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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
+2
Umbra
Leo
6 verfasser
Seite 7 von 9
Seite 7 von 9 • 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9
Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Charles folgte den Beschreibungen seines Gesprächspartners, der sich bereitwillig zeigte, die Orte aus seinen Erzählungen auf der Karte zu zeigen, höchst interessiert. Er musste sich eingestehen, dass er den doch recht grob wirkenden Schotten etwas unterschätzt hatte – oder zumindest anders eingeschätzt. Allen Muskeln zum Trotz, schien er doch ein Kerl mit Köpfchen zu sein. Zwar konnte Charles noch nicht einschätzen, ob das, was dieser Mann hier erzählte, der Wahrheit entsprach, schließlich schien ein nicht geringer Teil der Informationen von Alan Stirling zu stammen (oder vielleicht auch von irgendwem anders – wer wusste das schon?), aber der Inhalt war so vielversprechend, dass er sich darauf einlassen wollte. Eine mysteriöse Maschine, die gesprengt worden war? Alan hatte das Feuer in Hills Haus gelegt. Gut möglich, dass dieser Mr. C ihn damit beauftragt hatte, sollte es zutreffen, dass der Brand dafür benutzt wurde, um Aufmerksamkeit von der Maschine abzulenken. Dieses Szenario klang sogar ziemlich sinnig... Man hatte Charles in den letzten Tagen schmerzlich unter die Nase gerieben, dass man ihn verfolgte und beobachtete. Sicher hatte man ihn dann auch dabei beobachtet, wie er Alan verfolgt und beobachtet hatte... Alan und die anderen. Es war gut möglich, dass man den Burschen angeheuert hatte, um Charles die Suppe zu versalzen. Mr. Hyde hatte man niedergeschossen. Mr. Lived war nach dem ersten Treffen unauffindbar gewesen – vielleicht hatte man ihn ebenfalls beseitigt. Die Botschaft dahinter war Charles nicht entgangen: man schätzte es nicht, dass er sich Hilfe suchte. Dennoch war er hier mit Menschen zusammen, die bereitwillig das Risiko eingingen, damit ihm Gerechtigkeit widerfuhr. Dafür war er dankbar. Leider konnte er sich aber nicht sicher sein, ob nicht noch mehr von Mr. Cs Spitzeln unter seinen Begleitern weilten.
Dass man über Charles‘ Schritte gut informiert war, musste aber nicht bedeuten, dass es so war. Mit genug Kapazitäten war es kein Ding der Unmöglichkeit, ihn zu beobachten und zu belauschen, ohne dass er es merkte. Der Schotte hatte Recht damit, dass es sehr viel Einfluss benötigte, um derart mit Charles umzuspringen. Es konnte auch sehr gut sein, dass er seinen Gegnern in die Arme spielte, indem er sich verhielt, wie er sich verhielt, anstatt sich zu stellen. Aber so lebensmüde war er dann nun auch wieder nicht. Er hing an seinem Leben – da war er etwas eigen. Selbstmord lag ihm fern... zumindest fern genug, um ihn zu meiden, wenn es denn ging. Er würde damit nichts Sinnvolles bewirken. Diejenigen, die ihm Scarface antaten, würden sich nach ihm andere Opfer für ihre Spielchen suchen. Charles hatte nicht vor, sie damit durchkommen zu lassen. Der Schotte mochte es „Stolz“ nennen, aber was wusste der schon darüber? Momentan war es für Charles das Wichtigste, sich selbst nicht zu verlieren, denn viel mehr war ihm nicht geblieben. Das Luftschiff mochte auffällig gewesen sein, aber es hätte auch genauso gut unbemerkt bleiben können. Nach wie vor hielt Charles an der Meinung fest, dass es die beste Möglichkeit gewesen war, nach London zu reisen. Der Zug war nach dem Desaster am Bahnhof von Manchester keine Option mehr gewesen. Übriggeblieben wäre, abgesehen davon, kein anderer Weg, der für die ganze Gruppe zumutbar gewesen wäre.
Charles kommentierte die Kritik an der Reise mit der Endeavour dementsprechend mit einem mürrischen, kurzen „Hm“, bevor er weiterhin den Finger des Mannes auf der Karte verfolgte. Der Standort der Maschine hatte für Charles keine Aussagekraft gehabt – er hatte keine Ahnung, welche Industrien dort in der Gegend im Einzelnen angesiedelt waren. Einzelne Betriebe dort waren ihm sicher ein Begriff, aber das müsste er sich in Natura ansehen, um zu einer klaren Erkenntnis zu kommen. Auch wenn der Schotte sich keinen Reim aus den Überresten der Maschine machen konnte, wusste Charles, dass es bei ihm vielleicht anders aussah. Und selbst, wenn nicht, mussten sich irgendwo Hinweise auf den Zweck der Apparatur finden lassen. Oder zumindest Hinweise auf den Besitzer. Alan war ein Anlaufpunkt, den Charles hierzu fest mit in seine Planung setzte. Einmal abgesehen davon, dass er ohnehin gedachte, ein Wörtchen mit diesem verräterischen Tunichtgut zu reden, wusste Alan womöglich mehr über die Maschine und auch über Mr. C. Es wunderte Charles zwar, dass Stirling noch freien Fußes durch die Stadt torkelte (vielleicht hatte man ihn ja inzwischen festgenommen), aber zumindest deckte sich der Ort, an dem der Schotte auf Alan getroffen sein wollte, mit der Gegend, in der Alan sich auch in den letzten Wochen immer herumgetrieben hatte, als Charles ihn beobachtet hatte. Die Erzählung davon, dass Alan aggressiv reagiert hatte, überraschte Charles jedenfalls nicht. Er selbst hatte den sicheren Weg gewählt, um Alan in Hills Haus... einzuladen. Gegen solch unberechenbarere Charaktere war es durchaus ein Vorteil, für Umstände zu sorgen, in denen man eindeutig die Oberhand hatte.
Charles selbst versuchte, sich unberechenbar zu verhalten. Dies klappte, offensichtlich, nicht mit vollkommenem Erfolg, aber zumindest konnte er den Yard auf Abstand halten, und dies war schon einmal hilfreich. Dass er damit anderen Gegnern in die Karten spielte, war leider unvermeidbar. Es war nicht so, dass Charles gern Kompromisse einging. Er versuchte, das Beste aus der aktuellen Situation zu machen. Es war wenig tröstlich, dass er dabei nicht der Einzige war, mit dem man Spielchen spielte – allerdings würde es vielleicht helfen, Licht ins Dunkel zu bringen. Deswegen nahm Charles den Zettel auf, den der Schotte hervorgeholt und auf den Stadtplan hatte fallen lassen. Es war nichts Auffälliges daran – abgesehen von den Ziffern. Charles sagte diese Zahl als Ganzes oder auch die Abfolge der einzelnen Nummern nichts. Vielleicht war es eine codierte Nachricht, vielleicht auch eine Adresse. Vielleicht ein Längen- oder Breitengrad... ohne das passende Gegenstück konnte man wenig damit anfangen, zumal Charles schätzte, dass sich in diesem Fall der Ort entweder in Russland, China oder Indien oder im nördlichen Polarkreis befinden musste. Ergab das Sinn? Wenn dies ein Hinweis war, der für Charles persönlich bestimmt war, möglicherweise. Er hatte nicht unerhebliche Zeit seines Lebens in Asien verbracht – und war dort nicht unerheblich angeeckt... hier und dort. Charles beschloss für sich, diesen Gedanken mithilfe einer detaillierten Weltkarte zu überprüfen. Vermutlich brauchte er den zweiten Grad nicht, wenn er entlang des ersten auf irgendetwas stoßen würde, das ihn zu einer Erkenntnis brachte. Diese Gedanken sprach er jedoch nicht aus, er prägte sich lediglich die Zahl ein, bevor er vom Zettel aufsah.
Sein Blick wanderte zum Schotten, auf dem er einen Moment lang ruhte, bevor Charles sich tatsächlich dazu imstande fühlte, ein ehrliches Lächeln auf seine Lippen zu bringen. Die letzten Tage, besonders die letzten Stunden, waren furchtbar gewesen, allerdings gewährte Charles seiner Hoffnung, wieder zu keimen. Nun hatte er wieder ein konkretes Ziel, auf das er sich fokussieren konnte. Möglicherweise hatte das Fischen im Trüben hiermit ein Ende.
„Sind Sie sich bewusst, welche Tragweite Ihre Worte haben?“, fragte er, die Niedergeschlagenheit komplett verbannend, denn nun sah er genug positive Ablenkung vor sich. Natürlich war ihm bewusst, dass er sich nur auf Vorbehalt freuen konnte, aber er spürte, dass ihn allein die Aussicht auf eine Spur mit neuer Energie versah.
„Wenn es stimmt, was Sie mir hier gerade erzählt haben...“, begann er, entschloss sich dann aber gegen allzu lange Ausführungen und beschränkte sich auf: „Das ist die vielversprechendste Spur seit Wochen.“
Dann hielt er kurz nachdenklich inne. Es formten sich neue Pläne hinter seiner Stirn und er versuchte, sie zu sortieren. Dabei hatte er nicht das Gefühl, dass die nicht unbeträchtliche Menge Alkohol, die er in den letzten Minuten regelrecht inhaliert hatte, ihn beeinträchtigte. Nein, die angenehme Leichtigkeit war beflügelnd. Dass Charles seine Gedanken dann ausformulierte, half ihm, das Essentielle zusammenzufassen – die Ausarbeitung von Details musste Schritt für Schritt erfolgen, sobald sich mehr Hinweise zuammenfanden. Am vielversprechendsten war es wohl, sich die Schmierblattautoren vorzunehmen, die Lügen verbreiteten. Dazu müsste man sie erst einmal ausfindig machen – aber das war, sollte die Zerstörung dieser mysteriösen Maschine wirklich vertuscht worden sein, ein Leichtes. Bei anderen Vertuschungsaktionen, falls sie stattgefunden hatten, musste erst einmal herausgefunden werden, dass sie stattgefunden hatten. Das war der problematische Teil.
„In London gehören Mord und andere Untaten zur Tagesordnung“, überlegte Charles. „Es wird nicht einfach sein, anhand von Zeitungsberichten ein Muster aufzudecken... erst recht nicht, wenn dort falsche Tatsachen berichtet werden. Aber wenn es ein Muster gibt, werde ich es finden.“
Da war er sich sicher. Wurde mit den Scarface-Morden von anderen Ereignissen abgelenkt, so mussten sie jeweils in zeitlicher Nähe stattgefunden haben. Außerdem mussten sie irgendwie miteinander zusammenhängen – vielleicht ja sogar mit den Opfern der Morde. Es taten sich leider viele Möglichkeiten auf, aber Charles spürte aufkommende Erregung in sich. Ja, dies konnte wirklich etwas Großes sein.
„Verschleierungen hinterlassen Spuren“, erklärte er seine Zuversicht. „Man braucht Geld oder Druckmittel, um die Presse zu beeinflussen. Das ist viel einfacher, als Sie denken. Erst recht, wenn man keine Skrupel besitzt, so wie diese Leute. Wenn sich im Zuge der Ermittlungen weitere Spuren auftun und wir erst einmal wissen, wonach genau wir Ausschau halten müssen, wird es ein Leichtes sein, weitere verdächtige Artikel zu identifizieren. Und dann klopfen wir bei den entsprechenden Journalisten an die Tür. Es wird viel Arbeit sein, jedoch wird sie sich auszahlen, sollten Sie richtigliegen.“
Charles wandte sich an dieser Stelle erneut der Stadtkarte zu, die er mit unruhigen Blick überflog. Er hatte Orte der Scarface-Morde dort markiert, wie auch wichtige Punkte, die er im Laufe seiner Untersuchungen hatte festhalten wollen, um ihre Position im Stadtbild visuell vor Augen zu haben. Momentan achtete er aber weniger auf die Markierungen, sondern suchte sich einen guten Weg Richtung Lambeth aus.
„Für den Anfang hat ein Gegner schon einmal einen Namen“, redete er währenddessen weiter, „... im weitesten Sinne.“
Ein einziger Buchstabe war von einem Namen noch entfernt, aber es war ein Anfang und half, Mut zu schöpfen. Es war ein Fortschritt.
„Wer genau dieser C ist, werde ich schon noch herausfinden“, versprach Charles, vielleicht zum Teil sich selbst. „Und diese Maschine, sie kann das Verbindungsstück sein, das fehlt, um mir aus der Sache einen Reim zu machen. Man wird sie nicht ohne Grund zerstört haben. Ja.“
Er nickte. Das klang schlüssig.
Charles war froh, wieder in London zu sein. Endlich hatte er das Gefühl, nicht mehr auf der Stelle zu treten. Als er sich nun erneut seinem Gesprächspartner zuwandte, hielt er diesem anbietend den Zettel mit der Nummer entgegen.
„Ich danke Ihnen.“ Er begleitete dies mit einem fast schon zufriedenem Schmunzeln, bevor er abrupt seinen Tonfall wechselte, der nun einen ernsteren und ungeduldigeren Ausdruck annahm: „Und nun raus. Raus hier, los!“
Er machte eine scheuchende Geste mit der freien Hand in Richtung Tür.
„Wir sollten keine Zeit verlieren. Ich muss mich ankleiden. Suchen Sie sich derweil schon einmal einen anderen Mantel – Ihrer ist ziemlich durchweicht.“
Da Melinda es scheinbar vorzog, nicht auf Dr. Taylor zu reagieren, sondern erst einmal nur zu beobachten, wandte dieser sich mit voller Aufmerksamkeit Randolph zu, der das Gespräch fortführte. Für die Bemerkung, den Yard direkt vor dem Gesicht zu haben, erntete Randolph einen skeptischen Blick, wenn auch Taylor davon sich nicht beleidigt zu fühlen schien, sondern eine eher positive Ausstrahlung zeigte. Taylor wartete höflich, bis Randolph ausgeredet hatte, bevor er seinerseits das Wort ergriff.
„Ich versichere Ihnen“, stellte er mit einem sanften Lächeln, das seine Lippen umspielte, klar, „dass ich keineswegs zum Yard gehöre. Dass ich derzeit für den Yard tätig bin, leugne ich nicht, aber das ist eine Formalität, keine Lebenseinstellung. Sie kennen das ja: ein Arzt kann sich nicht aussuchen, wer seine Hilfe benötigt. Aber in diesem Fall“, ergänzte er, schulterzuckend, „hat es für Sie vielleicht Vorteile – immerhin könnte es sein, dass Sie durch mich einen Fuß in der Tür haben. Wir werden sehen.“
An dieser Stelle kam Bewegung in Taylor. Er löste seine verschränkten Arme und überprüfte noch einmal, ungeduldig wirkend, die Position der Zeiger auf seiner Taschenuhr.
„Nun, verschwenden wir nicht unnötig viel Zeit“, sagte er währenddessen und wies in Richtung Couch, auf der Melinda sich eben noch eingekuschelt hatte. „Setzen Sie sich und krempeln Sie das Hosenbein hoch. Wir können weiterreden, während ich Sie versorge.“
Er selbst holte sich einen Stuhl vom Tisch heran, und zwinkerte Melinda etwas schelmisch zu, als er ihr dabei recht nahekam. Taylor stellte den Stuhl vor die Couch, setzte sich und klopfte auffordernd mit flacher Hand auf sein Knie, um Randolph zu deuten, sein Bein dort hochzulegen.
Sobald Taylor wartete, griff er Randolph abschließende Frage nach dem Kennenlernen von Charles auf.
„Charles‘ und meine Wege kreuzten sich schon das ein oder andere Mal“, erzählte Taylor im lockeren Plauderton. „Hätten Sie mich vor einiger Zeit gefragt, hätte ich mich wohl zu seinen Vertrauten gezählt, aber inzwischen bin ich mir da nicht mehr ganz so sicher. Sie haben ja bemerkt, wie er mir ausweicht. Das erste Mal trafen wir uns hier in London, wenn ich mich recht erinnere. Ich weiß gar nicht mehr, zu welchem Anlass. Allerdings erinnere ich mich gut, dass ich ihn damals unausstehlich fand.“
Er lachte. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich jemals so viel Nerv und Zeit aufbringen könnte, um mich in seiner Nähe aufzuhalten, so viel, wie er redet. Als ich später aber gezwungen war, mich mit ihm auseinanderzusetzen, weil die Arbeit es erforderte, freundeten wir uns, wider aller Erwartung, an.“
Dass man über Charles‘ Schritte gut informiert war, musste aber nicht bedeuten, dass es so war. Mit genug Kapazitäten war es kein Ding der Unmöglichkeit, ihn zu beobachten und zu belauschen, ohne dass er es merkte. Der Schotte hatte Recht damit, dass es sehr viel Einfluss benötigte, um derart mit Charles umzuspringen. Es konnte auch sehr gut sein, dass er seinen Gegnern in die Arme spielte, indem er sich verhielt, wie er sich verhielt, anstatt sich zu stellen. Aber so lebensmüde war er dann nun auch wieder nicht. Er hing an seinem Leben – da war er etwas eigen. Selbstmord lag ihm fern... zumindest fern genug, um ihn zu meiden, wenn es denn ging. Er würde damit nichts Sinnvolles bewirken. Diejenigen, die ihm Scarface antaten, würden sich nach ihm andere Opfer für ihre Spielchen suchen. Charles hatte nicht vor, sie damit durchkommen zu lassen. Der Schotte mochte es „Stolz“ nennen, aber was wusste der schon darüber? Momentan war es für Charles das Wichtigste, sich selbst nicht zu verlieren, denn viel mehr war ihm nicht geblieben. Das Luftschiff mochte auffällig gewesen sein, aber es hätte auch genauso gut unbemerkt bleiben können. Nach wie vor hielt Charles an der Meinung fest, dass es die beste Möglichkeit gewesen war, nach London zu reisen. Der Zug war nach dem Desaster am Bahnhof von Manchester keine Option mehr gewesen. Übriggeblieben wäre, abgesehen davon, kein anderer Weg, der für die ganze Gruppe zumutbar gewesen wäre.
Charles kommentierte die Kritik an der Reise mit der Endeavour dementsprechend mit einem mürrischen, kurzen „Hm“, bevor er weiterhin den Finger des Mannes auf der Karte verfolgte. Der Standort der Maschine hatte für Charles keine Aussagekraft gehabt – er hatte keine Ahnung, welche Industrien dort in der Gegend im Einzelnen angesiedelt waren. Einzelne Betriebe dort waren ihm sicher ein Begriff, aber das müsste er sich in Natura ansehen, um zu einer klaren Erkenntnis zu kommen. Auch wenn der Schotte sich keinen Reim aus den Überresten der Maschine machen konnte, wusste Charles, dass es bei ihm vielleicht anders aussah. Und selbst, wenn nicht, mussten sich irgendwo Hinweise auf den Zweck der Apparatur finden lassen. Oder zumindest Hinweise auf den Besitzer. Alan war ein Anlaufpunkt, den Charles hierzu fest mit in seine Planung setzte. Einmal abgesehen davon, dass er ohnehin gedachte, ein Wörtchen mit diesem verräterischen Tunichtgut zu reden, wusste Alan womöglich mehr über die Maschine und auch über Mr. C. Es wunderte Charles zwar, dass Stirling noch freien Fußes durch die Stadt torkelte (vielleicht hatte man ihn ja inzwischen festgenommen), aber zumindest deckte sich der Ort, an dem der Schotte auf Alan getroffen sein wollte, mit der Gegend, in der Alan sich auch in den letzten Wochen immer herumgetrieben hatte, als Charles ihn beobachtet hatte. Die Erzählung davon, dass Alan aggressiv reagiert hatte, überraschte Charles jedenfalls nicht. Er selbst hatte den sicheren Weg gewählt, um Alan in Hills Haus... einzuladen. Gegen solch unberechenbarere Charaktere war es durchaus ein Vorteil, für Umstände zu sorgen, in denen man eindeutig die Oberhand hatte.
Charles selbst versuchte, sich unberechenbar zu verhalten. Dies klappte, offensichtlich, nicht mit vollkommenem Erfolg, aber zumindest konnte er den Yard auf Abstand halten, und dies war schon einmal hilfreich. Dass er damit anderen Gegnern in die Karten spielte, war leider unvermeidbar. Es war nicht so, dass Charles gern Kompromisse einging. Er versuchte, das Beste aus der aktuellen Situation zu machen. Es war wenig tröstlich, dass er dabei nicht der Einzige war, mit dem man Spielchen spielte – allerdings würde es vielleicht helfen, Licht ins Dunkel zu bringen. Deswegen nahm Charles den Zettel auf, den der Schotte hervorgeholt und auf den Stadtplan hatte fallen lassen. Es war nichts Auffälliges daran – abgesehen von den Ziffern. Charles sagte diese Zahl als Ganzes oder auch die Abfolge der einzelnen Nummern nichts. Vielleicht war es eine codierte Nachricht, vielleicht auch eine Adresse. Vielleicht ein Längen- oder Breitengrad... ohne das passende Gegenstück konnte man wenig damit anfangen, zumal Charles schätzte, dass sich in diesem Fall der Ort entweder in Russland, China oder Indien oder im nördlichen Polarkreis befinden musste. Ergab das Sinn? Wenn dies ein Hinweis war, der für Charles persönlich bestimmt war, möglicherweise. Er hatte nicht unerhebliche Zeit seines Lebens in Asien verbracht – und war dort nicht unerheblich angeeckt... hier und dort. Charles beschloss für sich, diesen Gedanken mithilfe einer detaillierten Weltkarte zu überprüfen. Vermutlich brauchte er den zweiten Grad nicht, wenn er entlang des ersten auf irgendetwas stoßen würde, das ihn zu einer Erkenntnis brachte. Diese Gedanken sprach er jedoch nicht aus, er prägte sich lediglich die Zahl ein, bevor er vom Zettel aufsah.
Sein Blick wanderte zum Schotten, auf dem er einen Moment lang ruhte, bevor Charles sich tatsächlich dazu imstande fühlte, ein ehrliches Lächeln auf seine Lippen zu bringen. Die letzten Tage, besonders die letzten Stunden, waren furchtbar gewesen, allerdings gewährte Charles seiner Hoffnung, wieder zu keimen. Nun hatte er wieder ein konkretes Ziel, auf das er sich fokussieren konnte. Möglicherweise hatte das Fischen im Trüben hiermit ein Ende.
„Sind Sie sich bewusst, welche Tragweite Ihre Worte haben?“, fragte er, die Niedergeschlagenheit komplett verbannend, denn nun sah er genug positive Ablenkung vor sich. Natürlich war ihm bewusst, dass er sich nur auf Vorbehalt freuen konnte, aber er spürte, dass ihn allein die Aussicht auf eine Spur mit neuer Energie versah.
„Wenn es stimmt, was Sie mir hier gerade erzählt haben...“, begann er, entschloss sich dann aber gegen allzu lange Ausführungen und beschränkte sich auf: „Das ist die vielversprechendste Spur seit Wochen.“
Dann hielt er kurz nachdenklich inne. Es formten sich neue Pläne hinter seiner Stirn und er versuchte, sie zu sortieren. Dabei hatte er nicht das Gefühl, dass die nicht unbeträchtliche Menge Alkohol, die er in den letzten Minuten regelrecht inhaliert hatte, ihn beeinträchtigte. Nein, die angenehme Leichtigkeit war beflügelnd. Dass Charles seine Gedanken dann ausformulierte, half ihm, das Essentielle zusammenzufassen – die Ausarbeitung von Details musste Schritt für Schritt erfolgen, sobald sich mehr Hinweise zuammenfanden. Am vielversprechendsten war es wohl, sich die Schmierblattautoren vorzunehmen, die Lügen verbreiteten. Dazu müsste man sie erst einmal ausfindig machen – aber das war, sollte die Zerstörung dieser mysteriösen Maschine wirklich vertuscht worden sein, ein Leichtes. Bei anderen Vertuschungsaktionen, falls sie stattgefunden hatten, musste erst einmal herausgefunden werden, dass sie stattgefunden hatten. Das war der problematische Teil.
„In London gehören Mord und andere Untaten zur Tagesordnung“, überlegte Charles. „Es wird nicht einfach sein, anhand von Zeitungsberichten ein Muster aufzudecken... erst recht nicht, wenn dort falsche Tatsachen berichtet werden. Aber wenn es ein Muster gibt, werde ich es finden.“
Da war er sich sicher. Wurde mit den Scarface-Morden von anderen Ereignissen abgelenkt, so mussten sie jeweils in zeitlicher Nähe stattgefunden haben. Außerdem mussten sie irgendwie miteinander zusammenhängen – vielleicht ja sogar mit den Opfern der Morde. Es taten sich leider viele Möglichkeiten auf, aber Charles spürte aufkommende Erregung in sich. Ja, dies konnte wirklich etwas Großes sein.
„Verschleierungen hinterlassen Spuren“, erklärte er seine Zuversicht. „Man braucht Geld oder Druckmittel, um die Presse zu beeinflussen. Das ist viel einfacher, als Sie denken. Erst recht, wenn man keine Skrupel besitzt, so wie diese Leute. Wenn sich im Zuge der Ermittlungen weitere Spuren auftun und wir erst einmal wissen, wonach genau wir Ausschau halten müssen, wird es ein Leichtes sein, weitere verdächtige Artikel zu identifizieren. Und dann klopfen wir bei den entsprechenden Journalisten an die Tür. Es wird viel Arbeit sein, jedoch wird sie sich auszahlen, sollten Sie richtigliegen.“
Charles wandte sich an dieser Stelle erneut der Stadtkarte zu, die er mit unruhigen Blick überflog. Er hatte Orte der Scarface-Morde dort markiert, wie auch wichtige Punkte, die er im Laufe seiner Untersuchungen hatte festhalten wollen, um ihre Position im Stadtbild visuell vor Augen zu haben. Momentan achtete er aber weniger auf die Markierungen, sondern suchte sich einen guten Weg Richtung Lambeth aus.
„Für den Anfang hat ein Gegner schon einmal einen Namen“, redete er währenddessen weiter, „... im weitesten Sinne.“
Ein einziger Buchstabe war von einem Namen noch entfernt, aber es war ein Anfang und half, Mut zu schöpfen. Es war ein Fortschritt.
„Wer genau dieser C ist, werde ich schon noch herausfinden“, versprach Charles, vielleicht zum Teil sich selbst. „Und diese Maschine, sie kann das Verbindungsstück sein, das fehlt, um mir aus der Sache einen Reim zu machen. Man wird sie nicht ohne Grund zerstört haben. Ja.“
Er nickte. Das klang schlüssig.
Charles war froh, wieder in London zu sein. Endlich hatte er das Gefühl, nicht mehr auf der Stelle zu treten. Als er sich nun erneut seinem Gesprächspartner zuwandte, hielt er diesem anbietend den Zettel mit der Nummer entgegen.
„Ich danke Ihnen.“ Er begleitete dies mit einem fast schon zufriedenem Schmunzeln, bevor er abrupt seinen Tonfall wechselte, der nun einen ernsteren und ungeduldigeren Ausdruck annahm: „Und nun raus. Raus hier, los!“
Er machte eine scheuchende Geste mit der freien Hand in Richtung Tür.
„Wir sollten keine Zeit verlieren. Ich muss mich ankleiden. Suchen Sie sich derweil schon einmal einen anderen Mantel – Ihrer ist ziemlich durchweicht.“
Da Melinda es scheinbar vorzog, nicht auf Dr. Taylor zu reagieren, sondern erst einmal nur zu beobachten, wandte dieser sich mit voller Aufmerksamkeit Randolph zu, der das Gespräch fortführte. Für die Bemerkung, den Yard direkt vor dem Gesicht zu haben, erntete Randolph einen skeptischen Blick, wenn auch Taylor davon sich nicht beleidigt zu fühlen schien, sondern eine eher positive Ausstrahlung zeigte. Taylor wartete höflich, bis Randolph ausgeredet hatte, bevor er seinerseits das Wort ergriff.
„Ich versichere Ihnen“, stellte er mit einem sanften Lächeln, das seine Lippen umspielte, klar, „dass ich keineswegs zum Yard gehöre. Dass ich derzeit für den Yard tätig bin, leugne ich nicht, aber das ist eine Formalität, keine Lebenseinstellung. Sie kennen das ja: ein Arzt kann sich nicht aussuchen, wer seine Hilfe benötigt. Aber in diesem Fall“, ergänzte er, schulterzuckend, „hat es für Sie vielleicht Vorteile – immerhin könnte es sein, dass Sie durch mich einen Fuß in der Tür haben. Wir werden sehen.“
An dieser Stelle kam Bewegung in Taylor. Er löste seine verschränkten Arme und überprüfte noch einmal, ungeduldig wirkend, die Position der Zeiger auf seiner Taschenuhr.
„Nun, verschwenden wir nicht unnötig viel Zeit“, sagte er währenddessen und wies in Richtung Couch, auf der Melinda sich eben noch eingekuschelt hatte. „Setzen Sie sich und krempeln Sie das Hosenbein hoch. Wir können weiterreden, während ich Sie versorge.“
Er selbst holte sich einen Stuhl vom Tisch heran, und zwinkerte Melinda etwas schelmisch zu, als er ihr dabei recht nahekam. Taylor stellte den Stuhl vor die Couch, setzte sich und klopfte auffordernd mit flacher Hand auf sein Knie, um Randolph zu deuten, sein Bein dort hochzulegen.
Sobald Taylor wartete, griff er Randolph abschließende Frage nach dem Kennenlernen von Charles auf.
„Charles‘ und meine Wege kreuzten sich schon das ein oder andere Mal“, erzählte Taylor im lockeren Plauderton. „Hätten Sie mich vor einiger Zeit gefragt, hätte ich mich wohl zu seinen Vertrauten gezählt, aber inzwischen bin ich mir da nicht mehr ganz so sicher. Sie haben ja bemerkt, wie er mir ausweicht. Das erste Mal trafen wir uns hier in London, wenn ich mich recht erinnere. Ich weiß gar nicht mehr, zu welchem Anlass. Allerdings erinnere ich mich gut, dass ich ihn damals unausstehlich fand.“
Er lachte. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich jemals so viel Nerv und Zeit aufbringen könnte, um mich in seiner Nähe aufzuhalten, so viel, wie er redet. Als ich später aber gezwungen war, mich mit ihm auseinanderzusetzen, weil die Arbeit es erforderte, freundeten wir uns, wider aller Erwartung, an.“
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Norlys Frage hätte Bruce sofort mit einem bestimmten Nein beantworten können. Er wusste was er persönlich vermutete, doch er wusste kaum etwas, was Charles Norly hütete und was zweifellos nötig war, licht in die Vorkommnisse zu bringen.
Charles hatte sicher Recht damit, dass es nicht so einfach sein würde, anhand der Zeitungsberichte auf eine heiße Spur zu kommen, doch dachte er dabei bereits einen Schritt weiter, als Bruce bisher in Erwägung gezogen hatte. Auf die Journalisten der Artikel zuzugehen, war natürlich ein Zweischneidiges Schwert. Spätestens in diesem Moment würden die Verschwörer ganz sicher wissen, dass man ihren Plänen auf die Spur kam und sie würden wohl entsprechend Reagieren.
Vor dem geistigen Auge des Schotten baute sich bereits ein blutiges Bild von einer Journalistenwohnung auf, zu der sie zu spät kämen und die, wie vorherige Morde auch, als Schauplatz eines weiteren Scarfaceverbrechens in die Geschichte Londons eingehen würden. Bruce hatte Mühe, den maskenhaften Ausdruck zu bewahren, als Mr Norly ihm seinen Dank aussprach. Selbst wenn er nicht wusste, ob er dem Rechten geholfen hatte, so hatte Bruce doch erreicht, was er sich vorgenommen hatte und den Mann noch dazu für den Moment aus seiner Depression gezogen. Es tat gut, die Person, zu der Bruce sich vielleicht zu verbissen Parallelen gesucht hatte, wieder mit Kampfgeist in den Augen zu sehen. Anstatt etwas zu entgegnen, oder gar mit einem Lächeln zu antworten, sah man nur die Kiefermuskulatur des Boxers sichtlich arbeiten, gefolgt von einem knappen nicken.
Auf die plötzliche Aufbruchstimmung Mr. Norlys war er dabei doch nicht gefasst gewesen und ließ sich widerstandslos, wie ein Dienstbote aus dem Raum scheuchen, wobei er seinen Mantel nur noch fester hielt, als dieser erwähnt wurde. Ganz sicher würde er sich keinen neuen suchen. Dieses Kleidungsstück war mehr wert, als alles andere, was sich Bruce in den letzten Jahren geleistet hatte und auch wenn er schon einiges mitmachen musste, war er mit Sicherheit hochwertiger, als jeder Fetzen, den man in dem Theater finden mochte.
Bruce stolperte vor die Tür von Norlys Zimmer und bog mehr oder minder aufgescheucht einfach in das nächste freie Zimmer daneben ein. Ihm war schleierhaft, ob Charles tatsächlich gedachte, noch in den tiefen Nachtstunden wider aufzubrechen, nachdem die meisten seiner Leute wohl gerade erst eingeschlafen waren, aber zumindest bis die Unklarheit beseitigt war, beschloss er, die Glieder kurz zu entspannen. Die Decke die Bruce in seinem Raum fand, breitete er auf dem Boden aus und legte den Mantel mit möglichst viel Fläche darauf, dass die Feuchtigkeit etwas daraus gesogen würde. Er selbst legte sich auf die Couch, die ihm etwas zu klein war um sich völlig zu strecken und richtete den Blick auf die Tür. An Schlaf war im Moment nicht zu denken, dafür war die Situation bei weitem zu abenteuerlich. Was würde als nächstes geschehen? War er selbst gegenüber Norlys Feinden noch ein Unbekannter? Falls ja, war es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis dem nicht mehr so war. Dieser Taylor arbeitete nicht alleine und seine Interessen schienen recht schleierhaft, doch er gab als alter bekannter von Norly einen guten Spion ab. Haken daran war eigentlich nur, dass er offenbar bisher nur wenig Kontakt zu der Gruppe gehabt hatte und daher kaum alle Vorhaben nach außen getragen haben konnte. Beim Rest der Gruppe war Vorsicht geboten. Taten würden verraten, was Worte nicht konnten. Früher oder später würde sich ein Spion schon verraten. Bruce atmete tief durch. Ihm war auf seltsame Art bewusst, dass ihn dieses verrückte Abenteuer leicht das Leben kosten konnte. Paradoxer Weise fühlte er sich dabei gerade jetzt erst wieder richtig lebendig, seitdem ihn die Stadt durchgekaut und ausgespuckt hatte.
Charles hatte sicher Recht damit, dass es nicht so einfach sein würde, anhand der Zeitungsberichte auf eine heiße Spur zu kommen, doch dachte er dabei bereits einen Schritt weiter, als Bruce bisher in Erwägung gezogen hatte. Auf die Journalisten der Artikel zuzugehen, war natürlich ein Zweischneidiges Schwert. Spätestens in diesem Moment würden die Verschwörer ganz sicher wissen, dass man ihren Plänen auf die Spur kam und sie würden wohl entsprechend Reagieren.
Vor dem geistigen Auge des Schotten baute sich bereits ein blutiges Bild von einer Journalistenwohnung auf, zu der sie zu spät kämen und die, wie vorherige Morde auch, als Schauplatz eines weiteren Scarfaceverbrechens in die Geschichte Londons eingehen würden. Bruce hatte Mühe, den maskenhaften Ausdruck zu bewahren, als Mr Norly ihm seinen Dank aussprach. Selbst wenn er nicht wusste, ob er dem Rechten geholfen hatte, so hatte Bruce doch erreicht, was er sich vorgenommen hatte und den Mann noch dazu für den Moment aus seiner Depression gezogen. Es tat gut, die Person, zu der Bruce sich vielleicht zu verbissen Parallelen gesucht hatte, wieder mit Kampfgeist in den Augen zu sehen. Anstatt etwas zu entgegnen, oder gar mit einem Lächeln zu antworten, sah man nur die Kiefermuskulatur des Boxers sichtlich arbeiten, gefolgt von einem knappen nicken.
Auf die plötzliche Aufbruchstimmung Mr. Norlys war er dabei doch nicht gefasst gewesen und ließ sich widerstandslos, wie ein Dienstbote aus dem Raum scheuchen, wobei er seinen Mantel nur noch fester hielt, als dieser erwähnt wurde. Ganz sicher würde er sich keinen neuen suchen. Dieses Kleidungsstück war mehr wert, als alles andere, was sich Bruce in den letzten Jahren geleistet hatte und auch wenn er schon einiges mitmachen musste, war er mit Sicherheit hochwertiger, als jeder Fetzen, den man in dem Theater finden mochte.
Bruce stolperte vor die Tür von Norlys Zimmer und bog mehr oder minder aufgescheucht einfach in das nächste freie Zimmer daneben ein. Ihm war schleierhaft, ob Charles tatsächlich gedachte, noch in den tiefen Nachtstunden wider aufzubrechen, nachdem die meisten seiner Leute wohl gerade erst eingeschlafen waren, aber zumindest bis die Unklarheit beseitigt war, beschloss er, die Glieder kurz zu entspannen. Die Decke die Bruce in seinem Raum fand, breitete er auf dem Boden aus und legte den Mantel mit möglichst viel Fläche darauf, dass die Feuchtigkeit etwas daraus gesogen würde. Er selbst legte sich auf die Couch, die ihm etwas zu klein war um sich völlig zu strecken und richtete den Blick auf die Tür. An Schlaf war im Moment nicht zu denken, dafür war die Situation bei weitem zu abenteuerlich. Was würde als nächstes geschehen? War er selbst gegenüber Norlys Feinden noch ein Unbekannter? Falls ja, war es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis dem nicht mehr so war. Dieser Taylor arbeitete nicht alleine und seine Interessen schienen recht schleierhaft, doch er gab als alter bekannter von Norly einen guten Spion ab. Haken daran war eigentlich nur, dass er offenbar bisher nur wenig Kontakt zu der Gruppe gehabt hatte und daher kaum alle Vorhaben nach außen getragen haben konnte. Beim Rest der Gruppe war Vorsicht geboten. Taten würden verraten, was Worte nicht konnten. Früher oder später würde sich ein Spion schon verraten. Bruce atmete tief durch. Ihm war auf seltsame Art bewusst, dass ihn dieses verrückte Abenteuer leicht das Leben kosten konnte. Paradoxer Weise fühlte er sich dabei gerade jetzt erst wieder richtig lebendig, seitdem ihn die Stadt durchgekaut und ausgespuckt hatte.
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Charles folgte dem Schotten bis zur Tür und schloss diese hinter ihm. Es war erstaunlich, wie auf welch effektive Weise ein Fünkchen Hoffnung die Lebensgeister wieder zurückbringen konnte. Die Erschöpfung saß Charles zwar immer noch in den Knochen, aber irgendwie nahm er sie nun nicht mehr so bewusst wahr wie zuvor. Er war schon immer überzeugt davon gewesen, dass nichts besser die Müdigkeit vertrieb als ein Ziel, auf das man sich fokussieren konnte. Für ihn kam es nun auch gar nicht infrage, sich auszuruhen. Zeit war in seiner Situation zu wertvoll, um sie zu vertrödeln, und außerdem war er gerade auch zu aufgewühlt, um hier untätig herumzusitzen, während draußen in Lambeth Antworten warteten.
Eilig stapfte Charles zum Tisch zurück, auf dem sein Koffer ausgebreitet lag, und ließ die Decke unterdessen einfach zu Boden gleiten. Er brauchte beide Hände frei, um sich anzuziehen. Inzwischen war ihm nicht mehr so kalt, dass er zitterte, und da er nun gedachte, schnellstmöglich in trockene Kleidung zu schlüpfen, war die kühle Luft auf seiner nackten Haut noch erträglich. Viel unangenehmer war da die Eiseskälte, die sich an von seinen Fußsohlen aus an seinen Beinen hinaufkletterte. Er begann mit seinem noch trockenen Ersatzhandschuh, um die Prothese zu verdecken, und widmete sich dann dem Rest.
Wenige Minuten später (jedoch einige mehr als ein nüchterner Mann mit zwei gesunden Händen gebraucht hätte) fühlte Charles sich wieder einigermaßen vorzeigbar. Der etwas trübe Spiegel am Schminktisch zeigte zwar das Bild eines unrasierten, erschöpften Mannes, dem sein edler Maßanzug (diesmal eine dunkelgraue Variante mit waldgrüner Weste) nicht mehr wie angegossen passte, weil er in letzter Zeit einiges an Gewicht abgenommen hatte, und seine Nase empfand, dass ein leicht modriger Geruch von Teichwasser ihn noch immer umgab, aber angesichts der Umstände... Nur zu gern hätte Charles ein Bad genossen und sich der sprießenden Stoppeln in seinem Gesicht angenommen, aber fürs Erste musste ein wenig Rasierwasser reichen, um zumindest seinen Geruchssinn zufriedenzustellen. Für ein Raschen Durchkämmen seiner noch feuchten Haare und für einen letzten Schluck aus der Whiskyflasche nahm er sich zusätzlich Zeit, bevor er sein Messer an seinem Gürtel befestigte, den Revolver in seinen Hosenbund steckte und auch noch etwas Ersatzmunition in seiner Hosentasche verschwinden ließ. Damit war er für den Aufbruch bereit – fast zumindest. Ein Ersatzmantel wäre wohl praktisch. Und ein, zwei Dinge, die sich noch in den Taschen seines eigenen Mantels befinden dürften. Aber da wurde er in diesem Raum bekanntlich nicht fündig. Charles löschte die Lampe und griff nach seinem Zylinder, während er den Raum verließ und zurück auf den Flur trat.
Hier draußen war es einigermaßen ruhig. Die Versammlung hatte sich offensichtlich aufgelöst. Dennoch waren die Räumlichkeiten hellhörig genug, um aus mehreren Richtungen gedämpfte Geräusche wahrzunehmen. Charles steuerte gezielt auf das Zimmer zu, in das er Melinda gebracht hatte – und in dem sich sein Mantel befand. Von dort aus fiel auch Licht in den Flur und der Klang einer Stimme verriet, dass zumindest Drew sich dort befand und mit irgendwem unterhielt. Ohne zu versuchen, zu verstehen, was Taylor da von sich gab, ging Charles weiter und fand sich nach wenigen Metern vor Ort wieder. Er hielt im Türrahmen kurz inne und ließ seinen Blick einmal über die Anwesenden schweifen. Melinda hatte es sich im Sessel bequem gemacht (zum Glück schien es auch ihr wieder besser zu gehen) und Drew war offenbar im Begriff, Dr. Tremaine zu versorgen.
„Du hast dich also wieder beruhigt“, stellte Taylor fest – in einem trockenen Ton, der Charles ein wenig reizte, aber er überging das einfach.
Charles war sich den verwunderten und fragenden Blicken bewusst, die plötzlich auf ihm ruhten, als er derart hineinplatzte, aber er zögerte nicht lange, sondern trat ein und widmete sich, nachdem er seinen Zylinder aus der Hand gelegt hatte, dem Stapel aus Decken und Mänteln auf der Couch, um ihn nach seinem Hab und Gut zu durchsuchen.
„Du hast jetzt nicht ernsthaft vor, noch einmal nach draußen zu gehen?“, fuhr Drew, deutlich missbilligend, hinzu. „Du bist doch betrunken.“
War das so offensichtlich? Charles war sich dessen nicht bewusst. Er hatte nicht das Gefühl, dass seine Bewegungen allzu fahrig waren, Geschweige denn, dass er lallte. Die Leichtigkeit des Alkohols war ein angenehm motivierendes Gefühl. Sicherlich hatte er sich vollkommen im Griff! Dennoch hatte es wohl keinen Sinn, abzustreiten, dass er sich ein kleines Schlückchen genehmigt hatte.
„Aber ich sehe ausgesprochen klar“, erwiderte Charles deswegen mit einem Hauch ungehaltenem Trotz im Tonfall. Inzwischen hatte er seinen Mantel gefunden und kontrollierte die Taschen, deren Inhalt er auf seine Hosen- und Jacketttaschen verteilte. „Mische dich da nicht. Ich habe eine neue, heiße Spur.“
Eilig stapfte Charles zum Tisch zurück, auf dem sein Koffer ausgebreitet lag, und ließ die Decke unterdessen einfach zu Boden gleiten. Er brauchte beide Hände frei, um sich anzuziehen. Inzwischen war ihm nicht mehr so kalt, dass er zitterte, und da er nun gedachte, schnellstmöglich in trockene Kleidung zu schlüpfen, war die kühle Luft auf seiner nackten Haut noch erträglich. Viel unangenehmer war da die Eiseskälte, die sich an von seinen Fußsohlen aus an seinen Beinen hinaufkletterte. Er begann mit seinem noch trockenen Ersatzhandschuh, um die Prothese zu verdecken, und widmete sich dann dem Rest.
Wenige Minuten später (jedoch einige mehr als ein nüchterner Mann mit zwei gesunden Händen gebraucht hätte) fühlte Charles sich wieder einigermaßen vorzeigbar. Der etwas trübe Spiegel am Schminktisch zeigte zwar das Bild eines unrasierten, erschöpften Mannes, dem sein edler Maßanzug (diesmal eine dunkelgraue Variante mit waldgrüner Weste) nicht mehr wie angegossen passte, weil er in letzter Zeit einiges an Gewicht abgenommen hatte, und seine Nase empfand, dass ein leicht modriger Geruch von Teichwasser ihn noch immer umgab, aber angesichts der Umstände... Nur zu gern hätte Charles ein Bad genossen und sich der sprießenden Stoppeln in seinem Gesicht angenommen, aber fürs Erste musste ein wenig Rasierwasser reichen, um zumindest seinen Geruchssinn zufriedenzustellen. Für ein Raschen Durchkämmen seiner noch feuchten Haare und für einen letzten Schluck aus der Whiskyflasche nahm er sich zusätzlich Zeit, bevor er sein Messer an seinem Gürtel befestigte, den Revolver in seinen Hosenbund steckte und auch noch etwas Ersatzmunition in seiner Hosentasche verschwinden ließ. Damit war er für den Aufbruch bereit – fast zumindest. Ein Ersatzmantel wäre wohl praktisch. Und ein, zwei Dinge, die sich noch in den Taschen seines eigenen Mantels befinden dürften. Aber da wurde er in diesem Raum bekanntlich nicht fündig. Charles löschte die Lampe und griff nach seinem Zylinder, während er den Raum verließ und zurück auf den Flur trat.
Hier draußen war es einigermaßen ruhig. Die Versammlung hatte sich offensichtlich aufgelöst. Dennoch waren die Räumlichkeiten hellhörig genug, um aus mehreren Richtungen gedämpfte Geräusche wahrzunehmen. Charles steuerte gezielt auf das Zimmer zu, in das er Melinda gebracht hatte – und in dem sich sein Mantel befand. Von dort aus fiel auch Licht in den Flur und der Klang einer Stimme verriet, dass zumindest Drew sich dort befand und mit irgendwem unterhielt. Ohne zu versuchen, zu verstehen, was Taylor da von sich gab, ging Charles weiter und fand sich nach wenigen Metern vor Ort wieder. Er hielt im Türrahmen kurz inne und ließ seinen Blick einmal über die Anwesenden schweifen. Melinda hatte es sich im Sessel bequem gemacht (zum Glück schien es auch ihr wieder besser zu gehen) und Drew war offenbar im Begriff, Dr. Tremaine zu versorgen.
„Du hast dich also wieder beruhigt“, stellte Taylor fest – in einem trockenen Ton, der Charles ein wenig reizte, aber er überging das einfach.
Charles war sich den verwunderten und fragenden Blicken bewusst, die plötzlich auf ihm ruhten, als er derart hineinplatzte, aber er zögerte nicht lange, sondern trat ein und widmete sich, nachdem er seinen Zylinder aus der Hand gelegt hatte, dem Stapel aus Decken und Mänteln auf der Couch, um ihn nach seinem Hab und Gut zu durchsuchen.
„Du hast jetzt nicht ernsthaft vor, noch einmal nach draußen zu gehen?“, fuhr Drew, deutlich missbilligend, hinzu. „Du bist doch betrunken.“
War das so offensichtlich? Charles war sich dessen nicht bewusst. Er hatte nicht das Gefühl, dass seine Bewegungen allzu fahrig waren, Geschweige denn, dass er lallte. Die Leichtigkeit des Alkohols war ein angenehm motivierendes Gefühl. Sicherlich hatte er sich vollkommen im Griff! Dennoch hatte es wohl keinen Sinn, abzustreiten, dass er sich ein kleines Schlückchen genehmigt hatte.
„Aber ich sehe ausgesprochen klar“, erwiderte Charles deswegen mit einem Hauch ungehaltenem Trotz im Tonfall. Inzwischen hatte er seinen Mantel gefunden und kontrollierte die Taschen, deren Inhalt er auf seine Hosen- und Jacketttaschen verteilte. „Mische dich da nicht. Ich habe eine neue, heiße Spur.“
Umbra- Tiefseemonster
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Randolph kam den Forderungen seines Doktorkollegen nur äußerst missmutig nach. Mit Sicherheit wäre er auch selbst dazu in der Lage gewesen den Verband zu wechseln, dass hätte jeder Dilettant hinbekommen. Aber er ließ den Mann gewähren. Immer noch hatte er die Hoffnung nicht aufgegeben etwas Sinnvolles aus dem Mann herauszubekommen.
Wie erwartet ging Taylor tatsächlich auf seine Frage ein, wie er Charles kennengelernt hatte; wie erwartet antwortete er dabei aber auch wirklich so schwammig wie es nur möglich war. Randolph bezweifelte nicht, dass Taylor in der Lage gewesen wäre diesen Sachverhalt sehr präzise zu formulieren, Ärzte konnten das einfach. Vermutlich wusste er auch noch sehr gut, wie er ihn kennengelernt hatte. Nichtsdestotrotz - das Gesagte konnte sich vielleicht bereits als hilfreich herausstellen und eventuell wäre Randolph in der Lage noch mehr aus dem Mann herauszukitzeln.
"Weil die Arbeit es erforderte...was er ihr Patient?", hakte Randolph mit hochgezogener Augenbraue nach. Bevor er eine Antwort bekommen konnte, wurden Schritte auf dem Flur laut und Charles höchst selbst kam Ihnen entgegen. Für einige Augenblicke hielt sich Randolph zurück und observierte erst einmal die Situation, folgte dem Gespräch dieser beiden alten Vertrauten.
Als sich Charles aber zum Aufbruch bereit machte, mischte er sich mit schneidender Stimme ein: "Sind Sie sicher, dass das nun eine kluge Idee ist? Die Straßen werden immer noch abgesucht und wir sind heute bereits in relativer Nähe von Leuten des Yard entdeckt worden. Egal wie heiß ihre Spur sein mag, Mr. Norly, vielleicht ist es das Beste sie für heute Abend ruhen zu lassen."
Wie erwartet ging Taylor tatsächlich auf seine Frage ein, wie er Charles kennengelernt hatte; wie erwartet antwortete er dabei aber auch wirklich so schwammig wie es nur möglich war. Randolph bezweifelte nicht, dass Taylor in der Lage gewesen wäre diesen Sachverhalt sehr präzise zu formulieren, Ärzte konnten das einfach. Vermutlich wusste er auch noch sehr gut, wie er ihn kennengelernt hatte. Nichtsdestotrotz - das Gesagte konnte sich vielleicht bereits als hilfreich herausstellen und eventuell wäre Randolph in der Lage noch mehr aus dem Mann herauszukitzeln.
"Weil die Arbeit es erforderte...was er ihr Patient?", hakte Randolph mit hochgezogener Augenbraue nach. Bevor er eine Antwort bekommen konnte, wurden Schritte auf dem Flur laut und Charles höchst selbst kam Ihnen entgegen. Für einige Augenblicke hielt sich Randolph zurück und observierte erst einmal die Situation, folgte dem Gespräch dieser beiden alten Vertrauten.
Als sich Charles aber zum Aufbruch bereit machte, mischte er sich mit schneidender Stimme ein: "Sind Sie sicher, dass das nun eine kluge Idee ist? Die Straßen werden immer noch abgesucht und wir sind heute bereits in relativer Nähe von Leuten des Yard entdeckt worden. Egal wie heiß ihre Spur sein mag, Mr. Norly, vielleicht ist es das Beste sie für heute Abend ruhen zu lassen."
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Wieder einmal hatte Melly nichts zu tun, als zu beobachten. Sie wusste nicht so recht wohin mit sich, noch was sie in der Situation machen sollte. Sie konnte weder ein Gespräch mit Randolph führen, auch wenn es vielleicht sogar vergebene Liebesmüh gewesen wäre, noch hätte sie überhaupt gewusst was sie hätte sagen sollen, auch wenn sie das Gefühl hatte, dass sie dringend miteinander reden müssten. Doch immer wenn sie etwas derartiges erwogen hätte, dass sie mit irgendjemandem dringend hätte reden müssen, hatte sich die Sache meist kurz darauf erledigt. Entweder hatte sie die Betroffenen nie wieder gesehen, da sie mit ihr nichts mehr zu tun haben wollten oder verschwanden einfach gänzlich von der Bildfläche. Als Charles in die Situation platze und man sich dagegen aussprach, dass er das Haus verlassen sollte, überlegte sie daher nicht lange.
Sie stand auf, auch wenn ihre Beine noch immer etwas taub von der Kälte waren.
"Alleine sollte von uns ohnehin niemand mehr auf der Straße sein. Weder bei Tages- noch zu Nachtzeit."
Na? Angst das dir das Mäuschen entwischt? Dann mal hopphopp. Krallen schärfen und ab auf die Straße
Wer wohl kannte sich des Nächten besser auf den Straßen Londons aus, als eine Hure? Wer konnte besser bereits am Gang einer anderen Person erkennen ob es sich um einen Polizisten handelte, als jemand der schon so oft darauf hereingefallen war?
Wer kannte mehr Fluchtwege, als jemand der ständig auf einen angewiesen war?
Selbst wenn Charles es ihr verweigern würde mitzukommen, würde sie einen Weg finden ihm zu folgen.
Die Nacht in diesem staubigen Sessel zu warten, was der Morgen bringen würde stand nicht auf ihrem Tagesplan.
Sie stand auf, auch wenn ihre Beine noch immer etwas taub von der Kälte waren.
"Alleine sollte von uns ohnehin niemand mehr auf der Straße sein. Weder bei Tages- noch zu Nachtzeit."
Na? Angst das dir das Mäuschen entwischt? Dann mal hopphopp. Krallen schärfen und ab auf die Straße
Wer wohl kannte sich des Nächten besser auf den Straßen Londons aus, als eine Hure? Wer konnte besser bereits am Gang einer anderen Person erkennen ob es sich um einen Polizisten handelte, als jemand der schon so oft darauf hereingefallen war?
Wer kannte mehr Fluchtwege, als jemand der ständig auf einen angewiesen war?
Selbst wenn Charles es ihr verweigern würde mitzukommen, würde sie einen Weg finden ihm zu folgen.
Die Nacht in diesem staubigen Sessel zu warten, was der Morgen bringen würde stand nicht auf ihrem Tagesplan.
Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Unruhig drehte Gilbert die Flausche Laudanum in seiner Hand herum und betrachtete diese gedankenverloren. Was war nur in der letzten Zeit passiert? Es fühlte sich so an, als wären Wochen, nein Monate, vergangen. Dabei konnten es gerade einmal ein paar Tage gewesen sein. Sicher war er sich da noch nicht einmal mehr. Waren es zwei oder drei Tage gewesen? Eigentlich spielte es überhaupt keine Rolle. Er war einfach nur müde und erschöpft. Es war allerdings nicht unbedingt sein Körper, der Ruhe brauchte - auch wenn er ihn in letzter Zeit so sehr beansprucht hatte, wie schon lange nicht mehr. Er hatte Dinge getan, die andere Menschen sich nicht einmal vorstellen würden. Wer konnte schon von sich behaupten, aus einem brennenden, unter Beschuss stehenden Luftschiff gesprungen zu sein und diesen Absprung auch noch zu überlebt zu haben? Niemand außerhalb dieser Gruppe, würde er schätzen. Ein einmaliges Erlebnis. Eines auf das er allerdings auch gut hätte verzichten können.
Es war mehr sein Geist und seine Seele, der Gilbert im Inneren wenn man so mochte, der eine Auszeit brauchte. Von einem einfachen Maler mit einigen Problemen aber einem doch meist lebenswerten Dasein, bis zu einem gesuchten Kriminellen, der jede Sekunde seines jämmerlichen Lebens fürchten musste, gefangen zu werden und dann den Strick zu bekommen. Er sah sich schon selbst in seinen Gedanken. Zuckend, um sein Leben kämpfend und Halt suchend. Doch vergeblich. Die Zuckungen verschwanden und dann hing er nur noch da. Ein Stück Fleisch. Ein Stück formgegebene Gerechtigkeit. Eigentlich hatte er es verdient. Er hatte verbotene Dinge getan. Menschen verletzt. Einem möglichen Serienmörder geholfen. Mit seinen vergangenen Verbrechen - seinem Vater gegenüber - durfte er gar nicht erst anfangen. Er war schon immer ein Mörder gewesen. Der Strick war noch zu gut für ihn. Alles schlechte, was ihm gerade widerfuhr, hatte er verdient. Am besten er machte einfach weiter und verblutete elendig nach einer Schießerei.
Er blinzelte und schüttelte dann heftig den Kopf. Nein, so durfte er gar nicht anfangen zu denken. "Was ist nur los mit dir?" Die Flasche Laudanum in seiner Hand schien etwas Frieden zu versprechen. Ruhe und Entspannung. Geschwind wurde das Fläschchen entkorkt. Er nahm einen kleinen Schluck davon. Nicht sehr schön, einfach so aus der Flasche zu trinken aber im Moment war ihm das egal. Sofort verschloss er die Flasche wieder. Er wollte keinen Rausch hervorrufen, sondern nur für etwas Entspannung sorgen. Ohne sich in irgendeiner Weise auf das Schlafengehen vorzubereiten - hier gab es ja sowieso keine Möglichkeiten - legte er sich auf die Couch und deckte sich mit zwei Mänteln zu. So lag er da und wartete darauf, dass ihn der Alkohol und das Opium in eine Traumwelt trugen. Er wartete und wartete und wartete. Doch der Schlaf erreichte ihn nie.
Seine Gedanken kreisten einfach immer wieder um seine Situation und dann waren da noch die Gespräche, die er zwar nicht verstehen aber dennoch gut hören konnte. Einige Minuten versuchte der Maler so einzuschlafen aber ohne Erfolg. Das Laudanum machte ihn zwar schläfrig aber es reichte nicht, um gegen seine angegriffene Psyche und seine Gedanken anzukommen. So entschied sich Gil schließlich dazu, noch einmal aufzustehen. Etwas verschlafen - was man ihm auch durch das zerzauste Haar und die schlecht sitzende Kleidung auch ansah - öffnete er schließlich die Tür und folgte den Stimmen. Er konnte noch einige Wortfetzen verstehen und konnte sich so denken, dass Norly noch einen kleinen Spaziergang machen wollte. Gilbert lehnte sich in den Türrahmen, strich sich einmal über das Gesicht, um den Schlaf zu vertreiben und sah dann den vermeintlichen Killer an. "Wenn sie da noch einmal rausgehen, komme ich mit." Die Worte verließen schneller seinen Mund, als er sie überhaupt gedacht hatte. "Sie haben mir etwas versprochen und das Letzte was ich will ist, dass sie jetzt gefangen genommen oder schlimmer noch, gehängt werden." Er strich sich nachdenklich über seinen Schnurrbart. "Besser wäre es natürlich, wenn wir das auf morgen verschieben können. Sie sind von allen hier am stärksten angeschlagen und brauchen dringend Ruhe." Gilberts Augen formten sich zu Schlitzen, als er Norly kritisch ansah. "Wann war das letzte Mal, dass sie geschlafen haben?" Bevor er antworten konnte, fügte er noch etwas hinzu. "Mehr als zwei, drei Stunden."
Es war mehr sein Geist und seine Seele, der Gilbert im Inneren wenn man so mochte, der eine Auszeit brauchte. Von einem einfachen Maler mit einigen Problemen aber einem doch meist lebenswerten Dasein, bis zu einem gesuchten Kriminellen, der jede Sekunde seines jämmerlichen Lebens fürchten musste, gefangen zu werden und dann den Strick zu bekommen. Er sah sich schon selbst in seinen Gedanken. Zuckend, um sein Leben kämpfend und Halt suchend. Doch vergeblich. Die Zuckungen verschwanden und dann hing er nur noch da. Ein Stück Fleisch. Ein Stück formgegebene Gerechtigkeit. Eigentlich hatte er es verdient. Er hatte verbotene Dinge getan. Menschen verletzt. Einem möglichen Serienmörder geholfen. Mit seinen vergangenen Verbrechen - seinem Vater gegenüber - durfte er gar nicht erst anfangen. Er war schon immer ein Mörder gewesen. Der Strick war noch zu gut für ihn. Alles schlechte, was ihm gerade widerfuhr, hatte er verdient. Am besten er machte einfach weiter und verblutete elendig nach einer Schießerei.
Er blinzelte und schüttelte dann heftig den Kopf. Nein, so durfte er gar nicht anfangen zu denken. "Was ist nur los mit dir?" Die Flasche Laudanum in seiner Hand schien etwas Frieden zu versprechen. Ruhe und Entspannung. Geschwind wurde das Fläschchen entkorkt. Er nahm einen kleinen Schluck davon. Nicht sehr schön, einfach so aus der Flasche zu trinken aber im Moment war ihm das egal. Sofort verschloss er die Flasche wieder. Er wollte keinen Rausch hervorrufen, sondern nur für etwas Entspannung sorgen. Ohne sich in irgendeiner Weise auf das Schlafengehen vorzubereiten - hier gab es ja sowieso keine Möglichkeiten - legte er sich auf die Couch und deckte sich mit zwei Mänteln zu. So lag er da und wartete darauf, dass ihn der Alkohol und das Opium in eine Traumwelt trugen. Er wartete und wartete und wartete. Doch der Schlaf erreichte ihn nie.
Seine Gedanken kreisten einfach immer wieder um seine Situation und dann waren da noch die Gespräche, die er zwar nicht verstehen aber dennoch gut hören konnte. Einige Minuten versuchte der Maler so einzuschlafen aber ohne Erfolg. Das Laudanum machte ihn zwar schläfrig aber es reichte nicht, um gegen seine angegriffene Psyche und seine Gedanken anzukommen. So entschied sich Gil schließlich dazu, noch einmal aufzustehen. Etwas verschlafen - was man ihm auch durch das zerzauste Haar und die schlecht sitzende Kleidung auch ansah - öffnete er schließlich die Tür und folgte den Stimmen. Er konnte noch einige Wortfetzen verstehen und konnte sich so denken, dass Norly noch einen kleinen Spaziergang machen wollte. Gilbert lehnte sich in den Türrahmen, strich sich einmal über das Gesicht, um den Schlaf zu vertreiben und sah dann den vermeintlichen Killer an. "Wenn sie da noch einmal rausgehen, komme ich mit." Die Worte verließen schneller seinen Mund, als er sie überhaupt gedacht hatte. "Sie haben mir etwas versprochen und das Letzte was ich will ist, dass sie jetzt gefangen genommen oder schlimmer noch, gehängt werden." Er strich sich nachdenklich über seinen Schnurrbart. "Besser wäre es natürlich, wenn wir das auf morgen verschieben können. Sie sind von allen hier am stärksten angeschlagen und brauchen dringend Ruhe." Gilberts Augen formten sich zu Schlitzen, als er Norly kritisch ansah. "Wann war das letzte Mal, dass sie geschlafen haben?" Bevor er antworten konnte, fügte er noch etwas hinzu. "Mehr als zwei, drei Stunden."
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Taylor ließ sich von der aufkommenden Ausbruchsstimmung nicht so sehr beirren, dass er den Verbandswechsel vergaß. Seine Handgriffe wirkten geübt und effizient. Obschon unzufrieden mit Charles‘ Antwort, konnte das, was er sah, als er die blut- und wundwassergetränkten Kompressen von Randolphs Bein geschält hatte, keine weitere schlechte Überraschung sein. Denn auch Randolphs geschulter Blick kam nicht umhin zu bemerken, dass sein verwundetes Bein besser aussah als die Schmerzen vielleicht hatten erahnen lassen. Es heilte, augenscheinlich bisher ohne große Komplikationen, auch wenn die fortdauernde Belastung der Sache tatsächlich nicht zuträglich sein konnte. Taylor reinigte Ein- und Austrittswunde mit höllisch beißender Iodtinktur und verpackte alles wieder unter frischen Lagen Verbandsmaterial, während sich Melinda und auch Gilbert, der ebenfalls plötzlich in der Tür aufgetaucht war, zu Charles‘ Vorhaben äußerten.
Charles war von der überwiegenden Kritik recht unbeeindruckt. Er hatte keine Lust, hier nichtstuend zu versauern, während es ein Rätsel gab, dass es zu lösen galt. Endlich gab wieder eine konkrete Spur, die dabei helfen könnte, zu einer bahnbrechenden Erkenntnis zu kommen – und dazu noch einen konkreten Namen. Nach den verheerenden Rückschlägen der letzten Tage hatte Charles das Bedürfnis nach einem Erfolgserlebnis. Und darauf wollte er nicht warten. Mit einer fahrigen Bewegung, die ihm selbst aber nicht so vorkam, ließ er seinen feuchten, inzwischen entleerten Mantel, wieder auf den Deckenhaufen fallen.
„Schlafen kann ich immer noch, wenn es draußen hell ist“, erwiderte Charles auf Wrights Einwand, während er sich die Kleidung richtete. Es war absolut lächerlich, nun an Ruhe zu denken. Tremaines Worte überging er dabei absichtlich komplett. Die Polizei war kein Faktor, der Charles beunruhigte – im Gegenteil. Er empfand es immer als sehr erfrischend, sich mit Männern des Yards zu befassen. Inzwischen mochten die Burschen zwar, entgegen aller Tradition, mit Schusswaffen ausgerüstet sein, aber das machte sie nicht unbedingt effizienter darin, „Scarface“ zu erwischen – das hatte man vorhin erst erleben können.
„Sie müssen sich damit anfreunden, zu unchristlichen Stunden aktiv zu sein“, belehrte Charles Gilbert mit wissendem Tonfall, aber dies durften sich ruhig alle zu Herzen nehmen, „denn die Nacht ist die treuste Verbündete, die wir gegenwärtig haben. Und die Zeit“, hob er hervor, während er Gilbert, aber dann auch Dr. Tremaine und Melinda mit vom Alkohol glasigen Blick musterte, „ist unsere ärgste Feindin in diesem Spiel der Intrigen und Schatten. Wir können uns nicht leisten, sie zu vergeuden und eine Spur kalt werden zu lassen. Ich sage Ihnen“, fügte er eindringlicher hinzu, „jeder Augenblick, der sich gutmachen lässt, wird am Ende entscheidend sein. Einmal abgesehen davon, kann ich nun nicht bestimmt nicht die Ruhe finden, die Beine hochzulegen, wenn Arbeit auf mich wartet.“
„Neben Polizisten und Gatling-Guns... “, kommentierte Taylor das sofort zynisch. Er hatte, nachdem er von Randolph abgelassen hatte, den offensichtlich betrunkenen Charles, aber auch die angeschlagene Melinda und den plötzlich verdächtig motivierten Gilbert, mit kritischer Miene beäugt. Nun stand er vom Stuhl auf, um von Angesicht zu Angesicht seine Meinung preiszugeben. Charles hatte auch nicht erwartet, dass Drew es bei einem Einspruch belassen würde.
„Du, nein, Sie alle“, korrigierte Taylor sich, „haben wohl schon vergessen, was Ihnen vorhin widerfahren ist? Sie hatten großes Glück“, betonte er streng, „so unbeschadet davongekommen zu sein. Was meinen Sie wohl, was da draußen los ist? Nicht nur hier in der Gegend herrscht Ausnahmezustand – die ganze Stadt ist alarmiert. Bevor sie geschossen haben, gab es Warnsirenen und eine Ausgangssperre ist verhängt worden. Ein jeder wird von seinem Heim aus die Straßen beobachten. Und diejenigen, die sich noch auf den Straßen befinden, sind entweder Plünderer oder Ordnungshüter. Es gäbe keine Nacht, die weniger dafür geeignet wäre, sich herumzutreiben – besonders, wenn man nicht mal mehr gerade stehen kann. Herrgott, Charles!“
Nun wurde Taylor etwas lauter. Ihm war anzumerken, dass er gerade wenig Geduld mitbrachte. „Du siehst sicher nicht klar! Du bist nicht nur angetrunken, sondern hackedicht. Herzlichen Glückwunsch, dafür hast du nur wenige Minuten gebraucht!“
Aber Charles war nicht das einzige Ziel seiner Gardinenpredigt. Ohne jemand anderem die Chance zu geben, zu Wort zu kommen, fokussierte er Gilbert, auf den er mit einer unwirschen Handbewegung deutete, als er ihn ansprach.
„Und Sie... was haben Sie genommen, hm?“, erkundigte er sich rhetorisch. „Irgendein Opiat, vermutlich. Versuchen Sie erst gar nicht, es zu leugnen, das sieht man an Ihren Pupillen.“
Seine Aufmerksamkeit wanderte weiter zu Melinda.
„Und Sie, Miss, waren gerade noch kurz vor dem Kältetod. Keine gute Grundlage, um sich weiter zu verausgaben.“
Seufzend begann er, die Utensilien einzusammeln, die er für Randolphs Versorgung aus seinen Manteltaschen gefischt hatte.
„Ihr seid unvernünftig, allesamt“, stellte Taylor nochmal heraus, nun das Siezen aufgebend und einen persönlicheren Ton anschlagend. „Ihr benehmt euch wie halbwüchsige Strolche. Aber das hier ist Krieg. Man sollte meinen, dass ihr das spätestens nach eurer unsanften Landung hier begriffen habt.“
Er kniff sich entnervt in die Nasenwurzel und schüttelte dann den Kopf, um seiner mangelnden Verständnis Ausdruck zu geben.
„Ich rate dringend, auf Dr. Tremaine und mich zu hören. Das wird sonst übel für euch enden. Ihr werden euch gegenseitig das Grab schaufeln, wenn ihr so vor die Tür geht. Was wäre dadurch gewonnen?“
Charles war von der überwiegenden Kritik recht unbeeindruckt. Er hatte keine Lust, hier nichtstuend zu versauern, während es ein Rätsel gab, dass es zu lösen galt. Endlich gab wieder eine konkrete Spur, die dabei helfen könnte, zu einer bahnbrechenden Erkenntnis zu kommen – und dazu noch einen konkreten Namen. Nach den verheerenden Rückschlägen der letzten Tage hatte Charles das Bedürfnis nach einem Erfolgserlebnis. Und darauf wollte er nicht warten. Mit einer fahrigen Bewegung, die ihm selbst aber nicht so vorkam, ließ er seinen feuchten, inzwischen entleerten Mantel, wieder auf den Deckenhaufen fallen.
„Schlafen kann ich immer noch, wenn es draußen hell ist“, erwiderte Charles auf Wrights Einwand, während er sich die Kleidung richtete. Es war absolut lächerlich, nun an Ruhe zu denken. Tremaines Worte überging er dabei absichtlich komplett. Die Polizei war kein Faktor, der Charles beunruhigte – im Gegenteil. Er empfand es immer als sehr erfrischend, sich mit Männern des Yards zu befassen. Inzwischen mochten die Burschen zwar, entgegen aller Tradition, mit Schusswaffen ausgerüstet sein, aber das machte sie nicht unbedingt effizienter darin, „Scarface“ zu erwischen – das hatte man vorhin erst erleben können.
„Sie müssen sich damit anfreunden, zu unchristlichen Stunden aktiv zu sein“, belehrte Charles Gilbert mit wissendem Tonfall, aber dies durften sich ruhig alle zu Herzen nehmen, „denn die Nacht ist die treuste Verbündete, die wir gegenwärtig haben. Und die Zeit“, hob er hervor, während er Gilbert, aber dann auch Dr. Tremaine und Melinda mit vom Alkohol glasigen Blick musterte, „ist unsere ärgste Feindin in diesem Spiel der Intrigen und Schatten. Wir können uns nicht leisten, sie zu vergeuden und eine Spur kalt werden zu lassen. Ich sage Ihnen“, fügte er eindringlicher hinzu, „jeder Augenblick, der sich gutmachen lässt, wird am Ende entscheidend sein. Einmal abgesehen davon, kann ich nun nicht bestimmt nicht die Ruhe finden, die Beine hochzulegen, wenn Arbeit auf mich wartet.“
„Neben Polizisten und Gatling-Guns... “, kommentierte Taylor das sofort zynisch. Er hatte, nachdem er von Randolph abgelassen hatte, den offensichtlich betrunkenen Charles, aber auch die angeschlagene Melinda und den plötzlich verdächtig motivierten Gilbert, mit kritischer Miene beäugt. Nun stand er vom Stuhl auf, um von Angesicht zu Angesicht seine Meinung preiszugeben. Charles hatte auch nicht erwartet, dass Drew es bei einem Einspruch belassen würde.
„Du, nein, Sie alle“, korrigierte Taylor sich, „haben wohl schon vergessen, was Ihnen vorhin widerfahren ist? Sie hatten großes Glück“, betonte er streng, „so unbeschadet davongekommen zu sein. Was meinen Sie wohl, was da draußen los ist? Nicht nur hier in der Gegend herrscht Ausnahmezustand – die ganze Stadt ist alarmiert. Bevor sie geschossen haben, gab es Warnsirenen und eine Ausgangssperre ist verhängt worden. Ein jeder wird von seinem Heim aus die Straßen beobachten. Und diejenigen, die sich noch auf den Straßen befinden, sind entweder Plünderer oder Ordnungshüter. Es gäbe keine Nacht, die weniger dafür geeignet wäre, sich herumzutreiben – besonders, wenn man nicht mal mehr gerade stehen kann. Herrgott, Charles!“
Nun wurde Taylor etwas lauter. Ihm war anzumerken, dass er gerade wenig Geduld mitbrachte. „Du siehst sicher nicht klar! Du bist nicht nur angetrunken, sondern hackedicht. Herzlichen Glückwunsch, dafür hast du nur wenige Minuten gebraucht!“
Aber Charles war nicht das einzige Ziel seiner Gardinenpredigt. Ohne jemand anderem die Chance zu geben, zu Wort zu kommen, fokussierte er Gilbert, auf den er mit einer unwirschen Handbewegung deutete, als er ihn ansprach.
„Und Sie... was haben Sie genommen, hm?“, erkundigte er sich rhetorisch. „Irgendein Opiat, vermutlich. Versuchen Sie erst gar nicht, es zu leugnen, das sieht man an Ihren Pupillen.“
Seine Aufmerksamkeit wanderte weiter zu Melinda.
„Und Sie, Miss, waren gerade noch kurz vor dem Kältetod. Keine gute Grundlage, um sich weiter zu verausgaben.“
Seufzend begann er, die Utensilien einzusammeln, die er für Randolphs Versorgung aus seinen Manteltaschen gefischt hatte.
„Ihr seid unvernünftig, allesamt“, stellte Taylor nochmal heraus, nun das Siezen aufgebend und einen persönlicheren Ton anschlagend. „Ihr benehmt euch wie halbwüchsige Strolche. Aber das hier ist Krieg. Man sollte meinen, dass ihr das spätestens nach eurer unsanften Landung hier begriffen habt.“
Er kniff sich entnervt in die Nasenwurzel und schüttelte dann den Kopf, um seiner mangelnden Verständnis Ausdruck zu geben.
„Ich rate dringend, auf Dr. Tremaine und mich zu hören. Das wird sonst übel für euch enden. Ihr werden euch gegenseitig das Grab schaufeln, wenn ihr so vor die Tür geht. Was wäre dadurch gewonnen?“
Umbra- Tiefseemonster
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Seufzend ließ sich Melinda wieder auf den Sessel nieder, den sie eben schon aus ihren Gedanken gestrichen hatte. Jedoch waren die Worte die Taylor von sich gab mehr als war. Niemand hier war gerade zu etwas zu gebrauchen. Es würde Sinn machen, sich zu verstecken, sich einmal ordentlich auszuschlafen und morgen Abend die Dinge anzugehen, die es anzugehen gab. Sie alle mussten wohl etwas ihren Körper und Seele pflegen. Wie auch immer das aussehen möge.
Abgesehen von deiner romantischen Vorstellung den ganzen Tag kuschelnd im Bett zu liegen? Du kennst das doch, nach dem Fick ist vor dem Fick. Dann wirste sowieso weggeschickt.
Melinda starrte zu Boden, sich selbst bewußt dass sie dringend etwas Alkohol brauchte, denn ihre Hände zitterten nicht mehr wegen der Kälte. Auch wenn die ganze Unternehmung sie dazu gebracht hatte, weniger zu sich zu nehmen, war doch offensichtlich, dass sie nach wie vor Alkohol brauchte um den Tag zu überstehen - oder die Nacht. Sie wollte aber auch nicht nur Alkohol, sondern auch gerne etwas Laudanum zu sich nehmen um gänzlich abschalten zu können.
"Vielleicht hat Taylor, gar nicht Unrecht. Alles was heute Nacht passieren würde, kann auch nächste Nacht geschehen. Wir sollten uns alle ausruhen oder meint ihr nicht?" fragte sie in die Runde, wobei ihr Blick bei Randolph hängen blieb.
Abgesehen von deiner romantischen Vorstellung den ganzen Tag kuschelnd im Bett zu liegen? Du kennst das doch, nach dem Fick ist vor dem Fick. Dann wirste sowieso weggeschickt.
Melinda starrte zu Boden, sich selbst bewußt dass sie dringend etwas Alkohol brauchte, denn ihre Hände zitterten nicht mehr wegen der Kälte. Auch wenn die ganze Unternehmung sie dazu gebracht hatte, weniger zu sich zu nehmen, war doch offensichtlich, dass sie nach wie vor Alkohol brauchte um den Tag zu überstehen - oder die Nacht. Sie wollte aber auch nicht nur Alkohol, sondern auch gerne etwas Laudanum zu sich nehmen um gänzlich abschalten zu können.
"Vielleicht hat Taylor, gar nicht Unrecht. Alles was heute Nacht passieren würde, kann auch nächste Nacht geschehen. Wir sollten uns alle ausruhen oder meint ihr nicht?" fragte sie in die Runde, wobei ihr Blick bei Randolph hängen blieb.
Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Natürlich gab sich Norly nicht so einfach geschlagen - das wäre ja zu einfach gewesen. Seine Worte waren direkt und belehrend, was Gilbert in jeder anderen Situation wütend gemacht hätte. Doch jetzt besaß er dank des Laudanums und der Ereignisse der letzten Stunden eine gewisse Ist-mir-Scheißegal-Einstellung. Er vertrug das Opiat und den Alkohol ganz gut aber es wirkte sich dennoch auf gewisse Weise auf seinen Körper und Geist aus. Auch wenn der Maler es nicht gerne zugab: Norly hatte Recht. Sie waren schließlich alle Kriminelle - ob sie wollten oder nicht - und die waren nicht am helligen Tage unterwegs. Es mochte sich klischeehaft anhören aber die Nacht und damit verbundene Dunkelheit war wohl wirklich ihr treuster Verbündeter. Und einer, der sie nicht verraten würde.
Auch Taylors Argumente konnte Gilbert nachvollziehen. Natürlich war es Selbstmord, rauszugehen und irgendeiner heißen Spur zu folgen. Sie hatten gerade alle einen Luftschiff-Absturz überlebt. Gatling-Guns und dutzende Polizisten. Es war wirklich ein Wunder, dass niemand dabei großartig verletzt worden war. Doch was Taylor nicht verstehen konnte, war Gilberts Einstellung dazu. Er hatte sowieso nichts mehr zu verlieren. Zu einem normalen Leben würde er niemals zurückkehren können. Das Beste, was ihm jetzt noch passieren konnte, war, dass Norly sein Versprechen einhielt und ihn irgendwie außer Landes schaffte, um dort ein neues Leben beginnen zu können. Doch ob er das überhaupt wollte, war eine Frage, die er sich selbst noch nicht wirklich beantwortet hatte. Was hatte er also zu verlieren, wenn er da draußen krepierte? Machte es einen Unterschied, ob es diese Nacht oder nächste oder in zwei Wochen geschah? Nicht wirklich. Er würde für seine Taten bezahlen. So oder so.
Dass er Laudanum getrunken hatte, leugnete er nicht. Es würde kein Problem werden, da er nur eine geringe Menge zu sich genommen hatte. Doch das Norly betrunken war, war wohl tatsächlich nicht die Beste Voraussetzung. Gilbert war sich nicht wirklich sicher, ob nun der richtige Zeitpunkt war, irgendeiner heißen Spur zu folgen, oder nicht. Gerade Norly musste jetzt klar im Kopf sein und selbst wenn man vom Alkohol absah, hatte er die letzten Tage sehr, sehr vieles durchgemacht. Er brauchte vielleicht wirklich eine Pause.
"Was wäre dadurch gewonnen, hier zu bleiben?" gab er die Frage schließlich an Taylor zurück. "Ein weiterer Tag dieser Farce." beantwortete er seine Frage selbst. Seine Worte strotzten nur so von Gleichgültigkeit. "Ein weiterer Tag auf der Flucht. Ein Tag, an dem wir uns in einem gammeligen, alten Theater verstecken müssen. Was ist das denn für ein Leben?" Da es lediglich eine rhetorische Frage war, fuhr er fort. "Ich will diese Sache hinter mich bringen. Wir enden wahrscheinlich sowieso alle am Strick. Was machen da noch zwei, drei Tage für einen Unterschied?" Er ließ die Frage im Raum stehen. "Ich folge Norly, wenn er der Meinung ist, dass wir jetzt handeln müssen." Er wandte sich noch an Taylor. "Mein Konsum tut übrigens nichts zur Sache. Ich sehe die Situation nun klarer als in den letzten Tagen." Zumindest fühlte sich Gil im Moment so.
Auch Taylors Argumente konnte Gilbert nachvollziehen. Natürlich war es Selbstmord, rauszugehen und irgendeiner heißen Spur zu folgen. Sie hatten gerade alle einen Luftschiff-Absturz überlebt. Gatling-Guns und dutzende Polizisten. Es war wirklich ein Wunder, dass niemand dabei großartig verletzt worden war. Doch was Taylor nicht verstehen konnte, war Gilberts Einstellung dazu. Er hatte sowieso nichts mehr zu verlieren. Zu einem normalen Leben würde er niemals zurückkehren können. Das Beste, was ihm jetzt noch passieren konnte, war, dass Norly sein Versprechen einhielt und ihn irgendwie außer Landes schaffte, um dort ein neues Leben beginnen zu können. Doch ob er das überhaupt wollte, war eine Frage, die er sich selbst noch nicht wirklich beantwortet hatte. Was hatte er also zu verlieren, wenn er da draußen krepierte? Machte es einen Unterschied, ob es diese Nacht oder nächste oder in zwei Wochen geschah? Nicht wirklich. Er würde für seine Taten bezahlen. So oder so.
Dass er Laudanum getrunken hatte, leugnete er nicht. Es würde kein Problem werden, da er nur eine geringe Menge zu sich genommen hatte. Doch das Norly betrunken war, war wohl tatsächlich nicht die Beste Voraussetzung. Gilbert war sich nicht wirklich sicher, ob nun der richtige Zeitpunkt war, irgendeiner heißen Spur zu folgen, oder nicht. Gerade Norly musste jetzt klar im Kopf sein und selbst wenn man vom Alkohol absah, hatte er die letzten Tage sehr, sehr vieles durchgemacht. Er brauchte vielleicht wirklich eine Pause.
"Was wäre dadurch gewonnen, hier zu bleiben?" gab er die Frage schließlich an Taylor zurück. "Ein weiterer Tag dieser Farce." beantwortete er seine Frage selbst. Seine Worte strotzten nur so von Gleichgültigkeit. "Ein weiterer Tag auf der Flucht. Ein Tag, an dem wir uns in einem gammeligen, alten Theater verstecken müssen. Was ist das denn für ein Leben?" Da es lediglich eine rhetorische Frage war, fuhr er fort. "Ich will diese Sache hinter mich bringen. Wir enden wahrscheinlich sowieso alle am Strick. Was machen da noch zwei, drei Tage für einen Unterschied?" Er ließ die Frage im Raum stehen. "Ich folge Norly, wenn er der Meinung ist, dass wir jetzt handeln müssen." Er wandte sich noch an Taylor. "Mein Konsum tut übrigens nichts zur Sache. Ich sehe die Situation nun klarer als in den letzten Tagen." Zumindest fühlte sich Gil im Moment so.
Thorgrimm- Anzahl der Beiträge : 2050
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Randolph nahm die zusätzlichen Schmerzen durch die Jodtinktur in Kauf und fragte sich, als ihn die höllischen Schmerzen durchjagten, wieder einmal warum er das Ganze hier eigentlich mitmachte. Sein Blick aus schwachen, grauen Augen streifte zwischen den Personen hin und her, als sich eine Diskussion zu entspinnen begann. Anders konnte es in dieser Gruppe auch nicht funktionieren. Solche Diskussionen waren unvermeidlich wenn man täglich mit Wahn, Tod und Norlys Starrköpfigkeit konfrontiert wurde.
Auch der Doktor wollte sich nicht nehmen lassen, seine Meinung Kund zu geben. Vor allem da sich nun auch der scheinbar zugedröhnte Wright sich gegen die einzige, vernünftige Option aussprach.
Er räusperte sich: "Die Nacht ist sicher eine wertvolle Verbündete, aber nicht die heutige Nacht. Sie sind gut darin der Polizei zu entfliehen, Mr. Norly, doch im Augenblick..." Er betrachtete den offensichtlich alkoholisierten Mann. "...sind wir alle etwas angeschlagen. Wenn es nicht absolut nötig ist, sollten wir uns vielleicht morgen gemeinsam dieser Spur zuwenden, gerne auch erst nach der Dämmerung."
Randolphs Augen wanderten weiter zu Gilbert: "Bevor sie antworten, möchte ich Mr. Wright noch eines sagen: Wenn Sie wirklich Ihren eigenen Tod suchen, dann ziehen Sie niemand anderen da mit hinein. Und denken Sie vorher darüber nach, ob Sie wirklich niemanden und nichts mehr in dieser Welt haben für das es sich lohnt zu kämpfen. Und nicht einfach das Handtuch zu werfen. Mit Ihrer suizidalen Einstellung werden Sie niemandem einen Gefallen tun."
Randolph musste sich Mühe geben, um nicht trocken loszulachen. Da war es. Da hatte er ja die Antwort, warum er das Ganze hier noch mitmachte.
Auch der Doktor wollte sich nicht nehmen lassen, seine Meinung Kund zu geben. Vor allem da sich nun auch der scheinbar zugedröhnte Wright sich gegen die einzige, vernünftige Option aussprach.
Er räusperte sich: "Die Nacht ist sicher eine wertvolle Verbündete, aber nicht die heutige Nacht. Sie sind gut darin der Polizei zu entfliehen, Mr. Norly, doch im Augenblick..." Er betrachtete den offensichtlich alkoholisierten Mann. "...sind wir alle etwas angeschlagen. Wenn es nicht absolut nötig ist, sollten wir uns vielleicht morgen gemeinsam dieser Spur zuwenden, gerne auch erst nach der Dämmerung."
Randolphs Augen wanderten weiter zu Gilbert: "Bevor sie antworten, möchte ich Mr. Wright noch eines sagen: Wenn Sie wirklich Ihren eigenen Tod suchen, dann ziehen Sie niemand anderen da mit hinein. Und denken Sie vorher darüber nach, ob Sie wirklich niemanden und nichts mehr in dieser Welt haben für das es sich lohnt zu kämpfen. Und nicht einfach das Handtuch zu werfen. Mit Ihrer suizidalen Einstellung werden Sie niemandem einen Gefallen tun."
Randolph musste sich Mühe geben, um nicht trocken loszulachen. Da war es. Da hatte er ja die Antwort, warum er das Ganze hier noch mitmachte.
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Bruce lag mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf der Couch und blickte zur Decke. Es war nicht lange still geblieben und nun lauschte er den Stimmen, wie sie sich über das weitere Vorgehen berieten. Er konnte nicht jedes Wort verstehen, doch schien die Vernunft allmählich zu siegen. Besonders Dr. Taylor und die Stimme des Mannes, welchen er als den Typen identifizierte, der ihn zuerst mit der Waffe gedroht hatte, wirkten dabei am rationalsten. Wenigstens diese Beiden mussten auch hohes Misstrauen gegen Bruce entwickeln, wenn man den chaotischen Hergang ihres Treffens bedachte. Etwas an der Parallele gefiel dem Schotten dabei nicht. Wenn die beiden sich in ihrer Sichtweise so einig waren, arbeiteten sie ja womöglich zusammen?
Dabei hätte Bruce selbst ähnliche Worte gewählt, um den gekränkten Tiger Norly zu beruhigen. Unterschätzen durfte er jedenfalls wohl keinen der beiden.
Der Klang von Miss Bolts Stimme ergriff Bruce dabei am stärksten. Es tat gut zu hören, dass sie sich schon wieder etwas gesammelt hatte, wobei ihre Stimme vielleicht allgemein wohlklingend war und ein Gefühl der Ruhe im Schotten aufkommen ließ. Nicht alle schienen sich am Gespräch zu beteiligen und es stellte sich die Frage ob sie überhaupt in Hörweite waren.
Ein alarmierender Gedanke befiel Bruce, dass es eine günstige Gelegenheit für einen Verräter war mit seinen Leuten Kontakt zu suchen.
Er war im ersten Moment versucht aufzuspringen und auf eigene Faust nach den Verbliebenen zu suchen, doch hielt sich dann zurück. Es herrschte schon genug Chaos und er konnte nicht ewig auf die scheinbare Glückssträhne bauen, die ihn in so kurzer Zeit hinter zahlreiche Fassaden von Londons Geheimnissen hatte blicken lassen. Nun wo Norly gewarnt war, wäre dieser bereits viel eher in der Lage gewesen aus den letzten Ereignissen auf die Identität des Spions zu schließen und eine weitere überhastete Aktion des Schotten würde lediglich noch mehr Misstrauen gegen ihn sähen. Bruce bereute bereits die Situation mit der Polizeistreife. Kurzfristig war seine Entscheidung sicher die Richtige gewesen, denn das Risiko einer Eskalation zu ihren Ungunsten wäre höher gewesen, wenn er nicht gehandelt hätte. Zu dumm nur, dass Norly sich offenbart hatte und die Polizei nun eine sichere Fährte besaß, wo die Gesuchten sich befunden hatten. Darauf würden die Ermittler aufbauen und bei der Suche wohl früher oder später auch auf das Theater kommen.
Eher beiläufig traf sein Blick eine offene Garderobe auf der wenigstens zwanzig Kostüme gehängt waren. Vom Gentleman bis zum Harlekin schien alles vertreten, wobei er selbst ein paar Nummern zu groß für die Kleidung sein musste. Sofern Norly sich von seinem Aktionismus abhalten ließ, blieb ihnen wohl noch genug Zeit, einen brauchbaren Plan für das weitere Vorgehen zu entwickeln.
Was war nun eigentlich das Ziel? Charles hatte Interesse an der Maschine gezeigt, welche knapp nach ihrer Flucht aus Hills brennenden Wohnsitz zerstört worden war. Bruce musste an die beiden bewaffneten Handlanger denken, welche dort vor zwei Nächten noch herumgeschnüffelt hatten, als er sich ein Bild der Lage verschafft hatte. Irgendetwas schien noch heiß an diesem Ort zu sein, doch Norly würde in dem Bezug zweifellos mehr herausfinden können, als er. Den Leuten von der Zeitung auf den Zahn zu fühlen würde dabei äußerst riskant werden. Gerade, wenn Norlys Gegenspieler bemerkten, dass er auf diese Fährte kam, würden sie handeln.
Mit einem leisen Seufzen richtete sich der Schotte schließlich auf, streifte sich den leidlich weniger feuchten Mantel über und begab sich zu den anderen, um die Entwicklung der Lage weiter zu verfolgen.
Dabei hätte Bruce selbst ähnliche Worte gewählt, um den gekränkten Tiger Norly zu beruhigen. Unterschätzen durfte er jedenfalls wohl keinen der beiden.
Der Klang von Miss Bolts Stimme ergriff Bruce dabei am stärksten. Es tat gut zu hören, dass sie sich schon wieder etwas gesammelt hatte, wobei ihre Stimme vielleicht allgemein wohlklingend war und ein Gefühl der Ruhe im Schotten aufkommen ließ. Nicht alle schienen sich am Gespräch zu beteiligen und es stellte sich die Frage ob sie überhaupt in Hörweite waren.
Ein alarmierender Gedanke befiel Bruce, dass es eine günstige Gelegenheit für einen Verräter war mit seinen Leuten Kontakt zu suchen.
Er war im ersten Moment versucht aufzuspringen und auf eigene Faust nach den Verbliebenen zu suchen, doch hielt sich dann zurück. Es herrschte schon genug Chaos und er konnte nicht ewig auf die scheinbare Glückssträhne bauen, die ihn in so kurzer Zeit hinter zahlreiche Fassaden von Londons Geheimnissen hatte blicken lassen. Nun wo Norly gewarnt war, wäre dieser bereits viel eher in der Lage gewesen aus den letzten Ereignissen auf die Identität des Spions zu schließen und eine weitere überhastete Aktion des Schotten würde lediglich noch mehr Misstrauen gegen ihn sähen. Bruce bereute bereits die Situation mit der Polizeistreife. Kurzfristig war seine Entscheidung sicher die Richtige gewesen, denn das Risiko einer Eskalation zu ihren Ungunsten wäre höher gewesen, wenn er nicht gehandelt hätte. Zu dumm nur, dass Norly sich offenbart hatte und die Polizei nun eine sichere Fährte besaß, wo die Gesuchten sich befunden hatten. Darauf würden die Ermittler aufbauen und bei der Suche wohl früher oder später auch auf das Theater kommen.
Eher beiläufig traf sein Blick eine offene Garderobe auf der wenigstens zwanzig Kostüme gehängt waren. Vom Gentleman bis zum Harlekin schien alles vertreten, wobei er selbst ein paar Nummern zu groß für die Kleidung sein musste. Sofern Norly sich von seinem Aktionismus abhalten ließ, blieb ihnen wohl noch genug Zeit, einen brauchbaren Plan für das weitere Vorgehen zu entwickeln.
Was war nun eigentlich das Ziel? Charles hatte Interesse an der Maschine gezeigt, welche knapp nach ihrer Flucht aus Hills brennenden Wohnsitz zerstört worden war. Bruce musste an die beiden bewaffneten Handlanger denken, welche dort vor zwei Nächten noch herumgeschnüffelt hatten, als er sich ein Bild der Lage verschafft hatte. Irgendetwas schien noch heiß an diesem Ort zu sein, doch Norly würde in dem Bezug zweifellos mehr herausfinden können, als er. Den Leuten von der Zeitung auf den Zahn zu fühlen würde dabei äußerst riskant werden. Gerade, wenn Norlys Gegenspieler bemerkten, dass er auf diese Fährte kam, würden sie handeln.
Mit einem leisen Seufzen richtete sich der Schotte schließlich auf, streifte sich den leidlich weniger feuchten Mantel über und begab sich zu den anderen, um die Entwicklung der Lage weiter zu verfolgen.
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
"Ich bin nicht suizidal." sagte der Maler trotzig. Sein Blick richtete sich auf den Doktor. "Ich bin nur realistisch." Er sah den Mann vor sich an. Er hatte einiges mitmachen müssen und wirkte müde. Gerade er sollte doch erkennen, wie sinnlos ihr Unterfangen war. "Sie sind doch Arzt. Ein intelligenter Mann also." begann er. "Sie müssten doch erkennen, wie viel Glück wir gehabt haben. Es gab mehr als eine Situation, in der wir hätten sterben können. Von dem Beschuss von Gatlings, dem Absturz und den dutzenden Polizisten spreche ich dabei noch nicht einmal. Wir waren mehr als einmal bereits mit einem Fuß im Grab." Er seufzte schwer und strich sich mit der Hand über das Gesicht. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis uns dieses Glück ausgeht. Ein Tag, eine Woche. Vielleicht sogar ein Monat. Das Ende ist aber immer gleich."
Der Maler machte eine Pause - überlegte, ob er noch weiter auf das Thema eingehen sollte, welches der Arzt angesprochen hatte. Er entschied sich dafür. Wenn auch nur aus dem Grund, sich einige Sorgen von der Seele zu reden. "Denken sie einmal scharf darüber nach, wer hier wen in irgendetwas hineinzieht. Ich zwinge niemanden, sich Norly anzuschließen. Ich sagte nur, dass ich mit ihm gehe - nicht, dass wir alle gehen sollen. Eine kleine Gruppe zieht weniger Aufmerksamkeit auf sich - das kann vorteilhaft sein."
Gilbert ließ sich die Worte des Mannes noch einmal durch den Kopf gehen. Es gab eine Sache, die er noch nicht kommentiert hatte. Er sollte darüber nachdenken, ob es wirklich niemanden und nichts mehr gab, für das es sich zu kämpfen lohnt. "Wenn sie wüssten..." murmelte er leise. Vater hatte er umgebracht. Mutter wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben - das beruhte auf Gegenseitigkeit. Die einzige Person, die ihm wirklich etwas bedeutete, war im Gefängnis - was auch seine Schuld war. Das Leben, welches er sich aufgebaut hatte, war zerstört. Ohnehin waren die ganzen Künstler und Kunstliebhaber zum Großteil Idioten und Heuchler gewesen. Nein, wenn man ihn so direkt fragte, gab es nichts Lebenswertes mehr für ihn. Wäre er von Norlys Schuld überzeugt gewesen, hätte er aus dieser ganzen Sache vielleicht einen Sinn ziehen können aber so wie es stand, brachte ihm diese ganze Sache auch keinen Lebenssinn.
Der Maler machte eine Pause - überlegte, ob er noch weiter auf das Thema eingehen sollte, welches der Arzt angesprochen hatte. Er entschied sich dafür. Wenn auch nur aus dem Grund, sich einige Sorgen von der Seele zu reden. "Denken sie einmal scharf darüber nach, wer hier wen in irgendetwas hineinzieht. Ich zwinge niemanden, sich Norly anzuschließen. Ich sagte nur, dass ich mit ihm gehe - nicht, dass wir alle gehen sollen. Eine kleine Gruppe zieht weniger Aufmerksamkeit auf sich - das kann vorteilhaft sein."
Gilbert ließ sich die Worte des Mannes noch einmal durch den Kopf gehen. Es gab eine Sache, die er noch nicht kommentiert hatte. Er sollte darüber nachdenken, ob es wirklich niemanden und nichts mehr gab, für das es sich zu kämpfen lohnt. "Wenn sie wüssten..." murmelte er leise. Vater hatte er umgebracht. Mutter wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben - das beruhte auf Gegenseitigkeit. Die einzige Person, die ihm wirklich etwas bedeutete, war im Gefängnis - was auch seine Schuld war. Das Leben, welches er sich aufgebaut hatte, war zerstört. Ohnehin waren die ganzen Künstler und Kunstliebhaber zum Großteil Idioten und Heuchler gewesen. Nein, wenn man ihn so direkt fragte, gab es nichts Lebenswertes mehr für ihn. Wäre er von Norlys Schuld überzeugt gewesen, hätte er aus dieser ganzen Sache vielleicht einen Sinn ziehen können aber so wie es stand, brachte ihm diese ganze Sache auch keinen Lebenssinn.
Thorgrimm- Anzahl der Beiträge : 2050
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Charles verfolgte die Diskussion mit trüben Blick, während der Alkohol mehr und mehr seine Wirkung tat. Äußerlich beeindruckte ihn der Gegenwind absolut nicht, aber ihm gefiel es nicht, welche Dynamik sich hier gerade entwickelte. Vermutlich war es Melindas Meinung, die für Charles in diesem Moment den Ausschlag gab. So sehr es ihm egal war, was Taylor oder Wright oder Tremaine von seinen Plänen hielten, so wollte Charles Melindas Gesundheit nicht gefährden. Sie war erschöpft. Er glaubte jedoch nicht, dass sie sich dazu überreden lassen würde, hier zu bleiben, wenn er es nicht tat. Charles hatte gar nicht beabsichtigt, nun ein solches Aufsehen zu erregen. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, überhaupt jemanden mitzunehmen.
Bevor die Situation noch in einen handfesten Streit zwischen Tremaine und Wright entartete, hob Charles beschwichtigend die Hände.
„Na gut, na gut... Du hast gewonnen, Drew“, verkündete Charles breitspurig. „Ich bleibe hier. Aber nicht, weil ich nicht hier und jetzt fähig wäre“, betonte er mit einem selbstbewussten Lächeln. Er lallte zwar kaum, aber sein ganzes, merkbar fahriges Auftreten ließ wohl keinen Zweifel daran, dass er wirklich „hackedicht“ sein musste, wie Taylor es formuliert hatte.
„Du unterschätzt mich mal wieder“, behauptete er mit einem schelmischen Unterton in der Stimme. „Sie alle tun das. Doch da Sie alle mitkommen wollen, werde ich meinen Aktionismus selbstlos zurückstellen. Schlafen Sie, erholen sie sich, aber morgen will ich keine Ausreden mehr hören. Ich werde dieser Spur nachgehen, ob Sie wollen oder nicht.“
Taylor intervenierte, als Charles Luft holte – offenbar mit der Absicht, weiterzureden.
„Auf ein Wort. Jetzt gleich.“ Der Arzt trat mit mürrischer Mimik an ihn heran und versuchte ungeduldig, Charles in Richtung Tür zu bugsieren.
Charles wehrte sich gegen Taylors Hand an seinem Ärmel, indem er seinerseits Anstalten machte, sich dem Griff zu entwinden.
„Sch, sch, immer mit der Ruhe“, protestierte Charles etwas pikiert. „Ich lasse mich nicht scheuchen.“
Taylor wurde dadurch nur bestimmter und schob Charles in Richtung Tür. Allerdings gab sich Charles sich nicht so einfach geschlagen. Leicht torkelnd machte er sich frei und strich dann seine Kleidung glatt.
„Wie wäre es mit einem Drink zur Entspannung, mh?“, erkundigte er sich mit einem herausfordernden Grinsen.
Taylor antwortete mit nicht mehr als einem finsteren Blick.
Charles seufzte schließlich und schaute an Taylor vorbei in die Runde.
„Eine erholsame Nacht, meine Dame“, wünschte er. „Meine Herren.“
Er verbeugte sich mit ausgebreiteten Armen, als sei er ein Schauspieler, der sich für den Applaus seines Publikums bedankte. Nach dieser Aktion, die vermutlich weitaus weniger galant wirkte, als er sich das vorgestellt hatte, musste er kurz das Gleichgewicht suchen musste, bevor er daran scheiterte, in den Flur zurückzustapfen, ohne Halt am Türrahmen suchen zu müssen.
Etwas entnervt schloss Taylor die Augen und tat einen hörbar tiefen Atemzug, nachdem Charles im Flur verschwunden war und sich offenbar zu „seinem“ Zimmer aufgemacht hatte. Der Arzt folgte ihm nicht sofort, sondern zögerte nur wenige Sekunden, um, an die noch Anwesenden gerichtet, ein paar Worte loszuwerden:
„Nutzen Sie die Gelegenheit, sich ein wenig Ruhe zu gönnen.“ Er blickte nebenbei nochmal ungeduldig auf seine Uhr. „Ich fürchte, diesen Luxus werde ich heute Nacht nicht mehr genießen dürfen. Am Yard werden sich die Verletzten sicher schon stapeln.“ Er lächelte zynisch.
„Aber ich komme zurück, sobald ich kann und bringe ihnen etwas Verpflegung“, versprach er, bevor sein Blick gezielt Bruce suchte.
„Dann sollten auch wir ein Wörtchen wechseln.“
Taylor musterte Bruce kurz, bevor er sich in Bewegung setzte. Unterdessen er schon den Raum verließ, fügte er noch an: „Bleiben Sie alle hier, so ist es am sichersten – und haben Sie in der Zwischenzeit bloß ein Auge darauf, dass Charles sich nicht rausschleicht.“
Dann eilte Taylor Charles hinterher.
Bevor die Situation noch in einen handfesten Streit zwischen Tremaine und Wright entartete, hob Charles beschwichtigend die Hände.
„Na gut, na gut... Du hast gewonnen, Drew“, verkündete Charles breitspurig. „Ich bleibe hier. Aber nicht, weil ich nicht hier und jetzt fähig wäre“, betonte er mit einem selbstbewussten Lächeln. Er lallte zwar kaum, aber sein ganzes, merkbar fahriges Auftreten ließ wohl keinen Zweifel daran, dass er wirklich „hackedicht“ sein musste, wie Taylor es formuliert hatte.
„Du unterschätzt mich mal wieder“, behauptete er mit einem schelmischen Unterton in der Stimme. „Sie alle tun das. Doch da Sie alle mitkommen wollen, werde ich meinen Aktionismus selbstlos zurückstellen. Schlafen Sie, erholen sie sich, aber morgen will ich keine Ausreden mehr hören. Ich werde dieser Spur nachgehen, ob Sie wollen oder nicht.“
Taylor intervenierte, als Charles Luft holte – offenbar mit der Absicht, weiterzureden.
„Auf ein Wort. Jetzt gleich.“ Der Arzt trat mit mürrischer Mimik an ihn heran und versuchte ungeduldig, Charles in Richtung Tür zu bugsieren.
Charles wehrte sich gegen Taylors Hand an seinem Ärmel, indem er seinerseits Anstalten machte, sich dem Griff zu entwinden.
„Sch, sch, immer mit der Ruhe“, protestierte Charles etwas pikiert. „Ich lasse mich nicht scheuchen.“
Taylor wurde dadurch nur bestimmter und schob Charles in Richtung Tür. Allerdings gab sich Charles sich nicht so einfach geschlagen. Leicht torkelnd machte er sich frei und strich dann seine Kleidung glatt.
„Wie wäre es mit einem Drink zur Entspannung, mh?“, erkundigte er sich mit einem herausfordernden Grinsen.
Taylor antwortete mit nicht mehr als einem finsteren Blick.
Charles seufzte schließlich und schaute an Taylor vorbei in die Runde.
„Eine erholsame Nacht, meine Dame“, wünschte er. „Meine Herren.“
Er verbeugte sich mit ausgebreiteten Armen, als sei er ein Schauspieler, der sich für den Applaus seines Publikums bedankte. Nach dieser Aktion, die vermutlich weitaus weniger galant wirkte, als er sich das vorgestellt hatte, musste er kurz das Gleichgewicht suchen musste, bevor er daran scheiterte, in den Flur zurückzustapfen, ohne Halt am Türrahmen suchen zu müssen.
Etwas entnervt schloss Taylor die Augen und tat einen hörbar tiefen Atemzug, nachdem Charles im Flur verschwunden war und sich offenbar zu „seinem“ Zimmer aufgemacht hatte. Der Arzt folgte ihm nicht sofort, sondern zögerte nur wenige Sekunden, um, an die noch Anwesenden gerichtet, ein paar Worte loszuwerden:
„Nutzen Sie die Gelegenheit, sich ein wenig Ruhe zu gönnen.“ Er blickte nebenbei nochmal ungeduldig auf seine Uhr. „Ich fürchte, diesen Luxus werde ich heute Nacht nicht mehr genießen dürfen. Am Yard werden sich die Verletzten sicher schon stapeln.“ Er lächelte zynisch.
„Aber ich komme zurück, sobald ich kann und bringe ihnen etwas Verpflegung“, versprach er, bevor sein Blick gezielt Bruce suchte.
„Dann sollten auch wir ein Wörtchen wechseln.“
Taylor musterte Bruce kurz, bevor er sich in Bewegung setzte. Unterdessen er schon den Raum verließ, fügte er noch an: „Bleiben Sie alle hier, so ist es am sichersten – und haben Sie in der Zwischenzeit bloß ein Auge darauf, dass Charles sich nicht rausschleicht.“
Dann eilte Taylor Charles hinterher.
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Dr. Taylor verschwand, nachdem er unter vier Augen mit Charles geredet hatte[1], und mit fortschreitender Zeit kehrte weitestgehend Stille im Oracle Theatre ein, zu dem sich die Gruppe unberechtigterweise Zutritt verschafft hatte. Stunden vergingen, in denen es ruhig blieb. Vielleicht lag es am dicken Gemäuer, dass man hier von den städtischen Unruhen, wenn sie denn anhielten, nichts mitbekam. Erst als Taylor in den frühen Morgenstunden, wie angekündigt, zurückkehrte, um einen ganzen Korb voller Proviant und eine nagelneue, bestens ausgestattete Arzttasche inklusive Chirurgenausrüstung vorbeizubringen, wurde die Ungestörtheit kurz unterbrochen. Doch Taylor verzichtete darauf, Aufsehen zu erregen, und auch darauf, mit Bruce ein Gespräch zu suchen. Wahrscheinlich fiel den meisten sogar nur auf, dass er zurückgekehrt sein musste, weil seine Mitbringsel am nächsten Morgen auf dem Tisch im Gemeinschaftsraum der Darsteller standen.
Am Vorabend hatte der Konsens geherrscht, Charles‘ Ermittlungen nachzugehen, sobald die Sonne wieder untergegangen war. Ungeachtet dessen, ob dies jedem schmeckte, hielt zumindest Charles selbst daran fest. Vermutlich hätte er sich normalerweise von Tageslicht nicht abschrecken lassen, auf den Straßen Londons zu wandeln, aber nach einer fast-komatösen Nachtruhe, die bis in die frühen Nachmittagsstunden hineinreichte, hatte ihn das Elend eines niederstreckenden Katers unabwendbar in Beschlag genommen. Jeglichem menschlichen Kontakt entsagend, zog er sich im Laufe des Tages heimlich zurück, um ungestört zu bleiben, sollte auch nur irgendwer auf die Idee kommen, ihn auf irgendeine Art und Weise zu belästigen. So konnte es durchaus der Fall sein, dass es irgendjemandem irgendwann auffiel, dass Charles einfach verschwunden zu sein schien. Dass er die Einsamkeit ganz nach oben in den Dachboden über der Bühne des Theaters gesucht hatte (im welchen irgendwer irgendwann wohl mal ein provisorisches Nachtlager errichtet hatte), konnte nur festgestellt werden, wenn man sich die Mühe machte, das ganze Gebäude nach seinem Verbleib zu durchkämmen. Aber auch wenn man diesen Aufwand auf sich nahm, wurde man nicht mit einem Charles belohnt, der bereit war, auf irgendeine Form auf Kontaktaufnahme einzugehen (wenn man nicht gerade Melinda Bolt hieß).
Erst gegen achtzehn Uhr am Abend, als die Nacht sich langsam über London legte, raffte Charles sich auf, diese Dachkammer zu verlassen, um sich zurechtzumachen. Sein Schädel dröhnte noch immer, sodass er meinen könnte, er würde fast zerbersten, aber er brachte es fertig, sich zu waschen, zu rasieren, und sich umzuziehen, bevor er sich von Oxley dazu nötigen ließ, etwas zu essen. Charles kaute und schluckte die belegten Brote ohne Motivation oder Appetit. Sein Magen dankte es ihm mit einem empörten Grummeln, allerdings wollte die Nahrung, wider aller Erwartung, nicht sofort wieder nach draußen, weswegen zumindest dieser Kampf wohl als Erfolg zu verbuchen war. Charles‘ Wunsch nach Kaffee blieb, zu seinem Bedauern, unerfüllt, da dafür das Befeuern des Herds nötig gewesen wäre. Trotz alledem ging es ihm, nachdem er sich langsam wieder daran gewöhnt hatte, auf den Beinen zu sein, wieder so gut, dass er es als annähernd erträglich einstufte, sich wieder mit Dingen oder Leuten zu beschäftigen, die an seinen Nerven zerren würden. Es war ihm (was er nie offen zugeben würde) etwas peinlich, was in der letzten Nacht geschehen war. Er hatte sich ungebührlich verhalten. Das war ihm bewusst und er hatte gute Gründe dafür gehabt, aber dennoch wurmte es ihn, sich eine derartige Blöße gegeben zu haben. Der Kater war eine zusätzliche Strafe, die sein Körper ihm auferlegt hatte. Charles hatte den Verdacht, sich nicht unbedingt an jede Einzelheit erinnern zu können, die in der gestrigen Nacht geschehen sein mochte, jedoch waren ihm zumindest die Gespräche mit Drew und dessen Begleiter so im Gedächtnis geblieben, dass er besonders jetzt, während seines aufgezwungenen „Frühstücks“, über die neuen Gegebenheiten nachgrübelte. Er hörte eine zerstörte Maschine in Lambeth schon seinen Namen rufen.
[1] Sollte wer das Gespräch belauschen wollen, werde ich näher darauf eingehen.
Am Vorabend hatte der Konsens geherrscht, Charles‘ Ermittlungen nachzugehen, sobald die Sonne wieder untergegangen war. Ungeachtet dessen, ob dies jedem schmeckte, hielt zumindest Charles selbst daran fest. Vermutlich hätte er sich normalerweise von Tageslicht nicht abschrecken lassen, auf den Straßen Londons zu wandeln, aber nach einer fast-komatösen Nachtruhe, die bis in die frühen Nachmittagsstunden hineinreichte, hatte ihn das Elend eines niederstreckenden Katers unabwendbar in Beschlag genommen. Jeglichem menschlichen Kontakt entsagend, zog er sich im Laufe des Tages heimlich zurück, um ungestört zu bleiben, sollte auch nur irgendwer auf die Idee kommen, ihn auf irgendeine Art und Weise zu belästigen. So konnte es durchaus der Fall sein, dass es irgendjemandem irgendwann auffiel, dass Charles einfach verschwunden zu sein schien. Dass er die Einsamkeit ganz nach oben in den Dachboden über der Bühne des Theaters gesucht hatte (im welchen irgendwer irgendwann wohl mal ein provisorisches Nachtlager errichtet hatte), konnte nur festgestellt werden, wenn man sich die Mühe machte, das ganze Gebäude nach seinem Verbleib zu durchkämmen. Aber auch wenn man diesen Aufwand auf sich nahm, wurde man nicht mit einem Charles belohnt, der bereit war, auf irgendeine Form auf Kontaktaufnahme einzugehen (wenn man nicht gerade Melinda Bolt hieß).
Erst gegen achtzehn Uhr am Abend, als die Nacht sich langsam über London legte, raffte Charles sich auf, diese Dachkammer zu verlassen, um sich zurechtzumachen. Sein Schädel dröhnte noch immer, sodass er meinen könnte, er würde fast zerbersten, aber er brachte es fertig, sich zu waschen, zu rasieren, und sich umzuziehen, bevor er sich von Oxley dazu nötigen ließ, etwas zu essen. Charles kaute und schluckte die belegten Brote ohne Motivation oder Appetit. Sein Magen dankte es ihm mit einem empörten Grummeln, allerdings wollte die Nahrung, wider aller Erwartung, nicht sofort wieder nach draußen, weswegen zumindest dieser Kampf wohl als Erfolg zu verbuchen war. Charles‘ Wunsch nach Kaffee blieb, zu seinem Bedauern, unerfüllt, da dafür das Befeuern des Herds nötig gewesen wäre. Trotz alledem ging es ihm, nachdem er sich langsam wieder daran gewöhnt hatte, auf den Beinen zu sein, wieder so gut, dass er es als annähernd erträglich einstufte, sich wieder mit Dingen oder Leuten zu beschäftigen, die an seinen Nerven zerren würden. Es war ihm (was er nie offen zugeben würde) etwas peinlich, was in der letzten Nacht geschehen war. Er hatte sich ungebührlich verhalten. Das war ihm bewusst und er hatte gute Gründe dafür gehabt, aber dennoch wurmte es ihn, sich eine derartige Blöße gegeben zu haben. Der Kater war eine zusätzliche Strafe, die sein Körper ihm auferlegt hatte. Charles hatte den Verdacht, sich nicht unbedingt an jede Einzelheit erinnern zu können, die in der gestrigen Nacht geschehen sein mochte, jedoch waren ihm zumindest die Gespräche mit Drew und dessen Begleiter so im Gedächtnis geblieben, dass er besonders jetzt, während seines aufgezwungenen „Frühstücks“, über die neuen Gegebenheiten nachgrübelte. Er hörte eine zerstörte Maschine in Lambeth schon seinen Namen rufen.
[1] Sollte wer das Gespräch belauschen wollen, werde ich näher darauf eingehen.
Umbra- Tiefseemonster
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Wahrscheinlich war es am Ende doch ganz gut, dass nichts mehr unternommen wurde und sich jeder in sein Kämmerchen zurückzog. Norly war offensichtlich wirklich hackedicht gewesen, wie Taylor das so schön ausgedrückt hatte. Das war Gilbert erst nicht ganz klar gewesen. Zumindest hatte er nicht gedacht, dass der Mann so stark betrunken war. Doch durch seine Handlungen und Worte war auch dem Maler recht schnell klar geworden, dass der Mann nicht ganz bei sich war. Einen Ausflug mit ihm in diesem Zustand zu unternehmen, wäre wohl nicht besonders gut ausgegangen. Dazu war die Aussicht auf Ruhe und Schlaf sehr beruhigend. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen und das nicht nur für Körper, sondern auch Geist. Beidem sollte Erholung zukommen, damit am folgenden Tag frisch und ausgeruht ans Werk gegangen werden konnte.
Es war nicht verwunderlich, dass Gilbert innerhalb kurzer Zeit in einen tiefen Schlag gefallen war. Erschöpfung war der Hauptgrund dafür aber das im Alkohol gelöste Opium tat seinen Rest. Wenn er etwas geträumt hatte, was unter dem Einfluss von Opium nicht gerade selten war, so konnte er sich nicht mehr daran erinnern. Nur einige Bilder blieben zurück als er aufwachte und diese verschwanden innerhalb weniger Sekunden, als zögen sie sich in die Traumwelt zurück. Wie auch Norly, zog sich Gil zurück und blieb die meiste Zeit in seinem Zimmer. Er war ganz froh darüber, nicht dazu gezwungen zu sein, seine Zeit mit diesen Leuten zu verbringen und auf die nächste Selbstmordmission zu gehen. Denn auch wenn er am Abend zuvor noch davon gesprochen hatte, dass es egal war, wann sie starben, so war das nur eine Kurzschlussreaktion gewesen. Noch war er nicht so verzweifelt, wenn er genauer darüber nachdachte.
Trotzdem hielt sich eine negative Stimme in seinen Gedanken. Ein dunkles Etwas, dass immer mehr an Kraft gewann und die Worte am Vortag völlig ernst meinte. Da half es auch nicht, dass sein Medikament beim Absturz aus dem Flugschiff zu Bruch gegangen war. Ohne die Filter und den Schutz, die das Mittel ihm verschaffte, würde es für ihn immer schwerer werden, diesen Gedanken nicht nachzugeben. Er war schon einmal soweit gewesen und wünschte sich eigentlich nicht, noch einmal so tief zu sinken. So hatte der Maler gerade an diesem Tag - dem ersten seit langer Zeit, an dem er sein Medikament nicht eingenommen hatte - mit diesen Gedanken zu kämpfen. Nach langer Zeit musste er wieder aktiv dagegen vorgehen, was ihn trotz erholsamer Nacht erschöpfte. Glücklicherweise hatte er das Medikament regelmäßig eingenommen, sodass sich ein gewisser Spiegel in seiner Körperchemie gebildet hatte und er noch davon profitierte. Sollte niemand vorher auf ihn zugekommen sein, verließ er erst gegen Abend das Zimmer, um seinem rebellierenden Magen motivationslos einige Nährstoffe zuzuführen. "Also... wie sieht der Plan aus?" fragte er Norly, als wäre gestern Abend nichts Besonderes geschehen. Sie hatten sich beide daneben benommen - zumindest in seinen Augen - das Thema versuchte er also einfach zu vergessen oder zumindest zu ignorieren.
Es war nicht verwunderlich, dass Gilbert innerhalb kurzer Zeit in einen tiefen Schlag gefallen war. Erschöpfung war der Hauptgrund dafür aber das im Alkohol gelöste Opium tat seinen Rest. Wenn er etwas geträumt hatte, was unter dem Einfluss von Opium nicht gerade selten war, so konnte er sich nicht mehr daran erinnern. Nur einige Bilder blieben zurück als er aufwachte und diese verschwanden innerhalb weniger Sekunden, als zögen sie sich in die Traumwelt zurück. Wie auch Norly, zog sich Gil zurück und blieb die meiste Zeit in seinem Zimmer. Er war ganz froh darüber, nicht dazu gezwungen zu sein, seine Zeit mit diesen Leuten zu verbringen und auf die nächste Selbstmordmission zu gehen. Denn auch wenn er am Abend zuvor noch davon gesprochen hatte, dass es egal war, wann sie starben, so war das nur eine Kurzschlussreaktion gewesen. Noch war er nicht so verzweifelt, wenn er genauer darüber nachdachte.
Trotzdem hielt sich eine negative Stimme in seinen Gedanken. Ein dunkles Etwas, dass immer mehr an Kraft gewann und die Worte am Vortag völlig ernst meinte. Da half es auch nicht, dass sein Medikament beim Absturz aus dem Flugschiff zu Bruch gegangen war. Ohne die Filter und den Schutz, die das Mittel ihm verschaffte, würde es für ihn immer schwerer werden, diesen Gedanken nicht nachzugeben. Er war schon einmal soweit gewesen und wünschte sich eigentlich nicht, noch einmal so tief zu sinken. So hatte der Maler gerade an diesem Tag - dem ersten seit langer Zeit, an dem er sein Medikament nicht eingenommen hatte - mit diesen Gedanken zu kämpfen. Nach langer Zeit musste er wieder aktiv dagegen vorgehen, was ihn trotz erholsamer Nacht erschöpfte. Glücklicherweise hatte er das Medikament regelmäßig eingenommen, sodass sich ein gewisser Spiegel in seiner Körperchemie gebildet hatte und er noch davon profitierte. Sollte niemand vorher auf ihn zugekommen sein, verließ er erst gegen Abend das Zimmer, um seinem rebellierenden Magen motivationslos einige Nährstoffe zuzuführen. "Also... wie sieht der Plan aus?" fragte er Norly, als wäre gestern Abend nichts Besonderes geschehen. Sie hatten sich beide daneben benommen - zumindest in seinen Augen - das Thema versuchte er also einfach zu vergessen oder zumindest zu ignorieren.
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Nach dem unerwartet raschen Ende der Aufbruchsbestrebungen Norlys hielt es auch Bruce nicht viel länger in dem Raum, in dem er sich mehr als zuvor, wie ein Außenseiter vorkam. Dr. Taylors Blick war Bruce noch kühl und unberechenbar begegnet, wie einem Kontrahenten im Boxring. Die Beziehung zwischen ihm und Norly war ganz und gar nicht unerheblich. Sie mussten wirklich gute Freunde sein, wenn man ihm so einfach vertraute zur Polizei zurück zu kehren und mit Essen, anstatt einer Einheit Bobbys zurückzukehren.
Für wen hielt ihn dieser seltsame Mann, der zwischen Yard und gesuchten Kriminellen so ein Doppelspiel betrieb?
Bei den übrigen Gefolgsleuten Norlys war es nicht viel besser, schien ihnen das Auftreten vom Dr. und seinem vermeintlichen Gehilfen doch nicht mehr weiter verwunderlich. Einzig von Maura wusste Bruce, dass sie die gesamte Situation mit regen Interesse verfolgte und offenbar mit ähnlich vielen Fragen beschäftigt war, wie der Schotte.
Für die Nacht schien es zumindest nicht angebracht, noch weitere Diskussionen vom Zaun zu brechen und so zog auch Bruce sich in sein Zimmer zurück um Ruhe zu finden. Trotz den Anstrengungen der Nacht war er bereits wieder auf den Beinen, ehe die Sonne aufging. Er unterzog das Theater einer ausgedehnten Inspektion und sah sich sowohl unter den Kostümen um, von denen einige tatsächlich straßentauglich schienen, jedoch nur wenig in seiner Größe existierte, als auch unter den Gegebenheiten des Ortes, namentlich allen zugänglichen Bereichen des Theaters. Wirklich ungesehen hätte man von hier nicht entfliehen können und wenn Dr. Taylor falsches Spiel mit ihnen Trieb waren sie angeschmiert. Entgegen dieser Befürchtung kam der Mann tatsächlich wie angekündigt zurück und brachte Verpflegung mit. Die Absicht, den Schotten ins Gebet zu nehmen, schien er inzwischen verworfen zu haben, worüber Bruce nicht einig war, ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Selbst wenn dieser Mann die Identität des Schottens inzwischen erkannt hatte, so half ihm dies doch herzlich wenig, auf seine Motive zu schließen und so blieb wohl nur das Gespräch, welches er selbst mit Charles Norly geführt hatte, das für seine Gesinnung barg.
Was Charles betraf hatte Bruce kein so schlechtes Gefühl mehr. Der Mann war verzweifelt, womöglich etwas aufgerieben durch die ständige Verfolgung, doch dies ließ ihn auch sehr Menschlich erscheinen. Auf der anderen Seite schien er selbst einen gewissen Einfluss hinter sich stehen zu haben, wenn man an Dr. Taylor, den Mann vom Yard dachte. Bruce spukte die Fantasie eines Bandenkrieges durch den Kopf und Unwillkürlich musste der junge Mann dabei auch an Dr. Temple und dessen Höllenmaschine denken und das Bild von London wurde auf wundersame Weise zu einem Reigen, welches hier im Theater sicher den Saal gefüllt hätte. Ja, er war entschlossen, hinter die Vorhänge zu sehen und zu erfahren, welche Ränke hier getrieben wurden. Wirklich vertrauen konnte er ohnehin nur sich selbst und so wie die Öffentlichkeit hier vorgeführt wurde, tat es einfach Not selbst Herr der Lage zu werden.
Bruce suchte bei seinen mehrfachen Runden während dem Tag nicht gerade nach dem Gespräch, doch kreisten seine Gedanken sehr wohl um die Menschen, deren Weg er zu Teilen beabsichtigte. Worte konnten leicht in die Irre führen, doch Taten sprachen eine deutliche Sprache und so versuchte Bruce doch in gepflegter Boxermanier sich mehr aus der Körpersprache der anderen ein Bild über sie zu machen.
Für wen hielt ihn dieser seltsame Mann, der zwischen Yard und gesuchten Kriminellen so ein Doppelspiel betrieb?
Bei den übrigen Gefolgsleuten Norlys war es nicht viel besser, schien ihnen das Auftreten vom Dr. und seinem vermeintlichen Gehilfen doch nicht mehr weiter verwunderlich. Einzig von Maura wusste Bruce, dass sie die gesamte Situation mit regen Interesse verfolgte und offenbar mit ähnlich vielen Fragen beschäftigt war, wie der Schotte.
Für die Nacht schien es zumindest nicht angebracht, noch weitere Diskussionen vom Zaun zu brechen und so zog auch Bruce sich in sein Zimmer zurück um Ruhe zu finden. Trotz den Anstrengungen der Nacht war er bereits wieder auf den Beinen, ehe die Sonne aufging. Er unterzog das Theater einer ausgedehnten Inspektion und sah sich sowohl unter den Kostümen um, von denen einige tatsächlich straßentauglich schienen, jedoch nur wenig in seiner Größe existierte, als auch unter den Gegebenheiten des Ortes, namentlich allen zugänglichen Bereichen des Theaters. Wirklich ungesehen hätte man von hier nicht entfliehen können und wenn Dr. Taylor falsches Spiel mit ihnen Trieb waren sie angeschmiert. Entgegen dieser Befürchtung kam der Mann tatsächlich wie angekündigt zurück und brachte Verpflegung mit. Die Absicht, den Schotten ins Gebet zu nehmen, schien er inzwischen verworfen zu haben, worüber Bruce nicht einig war, ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Selbst wenn dieser Mann die Identität des Schottens inzwischen erkannt hatte, so half ihm dies doch herzlich wenig, auf seine Motive zu schließen und so blieb wohl nur das Gespräch, welches er selbst mit Charles Norly geführt hatte, das für seine Gesinnung barg.
Was Charles betraf hatte Bruce kein so schlechtes Gefühl mehr. Der Mann war verzweifelt, womöglich etwas aufgerieben durch die ständige Verfolgung, doch dies ließ ihn auch sehr Menschlich erscheinen. Auf der anderen Seite schien er selbst einen gewissen Einfluss hinter sich stehen zu haben, wenn man an Dr. Taylor, den Mann vom Yard dachte. Bruce spukte die Fantasie eines Bandenkrieges durch den Kopf und Unwillkürlich musste der junge Mann dabei auch an Dr. Temple und dessen Höllenmaschine denken und das Bild von London wurde auf wundersame Weise zu einem Reigen, welches hier im Theater sicher den Saal gefüllt hätte. Ja, er war entschlossen, hinter die Vorhänge zu sehen und zu erfahren, welche Ränke hier getrieben wurden. Wirklich vertrauen konnte er ohnehin nur sich selbst und so wie die Öffentlichkeit hier vorgeführt wurde, tat es einfach Not selbst Herr der Lage zu werden.
Bruce suchte bei seinen mehrfachen Runden während dem Tag nicht gerade nach dem Gespräch, doch kreisten seine Gedanken sehr wohl um die Menschen, deren Weg er zu Teilen beabsichtigte. Worte konnten leicht in die Irre führen, doch Taten sprachen eine deutliche Sprache und so versuchte Bruce doch in gepflegter Boxermanier sich mehr aus der Körpersprache der anderen ein Bild über sie zu machen.
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Melinda überlegte ob sie zu Norly gehen sollte, tatsächlich nur mit dem Gedanken zu schlafen. Dennoch machte sie sich auf die Suche nach ihm, doch ihre müden Glieder machten sich schnell bemerkbar. Sie entschied sich als sie in einem Raum auf ein Sofa traf, eben dieses einfach zu nutzen und zu schlafen.
Als sie sich darauf fallen lies, wurde sie von einer Staubwolke umnebelt, die ein Husten zur Folge hatte, der sich gewaschen hatte. Sie spürte die Schmerzen in ihrer Brust und das ausgehustete Blut auf ihrer Hand. Alles wie immer. Scheiß Lunge, Scheiß Kinderarbeit, Scheiß Leben.
Erschöpft legte sie sich hin und schlief so bald ihr Kopf das Kissen berührte sofort ein.
Ihr Schlaf war tief und ausnahmsweise ohne erschöpfende Träume. Der Schlaf war erholsam und ihr Körper hatte ihn wesentlich mehr gebraucht als sie angenommen hatte.
Am nächsten Tag wachte sie von Glockengeläut auf, ihr Kopf schmerzte und ihre Hände zitterten leicht, als sie auf die Füße kam. Langsam machte sie sich auf den Weg durch das Gebäude ohne jemandem zu begegenen, bis sie ein Badezimmer fand.
Sorgsam untersuchte sie ihren Körper nach Blessuren und Verletzungen. Davon hatte sie immerhin einige aufzuweisen, doch es schien, als würden die meisten recht gut verheilen. Ein bisschen Eiter hatte ja schließlich noch niemandem geschadet, oder?
Sie machte sich einigermaßen zurecht, streunte dann wieder durch das Theater, bis sie eine Flasche Gin fand, von dem sie einen großen Zug nahm. Etwas aus der Flasche verteilte sie auf der Wunde am Hals. Randy machte manchmal auch solche Dinge, wenn er nichts anderes zur Hand hatte. Würde schon nicht schaden. Sie fand sogar etwas zu essen und nahm sich etwas Brot ohne darauf Rücksicht zu nehmen, für wen es wohl bestimmt sein möge.
Endlich ließen das Zittern und die dröhnenden Kopfschmerzen nach. Sie fühlte sich einigermaßen frisch, als sie schließlich auf Charles und Gilbert traf. Sie hörte gerade noch wie Gilbert fragte wie der Plan sei, als sie hineinkam. Sie nickte den beiden kurz zu, wobei sie Charles ein strahlendes Lächeln schenkte. Dann lehnte sie sich gegen einen Tisch, gespannt darauf zu warten was als nächstes auf dem Plan stand.
Als sie sich darauf fallen lies, wurde sie von einer Staubwolke umnebelt, die ein Husten zur Folge hatte, der sich gewaschen hatte. Sie spürte die Schmerzen in ihrer Brust und das ausgehustete Blut auf ihrer Hand. Alles wie immer. Scheiß Lunge, Scheiß Kinderarbeit, Scheiß Leben.
Erschöpft legte sie sich hin und schlief so bald ihr Kopf das Kissen berührte sofort ein.
Ihr Schlaf war tief und ausnahmsweise ohne erschöpfende Träume. Der Schlaf war erholsam und ihr Körper hatte ihn wesentlich mehr gebraucht als sie angenommen hatte.
Am nächsten Tag wachte sie von Glockengeläut auf, ihr Kopf schmerzte und ihre Hände zitterten leicht, als sie auf die Füße kam. Langsam machte sie sich auf den Weg durch das Gebäude ohne jemandem zu begegenen, bis sie ein Badezimmer fand.
Sorgsam untersuchte sie ihren Körper nach Blessuren und Verletzungen. Davon hatte sie immerhin einige aufzuweisen, doch es schien, als würden die meisten recht gut verheilen. Ein bisschen Eiter hatte ja schließlich noch niemandem geschadet, oder?
Sie machte sich einigermaßen zurecht, streunte dann wieder durch das Theater, bis sie eine Flasche Gin fand, von dem sie einen großen Zug nahm. Etwas aus der Flasche verteilte sie auf der Wunde am Hals. Randy machte manchmal auch solche Dinge, wenn er nichts anderes zur Hand hatte. Würde schon nicht schaden. Sie fand sogar etwas zu essen und nahm sich etwas Brot ohne darauf Rücksicht zu nehmen, für wen es wohl bestimmt sein möge.
Endlich ließen das Zittern und die dröhnenden Kopfschmerzen nach. Sie fühlte sich einigermaßen frisch, als sie schließlich auf Charles und Gilbert traf. Sie hörte gerade noch wie Gilbert fragte wie der Plan sei, als sie hineinkam. Sie nickte den beiden kurz zu, wobei sie Charles ein strahlendes Lächeln schenkte. Dann lehnte sie sich gegen einen Tisch, gespannt darauf zu warten was als nächstes auf dem Plan stand.
Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Charles grüßte Mr. Wright mit einem simplen Nicken, als dieser sich zu ihm und Oxley gesellte. Insgeheim war Charles dankbar dafür, dass kein peinliches Schweigen aufkam, sondern dass Mr. Wright sofort ein Gespräch begann. Der vergangene Abend war wahrscheinlich für niemanden angenehm gewesen. Ihn einfach zu vergessen, wäre wohl das Beste. Vor dem Eintreffen hier im Theater war er gar nicht mal so schlecht gewesen... auch wenn die Endeavour solch ein feuriges Ende nicht verdient gehabt hatte.
Melinda trat in diesem Moment, als Charles antworten wollte, ebenfalls zu ihnen. Ihr Lächeln tat ihm gut. Es schenkte ihm Kraft zu wissen, dass sie ihm beistand. Andererseits regte sich das schlechte Gewissen in ihm. Vielleicht hätte er sich ihr nie zeigen sollen. Doch wäre es ihr dann besser ergangen? Gerade wirkte sie zufrieden, so wie sie ihn ansah. Charles genoss den kurzen Augenblick und erwiderte das Lächeln, bevor er begann, seinen Plan bezüglich des bevorstehenden Ausflugs vorzustellen.
„Wie ich erfahren habe“, erklärte er, „war die Nacht zum vergangenen Sonntag noch ereignisreicher als ich bisher angenommen hatte.“
Heute war Freitag... die letzten Tage waren wie im Flug vergangen und gleichzeitig auch nicht.
„Es kam zu einem Vorfall, der womöglich mit den Morden in Verbindung steht. Ein Gebäude wurde gesprengt und Alan Stirling soll anwesend gewesen sein – etwa eine halbe Stunde, nachdem er das Haus unseres geschätzten Chief Commissioners in Brand gesetzt hat. Ein gewisser Mr. C soll das veranlasst haben. Unser neuer“, Charles lächelte kurz mit Belustigung im Tonfall, „schlagkräftiger Freund berichtete mir davon. Ich bin mir noch nicht im Klaren, was es damit auf sich hat, aber ich habe vor, mir den Ort des Geschehens anzusehen. Sollte das alles der Wahrheit entsprechen, finde ich dort vielleicht das Puzzleteil, das mir zur Auflösung des Gesamtbilds fehlt. Ich bin zwar noch nicht überzeugt, aber ich wage es, zu hoffen. Stirlings Handlanger in Manchester erwähnten einen gewissen Mr. T, wenn ich mich recht entsinne. Wir wissen nun aus zwei Quellen, dass Stirling mit irgendwem zu schaffen hat, der auf irgendeine Art in die Scarface-Morde verwickelt zu sein scheint – also lohnt es sich, der Sache nachzugehen. Sofern Stirling nicht fantasiert, ist davon auszugehen, dass es einen oder mehrere mysteriöse Gegenspieler, die sich C oder T oder sonst wie nennen, gibt. Und wenn ich herausfinde, warum dort in Lambeth ein Anschlag verübt wurde, bin ich der Gerechtigkeit zumindest einen Schritt näher. Da bin ich mir sicher... Wenn diese Farce nicht schlussendlich sogar einen Sinn für mich ergibt.“
Tatsächlich empfand Charles Zuversicht. Nach den vergangenen Tagen voller Rückschläge war die Spurensuche etwas, worauf er sich freute. Er war das Tappen im Dunkeln leid... und herumzusitzen und in Selbstzweifel zu zergehen, konnte nicht gesund sein. Dieser Ort, so sehr Charles das Theater sonst auch schätzte, war irgendwie deprimierend.
„Sind Sie bereit, aufzubrechen?“, erkundigte er sich. „Ich würde mich unwohl dabei fühlen, noch länger zu warten. Einmal davon abgesehen, bin ich durchaus neugierig zu erfahren, was in der Stadt vor sich geht. Ich hasse es, uninformiert zu sein.“
Melinda trat in diesem Moment, als Charles antworten wollte, ebenfalls zu ihnen. Ihr Lächeln tat ihm gut. Es schenkte ihm Kraft zu wissen, dass sie ihm beistand. Andererseits regte sich das schlechte Gewissen in ihm. Vielleicht hätte er sich ihr nie zeigen sollen. Doch wäre es ihr dann besser ergangen? Gerade wirkte sie zufrieden, so wie sie ihn ansah. Charles genoss den kurzen Augenblick und erwiderte das Lächeln, bevor er begann, seinen Plan bezüglich des bevorstehenden Ausflugs vorzustellen.
„Wie ich erfahren habe“, erklärte er, „war die Nacht zum vergangenen Sonntag noch ereignisreicher als ich bisher angenommen hatte.“
Heute war Freitag... die letzten Tage waren wie im Flug vergangen und gleichzeitig auch nicht.
„Es kam zu einem Vorfall, der womöglich mit den Morden in Verbindung steht. Ein Gebäude wurde gesprengt und Alan Stirling soll anwesend gewesen sein – etwa eine halbe Stunde, nachdem er das Haus unseres geschätzten Chief Commissioners in Brand gesetzt hat. Ein gewisser Mr. C soll das veranlasst haben. Unser neuer“, Charles lächelte kurz mit Belustigung im Tonfall, „schlagkräftiger Freund berichtete mir davon. Ich bin mir noch nicht im Klaren, was es damit auf sich hat, aber ich habe vor, mir den Ort des Geschehens anzusehen. Sollte das alles der Wahrheit entsprechen, finde ich dort vielleicht das Puzzleteil, das mir zur Auflösung des Gesamtbilds fehlt. Ich bin zwar noch nicht überzeugt, aber ich wage es, zu hoffen. Stirlings Handlanger in Manchester erwähnten einen gewissen Mr. T, wenn ich mich recht entsinne. Wir wissen nun aus zwei Quellen, dass Stirling mit irgendwem zu schaffen hat, der auf irgendeine Art in die Scarface-Morde verwickelt zu sein scheint – also lohnt es sich, der Sache nachzugehen. Sofern Stirling nicht fantasiert, ist davon auszugehen, dass es einen oder mehrere mysteriöse Gegenspieler, die sich C oder T oder sonst wie nennen, gibt. Und wenn ich herausfinde, warum dort in Lambeth ein Anschlag verübt wurde, bin ich der Gerechtigkeit zumindest einen Schritt näher. Da bin ich mir sicher... Wenn diese Farce nicht schlussendlich sogar einen Sinn für mich ergibt.“
Tatsächlich empfand Charles Zuversicht. Nach den vergangenen Tagen voller Rückschläge war die Spurensuche etwas, worauf er sich freute. Er war das Tappen im Dunkeln leid... und herumzusitzen und in Selbstzweifel zu zergehen, konnte nicht gesund sein. Dieser Ort, so sehr Charles das Theater sonst auch schätzte, war irgendwie deprimierend.
„Sind Sie bereit, aufzubrechen?“, erkundigte er sich. „Ich würde mich unwohl dabei fühlen, noch länger zu warten. Einmal davon abgesehen, bin ich durchaus neugierig zu erfahren, was in der Stadt vor sich geht. Ich hasse es, uninformiert zu sein.“
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
"Stirling?" erwiderte Melinda. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Warum tauchte er plötzlich aus der Versenkung wieder auf? "Hätten wir ihn mal besser am Bett gefesselt gelassen." sagte sie trocken bevor sie darüber nach dachte, was als nächstes der richtige Schritt war. Sie fühlte sich einigermaßen ausgeruht und gestärkt um in den Tag zu starten. Das Theater als Versteck war ein guter Ort, im Zweifelsfall konnte man zurück kommen und sich an den reichlichen Kostümen bedienen. Es war ihr eine Freude sich zu verkleiden und andere Menschen hinters Licht zu führen. Vielleicht gelang es ihr deshalb immer so gut Männer vorzugaukeln, sie habe noch nie einen Besseren im Bett gehabt.
"Von mir aus kann es losgehen."
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Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Randolph sollte sich wohl glücklich schätzen, dass sie alle noch lebten. Das niemand von Ihnen gestern Nacht im Vollrausch auf Londons Straßen getorkelt war. Aber das war er nicht. Er hatte sich zum Rest der Mannschaft an den Tisch begeben und trank gerade seinen schwarzen Kaffee. Was für ein verschwendeter Tag. Er hatte den ganzen Vormittag und auch einen guten Teil des Nachmittags über Norlys Buch gebrütet, ohne sonderlich viel in Erfahrung bringen zu können.
Das lag natürlich zu einem guten Teil daran, dass es ihm nicht gelungen war die nächste verschlüsselte Passage zu übersetzen. Er hatte einige der Randnotizen entziffern können, bei denen der größte Teil zweifelsohne Norlys Größenwahn entsprungen sein musste. Sein graues Auge richtete sich skeptisch auf den "Bewahrer des Reiches" über den Rand seiner Kaffeetasse hinweg, als er sich den neuen Plan anhörte.
Mr. C. Crowne. Randolph versuchte sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen, während in seinem Kopf die Gedanken ratterten. Was sollte das? Sein Blick fiel auf den großgewachsenen Mann in Taylors Begleitung. Er sollte das alles also gewusst haben. Arbeitete er vielleicht letzten Endes mit C zusammen? Und was warf das für ein Licht auf den Doktor?
Bruce musste wohl aufgefallen sein, dass sich die Augen des Chirurgen auf ihn gerichtet hatten.
"Darf man erfahren, was Sie mit Mr. Stirling zu schaffen haben, Mr...?", hakte Randolph mit vielleicht etwas zu scharfer Stimme nach.
Ihm fiel auf, dass er den Namen des Hünen nach wie vor nicht kannte.
Das lag natürlich zu einem guten Teil daran, dass es ihm nicht gelungen war die nächste verschlüsselte Passage zu übersetzen. Er hatte einige der Randnotizen entziffern können, bei denen der größte Teil zweifelsohne Norlys Größenwahn entsprungen sein musste. Sein graues Auge richtete sich skeptisch auf den "Bewahrer des Reiches" über den Rand seiner Kaffeetasse hinweg, als er sich den neuen Plan anhörte.
Mr. C. Crowne. Randolph versuchte sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen, während in seinem Kopf die Gedanken ratterten. Was sollte das? Sein Blick fiel auf den großgewachsenen Mann in Taylors Begleitung. Er sollte das alles also gewusst haben. Arbeitete er vielleicht letzten Endes mit C zusammen? Und was warf das für ein Licht auf den Doktor?
Bruce musste wohl aufgefallen sein, dass sich die Augen des Chirurgen auf ihn gerichtet hatten.
"Darf man erfahren, was Sie mit Mr. Stirling zu schaffen haben, Mr...?", hakte Randolph mit vielleicht etwas zu scharfer Stimme nach.
Ihm fiel auf, dass er den Namen des Hünen nach wie vor nicht kannte.
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Zum Glück schien auch Norly nichts vom vergangenen Abend wissen oder darüber reden zu wollen, sodass das Thema gar nicht erst angesprochen wurde. Entschuldigungen oder andere leere Worte waren sowieso nicht angebracht. Gilbert strich sich über die Augen und setzte sich auf einen der Sessel im Raum, als auch schon das vermeintliche Ehepaar Benton den Raum betrat. Er grüßte sie kurz und still, war aber im Moment noch viel zu sehr mit sich und seinen Problemen beschäftigt, um ihnen groß Aufmerksamkeit zu schenken. Wem er dagegen mehr Aufmerksamkeit schenkte, war Norly, als dieser den weiteren Plan ansprach. Es gab viele Informationen und viele Namen, mit denen Gil nichts anfangen konnte. Das sah bei den beiden Bentons allerdings anders aus. Sie schienen schon mit den Personen aneinander geraten zu sein, was aber auch nicht verwunderlich war, da sie Norly ja sehr offensichtlich schon länger kannten als er selbst. Wie lange arbeiteten sie eigentlich schon mit ihm zusammen? Und wieso? Gefragt hatte er noch nie - vielleicht würde er das mal in einer ruhigen Minute nachholen.
Er hob eine Augenbraue und sah, nach diesem Gedankengang, die restlichen Anwesenden aber vor allem Ms. Benton an. "Alan Stirling... sollte ich den Namen kennen?" Vielleicht hatte er den Namen in den vergangenen Tagen schon gehört aber es war so viel passiert, dass er sich nicht daran erinnern konnte. Generell fühlte sich sein Gehirn im Moment etwas matschig an, was er auch mit dem fehlenden Medikament in Verbindung bringen konnte. Das würde noch ein ganz toller Tag werden. Doch er konnte sowieso nichts daran ändern, weshalb er schlussendlich Norly einfach nur zunickte. "Ja, lassen sie uns aufbrechen. Je schneller wir diese Sache erledigt haben, desto schneller kann ich versuchen mein zersplittertes Leben wieder aufzubauen." Das sagte er einfach nur so. Er wusste noch nicht einmal, ob er die Splitter wieder zu einem Ganzen zusammensetzen konnte oder überhaupt wollte. Er würde sehen müssen, was die Zukunft brachte.
Er hob eine Augenbraue und sah, nach diesem Gedankengang, die restlichen Anwesenden aber vor allem Ms. Benton an. "Alan Stirling... sollte ich den Namen kennen?" Vielleicht hatte er den Namen in den vergangenen Tagen schon gehört aber es war so viel passiert, dass er sich nicht daran erinnern konnte. Generell fühlte sich sein Gehirn im Moment etwas matschig an, was er auch mit dem fehlenden Medikament in Verbindung bringen konnte. Das würde noch ein ganz toller Tag werden. Doch er konnte sowieso nichts daran ändern, weshalb er schlussendlich Norly einfach nur zunickte. "Ja, lassen sie uns aufbrechen. Je schneller wir diese Sache erledigt haben, desto schneller kann ich versuchen mein zersplittertes Leben wieder aufzubauen." Das sagte er einfach nur so. Er wusste noch nicht einmal, ob er die Splitter wieder zu einem Ganzen zusammensetzen konnte oder überhaupt wollte. Er würde sehen müssen, was die Zukunft brachte.
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Bruce lief ein Schauer über den Rücken, als er Norly reden hörte. Existierte das Wort Vorsicht für ihn einfach nicht oder hatte er die Warnung darauf völlig vergessen, dass einer der Anwesenden womöglich für die Seite arbeitete, die ihm und seinen Begleitern so übel mitspielte?
Es war nun nichts daran zu ändern, dass Charles seine Absichten so offen darlegte und dabei nicht zuletzt ihn ebenfalls in die Schusslinie des Drahtziehers schob. Sein Blick suchte während Norlys Ausführungen verzweifelt nach verräterischen Anzeichen bei den anderen Anwesenden, wobei er als trainierter Boxer dabei mehr auf die Körperbewegungen, als auf die Gesichter achtete.
Miss Bolts Worte brachten Bruce dabei einmal mehr aus dem Konzept, als sie ein völlig verqueres Bild in seinen Kopf zeichneten, wie Sie und die Gruppe um Norly diesen Schlägertyp von einem Gentlemen an ein Bett gefesselt hatten und ein fast erschrockener Blick huschte dabei über die schöne, junge Frau.
Was Bruce sofort wieder in die Wirklichkeit riss, war der keinesfalls freundliche und bemerkenswert stechende Blick von Dr. Tremaine, der nun an ihn das Wort erhob und den Bruce bisher als berechnend und möglicherweise aggressiv wahrgenommen hatte. Der ehemalige Boxer hatte nicht vor, seine eigene Vergangenheit zum Gesprächsstoff unter diesen Leuten zu machen und beließ es darum bei einem simplen "Bruce", als der Mann nach seinem Namen fragte. Es half nun nichts mehr die Begebenheiten zu verschweigen, welche ihn in diese Lage gebracht hatten, da Norly ohnehin bereits mit dem wesentlichen herausgerückt war und so erzählte Bruce bereitwillig in seinen gewohnt knappen Worten. "Ich habe aus persönlicher Neugier nach der Wahrheit gesucht und stolperte dabei über Ungereimtheiten, wie Mr Norly gerade bereits berichtete. Mr Stirling gewann mein Interesse in einem Pub, in dem ich ein paar Gesprächsfetzen heraushörte, welche er in einem Gespräch mit zwei mir unbekannten Männern fallen ließ. Diese deckten sich mit meinen eigenen Erkenntnissen über die vergangenen Vorgänge, nicht jedoch mit den öffentlichen Informationen. Mir ein paar weitere Einzelheiten zu nennen, die mich letztlich zu Ihnen führten konnte ich Mr. Stirling .. überreden. Mr. Stirling schien weder eine hohe Meinung von Mr. Norly, noch von Mr. C zu haben, die er beide als verrückt bezeichnete."
Bruce war nicht glücklich das Interesse des Mannes auf sich gelenkt zu haben, den er als gewaltbereit einstufte, doch würden seine Ausführungen hoffentlich weiteres Nachbohren zu seiner Person vorerst verhindern. Tatsächlich wusste er kaum mehr, als bereits ausgesprochen worden war. Zumindest der Umstand, dass die Presse offensichtlich und die Polizei womöglich bedingt gegen ihre Gruppe manipuliert wurden, war bisher wohl nur Charles, ihm und dem vermeintlichen Spion unter ihnen bekannt.
Es viel dem Schotten im Moment schwer, sich richtig auf das bevorstehende zu konzentrieren solange ihn die Unsicherheit zu diesen so verschiedenen Leuten in seinem Griff hielt. Es war ihm rätselhaft, was sie alle mit Norlys Angelegenheiten verband und auf eine unliebsame weise fühlte er sich an die seltsamen Geschehnisse der letzten Tage um Dr. Temple, Miss Greywood und den seltsamen Kämpfer im Park zurückerinnert. Londons Abgründe schienen weit tiefer, als man sich auszumalen in der Lage war.
Es war nun nichts daran zu ändern, dass Charles seine Absichten so offen darlegte und dabei nicht zuletzt ihn ebenfalls in die Schusslinie des Drahtziehers schob. Sein Blick suchte während Norlys Ausführungen verzweifelt nach verräterischen Anzeichen bei den anderen Anwesenden, wobei er als trainierter Boxer dabei mehr auf die Körperbewegungen, als auf die Gesichter achtete.
Miss Bolts Worte brachten Bruce dabei einmal mehr aus dem Konzept, als sie ein völlig verqueres Bild in seinen Kopf zeichneten, wie Sie und die Gruppe um Norly diesen Schlägertyp von einem Gentlemen an ein Bett gefesselt hatten und ein fast erschrockener Blick huschte dabei über die schöne, junge Frau.
Was Bruce sofort wieder in die Wirklichkeit riss, war der keinesfalls freundliche und bemerkenswert stechende Blick von Dr. Tremaine, der nun an ihn das Wort erhob und den Bruce bisher als berechnend und möglicherweise aggressiv wahrgenommen hatte. Der ehemalige Boxer hatte nicht vor, seine eigene Vergangenheit zum Gesprächsstoff unter diesen Leuten zu machen und beließ es darum bei einem simplen "Bruce", als der Mann nach seinem Namen fragte. Es half nun nichts mehr die Begebenheiten zu verschweigen, welche ihn in diese Lage gebracht hatten, da Norly ohnehin bereits mit dem wesentlichen herausgerückt war und so erzählte Bruce bereitwillig in seinen gewohnt knappen Worten. "Ich habe aus persönlicher Neugier nach der Wahrheit gesucht und stolperte dabei über Ungereimtheiten, wie Mr Norly gerade bereits berichtete. Mr Stirling gewann mein Interesse in einem Pub, in dem ich ein paar Gesprächsfetzen heraushörte, welche er in einem Gespräch mit zwei mir unbekannten Männern fallen ließ. Diese deckten sich mit meinen eigenen Erkenntnissen über die vergangenen Vorgänge, nicht jedoch mit den öffentlichen Informationen. Mir ein paar weitere Einzelheiten zu nennen, die mich letztlich zu Ihnen führten konnte ich Mr. Stirling .. überreden. Mr. Stirling schien weder eine hohe Meinung von Mr. Norly, noch von Mr. C zu haben, die er beide als verrückt bezeichnete."
Bruce war nicht glücklich das Interesse des Mannes auf sich gelenkt zu haben, den er als gewaltbereit einstufte, doch würden seine Ausführungen hoffentlich weiteres Nachbohren zu seiner Person vorerst verhindern. Tatsächlich wusste er kaum mehr, als bereits ausgesprochen worden war. Zumindest der Umstand, dass die Presse offensichtlich und die Polizei womöglich bedingt gegen ihre Gruppe manipuliert wurden, war bisher wohl nur Charles, ihm und dem vermeintlichen Spion unter ihnen bekannt.
Es viel dem Schotten im Moment schwer, sich richtig auf das bevorstehende zu konzentrieren solange ihn die Unsicherheit zu diesen so verschiedenen Leuten in seinem Griff hielt. Es war ihm rätselhaft, was sie alle mit Norlys Angelegenheiten verband und auf eine unliebsame weise fühlte er sich an die seltsamen Geschehnisse der letzten Tage um Dr. Temple, Miss Greywood und den seltsamen Kämpfer im Park zurückerinnert. Londons Abgründe schienen weit tiefer, als man sich auszumalen in der Lage war.
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
„Mr. Stirlings Urteilsvermögen lässt ein wenig zu wünschen übrig“, entgegnete Charles und schmunzelte, in diesem Moment vielleicht überraschend erheitert, obwohl dieses Thema eigentlich eher Groll in ihm weckte. Tatsächlich handelte es sich in Wahrheit nicht um Belustigung, die aus ihm sprach, sondern eher um grimmige Resignation, die sich mit der Vorfreude darauf mischte, den erwähnten Missetäter zur Rechenschaft zu ziehen.
„Ihm haben wir die Schießerei in Manchester zu verdanken“, fügte er, speziell an Mr. Wright gerichtet, fort, da dieser sich nach Alan erkundigt hatte, „... und andere Unannehmlichkeiten. Er hatte die Wahl und hat sich entschieden, mich zu hintergehen. Dass er mit jemandem zusammenarbeitet, der Gebäude in die Luft sprengt“, hegte Charles keinen Zweifel, „kann ich mir bestens vorstellen. Ich bin bereit, dieser Spur eine Chance zu geben. Sie klingt zumindest vielversprechender als vieles andere, das mir in letzter Zeit noch zu Ohren gekommen ist.“
Charles schob seinen Teller demonstrativ von sich (er hatte ohnehin aufgegessen) und erhob sich von seinem Stuhl. Es war wahrlich an der Zeit, diesem Ort den Rücken zu kehren. Zumindest für einen Ausflug nach Lambeth. Die Erinnerungen an die vergangenen Stunden hier waren nicht gerade erfreulich, so sehnte sich Charles nach Nachtluft. London rief... und es tat gut, wieder hier zu sein. Allein die Reise nach Manchester hatte dunkle Schatten der Vergangenheit geweckt. Und die Erlebnisse dort hatten tiefe Wunden hinterlassen, die noch nicht verheilt waren. Er wollte Melindas Rat folgen und versuchen, das alles hinter sich zu lassen... die Trauer, die Enttäuschung, die Wut. Doch einfach war das keineswegs, wenn ihn alles, was er tat oder wahrnahm, daran erinnerte, jeder Gedankengang wider Willen in dieser Richtung endete und auch noch andere Personen die soeben gestoppte Blutung wieder aufrissen.
Über den Dingen zu stehen oder zumindest die Fassade entsprechend aufrechtzuerhalten, war eine Tugend, die Charles in den vergangenen Tagen vielleicht zu sehr in den Hintergrund geschoben hatte. Er war dazu befähigt, gewiss, und er wollte dem nun wieder mehr Aufmerksamkeit schenken. Seinen Gegnern oder allgemein Fremden Feuerholz für den eigenen Scheiterhaufen zu liefern, war nicht förderlich für Charles‘ Vorhaben. Je weniger Schwächen er entblößte, desto weniger Möglichkeiten hatte man, ihn wirklich im Mark zu treffen. Es war naheliegend, dass Johanna und ihre Mutter ermordet worden waren, weil er auf Johannas Annäherungsversuche eingegangen war. Charles hatte die Kontrolle über die Situation abgegeben. Er hatte sich blenden lassen – und das war ein Fehler gewesen. Dass diese Täuschung auf der Grundlage eines erschreckend präzisen Wissens über seine Vergangenheit und seine Mentalität geschehen war, stand auf einem anderen Blatt. Diesen Part konnte er nicht kontrollieren.
Aber dieser Part schränkte die infrage kommenden Täter bedeutend ein. Er warf Fragen auf, die er sich eigentlich nicht stellen wollte, aber wohl musste. Zum Beispiel: Wer, den er kannte, wäre zu einer solchen Grausamkeit ihm gegenüber befähigt? Dass diese ganze Scarface-Angelegenheit Auswüchse eines persönlichen Konflikts war, bezweifelte er nicht. Der oder die Strippenzieher mussten einen brennenden, abgrundtiefen Hass gegen ihn hegen. Die angewandte detailverliebt-präzise Vorgehensweise sprach aber gleichzeitig gegen Impulsivität, die eine solch emotionale Bindung mit sich gebracht hätte... Bisher zumindest. Vielleicht hatte Charles diese Komponente bisher übersehen, das konnte durchaus sein. Was sprach mehr von mangelnder Selbstbeherrschung als Brandstiftung, Mordanschläge und in die Luft gesprengte Maschinen innerhalb von wenigen Stunden? Die Täter hatten Panik bekommen, so würden sich die Ereignisse erklären lassen. Sie hatten sich unter Druck gesetzt gefühlt, als Charles aktiv begonnen hatte, gegen sie vorzugehen – in dem Moment, als er zur Tat geschritten und potenzielle Helfer rekrutiert hatte. Der Mord an Ed, der Anschlag auf Melinda, Mr. Lived und Mr. Hyde... diese Verbrechen waren eine Mahnung an Charles und all diejenigen gewesen, die es wagten, ihm zu helfen. Ein Versuch der Abschreckung, der seine Wirkung nicht voll entfaltet, aber zumindest in Teilen funktioniert hatte. Stirling hatte mit der Zündelei an Hills Haus für Ablenkung gesorgt, um Charles‘ Aufmerksamkeit und auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von Geschehnissen abzulenken, die im Geheimen noch geschehen sein mochten. Dinge, die man nicht sofort mit Scarface in Verbindung bringen würde. Dinge wie die Maschine in Lambeth, zu der Alan geflohen war... zu ihr und seinem Auftraggeber oder Partner, diesem Mr. C, der dort schon alles für die Sprengung vorbereitet hatte. Währenddessen war Charles durch Zufall mit Johanna zusammengestoßen. Gar nicht zufällig war jedoch ihre Anwesenheit im Haus von Hills Nachbarn gewesen. Jemand hatte sie gezielt auf Charles angesetzt, um ihn zu bespitzeln – aber sie musste erkannt haben, dass ihr eigentlicher Auftrag, nämlich sich ihm irgendwann zu offenbaren und noch näher an ihn heranzukommen, gefährdet gewesen wäre, hätte sie nicht sofort gehandelt. Ob ihre Hintermänner von Vorneherein geplant hatten, sie zum passenden Augenblick zu beseitigen, konnte Charles nicht einschätzen. Sie hatte es geschafft hatte, ihn glauben zu lassen, sie sei seine Tochter – vielleicht war ihr die Situation zu heikel geworden und sie hatte sich lieber zurückziehen wollen. Sie war ermordet worden, nachdem ihr dies gelungen war. Vielleicht war sie dann nicht mehr von Nutzen gewesen und war durch ihre Mitwisserschaft zu einem Risikofaktor geworden. Nicht nur sie, sondern auch ihre Mutter... Es war gut möglich, dass Sofia Stead eingeweiht gewesen war. Denkbar wäre aber auch, dass beide, Johanna und Sofia, nicht diejenigen gewesen waren, die man Charles hatte glauben lassen. Johanna hatte sich seltsam abweisend verhalten, als Charles sie in Manchester besucht hatte, nachdem er aus dem Gewahrsam der Polizei entkommen war, und Sofia hatte er gar nicht erst zu Gesicht bekommen, sodass er sich nicht sicher sein konnte, ob sie es denn auch wirklich gewesen war. Vielleicht war alles inszeniert gewesen... auch der Mord an den „Steads“? Nein, das Blutbad hatte vermutlich tatsächlich stattgefunden. Charles bereute es zutiefst, nicht nach den Leichen gesucht zu haben, um sie mit eigenen Augen zu sehen... um sich zu überzeugen.
Diese Überlegungen schwirrten in Charles‘ Kopf umher, während er den Stuhl zurück an den Tisch und dann seine Kleidung zurecht rückte. Es waren keine angenehmen Gedanken und seine Stimmung gestaltete sich entsprechend, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Gute Miene zum bösen Spiel.
Charles spürte die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich. Würde die Situation wieder eskalieren, wenn sie nun nach draußen gingen, um den Druck zu erhöhen? Doch wäre es nicht ein größeres Risiko, es nicht zu wagen?
„Machen Sie sich bereit für den Aufbruch. Verlieren wir keine Zeit“, sagte Charles und ließ seinen Blick über die Runde schweifen. Oxley scheute dabei den Augenkontakt nicht. Charles erkannte, dass sein Butler ihn besorgt musterte, so wie er es häufig tat, und ihn dabei vermutlich besser durchschaute, als es Charles lieb war. Es war tröstlich, Oxley in Sicherheit zu wissen. Hier, hinter diesen dicken Mauern, würde es allerdings nicht sicher bleiben, wenn Charles in der Stadt umherstreifte. Bisher hatten nur Stirlings Handlanger den Konflikt mit Gruppenmitgliedern in Charles‘ Anwesenheit gesucht – andere Angriffe, wie auch die Morde, waren stets dann geschehen, wenn er nicht anwesend gewesen war.
„Sobald wir das Theater verlassen haben“, ergänzte Charles deswegen, „ist es unbedingt erforderlich, dass Sie in meiner Nähe bleiben. Das bedeutet nun nicht, dass Sie mir am Rockzipfel hängen sollten, aber die Lage in der Stadt könnte recht angespannt sein – und wer weiß, wozu sich unsere Verfolger hinreißen lassen, sollten sie den Eindruck haben, dass das Blatt sich für sie wendet. Was die Polizei tun wird, sollten wir uns erwischen lassen, brauche ich wohl nicht auszuführen. Bringen Sie sich selbst in Sicherheit, sollte es unschön werden. Ich werde in einer solchen Situation versuchen, alle Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, um Ihnen den Rücken freizuhalten.“
Charles beließ es dabei und entfernte sich selbst schon einmal aus dem Gemeinschaftsraum, um sich aus dem Theaterfundus einen brauchbaren Mantel zu suchen... und auch die werte Mrs. Thomson über seine Pläne zu unterrichten. Er hatte, zugegebenermaßen, nicht wirklich Lust, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Sie war eine impertinente, taktlose Person – zumindest hatte sie diese Seite von sich gestern in ausreichendem Maße zum Besten gegeben. Dennoch wäre es unverantwortlich gewesen, sie allein zurückzulassen. Charles gab sich Mühe, nicht nachtragend zu sein, während er auf dem Kleiderständer einen Gehrock fand, der zwar nur von mittlerer Qualität, aber immerhin sauber war, und sich gedanklich schon passende Worte zurücklegte, mit der er ihr den bevorstehenden Ausflug ankündigen wollte. Als er sich schließlich einen Ruck gab, um Maura aufzusuchen, fand er stattdessen jedoch ein leeres Zimmer vor. Der Anblick eines großen Jagdmessers, mit dem ein Zettel an die Tür gepinnt worden, ließ ihn kurz erschrecken, doch die Nachricht, die sich vor seinen Augen in feiner, verschnörkelter Schrift auftat, nachdem er das Messer aus dem Türblatt gezogen und den Zettel entfaltet hatte, weckte eher andere Gefühle als Beunruhigung in ihm.
„Hochverehrter Mr Norly!“, hieß es dort.
„Ich kann Ihr Gesicht gerade regelrecht vor mir sehen, wenn Sie diese Nachricht lesen.“
Charles runzelte missbilligend die Stirn.
„Zu schade, dass ich nicht da sein werde, um dies zu bezeugen …
Nichtsdestotrotz hielt ich es für angebracht, Ihnen zumindest diese kurze Notiz dazulassen, um Ihnen keine zusätzliche Paranoia und keine zusätzlichen Sorgenfalten zu bereiten. Machen Sie sich keine Sorgen, Mr Norly. Ich werde Sie nicht verraten. Ihre Geheimnisse sind bei mir sicher … zumindest die wenigen, die ich bislang ergründen konnte. Und ich würde eher mit Inbrunst die französische Hymne auf dem Dach des Buckingham Palace singen, als mich an Scotland Yard zu wenden.“
Charles schnaubte leise, während er diese Worte las. Er wusste nicht, ob ihn dieses Bild belustigte oder nicht.
„Ich habe Ihnen zu danken, Mr Norly. Ich habe jahrelang darauf gewartet, endlich zu leben, und Sie haben mir die Gelegenheit gegeben, dies zu tun. Ich bin sicher, dass sich unsere Wege bald wieder kreuzen werden, denn seien Sie versichert, dass ich diese Sache nicht auf sich beruhen lasse. Vorerst halte ich es jedoch für das Beste, mich von Ihnen allen zu distanzieren … und sei es nur, um Ihnen auf andere, vielleicht ungesehene Weise helfen zu können.
Ich bin sicher, ich werde von Ihnen hören! Warten Sie es ab, ob Sie noch einmal von mir hören …
M. T.
P.S.: Das Messer gehört Ihnen. Ich habe es in Manchester aus Ihrem Haus ausgeliehen. Nehmen Sie es nicht persönlich.“
Charles ließ den Brief sinken, unzufrieden mit der Situation, und warf einen Blick auf das Messer, das er noch in der rechten Hand hielt. Es kam ihm nicht bekannt vor...
„Ihm haben wir die Schießerei in Manchester zu verdanken“, fügte er, speziell an Mr. Wright gerichtet, fort, da dieser sich nach Alan erkundigt hatte, „... und andere Unannehmlichkeiten. Er hatte die Wahl und hat sich entschieden, mich zu hintergehen. Dass er mit jemandem zusammenarbeitet, der Gebäude in die Luft sprengt“, hegte Charles keinen Zweifel, „kann ich mir bestens vorstellen. Ich bin bereit, dieser Spur eine Chance zu geben. Sie klingt zumindest vielversprechender als vieles andere, das mir in letzter Zeit noch zu Ohren gekommen ist.“
Charles schob seinen Teller demonstrativ von sich (er hatte ohnehin aufgegessen) und erhob sich von seinem Stuhl. Es war wahrlich an der Zeit, diesem Ort den Rücken zu kehren. Zumindest für einen Ausflug nach Lambeth. Die Erinnerungen an die vergangenen Stunden hier waren nicht gerade erfreulich, so sehnte sich Charles nach Nachtluft. London rief... und es tat gut, wieder hier zu sein. Allein die Reise nach Manchester hatte dunkle Schatten der Vergangenheit geweckt. Und die Erlebnisse dort hatten tiefe Wunden hinterlassen, die noch nicht verheilt waren. Er wollte Melindas Rat folgen und versuchen, das alles hinter sich zu lassen... die Trauer, die Enttäuschung, die Wut. Doch einfach war das keineswegs, wenn ihn alles, was er tat oder wahrnahm, daran erinnerte, jeder Gedankengang wider Willen in dieser Richtung endete und auch noch andere Personen die soeben gestoppte Blutung wieder aufrissen.
Über den Dingen zu stehen oder zumindest die Fassade entsprechend aufrechtzuerhalten, war eine Tugend, die Charles in den vergangenen Tagen vielleicht zu sehr in den Hintergrund geschoben hatte. Er war dazu befähigt, gewiss, und er wollte dem nun wieder mehr Aufmerksamkeit schenken. Seinen Gegnern oder allgemein Fremden Feuerholz für den eigenen Scheiterhaufen zu liefern, war nicht förderlich für Charles‘ Vorhaben. Je weniger Schwächen er entblößte, desto weniger Möglichkeiten hatte man, ihn wirklich im Mark zu treffen. Es war naheliegend, dass Johanna und ihre Mutter ermordet worden waren, weil er auf Johannas Annäherungsversuche eingegangen war. Charles hatte die Kontrolle über die Situation abgegeben. Er hatte sich blenden lassen – und das war ein Fehler gewesen. Dass diese Täuschung auf der Grundlage eines erschreckend präzisen Wissens über seine Vergangenheit und seine Mentalität geschehen war, stand auf einem anderen Blatt. Diesen Part konnte er nicht kontrollieren.
Aber dieser Part schränkte die infrage kommenden Täter bedeutend ein. Er warf Fragen auf, die er sich eigentlich nicht stellen wollte, aber wohl musste. Zum Beispiel: Wer, den er kannte, wäre zu einer solchen Grausamkeit ihm gegenüber befähigt? Dass diese ganze Scarface-Angelegenheit Auswüchse eines persönlichen Konflikts war, bezweifelte er nicht. Der oder die Strippenzieher mussten einen brennenden, abgrundtiefen Hass gegen ihn hegen. Die angewandte detailverliebt-präzise Vorgehensweise sprach aber gleichzeitig gegen Impulsivität, die eine solch emotionale Bindung mit sich gebracht hätte... Bisher zumindest. Vielleicht hatte Charles diese Komponente bisher übersehen, das konnte durchaus sein. Was sprach mehr von mangelnder Selbstbeherrschung als Brandstiftung, Mordanschläge und in die Luft gesprengte Maschinen innerhalb von wenigen Stunden? Die Täter hatten Panik bekommen, so würden sich die Ereignisse erklären lassen. Sie hatten sich unter Druck gesetzt gefühlt, als Charles aktiv begonnen hatte, gegen sie vorzugehen – in dem Moment, als er zur Tat geschritten und potenzielle Helfer rekrutiert hatte. Der Mord an Ed, der Anschlag auf Melinda, Mr. Lived und Mr. Hyde... diese Verbrechen waren eine Mahnung an Charles und all diejenigen gewesen, die es wagten, ihm zu helfen. Ein Versuch der Abschreckung, der seine Wirkung nicht voll entfaltet, aber zumindest in Teilen funktioniert hatte. Stirling hatte mit der Zündelei an Hills Haus für Ablenkung gesorgt, um Charles‘ Aufmerksamkeit und auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von Geschehnissen abzulenken, die im Geheimen noch geschehen sein mochten. Dinge, die man nicht sofort mit Scarface in Verbindung bringen würde. Dinge wie die Maschine in Lambeth, zu der Alan geflohen war... zu ihr und seinem Auftraggeber oder Partner, diesem Mr. C, der dort schon alles für die Sprengung vorbereitet hatte. Währenddessen war Charles durch Zufall mit Johanna zusammengestoßen. Gar nicht zufällig war jedoch ihre Anwesenheit im Haus von Hills Nachbarn gewesen. Jemand hatte sie gezielt auf Charles angesetzt, um ihn zu bespitzeln – aber sie musste erkannt haben, dass ihr eigentlicher Auftrag, nämlich sich ihm irgendwann zu offenbaren und noch näher an ihn heranzukommen, gefährdet gewesen wäre, hätte sie nicht sofort gehandelt. Ob ihre Hintermänner von Vorneherein geplant hatten, sie zum passenden Augenblick zu beseitigen, konnte Charles nicht einschätzen. Sie hatte es geschafft hatte, ihn glauben zu lassen, sie sei seine Tochter – vielleicht war ihr die Situation zu heikel geworden und sie hatte sich lieber zurückziehen wollen. Sie war ermordet worden, nachdem ihr dies gelungen war. Vielleicht war sie dann nicht mehr von Nutzen gewesen und war durch ihre Mitwisserschaft zu einem Risikofaktor geworden. Nicht nur sie, sondern auch ihre Mutter... Es war gut möglich, dass Sofia Stead eingeweiht gewesen war. Denkbar wäre aber auch, dass beide, Johanna und Sofia, nicht diejenigen gewesen waren, die man Charles hatte glauben lassen. Johanna hatte sich seltsam abweisend verhalten, als Charles sie in Manchester besucht hatte, nachdem er aus dem Gewahrsam der Polizei entkommen war, und Sofia hatte er gar nicht erst zu Gesicht bekommen, sodass er sich nicht sicher sein konnte, ob sie es denn auch wirklich gewesen war. Vielleicht war alles inszeniert gewesen... auch der Mord an den „Steads“? Nein, das Blutbad hatte vermutlich tatsächlich stattgefunden. Charles bereute es zutiefst, nicht nach den Leichen gesucht zu haben, um sie mit eigenen Augen zu sehen... um sich zu überzeugen.
Diese Überlegungen schwirrten in Charles‘ Kopf umher, während er den Stuhl zurück an den Tisch und dann seine Kleidung zurecht rückte. Es waren keine angenehmen Gedanken und seine Stimmung gestaltete sich entsprechend, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Gute Miene zum bösen Spiel.
Charles spürte die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich. Würde die Situation wieder eskalieren, wenn sie nun nach draußen gingen, um den Druck zu erhöhen? Doch wäre es nicht ein größeres Risiko, es nicht zu wagen?
„Machen Sie sich bereit für den Aufbruch. Verlieren wir keine Zeit“, sagte Charles und ließ seinen Blick über die Runde schweifen. Oxley scheute dabei den Augenkontakt nicht. Charles erkannte, dass sein Butler ihn besorgt musterte, so wie er es häufig tat, und ihn dabei vermutlich besser durchschaute, als es Charles lieb war. Es war tröstlich, Oxley in Sicherheit zu wissen. Hier, hinter diesen dicken Mauern, würde es allerdings nicht sicher bleiben, wenn Charles in der Stadt umherstreifte. Bisher hatten nur Stirlings Handlanger den Konflikt mit Gruppenmitgliedern in Charles‘ Anwesenheit gesucht – andere Angriffe, wie auch die Morde, waren stets dann geschehen, wenn er nicht anwesend gewesen war.
„Sobald wir das Theater verlassen haben“, ergänzte Charles deswegen, „ist es unbedingt erforderlich, dass Sie in meiner Nähe bleiben. Das bedeutet nun nicht, dass Sie mir am Rockzipfel hängen sollten, aber die Lage in der Stadt könnte recht angespannt sein – und wer weiß, wozu sich unsere Verfolger hinreißen lassen, sollten sie den Eindruck haben, dass das Blatt sich für sie wendet. Was die Polizei tun wird, sollten wir uns erwischen lassen, brauche ich wohl nicht auszuführen. Bringen Sie sich selbst in Sicherheit, sollte es unschön werden. Ich werde in einer solchen Situation versuchen, alle Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, um Ihnen den Rücken freizuhalten.“
Charles beließ es dabei und entfernte sich selbst schon einmal aus dem Gemeinschaftsraum, um sich aus dem Theaterfundus einen brauchbaren Mantel zu suchen... und auch die werte Mrs. Thomson über seine Pläne zu unterrichten. Er hatte, zugegebenermaßen, nicht wirklich Lust, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Sie war eine impertinente, taktlose Person – zumindest hatte sie diese Seite von sich gestern in ausreichendem Maße zum Besten gegeben. Dennoch wäre es unverantwortlich gewesen, sie allein zurückzulassen. Charles gab sich Mühe, nicht nachtragend zu sein, während er auf dem Kleiderständer einen Gehrock fand, der zwar nur von mittlerer Qualität, aber immerhin sauber war, und sich gedanklich schon passende Worte zurücklegte, mit der er ihr den bevorstehenden Ausflug ankündigen wollte. Als er sich schließlich einen Ruck gab, um Maura aufzusuchen, fand er stattdessen jedoch ein leeres Zimmer vor. Der Anblick eines großen Jagdmessers, mit dem ein Zettel an die Tür gepinnt worden, ließ ihn kurz erschrecken, doch die Nachricht, die sich vor seinen Augen in feiner, verschnörkelter Schrift auftat, nachdem er das Messer aus dem Türblatt gezogen und den Zettel entfaltet hatte, weckte eher andere Gefühle als Beunruhigung in ihm.
„Hochverehrter Mr Norly!“, hieß es dort.
„Ich kann Ihr Gesicht gerade regelrecht vor mir sehen, wenn Sie diese Nachricht lesen.“
Charles runzelte missbilligend die Stirn.
„Zu schade, dass ich nicht da sein werde, um dies zu bezeugen …
Nichtsdestotrotz hielt ich es für angebracht, Ihnen zumindest diese kurze Notiz dazulassen, um Ihnen keine zusätzliche Paranoia und keine zusätzlichen Sorgenfalten zu bereiten. Machen Sie sich keine Sorgen, Mr Norly. Ich werde Sie nicht verraten. Ihre Geheimnisse sind bei mir sicher … zumindest die wenigen, die ich bislang ergründen konnte. Und ich würde eher mit Inbrunst die französische Hymne auf dem Dach des Buckingham Palace singen, als mich an Scotland Yard zu wenden.“
Charles schnaubte leise, während er diese Worte las. Er wusste nicht, ob ihn dieses Bild belustigte oder nicht.
„Ich habe Ihnen zu danken, Mr Norly. Ich habe jahrelang darauf gewartet, endlich zu leben, und Sie haben mir die Gelegenheit gegeben, dies zu tun. Ich bin sicher, dass sich unsere Wege bald wieder kreuzen werden, denn seien Sie versichert, dass ich diese Sache nicht auf sich beruhen lasse. Vorerst halte ich es jedoch für das Beste, mich von Ihnen allen zu distanzieren … und sei es nur, um Ihnen auf andere, vielleicht ungesehene Weise helfen zu können.
Ich bin sicher, ich werde von Ihnen hören! Warten Sie es ab, ob Sie noch einmal von mir hören …
M. T.
P.S.: Das Messer gehört Ihnen. Ich habe es in Manchester aus Ihrem Haus ausgeliehen. Nehmen Sie es nicht persönlich.“
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Während sich Gilbert zumindest seelisch schon einmal darauf vorbereitete, endlich wieder aktiv zu werden und die Sicherheit des Theaters zu verlassen, hörte er den wenigen Gesprächen im Raum zu, die sich ergaben. Dieser Schlägertyp, der gestern aus dem Nichts aufgetaucht war, hieß also Bruce. Er hatte sich also aus persönlicher Neugier mit Norly und den damit verbundenen Personen und Ereignissen beschäftigt. Soso. Hatte der denn nichts Besseres zu tun, als sich mit solchen Themen zu beschäftigen? Wenn er sich bereits informiert hatte, wusste er auch, dass diese gesamte Sache äußerst gefährlich war. Wieso setzte jemand sein Leben aufs Spiel, nur um seine Neugierde zu befriedigen? Steckte vielleicht mehr dahinter? Bisher hatte sich Gil nicht viel mit dem Mann unterhalten. Hatte er überhaupt ein Wort mit ihm gewechselt? Vielleicht sollte er das mal in einer ruhigen Minute nachholen. Zumindest hatte er mit Stirling Kontakt gehabt und Norly klärte auch etwas auf, wer dieser Mann eigentlich war. Einer ihrer Gegenspieler also. Gilbert musste zugeben, dass er sich, obwohl er schon lange bei dieser Sache dabei war, wenig Gedanken um alles gemacht hatte. Viel mehr war er damit beschäftigt gewesen, irgendeinen Ausweg zu suchen und sich zu bemitleiden. Da es jetzt keinen einfachen Ausweg mehr gab, sollte er vielleicht anfangen, sich mehr mit dem ganzen Thema zu beschäftigen. Schließlich saß er drin, bis es zu Ende war. Wie auch immer dieses aussehen würde.
Auch wenn er selbst bereits gesagt hatte, dass sie sich beeilen und endlich losgehen sollten, war es nicht so einfach, sich auf diesen Ausflug vorzubereiten, als Norly darum bat. Er besaß sowieso so gut wie nichts. Seine Medikamente waren beim Absturz kaputt gegangen und das Laudanum würde ihm auch nicht weiterhelfen. Lediglich seinen Revolver konnte er mitnehmen. Doch sollte er das wirklich tun? Noch immer vertrat er die Meinung, keine Gewalt anwenden zu wollen. Doch auch er würde früher oder später zum Ziel werden und sich verteidigen müssen. Oder jemand anderen. Eigentlich konnte er auch komplett darauf verzichten und sich einfach abknallen lassen. Einen so großen Unterschied machte das im Endeffekt auch nicht. Wieder wurden seine Gedanken dunkel und negativ - wie ein Gift, das sich langsam ausbreitete. Doch er versuchte an etwas anderes zu denken und sich nicht durch den Strudel dieser Gedankengänge noch tiefer herabziehen zu lassen. Er musste dagegen ankämpfen. Ablenkung war vielleicht ganz gut und eine Sache konnte er noch tun, um sich vorzubereiten.
Auch Gil verließ für einen kurzen Moment das Zimmer, um sich an der Garderobe des Theaters zu bedienen. Zwar wusste er es nicht mit Sicherheit aber vielleicht war sein Aussehen bekannt und verbreitet worden. Er wusste einfach nicht, was da draußen in den letzten Stunden passiert war. Es wäre vermutlich besser, wenn er einfach etwas anderes anziehen und sein Gesicht etwas verstecken würde. Er suchte sich einen großen, braunen Mantel heraus, den er sich um die Schultern legte, um so seine andere Kleidung und Figur etwas zu verschleiern. Außerdem setzte er sich eine Melone auf den Kopf und legte sich einen dünnen, dunkelgrünen Schal um den Hals. So sollte es etwas erschwert werden, ihn einfach zu entdecken. Den Revolver versteckte er sicherheitshalber in seiner Weste. Die Aufmachung gefiel ihm nicht und er rümpfte missbilligend die Nase, als er sich in einem Spiegel betrachtete aber manchmal musste man den guten Geschmack eben ignorieren. Nachdem er auch sein Portemonnaie eingesteckt hatte, war es ihm möglich, aufzubrechen. Bereit war er nicht wirklich aber er wollte etwas tun und nicht nur sinnlos herumsitzen. Zumindest in dieser Sache hatte er etwas mit Norly gemein.
Auch wenn er selbst bereits gesagt hatte, dass sie sich beeilen und endlich losgehen sollten, war es nicht so einfach, sich auf diesen Ausflug vorzubereiten, als Norly darum bat. Er besaß sowieso so gut wie nichts. Seine Medikamente waren beim Absturz kaputt gegangen und das Laudanum würde ihm auch nicht weiterhelfen. Lediglich seinen Revolver konnte er mitnehmen. Doch sollte er das wirklich tun? Noch immer vertrat er die Meinung, keine Gewalt anwenden zu wollen. Doch auch er würde früher oder später zum Ziel werden und sich verteidigen müssen. Oder jemand anderen. Eigentlich konnte er auch komplett darauf verzichten und sich einfach abknallen lassen. Einen so großen Unterschied machte das im Endeffekt auch nicht. Wieder wurden seine Gedanken dunkel und negativ - wie ein Gift, das sich langsam ausbreitete. Doch er versuchte an etwas anderes zu denken und sich nicht durch den Strudel dieser Gedankengänge noch tiefer herabziehen zu lassen. Er musste dagegen ankämpfen. Ablenkung war vielleicht ganz gut und eine Sache konnte er noch tun, um sich vorzubereiten.
Auch Gil verließ für einen kurzen Moment das Zimmer, um sich an der Garderobe des Theaters zu bedienen. Zwar wusste er es nicht mit Sicherheit aber vielleicht war sein Aussehen bekannt und verbreitet worden. Er wusste einfach nicht, was da draußen in den letzten Stunden passiert war. Es wäre vermutlich besser, wenn er einfach etwas anderes anziehen und sein Gesicht etwas verstecken würde. Er suchte sich einen großen, braunen Mantel heraus, den er sich um die Schultern legte, um so seine andere Kleidung und Figur etwas zu verschleiern. Außerdem setzte er sich eine Melone auf den Kopf und legte sich einen dünnen, dunkelgrünen Schal um den Hals. So sollte es etwas erschwert werden, ihn einfach zu entdecken. Den Revolver versteckte er sicherheitshalber in seiner Weste. Die Aufmachung gefiel ihm nicht und er rümpfte missbilligend die Nase, als er sich in einem Spiegel betrachtete aber manchmal musste man den guten Geschmack eben ignorieren. Nachdem er auch sein Portemonnaie eingesteckt hatte, war es ihm möglich, aufzubrechen. Bereit war er nicht wirklich aber er wollte etwas tun und nicht nur sinnlos herumsitzen. Zumindest in dieser Sache hatte er etwas mit Norly gemein.
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Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten
Persönliche Neugier. Randolph nickte knapp. Das ergab natürlich absolut Sinn. Deswegen trieb sich dieser Kerl auch in Taylors Gegenwart herum. Alles erschien plötzlich so klar.
Düster wandte er den Blick ab und studierte das Ende seines neuen Gehstocks, den er in der Requisitenkammer aufgestöbert hatte und dessen Kopf einer Klaue glich. Taylor hatte ihm empfohlen sich nicht zu überanstrengen. Guter Rat. Nur unmöglich einzuhalten. Er war sich sicher, dass sich nach dieser "Expedition" sein Bein wieder anfühlen würde, als hätte er es in ein indisches Nagelbrett gerammt. Aber Charles schien die Sache nun durchziehen zu wollen. Was auch nicht falsch war, die Spur klang interessant. Was Randolph nur sehr störte, dass die Situation für ihn so unübersichtlich geworden. Die Motive von Taylor und "Bruce" blieben verschlüsselt, er hatte ständige Sorge um Melinda und er hatte sich auch noch keine abschließende Meinung zu Crownes Involvierung in die Geschehnisse gebildet. Und da war noch das Mysterium eines Tagebuches, das ihm nur noch mehr vor Augen führte, von welchen Paranoia der Mann wohl geplagt war. Randolphs Augen musterten die vorantickende Wanduhr. Oh ja, er freute sich auf das Kommende.
Düster wandte er den Blick ab und studierte das Ende seines neuen Gehstocks, den er in der Requisitenkammer aufgestöbert hatte und dessen Kopf einer Klaue glich. Taylor hatte ihm empfohlen sich nicht zu überanstrengen. Guter Rat. Nur unmöglich einzuhalten. Er war sich sicher, dass sich nach dieser "Expedition" sein Bein wieder anfühlen würde, als hätte er es in ein indisches Nagelbrett gerammt. Aber Charles schien die Sache nun durchziehen zu wollen. Was auch nicht falsch war, die Spur klang interessant. Was Randolph nur sehr störte, dass die Situation für ihn so unübersichtlich geworden. Die Motive von Taylor und "Bruce" blieben verschlüsselt, er hatte ständige Sorge um Melinda und er hatte sich auch noch keine abschließende Meinung zu Crownes Involvierung in die Geschehnisse gebildet. Und da war noch das Mysterium eines Tagebuches, das ihm nur noch mehr vor Augen führte, von welchen Paranoia der Mann wohl geplagt war. Randolphs Augen musterten die vorantickende Wanduhr. Oh ja, er freute sich auf das Kommende.
Darnamur- Jünger des Pinguins
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