda ihr Gegenüber lächeln sehen. “Pass gut auf dich auf, Kleine.“ Sie nickte, zog sich die Kapuze wieder auf den Kopf und folgte Charles hinaus in den Regen.
Er hat dich ‘meine Liebe‘ genannt. Uhlalalalala!
Sie musste ihre Schritte beschleunigen um aufschließen zu können. Obwohl er ihr nicht weit voraus war, war sie etwas außer Atem, als sie eben ihm ankam. “Sind Sie zufrieden mit ihrer neuen Bekanntschaft, Charles?“
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Beitrag von Umbra Mo Sep 09 2013, 13:52

David Stimmung ließ sich durch Alans geringfügige Einlenkung offenbar nicht aufbessern. Dass der junge Kutscher noch sauer war, war ihm anzusehen, denn einfach weiterzureden würde das vorhergegangene Ereignis wohl nicht einfach bereinigen. Dass Alan ihn „Hugo“ nannte, machte die Sache nicht sonderlich besser.
Allerdings glitt Davids Blick ihn Johannas Richtung, als Alan ihn fragte, ob er Norlys Sohn sei, bevor er antwortete.
„Sie sind zwar nicht der Erste, der das denkt“, brummte David, wieder Alan mit einem missgelaunten Blick fixierend, „aber: Nein, bin ich nicht.“
Er begann damit, die Zeitungsseiten wieder aufzulesen, die auf dem Boden gelandet waren, und sich ordnungsgemäß wieder zu vereinen.
„Ich heiße David, David Bell, und ich war mal sein Assistent, nichts weiter“, stellte er klar und fuhr sogleich damit fort, Charles vor Alan zu verteidigen – aber auch, wie gewünscht, zu erklären, warum er „so an Norly hing“.
„Wenn‘se ihn kennen würden, würden‘se nicht schlecht von ihm sprechen. Er‘s ein guter und gerechter Mensch und ich verdanke ihm sehr viel. Ich erinnere mich nicht an meine Eltern. Sie starben, als ich noch sehr jung war, und der Büttel brachte mich hierher, nach Maybrick Manor, da es da noch ein Heim war. Ich habe 'nen Großteil meiner Kindheit hier verbracht oder auf der Straße, weil ich’s hier kaum ausgehalten habe. Die alte Mitchell war ‘ne verdammte Hexe, hat uns Kinder ausgebeutet, uns zu schwerer Arbeit gezwungen, und für die ält’ren Jungs musst‘ ich klauen – aber Mr. Norly hat mich davor bewahrt, im Arbeitshaus, im Knast oder endgültig auf der Straße zu enden.“
Davids Stimme blieb ruhig. Sie zeugte davon, dass er ernst meinte, was er sagte. Er kannte Charles seit seiner Kindheit und auch wenn er verneinte, dessen Sohn zu sein, war es dennoch offensichtlich, dass er zu ihm wie ein Sohn zu seinem Vater aufsah.
„Ich durfte für ihn persönlich arbeiten und ihn auf Geschäftsreisen begleiten“, erzählte David und nun lächelte er kurz. Er nahm seinen Revolver vom Tisch und steckte ihn ein. Anstatt sich zu Alan an den Tisch zu setzen, platzierte er die inzwischen wieder komplette Zeitung auf der Küchenarbeitsfläche. David lehnte sich locker und mit verschränkten Armen an diese – ohne Johanna dabei im Weg zu sein, denn Platz bot diese Küche genug.
„Mag sein, dass er manchmal etwas eigen ist, doch er hat mich immer anständig behandelt. Mir hat’s an nichts gefehlt und ich hab‘ viel von ihm gelernt – zum Beispiel, dass die Größe und Stärke eines Mannes nicht daran gemessen wird, wie schnell und effektiv er zur Faust greift“, griff David nun seine Kritik an Alan auf und seine Stimme nahm einen strengen Unterton an.
„Und dass man sich von Leuten wie Ihnen nicht von seinen Zielen abbringen lassen darf. Mr. Norly ist ein Mann von Ehre und der mutigste, den ich kenn‘. Nur weil er eine gewaltfreie Lösung vorzieht, heißt’s nicht, dass er anders nicht gewinnen würd‘. Sie unterschätzen ihn und halten ihn für ‘nen alternden Dandy, aber Sie werden schon sehen, dass er‘s nicht ist. Genauso wie er noch sehen wird, dass er mit Ihnen auf’s falsche Pferd setzt. Sie sind das Großmaul“, korrigierte der junge Kutscher, „– und wenn‘se klug sind, legen’ses besser nicht drauf an, Mr. Norly zu verärgern. Auch seine Gutmütigkeit kennt Grenzen. Wie ich das seh‘, haben’se Glück, dass er Sie noch nicht dem Yard überlassen hat.“
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