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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Elli Mo Jun 26 2017, 11:23

Kaum einen klaren Gedanken zu fassen, war Melinda in der Lage. Ihr war so unfassbar kalt, dass sie nicht mal mehr wusste, ob ihr jemals schon einmal so kalt gewesen war.
Klar, das hatten wir schon mal. Aber da hattest du mehr Schnaps im Körper, weiß du denn nicht mehr? Der gute alte Randy hat dich damals gerettet...wie immer eigentlich...hehehehehe...
Erfreut stellte sie fest, dass offenbar alle am Leben waren und zum größten Teil auch einigermaßen beisammen und nicht schwer verletzt. Ein leichter Seufzer entfuhr ihren Lippen.
Zitterend versuchte Melinda Jackett und Mantel enger zu ziehen, doch der Stoff war dick und schwer und es gelang ihr nicht wirklich. Zumindest wurde ihr nicht wärmer davon.
"e-e-e-es ist mir scheißegal wo w-w-w-w-w-wir hingehen, a-a-a-a-aber wir sollten e-e-e-e-es schne-e-e-e-ell tun, sonst fri-i-i-i-i-i-iere ich fest."
Es war schwachsinnig hier herum zu stehen und wieder mal eine Diskussion zu führen. Nicht nur, dass es sich anfühlte, als sei ihre Haut von einer Schicht Eis überzogen, nein, die Wahrscheinlichkeit dass man sie fand nahm von Minute zu Minute zu.
Scotland Ya-a-a-a-a-ard wird nicht we-e-e-e-eit sein. W-w-w-w-w-ir müssen uns be-e-e-e-e-e-e-eilen."
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Umbra Di Jun 27 2017, 22:27

Charles stimmte dem sofortigen Aufbruch zu.
„Schluss jetzt mit diesem sinnlosen Gezeter! Wir haben wahrlich keine Zeit für Diskussionen.“
Er warf dem muskulösen Mann einen weiteren, skeptischen Blick zu, bevor er den dargebotenen Mantel mit einem etwas unwirschen Handgriff entgegennahm.
Ein dankendes, knappes Nicken.
Diese ganze Situation schmeckte Charles ganz und gar nicht. Als hätte er nicht schon genug Sorgen... Von allen Seiten kam nichts anderes als Vorwürfe. Drew und dessen Kumpan waren ihm ein Dorn im Auge. Aber vor allem reizte ihn Mr. Wrights unsägliche Impertinenz. Dieser Kerl hatte vielleicht Nerven!
„Ich habe Sie zu nichts gezwungen und werde mich Ihnen sicher nicht in den Weg stellen“, teilte Charles, an Wright gerichtet, mit und schnaubte, unterdessen er etwas umständlich in den Mantel schlüpfte, da das Gewehr ihn dabei behinderte. Als er es jedoch geschafft hatte, schulterte er die Waffe. Sein Redeschwall brach während diesem Manöver nicht ab.
„Darf ich Sie jedoch darauf hinweisen, dass das Flugschiff die noch beste Option war, die wir hatten? Sie sollten nicht so undankbar sein, immerhin haben Sie sich aus freien Stücken dieser Unternehmung angeschlossen, und von Ihrer Seite kam bisher in keiner Situation eine brauchbare Idee. Niemand von uns, nicht einmal Sie, wenn Sie ehrlich zu sich sind, hätte erwartet, dass Hill verblendet genug ist, uns mitten über der Stadt abzuschießen. Geben Sie also nicht mir die Schuld.“
Charles schlug mit düsterer Miene den Mantelkragen hoch. Es war verdammt kalt.
„Gehen Sie, ich wünsche Ihnen alles Gute“, zischte er höhnisch. „Sie werden sicher selbst einen Weg finden, unbemerkt das Land zu verlassen, da Ihnen meine Vorschläge nicht genügen werden. Vergessen Sie Ihr Gepäck nicht!“
Er wandte sich ebenjenem Gepäck zu und stapfte darauf zu. Sollte Wright doch sehen, wie er selbst zurechtkam. Sollte er doch Schutz in einer Lagerhalle suchen und sich dort, in Kälte und Dunkelheit, selbst bemitleiden!
Im Vorbeigehen murrte er noch zu Mrs. Thomson: „Ich habe wirklich meine Gründe, nicht erfreut über Drews Anwesenheit zu sein. Dass er für den werten Chief Commissioner arbeitet, ist nur einer davon.“
Darauf wollte er nicht näher eingehen. Sie alle konnten ihm in diesem Moment gestohlen bleiben! Es war ihm einfach zu viel des Guten. Nach all dem, was in den letzten Stunden geschehen war. Seine Endeavour... Aber, weitaus schlimmer: Johanna... Ein Kloß kroch in seinen Hals. Charles wollte fort von hier, allein sein. Er verspürte einen inneren Drang, einfach loszurennen und sich nicht mehr umzusehen.
„Sei nicht paranoid.“ Drew tauchte an seiner Seite auf und hielt Schritt. „Hill kann mich zwar zwingen, ihm meine Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen, aber er kann mich nicht zwingen, mich loyal zu verhalten. Glaubst du etwa, ich bin gerade in seinem Auftrag hier? Er hat mich an die kurze Leine gelegt, gerade damit ich dir nicht helfe.“
Er legte eine fast schon dramatische Pause ein und schlüpfte dann in Charles‘ Weg, als dieser keinerlei Reaktion zeigte.
„Ich muss mit dir sprechen“, verlangte Taylor eindringlich. „Allein.“
Charles funkelte ihn böse an. Warum konnte man ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Er schob sich an Drew vorbei.
„Oh Wunder, da bist du nicht der einzige“, knurrte Charles mit vor Sarkasmus triefendem Tonfall und machte sich daran, seinen Koffer aus dem Gepäcknetz zu befreien. Sein Zylinder lag lose zwischen den ledernden Kästen – eingedellt. Mit einem Fausthieb, der etwas kräftiger als nötig war, richtete er diesen Umstand wieder und platzierte den Hut auf seinem klitschnassen Haupt.
„Stell dich hinten an“, fügte Charles hinzu, „vielleicht findet Oxley später noch eine freie Lücke für dich in meinem Terminkalender. Momentan bin ich jedenfalls zu beschäftigt.“
Als nächstes wuchtete er Melindas Koffer aus dem Netz. Es war eine Qual, sich danach wieder aufzurichten. Seiner Laune war es ebenfalls nicht zuträglich, dass Drew direkt bei ihm stand, als er den Blick hob.
Selbstverständlich würde er ihn nun nicht einfach durch verbale Ablehnung loswerden. Die Versuchung, Drew einfach in den Fuß zu schießen und hier zu lassen, war nicht einmal niedrig, jedoch konnten sie alle es sich nicht leisten, Lärm zu machen.
„Kommen Sie, hier entlang“, brummte Charles, sich damit wieder an die Gruppe richtend, und nickte in südliche Richtung. Nein, Lagerhallen klangen wirklich nicht verlockend. Charles hatte etwas anderes im Sinn.
Er drückte Drew unsanft Melindas Koffer in die Hand und ließ ihn damit hinter sich zurück, bevor er das gleiche mit seinem Koffer und Drews Begleiter versuchte. Sollten die beiden Störenfriede sich ruhig nützlich machen, wenn sie sich schon aufdrängten.
„Ihr Vorschlag in allen Ehren, Sir“, Charles suchte kurz Augenkontakt zum Muskelmann, „aber ich bevorzuge etwas Gemütlicheres.“
In Melindas Richtung sicherte er zu: „Es ist nicht weit. Dort können wir uns aufwärmen.“
Sie schlotterte wie Espenlaub. Ihm selbst war ebenfalls unfassbar kalt (der Mantel half da nur minimalst). Er zitterte, wobei er seine Stimme eindeutig noch mehr im Griff hatte als sie. Seine Glieder fühlten sich von Moment zu Moment tauber an, aber das hinderte ihn nicht daran, aufzubrechen. Wer ihm folgen wollte, sollte folgen. Der Rest konnte sehen, wie er ohne Charles‘ „tolle Vorschläge“ zurechtkam.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Darnamur Mi Jun 28 2017, 20:15

Die Augen des Doktors blickten nur noch einmal kurz zu Wright hinüber. Er musste seine Entscheidung treffen, er hatte gesagt, was gesagt werden musste. Und vielleicht würde es ihm letzten Endes helfen sich von der Gruppe zu trennen. Wer konnte das schon genau wissen. Sicherheit gab es nicht mehr in dieser Welt. Sie war Ihnen unter den Füßen weggezogen worden und nun waren sie dem Tod ausgeliefert, der aus allen Richtungen seine Gewehre mit schwarzen Mündungen auf sie richtete. Sämtliche soziale Strukturen waren zerbrochen, alles was in seinem Leben normal gewesen war, war verloren.
Aber dieses normale Leben war im Grunde nur schrecklicher gewesen, als das was er jetzt tat. Er war versunken in einem Sumpf aus Schwärze und Misanthropie und seine Patienten wurden nie weniger; es erschien ihm wie ein tosendes Meer, das sie immer wieder und wieder an ihn heranschwemmte, krank, gebrechlich und schweißausdünstend. Der Geruch von Blut und Fieber füllte seine Lungen, wie bei anderen die gifitiger Fabrikdampf. Bis er sich mitgerissen fühlte, in einen Mahlstrom, aus dem es kein Entrinnen gab, der einen weiter mitriss, bis man nichts war als eine Hülle mit einem schwach glimmenden letzten Funken an Menschlichkeit. Doch dieser Nebel hatte sich gelichtet. Nun war es anders.
Auch wenn er nicht sagen konnte, dass sich die Dinge für ihn, Melinda und den Rest zum Guten gewendet hatte. Immerhin fühlte er sich jetzt lebendig.
Er wandte nichts ein, als Charles die Begleitung von Taylor und seinem kräftigen Begleiters schließlich doch akzeptierte. Er war derjenige, der den Doktor persönlich kannte und diese Entscheidung fällen musste. Randolphs Misstrauen legte sich dadurch nicht, aber er fügte sich der Entscheidung. Sacrificium intellectus. Auch er konnte nicht sagen, ob Taylor auf ihrer Seite war oder nicht. Sie würden es herausfinden müssen.

Vielleicht würde dort draußen eine Hundertschaft an Polizisten warten, mit entsicherten Revolvern und Gewehren.

Vielleicht würde der muskelbepackte Kerl ausrasten wie der Ire, würde ihn anfallen und versuchen sein Genick zu brechen.

Vielleicht würde Charles Norly sie alle schrittweise ihrem Untergang zuführen.

Vielleicht...
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Thorgrimm Mo Jul 03 2017, 04:24

Norly hatte Unrecht. Mit so gut wie allem was er sagte. Vielleicht hatte er Gilbert nicht direkt oder mit Waffengewalt dazu gezwungen, mit ihm zu kommen aber mit all dem, was in den letzten Stunden und Tagen vorgefallen war - woran Norly nun einmal in seinen Augen die Schuld trug - war dem Maler nicht wirklich etwas anderes übrig geblieben. Vor allem nicht, nachdem er sich strafbar gemacht und damit auf Norlys Hilfe angewiesen war, dieses Land zu verlassen. Von diesem Moment an, war er an den vermeintlichen Serienmörder gebunden gewesen. Es gab viel mehr Arten von Zwang als denjenigen, den sich Norly hier vorstellte.
Dass das Luftschiff die beste Option gewesen war, war reine Spekulation. Er war noch immer der Ansicht dass ein normales Schiff viel sicherer gewesen wäre. Es gab Schmuggler, die sich Bestens damit auskannte, Menschen zu transportieren. Ein Luftschiff mit den Ausmaßen der Endeavour hatte keinerlei Chancen unentdeckt zu bleiben. Ein kleines Schiff, mitten in der Nacht schon. Lediglich einer Sache stimmte Gil zu. Sie hatten nicht ahnen können, von Gatlings abgeschossen zu werden. Doch sie hätten ahnen können - und das hatte er auch vor dem Abflug gesagt - dass sie entdeckt werden würden.
Doch all dies sagte Gilbert nicht. Sie hatten wirklich keine Zeit, jetzt lange Diskussionen zu führen. Vor allem nicht, nachdem sie gerade mit dem Leben davon gekommen waren. Ein jeder war jetzt bis aufs Äußerste gespannt und Streit, war da ganz normal. Trotzdem meinte er seine Worte durchaus ernst. Er hatte keine Lust mehr, weiter in die Teufelsspirale abzutauchen, die Norly darstellte. Wenn er sich dieser nicht irgendwann entriss, würde es zu spät sein. Vielleicht war jetzt wirklich der Moment gekommen, an dem er seinen Worten auch Taten folgen lassen musste.
Ohne weitere Worte zu verlieren, ging Gilbert auf das Gepäck zu und fing an, nach seinen Koffern zu suchen. Der große Reisekoffer hatte den Sturz unbeschadet überstanden aber der Aktenkoffer lag offen auf dem Boden - der Inhalt war überall verteilt. Kleine Fläschchen, die vorher noch mit einem Medikament gefüllt gewesen waren, lagen zerbrochen auf dem Rasen. Die Flüssigkeit war schon längst in den Erdboden gesunken. So wie er es sah, hatte kein einziges Fläschchen den Sturz aus dem Luftschiff überstanden. Verdammt. Ohne dieses Psychopharmaka würde er schon sehr bald weit mehr Probleme haben, als Norly sie darstellte. Was sollte er nur tun?
Gilbert schüttelte den Kopf und nahm zumindest seinen Reisekoffer zur Hand. Das Medikament war nicht zu retten - egal wie er es drehte und wendete. Er sollte sich lieber Gedanken darüber machen, was jetzt zu tun war. Anscheinend hatte Norly einen anderen Unterschlupf im Sinn - einen komfortableren. Doch wieder einmal hüllte er sich in Geheimnisse und schien nicht preisgeben zu wollen, um was genau es sich handelte. Gil musste etwas tun. Er stand hinter seinen Worten und wollte sich von Norly befreien. Nichts lieber würde er jetzt im Moment tun, als einfach wegzurennen und all diese Leute nie mehr wiederzusehen. Doch würde er es alleine schaffen? Selbst wenn der Yard ihn nicht erwischte, würde er die Nacht in den Lagerhallen überleben? Was sollte er danach tun? Alleine? Ohne Geldmittel und Medikamente? Ohne Unterstützung, egal wie diese auch aussah?
Nein, er musste mit Norly und dem Rest gehen. So sehr ihm das auch missfiel, er war noch immer an den Mann gebunden. Stur begann er, nach einer ganzen Weile, der Gruppe zu folgen. Wenn jemand darauf bestand, dass er seinen Plan durchsetzte, sollten sie ihn doch zwingen. Dieses Mal aber wirklich. Mit Waffengewalt. Entschuldigen würde sich Gilbert für seine Worte auch nicht. Es war etwas, dass ihm schon lange auf dem Herzen gelegen hatte und selbst Norly sollte erkennen, dass ein wahrer Kern dahinter steckte.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Fade Sa Jul 08 2017, 21:42

Mit geradezu vorbildlicher Fassung gelang es Bruce, das Geschehen ohne sichtbare Gefühlsregung zu verfolgen. Dabei erschien es alles andere als leicht, sich von den Personen und ihrem Verhältnis zueinander ein Bild zu machen, nachdem sie gerade großteils sehr angespannt wirkten.
Es war interessant, dass einer aus der Gruppe Charles Norly direkt anging. Er schien wenig von ihm zu halten und vor allem keine Angst vor dem Mann mit dem grausigen Ruf zu besitzen. Es war vermutlich trotz, dass der Mann so rasch auf den Vorschlag des Schotten einging. Sein Partner, welcher seine Pistole immer noch gut sichtbar vor sich hielt wirkte dabei deutlich misstrauischer, wobei er jedoch Informationen von sich gab, welche Bruce wohl mehr interessierten, als seinen Kollegen.
Dr. Taylor, Drew, arbeitete also für das Yard? Dies war ohne Zweifel eine Überraschung, da das verhalten Bruce Begleiters bisher ganz und gar nicht in diese Richtung hingedeutet hatte. Der Mann, der mit nach Norden wollte, gehörte vielleicht nicht zum engsten Kreis Norlys Bande an, wenn sein Partner ihn in solche Details hier und jetzt einweihte.
Die ältere Frau, die schließlich ihrer misslichen Lage entkommen war sprach das aufsässige Bandenmitglied mit Mr. Wright an, was auch nur ein Deckname sein konnte. Sie kritisierte Norly ebenfalls auf eine Art, welche Bruce von diesen Leuten nicht erwartet hatte. Vielleicht hatte der Mann mit dem Berühmtberüchtigten Namen hier gar nicht das Kommando inne.
Als Mr. Wright dann jedoch zweifelnd über Norlys Hintergründe sprach wurde Bruce stutzig.

Der Schotte kam nicht dazu, die möglichen Motive weiter zu hinterfragen, denn auch die Frau, welche Scarface aus dem Wasser gezogen hatte, gesellte sich zu der Gruppe. Er erkannte in ihr Melinda Bolt, welche in keiner besseren Verfassung, als der mögliche Serienmörder selbst schien. Sie war schöner, als beschrieben und so haftete der Blick des Schotten nur einen Sekundenbruchteil auf ihr. Keine Zeit den Kopf zu verlieren.

Dass Norly seinen Mantel entgegen nahm, war ein gutes Zeichen. Diesen Taylor kannte Scarface offenbar recht gut und gewissermaßen gab dies Bruce einen flüchtigen Schutz, solange Drew mitspielte und seinem alten Kameraden nicht verriet, dass er keine Ahnung besaß, wen er ihm da angeschleppt hatte. Was Charles Norly dann allerdings von sich gab, ließ in Bruce Ohren die Alarmglocken läuten. Das Luftschiff war ihre beste Option? Hill hatte es abgeschossen? Commissioner Hill? Eine wichtige Information, wenn sie stimmte und die morgigen Zeitungen würden die Spur vielleicht fortführen.
Oxley. Noch ein Name. Die Gruppe schien sich nicht veranlasst, sich bedeckt zu halten. Das konnte es später leichter machen, aber vielleicht lag es auch nur an der jetzigen Situation. Als Norly ihm dann noch einen Koffer reichte, nahm der Schotte ihn nur all zu gern entgegen. Der Mann war nach wie vor schwer einzuschätzen und es passte nicht ganz ins Bild, was Bruce sich inzwischen zurecht gelegt hatte. Dass er bereits wieder einen Plan zu haben schien, nachdem der Absturz doch unerwartet gewesen sein sollte, konnte in eine gefährliche Sackgasse für den jungen Schotten und sein Detektivspiel führen, wenn er nicht auf der Hut blieb. Es fiel dem ehemaligen Boxer nicht leicht, in dem Mann vor sich einen berechnenden Schwerverbrecher zu sehen, doch anhand seiner bisherigen Leistungen durfte man Norly wohl auf keinen Fall unterschätzen.

Bruce hielt sich beim Aufbruch Richtung Süden nahe hinter Norly, er konnte geradezu die Blicke der beiden Pistolenträger hinter sich spüren. Zumindest diese beiden, schienen Scarface ergeben zu sein und zögerten wohl nicht beim Waffengebrauch, auch wenn sie im Nahkampf eher keine gute Figur abgeben würden.
Es war nicht schwer zu erkennen, dass nicht nur Charles Norly, sondern auch seine Leute angeschlagen waren. Eine zufällige Begegnung mit der Polizei würde wohl schicksalhaft enden und Richtung Süden waren bestimmt bereits mehr Bobbys auf der Suche nach ihnen, als nördlich. Die wichtigste Hürde war dabei womöglich die Mauer des Parks, danach konnte man in Hauseingängen Deckung suchen oder zwischen plündernden Grüppchen untertauchen, mit denen zu ihrem Glück gerade wohl in der halben Stadt genug unterwegs waren.
Bruce blickte recht starr vor sich hin während er lief. Die Kälte machte ihm wenig aus und durch die Anspannung wurde die Nacht gerade zum Tag für ihn. Er erwartete fast, dass gleich einer der Anwesenden etwas völlig irrationales tun würde. Für die letzten Stunden war der Begriff Verrückt noch eine Untertreibung.
Wenn seine bisherigen Vermutungen nicht gänzlich fehl gingen, fand gerade vielleicht irgendwo dort draußen etwas bedeutsameres statt, als ein brennendes Schiff im Nachthimmel Londons.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Leo Fr Jul 14 2017, 16:27

‚Vergessen Sie Ihr Gepäck nicht‘“, murmelte Maura missgelaunt, während sie ihren Mantel enger um den Körper schlug. Es erinnerte sie einmal mehr daran, dass sie im Grunde nackt hier stand, mit nichts als dem, was sie bei sich trug. Ihr Revolver war mit dem Verschwinden von Norlys nervigem Freund wahrscheinlich auch unwiederbringlich verloren.
Egal. Das war nicht die Zeit, um schlechte Laune zu bekommen, und eigentlich hatte sie die auch nicht, im Gegenteil. Natürlich war ihre Situation gerade nicht die beste. Trotzdem steckte ihr die Euphorie über ihren Flug, nein, die Aufregung über dieses ganze Abenteuer noch immer in allen Poren ihres Körpers. Das erste Mal seit 20 Jahren fühlte sie sich lebendig!
Sie sah sich um, doch es war nichts da, was sie hätte tragen können (oder müssen). Eine Weile blieb sie stehen und beobachtete Wright, der in einiger Entfernung stehen geblieben war und seinen Koffer begutachtete. Maura runzelte die Stirn. Wright … so wie sie das sah war er gewissermaßen immer noch der Schwachpunkt der Gruppe. Sie traute ihm zwar irgendwie … zumindest was seine Motive anging. Leider hieß das noch lange nicht, dass er nicht irgendwann zum Yard gehen konnte, wenn er genug hatte. Aber noch hatte sie nicht das Gefühl, dass es so weit war.
Sie wandte sich wieder ab und betrachtete den Rest dieser sonderbaren Versammlung, der ihr nun den Rücken zugedreht hatte. Norly, der Wahnsinnige. Egal, was er sagte, dieser Flug war eine mehr als miese Idee gewesen, und sie und Wright hatten ihm das deutlich gesagt. Wo würde dieser Mann sie das nächste Mal hinbringen, wenn er seine kindischen Abenteurerdrang auslebte? Hoffentlich nicht direkt vor die Tore des Himmels. Himmel? Pah. Mörder wie du kriegen die Hölle.
Mit ein paar eiligen Schritten schloss sie wieder zu den anderen auf, Wright würde schon ohne sie nachkommen. Ein Räuspern, als sie hinter ‚Drew‘ stand. „Also, heraus mit der Sprache, mein Herr. Wer zum Teufel sind Sie, was wollen Sie, und wie haben Sie es nur geschafft, dass Norly Sie so wenig leiden kann? Ich glaube, wir alle haben ein Recht darauf, das zu erfahren, meinen Sie nicht? Und ich werde nicht erst warten, bis ihr Leibwächter“, sie zeigte mit dem Daumen auf den vorausgehenden Blondschopf, „uns in irgendeine vermeintlich raffinierte Falle schickt.“ Eigentlich glaubte sie nicht daran, aber man konnte nie zu misstrauisch sein.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Umbra Mi Jul 19 2017, 22:29

Die Gruppe war endlich zum Aufbruch bereit. Jede Sekunde, die verstrich, konnte eine Sekunde zu viel sein... oder bereits gewesen sein. Momentan schien es ruhig hier im Park, aber das musste wenig heißen. Sollte man sie entdeckt haben, würde man alles daransetzen, sich ihnen ungesehen zu nähern und dann zu überraschen – da war sich Charles sicher. Er stapfte einfach voran und ließ sich nun durch niemanden mehr aufhalten. Dabei war es ihm gerade zuwider, dass er sich gerade überhaupt in Gesellschaft befand. Einmal mehr wünschte er sich hauptsächlich seine Ruhe... und ein wenig trockene Gemütlichkeit wäre auch nicht zu verachten. Die Kälte schnitt unbarmherzig und tief in sein Fleisch. Selbst der Mantel half da wenig. Dieser war ihm viel zu groß und klitschnass war er nichtsdestotrotz immer noch. Besser als keinen Mantel zu tragen, war es allemal, aber Charles musste sich eingestehen, dass er den Unterschied gerade kaum zu spüren vermochte. Seine Kleidung schien ihm bleischwer, genauso wie alles, was von ihr verhüllt wurde, taub und eisig war. Die Wut in ihm wirkte momentan jedoch stark genug, um gegen die Anstrengung anzukämpfen und das Zittern seiner Muskeln halbwegs zu unterdrücken. Sein Ziel geistig vor Augen und triefend vor Seewasser, kämpfte er sich voran und versuchte, die Anwesenheit der anderen auszublenden, um sich nicht noch mehr von ihnen reizen zu lassen. Dafür hatte er nun keine Geduld mehr übrig. Auch wenn man nicht zu schätzen wusste, was er tat und aufgab, um alle hier zu beschützen, musste er wenigstens noch aufmerksam sein und funktionieren, bis sie in Sicherheit waren.



Das Südende des Parks war nicht weit und der hügelige Grasboden verhinderte, dass sie schon aus großer Entfernung zu sehen sein würden, dennoch brachte dieses Gelände seine ganz eigenen Herausforderungen mit sich. So mitgenommen, wie fast alle waren, wurden selbst kleine Steigungen zur größeren Anstrengung. Besonders Randolph war, in Ermangelung einer Gehhilfe, so schlecht zu Fuß, dass Oxley ihm nach schon wenigen Schritten wortlos Unterstützung anbot.
Während Bruce sich dicht an Charles hielt, suchte Drew zwar Anschluss aber nicht unmittelbare Nähe, sodass Maura und er das Mittelfeld bildeten, als sie zu ihm vorstieß. Drew wirkte zufrieden mit sich, seitdem Charles kapituliert hatte, auch wenn ihm trotzdem Anspannung ins Gesicht geschrieben stand. Maura überraschte ihn, während er im Gehen misstrauisch die Umgebung beäugte. Als er sich zu ihr umsah und dann stattdessen sie musterte, sprach sein Blick von ehrlichem Interesse.
Er konterte ihre fordernden Worte mit einem sanften Lächeln.
„Ich glaube, Sie trauen meinem Begleiter zu viel Raffinesse zu, Madam“, meinte er diplomatisch. „Seine Motive sind schätzungsweise so ehrenhaft wie meine.“
Er hob seine freie Hand (in der anderen trug er pflichtbewusst den Koffer, den Charles ihm aufgedrängt hatte), um seinen Bowler anzuheben und dabei knapp zu nicken und sich vorzustellen: „Dr. Taylor, zu Ihren Diensten... mehr oder minder jedenfalls.“
Er ließ sich offenbar von Mauras direkter Art nicht irritieren.
„Eigentlich bin ich wirklich nur hier, weil das Schicksal mich führte“, erklärte er, „und bleibe auch nur, weil es mir ein dringendes Bedürfnis ist, ein ungestörtes Wörtchen mit Charles zu wechseln. Sie haben ihn gehört: er ignoriert meine Versuche der Kontaktaufnahme. Schon seit Wochen. Mit purer Absicht, wie er eben zugegeben hat.“
Charles war sicher nah genug, um jedes Wort zu hören (was zudem vermutlich Taylors Absicht war), blieb aber, ausnahmsweise, schweigsam. Drew merkte, dass seine Provokation nicht fruchtete, und fuhr fort.
„Aber lassen Sie sich davon nicht täuschen. Er kann mich durchaus leiden – allerdings tat er sich schon immer schwer, Hilfe anzunehmen, wenn man es dabei versäumt hatte, es ihm als seine eigene Idee zu verkaufen.“
Charles schien eisern zu bleiben.
„Nun...“, sprach Dr. Taylor nach einer weiteren kurzen Pause, „dürfte ich fragen, mit wem ich die Ehre habe, Madam? Sie und unser missgelaunter Nachzügler sind die einzigen hier, mit denen ich noch nicht das Vergnügen hatte oder deren Phantombilder noch nicht etliche Freiflächen in der Stadt verzieren. Zu dieser fraglichen Berühmtheit hat es bei Ihnen offenbar noch nicht gereicht... obwohl Sie scheinen es ernsthaft darauf anzulegen scheinen.“



Schon bald war die Mauer, die den Park umsäumte, in Sicht. Hinter ihr, wohl auf der anderen Straßenseite, ragte eine breite Zeile von gleich aussehenden, noblen Reihenhäusern auf, die größtenteils in Dunkelheit lagen.
„Gebt Acht“, meldete sich Drew wieder zu Wort, als Charles die Gruppe auf ein Tor in der Mauer zu führte. „Der Yard hat die ganze Stadt aus den Betten gescheucht. Es wäre besser, uns von der offenen Straße fernzuhalten.“
„Momentan sieht es hier ruhig aus“, erwiderte Charles mit gedämpfter Stimme, nicht ohne vorher die Lage sondiert zu haben. Er war zwar noch immer in äußerst schlechter Stimmung, allerdings versuchte er, dies für einen Moment beiseitezuschieben. In Gedanken stimmte er Drew zu. Das Straßennetz Londons bot einige Möglichkeiten, sich ungesehen zu bewegen, aber früher oder später war man immer gezwungen, den Schutz von Dunkelheit und Deckung zu verlassen.
„Halten Sie sich da draußen fern von Straßenmitten und Laternen, Ladies und Gentlemen. Sollten wir entdeckt werden, werde ich Ihnen den Rücken freihalten. Kümmern Sie sich dann um Ihr eigenes Heil und nicht um mich.“
Er hoffte, dass es nicht so weit kommen würde. Vielleicht würde er sich dann stellen müssen, so wie in Manchester. Im schlimmeren Fall könnte eine solche Situation aber auch bleiern und blutig enden. So oder so: Charles würde so handeln, wie es nötig war, um die anderen vor Schaden zu bewahren. Er hatte nicht vor, dieses Versprechen zu brechen – selbst, wenn es ihn Freiheit und Leben kosten würde. Es waren schon genug Menschen gestorben, deren einziges Vergehen es gewesen war, ihm nahezustehen.
Der gusseisernen Rahmen des Tors schepperten leise in den Angeln, als Charles seine Hand an die Klinke legte und sie hinunterdrückte. Sie ächzte und das Tor schepperte noch mehr, aber es ließ sich tatsächlich ohne Widerstand öffnen.
Hinter sich hörte er Drew raunen (und ein kurzer Blick über die Schulter verriet Charles, dass es an den hünenhaften Blonden gerichtet war): „Das nächste Mal sehen wir uns vielleicht auch nach einem Tor um – was meinen Sie?“

Die Straße empfing Charles und sein Gefolge mit kühler, blasser Einsamkeit. Licht, das aus einigen Fenstern fiel, tauchte die Pflastersteine teils in Dämmerung, aber die Dunkelheit überwog. Die Gaslaternen hier waren bereits gelöscht worden.
Er verlor keine Zeit und schlug einen Weg durch die Nebengassen zwischen den Häusern ein. So mussten sie die großen, stärker beleuchteten Straßen im besten Fall nur kreuzen. Er hatte im Hinterkopf, dass sie sich gerade nah an Whitehall und den Scotland Yard heranwagten, aber man würde genau das wohl nicht von ihnen erwarten. Charles hatte in jüngster Zeit mehrere Verstecke hier genutzt – unter anderem auch eins in Spuckreichweite zum Yard (würde er solch vulgären Praktiken fröhnen), von dem er aus Hill in seinem Büro hatte beobachten können. Charles war sich natürlich bewusst, nicht mit Unantastbarkeit gesegnet zu sein, aber Dreistigkeit siegte tatsächlich öfter, als man es erwarten würde. Dennoch strebte er heute ein Ziel an, das ein gutes Stück weiter westlich von der Höhle des Löwen entfernt lag. Er freute sich schon darauf, endlich seine nasse Kleidung loszuwerden. Ein heißes Bad würde er sich dort in Ermangelung der Bademöglichkeiten wohl nicht gönnen können, aber die Heizanlage würde ihre Dienste tun – ganz, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Zudem würden sie nicht in der Finsternis kauern müssen. In einer verlassenen Kaschemme im Norden wäre das nicht möglich gewesen, ohne gleich damit ein Signalfeuer für alle Anwohner, nah und fern, zu schaffen.

Zunächst funktionierte alles wunderbar. Hin und wieder drang aus der Ferne Getöse an Charles‘ Ohr – ein Zeugnis dessen, dass die Polizei wohl wirklich mit Unruhen zu kämpfen hatten –, aber selbst bekam die Gruppe keine andere Menschenseele zu Gesicht. Ein wahrer Vorteil des West Ends: hier schlichen sich weitaus weniger Obdachlose und andere Streuner herum als im Osten der Stadt. Die Polizei ging hier nämlich mit Härte gegen Herumtreiberei vor. Die feine Gesellschaft schätzte kein Gesindel vor der Schwelle.
Dann jedoch gelangten sie an eine breite Hauptstraße, um die kein Weg herumführte... und prompt waren sie nicht mehr allein. Gerade noch war er überzeugt gewesen, dass die Luft rein war, und hatte es mit seinen Begleitern gewagt, den Schutz der schmalen Gasse zu verlassen, als sich die Gefahr plötzlich und unverhofft ankündigte – durch das kurze Schniefen einer Nase, die hochgezogen wurde. Dann tauchten, nur wenige Schritte vor ihnen, drei Männer in Polizeiuniformen in den kalten Schein einer Laterne.
An anderen Tagen liefen sie allein Patrouille. Und eigentlich war es Tradition, dass Bobbies keine Schusswaffen trugen. Doch das Bild von ihnen, das Charles erhaschte, während er schleunigst in den nächsten Schatten huschte und sich dort gegen die Wand presste, verriet ihm, dass heute alles anders war.
Wieder einmal. Hoffentlich schossen diese hier nicht auf seine Prothese, so wie die Bobbies, die ihn beim Einsammeln seiner Gäste vor wenigen Tagen gestört hatten. Die Mechanik zu trocknen, würde schon Arbeit genug sein. Charles wusste nicht, warum er gerade jetzt daran dachte. Adrenalin brachte das Blut in seinen Adern zum Kochen. Wäre er allein, hätte er den Rausch der Gefahr wahrscheinlich genossen, aber so... so überwog Unsicherheit, die von nichts anderem als Sorge um Melinda verursacht wurde. Charles wusste, Sekundenbruchteile würden nun darüber entscheiden, ob er in Deckung verblieb oder zum Angriff übergehen musste. [1]


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Beitrag von Elli Do Jul 20 2017, 14:14

Die Kälte schnürte ihr noch immer alles ab. Sie konnte den Weg kaum ertragen, noch den Gespräche oder gar Reaktionen der anderen folgen. Einzig und alleine eine Tatsache stand gerade im Vordergrund: Müdigkeit. Melinda wünschte sich nichts sehnlicher als sich zusammen zu rollen und zu schlafen. Völlig egal wo. In einem edlen Bett, einer verwanzten Matratze oder eben auch einfach nur auf dem harten Boden. Alles erschien ihr so unendlich verführerisch. Doch sie musste sich zusammen reißen. Den anderen folgen und dabei wachsam bleiben. Sie konzentrierte sich darauf einen Schritt vor den anderen zu setzen. Unbeirrt einfach weiter zugehen, bis sie endlich im Warmen sein könnte. Plötzlich stoppten sie und Melinda taumelte gegen Maura. Sie versuchte die Hand zu heben um sich lautlos zu entschuldigen, aber schaffte es nicht, den Mantel den sie eben mit dieser Hand zuhielt zu heben. Sie zog entschuldigend die Augenbrauen hoch und versuchte einen Blick zu erhaschen was nun passiert war. Erst allmählich nahm sie war, wo sie überhaupt hingelaufen waren. Die Ecke in London kannte sie durchaus, oft hatte sie sie in Kutschen betreten und auch wieder verlassen.
Wegzulaufen war völlig sinnlos, sie konnte ihren Körper kaum kontrollieren, geschweige denn laufen. Sie blickte sich um, denn nun blieb nur noch verstecken. Noble Gegenden neigten dazu, aufgeräumt zu wirken. Noch mehr Wert legten sie allerdings darauf, zu zeigen dass sie noble Gegenden waren. So waren nicht nur Tore oder Türen oft stark verziert sondern auch für etwas Bepflanzung war gesorgt. Perfekt. Bevor sie jemand daran hindern konnte, schlich sie die 5 Meter zurück und zog sich unter den Busch zurück. Es war dunkel, ebenso wie der Mantel. Das könnte funktionieren. Was die anderen machten, war ihr im Moment egal, sie durfte auf einen Fall einschlafen. In der Dunkelheit nun auf dem Boden sitzend, der aufgrund der Erde nicht einmal so hart war wie gedacht, auch wenn es nach Katzenpisse stank, zerrte die Müdigkeit an ihr.
Schlaf Melly, schlaf, der Vater würgt die Schaf, die Mutter schüttelts Kindelein, herunter fällt ein totes Babylein, schlaf Melly schlaf.
Langsam löste sie ihre linke Hand, die den Mantel zusammen gehalten halte und führte diese an ihren rechten Arm heran. So feste es ihre steifgefrorenen Finger zuliessen, rammte sie sich ihre Fingernägel in die Haut. Der Schmerz ließ ihren Körper aufhorchen und etwas Müdigkeit abschüttelt. Vielleicht würde das funktionieren.
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Beitrag von Fade Do Jul 20 2017, 18:04

Bruce musste schmunzeln, als er den Tadel Dr. Taylors vernahm. Kein Wunder, dass Scotland Yard Norly nicht zu fassen bekommen hatte, wenn sie den bequemen Weg dem kürzesten vorzogen und lieber kostbare Zeit opferten, um einer kurzen Anstrengung zu entgehen. Trotzdem gefiel ihm die Klage des Doktors. Es war kein Nachteil, für einen 'dummen Blonden' gehalten zu werden.
Als sie das schützende Areal des Parks verließen, verscheuchte der Schotte jedoch ablenkende Gedanken. Ihre Situation war gefährlich. Norly bewegte sich recht zielstrebig vor, trotzdem behagte Bruce die emotionale Verfassung des berüchtigten Mannes nicht. Im Klang seiner Stimme war etwas von Resignation zu erkennen. Der berüchtigte Scarface schien nervlich schwer Angeschlagen und dies begünstigte Fehler. Hinter jeder Ecke vermutete Bruce das schlimmste und schließlich holte sie das Schicksal von drei bewaffneten Ordnungshütern tatsächlich ein. Bruce atmete aus, als die Gestalten im Licht der Laterne erschienen. Länger dauerte es auch nicht für das taktisch versierte Gehirn des Schotten eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen. Die Möglichkeit, dass acht Personen den nahenden drei Augenpaaren, welche zumindest geschult waren, verdächtiges im Zwielicht zu erspähen, zu entgehen, ging gegen Null. Bruce war nicht bereit, Scarface nun aufzugeben und mit den erschöpften und verletzten zusammen, war eine Flucht aussichtslos.

Mit einer kräftigen Bewegung schleuderte der Schotte den ihm anvertrauten Koffer nach rechts im hohen Bogen auf die Straße. Das kurz darauf erzeugte laute Klappern auf dem Pflaster nahm er als Startschuss, mit einem geschmeidigen Ausweichschritt nach links zu gleiten und dann aus der schwachen Flankenposition zielstrebig auf die drei abgelenkten Bobbys zuzuschießen. Der Plan war simpel, wie gewagt. Er würde versuchen wenigstens zwei, mit Glück auch alle drei, von den Füßen zu holen, während sie sich seiner Gegenwart noch gar nicht gewahr waren. Den ersten, welcher unter ihm landen würde, müsste er mit einem schnellen Kinnhaken außer Gefecht setzen können, ehe dieser überhaupt zur Gegenwehr käme, um den zweiten dann so schnell wie möglich in einen Nahkampf zu verwickeln, so dass der letzte keine freie Ziellinie auf ihn bekam. Norly und seine Bande hatten dann Gelegenheit zur Flucht.

Es war zweifelhaft, dass Scarface auch ihm gegenüber sein vor Momenten gemachtes Versprechen geltend machen würde, aber wenn er heil aus der Situation heraus kam, so hatte er immer noch seinen Koffer und vielleicht war dies Anreiz genug für Charles Norly, ihm erneut über den Weg zu laufen. Mit Glück würde er die Gruppe sogar wieder einholen. Wie immer der riskante Kampf auch enden würde, er würde nicht lange dauern.
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Beitrag von Darnamur Do Jul 27 2017, 19:28

Mit Oxleys Unterstützung schaffte es Randolph mehr oder weniger mit dem Rest Schritt zu halten. Allerdings überkam ihn immer wieder das Gefühl, dass er bald zusammen brechen würde.
Eine Minute noch. Dann halte ich es nicht mehr aus...
Als er die Minute überstanden hatte, kam ihm wieder derselbe Gedanke hoch. Noch eine Minute…
Aber er biss die Zähne zusammen, fluchte in sich hinein, verfluchte London, sein Leben, Alan und diese beschissene, dreckige Welt, in der er lebte...und hielt sich auf den Beinen.
Dabei versuchte er so gut es ging der Konversation zwischen Maura und Taylor zu folgen. Es war ganz interessant seinem Arztkollegen vom Scotland Yard zuzuhören. An einer Stelle verzog Randolph sogar amüsiert einen seiner Mundwinkel.
"Allerdings tat er sich schon immer schwer, Hilfe anzunehmen, wenn man es dabei versäumt hatte, es ihm als seine eigene Idee zu verkaufen..."
Das war wirklich nicht übel...und passte sehr gut zu Randolphs bisherigem Bild von Charles.

Eine Weile geschah nichts. Sie konnten den Park ungestört verlassen und Randolph begann fast schon daran zu glauben, dass sie es irgendwie aus dieser verhängnisvollen Todesfalle herausschaffen würde, als die Situation schließlich innerhalb weniger Sekunden komplett eskalierte.
Erst war es nur der kleine Polizistentrupp. Vor dem hätten sie sich vielleicht noch verbergen können. Randolph war gerade im Begriff sich in die Schatten zurückzuziehen und sich zu verstecken, als Taylor hochgewachsener Begleiter seinen Koffer von sich schleuderte und sich in Bewegung setzte. Entsetzt verharrte der Doktor für einen Augenblick. Nein! Warum? Er hatte nicht viel Zeit eine Entscheidung zu treffen. Und Randolph konnte nicht zulassen, dass dieser Mann sie alle in ihr Verderben reißen würde. Der Hüne stürmte bereits auf die Polizisten zu.
"Raus hier!“, knurrte er den anderen zu. Der Kampf brach los. Randolph begann in die entgegengesetzte Richtung loszuhumpeln und zog mit der freien Hand wieder seinen Revolver. Er glaubte nicht, dass dem Hünen noch zu helfen war. Er würde in wenigen Sekunden sterben. Aber den Rest der Gruppe konnte man vielleicht noch retten. Und das war immer noch besser, als hier in Londons Gassen ein Blutbad anzurichten.
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Beitrag von Thorgrimm Sa Jul 29 2017, 04:33

Schlecht gelaunt lief Gilbert hinter der Truppe her. Die letzten Tage und vor allem die vergangenen Minuten waren schrecklich gewesen und er fühlte sich, als würde nichts mehr in seiner Hand liegen. Er war einfach kraftlos und das schlimmste war, dass er wieder das tat, was ihm das alles erst eingebrockt hatte: Er folgte Norly weiter. Gezwungenermaßen. Solange, bis er sein Versprechen einlöste und ihn außer Landes bringen konnte. Bis dahin musste sich Gil nur noch etwas gedulden. Zähne zusammenbeißen und möglichst darauf achten, nicht noch mehr Fehler zu machen. Das war allerdings leichter gesagt als getan, wenn man geistlich und körperlich einfach ausgelaugt war. Er brauchte Ruhe... Schlaf, um wieder neue Kraft tanken zu können. Bis zu dem Punkt, war es allerdings noch ein weiter Weg. Sie mussten nicht nur einen sicheren Unterschlupf finden, sondern diesen auch unbeschadet erreichen. Gilbert hoffte wirklich, dass sie es ohne große Probleme schaffen würden.
Der Weg war beschwerlich. Zwar nicht so beschwerlich wie für Mr. Benton, der mit seinem kaputten Bein Unterstützung benötigte aber dennoch problematisch, nachdem man gerade einen Absturz aus einem Luftschiff überlebt hatte. Das hügelige Gelände machte dem Maler zu schaffen, da er einfach nicht fit genug für so etwas war. Doch mit einiger Anstrengung schafften sie es, dem Park zu entkommen. Niemand hielt sie auf. Seltsam, dass der Park nicht umstellt worden war aber beschweren würde er sich sicherlich nicht darüber. Sie machten sich geschlossen daran, wie Obdachlose oder Kriminelle - was Beides auf die eine oder andere Weise zutraf - durch die Nebengassen zu laufen. Früher einmal war diese Gegend seine Heimat gewesen. Schmerzlich erinnerte es Gilbert daran, dass er, wenn er das alles überlebte, vermutlich nie wieder hierherkommen konnte. Vielleicht war dies das letzte Mal, dass er London sah. Es versetzte ihm einen Stich und er versuchte sich damit abzulenken, sich möglichst leise zu bewegen.
Alles schien gut zu verlaufen aber wie es so oft war, hielt dieser Zustand nicht lange an. Eine Hauptstraße, die sie anscheinend nicht umgehen konnten, sollte der Platz einer wohl schicksalhaften Begegnung mit der Polizei zu werden. Drei Männer in Uniform tauchten auf - deutlich bewaffnet. Es würde wohl besser sein, sich in den Schatten der Gasse zu verstecken und sie einfach weiterziehen zu lassen. Gerade wollte sich Gilbert weiter zurückziehen, als der von Norly als Schläger bezeichnete Mann, in die Offensive ging. Vermutlich zur Ablenkung aber vielleicht auch nur um die Hände freizubekommen, warf er den Koffer auf die Straße und raste auf die Polizisten zu. Wie in Zeitlupe verfolgte Gilbert das Gepäckstück und konnte nicht fassen, was gerade geschah. Sie hätten diese Leute einfach weiterziehen lassen können, doch dieser Mann provozierte eine Konfrontation. Vielleicht war Norlys Einschätzung doch richtig gewesen.
Gilbert wusste nicht, was er tun sollte. Was er tun konnte. Er wollte die Polizisten nicht verletzen. Schließlich machten sie nur ihren Job und das in guter Absicht. Aber da der Schläger nun auf sie losging, würden sie einem Kampf wohl nicht aus dem Weg gehen können. Sollte er sich einfach zurückziehen und leise davonstehlen? Oder in den Kampf eingreifen und so versuchen zu verhindern, dass einer seiner - als was sollte er sie eigentlich bezeichnen? Verbündete? Freunde? - Mitstreiter verletzt wurde. Er wurde aus seinen Überlegungen gerissen, als der Arzt ihnen befahl, zu verschwinden. Er zog einen Revolver aber bewegte sich dabei zumindest von den Bobbys weg. Auch wenn er die Waffe nur aus Sicherheitsgründen zog und sie vermutlich nur einsetzen würde, wenn es keinen anderen Ausweg gäbe - so sah Gil die Reaktion des Doktors zumindest - gab es immer noch die reelle Chance, dass die Polizisten getötet werden würden. Wenn nicht durch den Schläger, denn wer wusste schon, was dieser vorhatte und was er noch für Waffen besaß, dann vielleicht aus reiner Notwehr und Selbstverteidigung, wenn die Polizisten den Rest der Gruppe verfolgten. Dann würde Norlys Gruppe wieder einmal dafür sorgen, dass Menschen ihr Leben verloren. Für einen Mann, der behauptete, kein Krimineller zu sein, ließ er eine ganz schöne Blutspur hinter sich zurück. Zugegeben, der Weg zur Gerechtigkeit war nicht einfach - vor allem für einen Mann wie ihn.
Gilbert wollte nicht kämpfen und man hatte ihm mehrfach gesagt, in einer solchen Situation einfach den Rückzug anzutreten. Er war niemand, der an dem Tod der Polizisten beteiligt sein wollte und außerdem besaß er nicht einmal eine Schusswaffe. Er zögerte noch einen Moment aber zog sich dann schließlich ruckartig zurück. Sollten sie sich doch gegenseitig töten - er wollte daran nicht teilhaben. Er ging also den Weg zurück, den sie gekommen waren. Bevor er sehr weit gekommen war, drehte er sich allerdings wieder um. Zumindest die Situation musste er im Blick behalten. Vielleicht konnte er ja doch irgendetwas tun, um das Ganze zu verhindern oder zumindest jemanden vor dem Tod zu bewahren. So versteckte er sich hinter einer Häuserwand und lugte vorsichtig hervor. Er war allerdings zu aufgeregt, um sich wirklich leise davonzumachen und trat dabei laut in Unrat und anderen Müll.
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Beitrag von Umbra Mi Aug 02 2017, 23:21

Charles beobachtete die Situation mit exponentiell steigender Anspannung. Die Polizisten schienen nicht zu ahnen, dass sie bereits auf Schritt und Tritt beobachtet wurden – doch dies konnte sich in Sekundenbruchteilen ändern. Er wich im Schatten ein wenig zurück, die Wand aus hartem, verputztem Backstein im Rücken, und ließ seine (gefühlt gefrorene) Hand zum Griff des Revolvers in seinem Hosenbund gleiten. Für den Fall der Fälle... doch die Chancen standen nicht unbedingt schlecht, dass die drei Bobbies einfach unbekümmert vorbeischlendern würden: es war immerhin nicht helllichter Tag. Dennoch hörte Charles das Blut in seinen Ohren rauschen. Er war bereit.
Jedoch nicht auf das, was dann folgte.
Charles erschreckte sich, als mit einem Mal etwas an ihm vorbei auf die Straße flog. Noch bevor dieses Etwas den Boden berührte, erkannte Charles darin seinen Koffer. Seinen Koffer! Wirklich Gelegenheit, sich über diese Unverfrorenheit aufzuregen, hatte er dabei nicht. Dazu war er an dieser Stelle zu entsetzt... es bereitete ihm seelische Schmerzen, als sein Gepäck laut polternd auf den Pflastersteinen tanzte und dann schlitternd zum Liegen kam. Dass beinahe im gleichen Moment, noch bevor seinen Blick vom Koffer gelöst hatte, ein weiterer Schatten an ihm vorbeirauschte, machte das Desaster perfekt. Der „Schläger“, so wie Charles ihn zuvor, aufgrund der entgleisten Gesamtsituation, unwirsch bezeichnet hatte, machte diesem Titel auf effektive Weise alle Ehre – auch wenn es reichlich tollkühn war, sich auf gleich drei bewaffnete Männer zu stürzen. Abgelenkt durch den Koffer, wurde der Bobby, der der Gruppe am nächsten war, wie aus heiterem Himmel von den Beinen gerissen, als der blonde Muskelmann sich auf ihn stürzte. Noch im selben Augenblick, in dem der überraschte Polizist zu Boden ging, wurde er von einem gezielten, kräftigen Kinnhaken ausgeknockt.[1]
Noch bevor diese recht flüssige Handlung vollzogen worden war, hatte Charles hintergründig die Stimme Dr. Tremaines vernommen, der zum Rückzug aufforderte. Jedoch hatte Charles, so wie er im gleichen Moment beschloss, als Taylors Begleiter sich sogleich den zweiten der Männer vorzunehmen gedachte, anderes im Sinn. Eine Umkehr kam für ihn aus verschiedenen Gründen nun nicht infrage.
Charles löste sich aus seinem schattigen Versteck und trat mit erhobenem Revolver und zügigen Schritten hinaus in die Sichtbarkeit. Die Polizisten begriffen gerade erst, wie ihnen geschah, und waren auf den bisherigen fixiert, sodass sie Charles nicht sofort bemerkten. Derjenige direkt neben dem überwältigten Kollegen stolperte gerade noch erstaunt zurück, während der andere nicht so überrannt schien und Alarmbereitschaft signalisierte – sich offenbar an seine Ausbildung erinnernd, wich er gezielt von beiden Angreifern, die er erfasst hatte, zurück, griff nach Schlagstock an seinem Gürtel und mit der anderen Hand die Signalpfeife, die an einem Band um seinen Hals hing.
Charles konnte ihn gerade noch aufhalten, bevor beide Dinge zum Einsatz kommen konnten.
„Keine Bewegung, junger Freund!“, knurrte er, den Revolver entsichernd. Er zielte auf die Brust des Polizisten.
„Und Schluss mit dieser unnötigen Gewalt!“ Dieser zweite Satz war an den prügelnden Hitzkopf gerichtet, dessen Aktion ganz schön hätte ins Auge gehen können.[2]
Tatsächlich handelte es sich um einen Burschen, der kaum das Mannesalter erreicht hatte. Der Arme war sichtlich überfordert mit der Situation und gehorchte, indem er sofort innehielt und dabei dreinblickte wie ein verschrecktes Kaninchen. Als Charles nun mehr ins Licht der Laterne trat, weiteten sich die Augen des Bobbies vor Erstaunen und Entsetzen umso mehr, da dieser erkannte, wem er hier und jetzt gegenüberstand.
Charles‘ Ruf wirkte in letzter Zeit Wunder.
Wenn dies half, um Lärm zu vermeiden, besonders einen pfeifenden Hilferuf, der mit Sicherheit noch mehr Polizisten anlocken würde, hatte Charles keinerlei Problem damit, sein Gesicht zu zeigen. Die Bedrohung, die von einem Scarface ausging, nahm jeder ernst – selbst wenn Seewasser von ihm herabtropfte, er einen lächerlich großen Mantel trug und zitterte, weil er erbärmlich fror.[3]
Dies gehörte allerdings immer noch zu den Gründen, warum er sich nicht unnötig lange mit diesem unliebsamen Zusammentreffen aufhalten wollte.
Charles bemühte sich darum, dass seinem Tonfall zumindest etwas weniger schlechte Laune anzuhören war, als es zuvor der Fall gewesen war, während er sich erneut an den Polizisten wandte, der seinem Revolver entgegensah.
„Nehmen Sie“, versuchte er es versöhnlich, „langsam und nur mit den Fingerspitzen, Ihre Waffen und die Pfeife am Band; und seien Sie so freundlich und legen Sie alles vorsichtig vor Ihnen auf dem Boden ab. Und kein Heldengehabe, ich bitte Sie. Wir sind doch zivilisierte Menschen und wollen nicht, dass es zu weiteren Verletzungen kommt.“
Charles ließ den Revolver nicht sinken, um bei jeglichen Verstößen gegen seine Auflagen sofort handeln zu können, und beobachte aufmerksam, wie der arme Bursche, er ganz blass um die Nase geworden war, gehorchte. Nicht, dass er diesen Kerl wirklich erschießen würde... es reichte allerdings, wenn dieser davon überzeugt war.


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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Fade Do Aug 03 2017, 02:18

Bruce Plan schien aufzugehen. Mit einem beherzten Gewaltakt hatte der Schotte zwei der Polizisten von den Beinen geholt, während der dritte, welcher seinen Angriff, durch die anderen beiden verdeckt, noch nicht einmal richtig realisiert hatte, nun nur irritiert zurück wich. Mit einem gezielten Faustschlag, schien der erste Bobby bedient, noch ehe er wusste wie ihm geschah. Bruce Puls erreichte im Augenblick astronomische Höhen. Das Adrenalin im Körper wirkte wie kleine Blitze und die Zeit schien etwas langsamer zu vergehen, während die Umgebungsgeräusche immer dumpfer und abstrakter klangen, als es eigentlich der Fall sein konnte. Der Schotte versuchte seinem Beinamen 'The Bullet' alle Ehre zu machen, als er ohne eine merkliche Pause vom ersten Bobby abließ und wie ein Tier auf den zweiten hechtete. Auch dieser Mann schien nicht außerordentlich kampferprobt, denn dessen Reflexe reagierten rein intuitiv auf den bevorstehenden Angriff, was für den erfahrenen Boxer kein ernstes Hindernis darstellte. Die große Faust zuckte kurz neben dem Kopf des Mannes zur Seite an dessen Schläfe. Fast zeitgleich hörte Bruce aus der unwirklich gewordenen Umgebung Charles Norlys Stimme. Er klang ungehalten, was nicht ganz überraschend kam, aber trotzdem nicht der Erwartung des Schotten entsprach.

Bruce hatte den Blick kurz schweifen lassen, um sich zu vergewissern, dass auch der dritte Bobby aus den wenigen Momenten, die vergangen waren, nichts gefährliches zustande gebracht hatte. Unnötige Gewalt? Bruce benötigte einen Moment, um zu begreifen, was Norly damit meinen wollte. Sie waren zu acht(?!) unterwegs. Hatte Norly angenommen, man hätte die Polizisten einfach aus dem Dunkel heraus mit Revolvern bedrohen können, ohne dass wenigstens einer von ihnen Alarm geschlagen oder zurück geschossen hätte? Ihm erschien schleierhaft, wie man die Situation mit weniger Schaden hätte klären können. Im Gegenteil, dass Norly, der gesuchte Serienmörder sein Gesicht ins Lampenlicht geschoben hatte, machte das Risiko einer Kurzschlussreaktion des letzten Polizisten nur wahrscheinlicher. War er sich nicht bewusst, dass er nun auch für weiter entfernte Personen identifizierbar wurde? Während die Anspannung des kurzen Kampfes vom Sportler wich, machte sich neue Nervosität bezüglich der Handlung des stadtbekannten Mannes breit. Sein Bild von Charles Norly war verzerrt. Er wirkte nicht, wie ein eiskalt kalkulierender Verschwörer, doch ob er nicht vielleicht tatsächlich verrückt war, wie nicht nur eine mögliche Erklärung bisher nahegelegt hatte, konnte Bruce im Moment nicht ausschließen.

Mit einem prüfenden Blick auf die beiden Männer am Boden vergewisserte sich der Boxer nochmals, dass die Bewusstlosen mehr, als nur ein paar Sekunden außer Gefecht waren und erhob sich dann langsam. Noch war nichts zu hören und sie mochten wohl Glück haben, dennoch galt es keine Zeit zu verlieren. Norly konnte den Polizisten, den er gerade auf nicht unbeeindruckte Weise davon überzeugte, sich widerstandslos zu ergeben, weder erschießen, noch so stehen lassen. Fesseln und knebeln womöglich, aber wie viel Zeit würde das kosten? Ganz abgesehen davon, dass dafür wohl nicht das passende Material zur Hand war.
Bruce sagte kein Wort, bewegte sich aber hinter den Bobby, während dieser auf Scarface und dessen Revolver konzentriert war. Sein Blick suchte den Norlys. Ein kurzes Nicken, irgendeine Bestätigung und er würde den Mann niederschlagen. Schmerzende Schädel waren ein geringer Preis dafür, Scarface und seiner Bande über den Weg gelaufen zu sein. Ein seltsamer Gedanke. Im Augenblick war sich Bruce tatsächlich zum ersten mal unsicher darüber, ob er nicht einen schweren Fehler begangen hatte, sich mit Norly und den Leuten anzulegen, welche um dessen Legende so ein perfides System gesponnen hatten.

Obgleich, oder vielleicht gerade, weil Charles Norly mehr auf den Polizisten, als auf ihn konzentriert war, konnte Bruce die Gesichtszüge und Augen des berüchtigten Mannes im Lampenschein zum ersten mal klar sehen. Natürlich gab es überall Fahndungsbilder und Zeitungsseiten füllende Fotos von dem Mann, jedoch wurden diese dem Wesen, dem er gegenüber Stand in keiner Weise gerecht. Norly war gerade keinesfalls zu Scherzen aufgelegt und doch entdeckte Bruce keinen Killerinstinkt in seinen Augen. Der Mann, den die Stadt fürchtete, wirkte müde und abgekämpft, aber dennoch strikt und entschlossen. Eine gefährliche Kombination bei vielen Menschen.
Jemanden in diesem Zustand zu berechnen, war schwierig. Bruce wünschte sich in naiver Art, man hätte ihn einfach seinen Plan zu ende bringen lassen. Das Risiko, dass nun etwas schief ging, erschien ihm höher als zuvor. Hätte man sich doch verstecken sollen? Hätte man dann noch vernünftig reagieren können, wenn sie doch entdeckt worden wären, was bei einer Gruppe dieser Größe nur zu wahrscheinlich erschien? Darauf kam es nun nicht mehr an. Leichte Beklommenheit machte sich in seinem Körper breit, während er auf Norlys Reaktion wartete und dabei hoffte, dass niemand von seiner Bande etwas dummes tat und keiner sie entdeckte.
Jede Sekunde die verstrich, schien eine unsichtbare Uhr weiter abzulaufen.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Leo Sa Aug 05 2017, 01:24

Das Schicksal, ja … ich schätze, das hat auch mich hierher geführt. Andererseits glaube ich nicht an Vorsehung.“ Maura pausierte und zögerte kurz. „Natürlich dürfen Sie fragen, wer ich bin, Doktor Taylor. Doch ich bin sicher, Sie verstehen, dass ich nicht antworten muss.“ Sie schenkte Taylor ein spöttisches, aber nicht unfreundliches Lächeln. Selbst schuld, wenn er so offen zu ihr war … auch wenn sie es durchaus schätzte. Die Aufregung dieser Nacht ließ sie ohnehin ungewohnt gute Laune haben (trotz der Blätter und Zweige in ihrem Mantel) und das Adrenalin sorgte für sein Übriges. Es war erstaunlich. Sie hatte sich schon seit Jahren nicht mehr so gut gefühlt. So lebendig. Sie sog die kühle Londoner Nachtluft tief in sich ein, ein unverkennbarer Geruch, den es nur in ihrer Heimat gab. Manchester war dagegen wie ein langweiliger Haufen Mensch, die halb verkrüppelte Birke im Schatten der mächtigen Eiche.
Sie wandte sich wieder dem Doktor zu, noch immer lächelnd. „Nehmen Sie es nicht persönlich, aber ich muss derzeit vorsichtig mit meinem Namen umgehen, sehen Sie? Obwohl, oder vielleicht gerade weil, mir die hiesige Polizei noch nicht auf den Fersen ist; das darf gerne so bleiben. Daher warte ich lieber noch ab, ob ich Norlys Freund, den er auf keinen Fall sehen will, wirklich trauen kann.“ Sie pausierte kurz, sah wieder nach vorne die düstere Straße hinunter. „Aber keine Sorge. Bislang stehen Sie recht gut da.

Nur wenige Straßen weiter wurde die Nacht noch etwas wilder, als Maura erwartet hätte.
Maura war im ersten Moment völlig überfordert von der Situation. Im zweiten verfluchte sie sich dafür, und zwar so beherzt, dass sie sich beglückwünschen musste, den Mund geschlossen zu halten. Es war erschreckend, wie schnell die Dinge aus dem Ruder gelaufen waren. Als sie die Polizisten gesehen hatte, waren ihr eine Menge Pläne durch den Kopf geschossen. Sich verstecken. Sie ablenken und dabei den Vorteil nutzen, dass sie nach wie vor unbekannt war. Aber noch während sie sich hinter eine Hauswand duckte und ihre Chancen abwägte, übernahm jemand anders die Führung – und es war ausgerechnet Taylors Schlägerkumpan. Zugegeben, es war beeindruckend, wie er sich den Polizisten annahm und einen von ihnen mit nur einem Fausthieb umwarf. Trotzdem musste Maura die Zähne aufeinanderbeißen, nur um sich davon abzuhalten, diesem Tölpel keine Standpauke zu liefern.
So ein Vollidiot! So viele Gelegenheiten – dahin! Und stattdessen Gewalt, genau das, was sie jetzt gebraucht hatten. Wahrscheinlich war dem blonden Hohlkopf noch nicht einmal klar, dass es diplomatischere Lösungen gegeben hätte, er sah nicht wie der geborene Denker aus und hatte bestimmt schon den einen oder anderen Schlag gegen den Kopf kassiert. Frustriert trat sie gegen die Hausmauer, blieb aber in der Nähe von Wright und Doktor Benton, obwohl sie sich nicht zurückhalten konnte, ebenfalls um die Hausmauer zu spähen. Auf keinen Fall wollte sie jetzt etwas Wichtiges verpassen.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Umbra So Aug 13 2017, 13:02

Es tat gut, wieder ein wenig Kontrolle über die Situation zu haben. Diese Konfrontation war anders verlaufen als gehofft, aber es hätte weitaus schlimmer kommen können. Ein Kampf auf offener Straße wäre das letzte, was die angeschlagene Gruppe nun gebrauchen könnte. Selbst wenn drei Gegner nicht viele und wohl zu bewältigen gewesen wären, hätte der Kampfeslärm Polizisten und Gaffer angelockt wie Licht die Motten.
Charles beobachtete zufrieden, wie der übriggebliebene Bobby sich, wie aufgefordert, seiner Waffen und der Pfeife entledigte, ohne irgendwelche Mätzchen zu versuchen. Letzteres konnte man von Taylors Muskelmann, der dem äußeren Eindruck eines Schlägers alle Ehre gemacht hatte, nicht behaupten. Charles fokussierte ihn mit seinem Blick, als der Mann sich hinter den Polizisten begab und dort lauernd auf einen Befehl zu warten schien. Oder darauf, dass der Bobby damit fertig war, sich seiner Ausrüstung zu entledigen.
„Was haben Sie da vor? “, erkundigte Charles sich ungehalten, ohne allerdings eine Antwort abzuwarten. Diese glaubte er nämlich zu kennen.
„Lassen Sie ihn zufrieden“, fuhr er stattdessen fort, „und machen Sie sich lieber nützlich, indem Sie seine Waffen einsammeln... und die der anderen. Vergessen Sie die Pfeifen nicht.“
Leider hatte Charles das Chloroform nun nicht zur Hand (das Fläschchen befand sich in seinem Mantel, der gerade Melinda wärmte), sonst wäre er dafür gewesen, den dritten Polizisten ebenfalls in die Bewusstlosigkeit zu schicken, aber die alternative Möglichkeit, das zu bewerkstelligen – sich mit roher Gewalt an jemanden zu vergehen, der sich ergeben hatte –, erschien ihm zu unehrenhaft, als dass er sie billigen würde.
Diese Gewaltbereitschaft war für Charles Grund genug, sich Zeit dafür zu nehmen, diesem blonden Rohling die Leviten zu lesen. Natürlich, ohne den Revolver sinken zu lassen.
„Herrgott, Sie sind ein ganz schöner Hitzkopf!“, knurrte Charles. Er bemühte sich um gedämpfte Lautstärke, schließlich wollte er die Nachbarn nicht stören.
„Es wäre erfreulicher für alle gewesen, wenn ich nicht hätte eingreifen müssen, aber Sie haben mich dazu gezwungen. Haben Sie übersehen, dass diese Herrschaften hier nicht die übliche Bewaffnung trugen? Sie hätten sich ein paar Kugeln einfangen können.“
Ihm kam es vor, als würde er mit einem Kind reden, dem er gerade erklären musste, dass es gefährlich war, mit Streichhölzern herumzuzündeln.
„Ihre Vorstellung war recht beeindruckend, das muss ich Ihnen lassen“, gab Charles, etwas versöhnlicher, zu, „allerdings war sie in dieser Stelle absolut überflüssig. Ohne aggressive Handlungen Ihrerseits wäre die Situation gar nicht eskaliert. Ich wäre versteckt geblieben, Sie wären aufgefordert worden, die Straße zu verlassen – nicht wahr? –“, wandte er sich kurz an den Polizisten, der, irritiert und überfordert mit der Situation nur „N-nun...“ stammelte, während Charles einfach, sich wieder an den Schläger wendend, weiterredete, „– die Herren wären abgezogen und wir hätten ebenfalls friedlich unseren Weg fortsetzen können. Und selbst, wenn es nicht so verlaufen wäre, hätten wir es wenigstens mit Worten statt Gewalt versuchen können. Diese Männer tun nur ihre Pflicht, und da Sie sich mir aufgedrängt haben“, erinnerte er, „verlange ich von Ihnen, sich in meiner Gegenwart zivilisiert zu verhalten und nicht wie ein tollwütiges Tier, das gerade von der Kette gelassen wurde. Zurückhaltung und Diplomatie. Diese Worte werden Sie ja schon einmal gehört haben.“
Charles straffte sich würdevoll (zumindest so würdevoll, wie es durchnässt und im zu großen Mantel möglich war) und befasste sich nach dieser Predigt lieber wieder mit dem Polizisten, der in der aktuellen Situation eigentlich das Hauptaugenmerk verdiente. Der Ärmste wirkte gerade etwas verloren und ihm war es sichtbar unangenehm, sich wieder in Scarfaces Aufmerksamkeit zu wissen. Es entging Charles nicht, dass der Bobby ihn so ansah, als würde er ihn für vollkommen verrückt halten, er überging dies allerdings geflissentlich und bemühte sich um einen vernünftigen, gefassten Tonfall.
„Es betrübt mich, dass wir uns derart begegnen mussten“, begann er. „Sie müssen keine Angst vor mir haben.“ ... So überzeugend dies mit drohender Waffe in der Hand dies auch klingen mochte.
„All diese furchtbaren Taten, die man mir nachsagt... Ich habe sie nicht begangen. Eines Tages werde ich es beweisen, aber bis dahin sehe ich mich leider gezwungen, Dinge wie diese hier“, er gestikulierte mit dem Revolver, „zu tun. Ich bin kein Mörder und eigentlich auch kein Dieb, aber Sie werden verstehen, dass es grob fahrlässig wäre, Ihnen Ausrüstung zu lassen, die Sie zu meinem erheblichen Nachteil einsetzen könnten. Wenn Sie kooperieren, wird Ihnen nichts geschehen, und Ihren Kollegen auch nicht – darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Ich warne Sie jedoch davor, meine Gutmütigkeit ausnutzen zu wollen. Schlussendlich muss ich das Wohl meiner Begleitung über Ihres stellen.“
Diese klare Ansage sollte unmissverständlich sein.
„Legen Sie die Hände auf Ihren Kopf“, befahl Charles, „und gehen Sie dort herüber.“
Mit seiner freien Hand wies er dem Polizisten den Weg – auf eine Stelle mitten auf der Straße, einige Schritte entfernt. Dabei wählte Charles bewusst die entgegengesetzte Richtung zu Melinda und den anderen, sodass das Risiko minimiert war, dass der Polizist sich der verborgenen Komplizen Scarfaces gewahr wurde.
„Rücken zu mir.“
Charles war mit der Ausführung zufrieden.
„Gut“, redete er dann weiter, während er seinen Revolver sinken ließ, und dann das leise Klicken des Sicherns mit seinen folgenden Anweisungen übertönte. Ebenso lautlos steckte er den Revolver in eine seiner Manteltaschen und ließ das Gewehr von seiner Schulter gleiten.
„Wenn es Ihnen sage, gehen Sie langsam geradeaus. Schritt für Schritt. Bedenken Sie bei jedem dieser Schritte, dass ich nun mit meinem Gewehr auf Sie ziele.“
Der Polizist zuckte zusammen, als Charles diese Worte mit dem Durchladen der Waffe untermalte.
„Versuchen Sie besser nicht, von der Mitte der Straße abzukommen oder Lärm zu machen – denn dann habe auch ich keinen Grund mehr, leise zu sein. Bedenken Sie zudem Folgendes: Ich darf in aller Bescheidenheit sagen, dass ich ein exzellenter Schütze bin. Sie können davon ausgehen, dass ich Sie treffen werde, sobald Sie aufhören, zu kooperieren – sei es hier an Ort und Stelle, aber auch ganz dort hinten an der Straßengabelung.“
Eine kühne Behauptung, sie war mehrere hundert Yards entfernt, aber Charles klang so selbstsicher, wie er es meinte.
„Ich würde es gerne vermeiden, Sie verletzen zu müssen, oder aber auch Ihre Kollegen“, fügte Charles düster hinzu, „sollten Sie sich mir entziehen, also bleiben Sie brav. Los, voran. Und sehen Sie sich nicht um.“
Der Mann setzte sich behutsam in Bewegung. Nach jedem Schritt setzte er den anderen Fuß nach.
Charles begutachtete das etwas belustigt. Seine Stimme blieb jedoch ernst.
„Ein wenig flüssiger und schneller darf es sein, Sie sollen hier nicht Walzer üben.“
Ungesehen vom Polizisten, hielt er das Gewehr aufmerksam bereit, legte es allerdings nicht an. Stattdessen winkte Charles seine versteckten Begleiter heran und wies dann auf die gegenüberliegende Gasse. Sie mussten weiter... schnell. Charles hatte vor, noch ein bisschen zu bleiben, um den Polizisten abzulenken und den anderen einen Vorsprung sichern, allerdings würde der Vorsprung mit dem humpelnden Doktor nur ein kleiner Vorsprung sein.
Zum Glück war es nicht mehr weit.


Zuletzt von Umbra am So Sep 03 2017, 09:39 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Fade So Aug 13 2017, 16:00

Die Reaktion Charles Norlys fiel unerwartet aus und irritierte den Schotten etwas. Weniger die Worte, als die Tonlage seiner Stimme und der ernste Blick hatten ihn dabei von dem jungen Polizisten zurückweichen und anstandslos damit beginnen lassen, die Waffen und Pfeifen der Polizisten einzusammeln. Norly schien in gewisser Weise ein vernünftiger Mensch zu sein, allerdings ging er für Bruce`s Verständnis mit seinem Verhalten ein höheres Risiko ein, als nötig gewesen wäre und gerade seine Strafpredigt, klang substanzlos.

Bruce hatte nicht vorgehabt, die Situation eskalieren zu lassen und dafür gewissermaßen einen seiner wenigen Trümpfe geopfert und die Initiative genutzt, solange sie sie noch hatten. Niemand aus der Gruppe würde ihn nun noch unterschätzen und war entsprechend alarmiert. Natürlich hatte Norly grundsätzlich Recht damit, dass es auch andere Möglichkeiten gegeben hätte, nur empfand Bruce den Gedanken naiv, die Polizisten hätten angesichts einer so großen Gruppe keinen Verdacht geschöpft, alleine wenn sie Dr. Taylor in ihren Reihen ausgemacht hätten neben wer weiß, wie vielen der offiziell in Bezug auf Scarface gesuchten Personen. Genau dann wäre der Umstand, dass sie ebenfalls schwer bewaffnet waren erheblich riskanter gewesen. So hatte ja nur Bruce seine Haut riskiert, was kümmerte das Norly überhaupt? Sich in den Schein der Lampe zu begeben und auf den jungen Polizisten einzureden erschien Bruce jedenfalls weder als gezwungen notwendig, noch als besonders weise. Sie wussten nicht ob der Junge nicht eine Dummheit beging und ob diese Entscheidung nicht vielleicht von weiteren Streifen begünstigt wurde, welche sie selbst nur noch nicht ausgemacht hatten. Bruce an der Stelle des Jungen hätte vermutlich etwas versucht, nicht vielleicht im Angesicht der Waffe, aber spätestens, als Charles den jungen Mann ins Dunkel marschieren ließ, wurde der Schotte nervös. Er an Stelle des Bobbies hätte sich in einiger Distanz einfach fallen lassen und um Hilfe gerufen. Was hätte Norly darauf tun sollen? Schießen um die Position noch deutlicher zu verraten? Ein Gewehr war sehr viel lauter, als ein Revolver und wäre sicher über mehrere Straßenzüge hin hörbar gewesen. Jedenfalls tickte die unsichtbare Uhr nun lauter und eindringlicher im Kopf des Schotten als zuvor.

In gewisser Weise imponierte ihm das Rückrad Norlys, doch sah er in dessen Verhalten keinen Anlass dafür, ihn selbst zu Tadeln. Wenn es um Naivität ging, so lief der gefürchtete Mr Scarface Bruce nach dessen Ansicht entschieden den Rang ab. Dafür, dass er nun mit Kommandos um sich warf, hatte er während ihrer Flucht aus dem Park herzlich wenig mit Informationen geglänzt, wie man sich seiner Meinung nach hätte bei einer Begegnung verhalten sollen. Stattdessen erwartete er also, man könne seine Gedanken lesen. Bruce hatte nicht vor, Norly weiter in die Parade zu fahren und folgte ruhig seinen Anweisungen. Auch den Koffer, welchen er zur Ablenkung auf die Straße geworfen hatte holte er behutsam zurück und lauschte dabei, ob nicht gleich ein neues Chaos losbrechen würde, da der junge Bobby seiner Auffassung nach eine gute Möglichkeit besaß, nun Alarm zu schlagen.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Darnamur Di Aug 15 2017, 22:32

Nach wenigen Schritten bereits, wurde Randolph bewusst, dass Norly ihnen nicht folgte. Im Gegenteil schien er sich mit ins Auge des Sturms zu werfen. Fluchend machte der Doktor kehrt und humpelte mit der Eleganz einer Spinne, der ein Bein ausgerissen worden war, zurück zum ausbrechenden Tumult. Dort bot sich ein unerwarteter Anblick.
Der Hüne, der auf Taylor aufzupassen schien lag nicht durchsiebt von Blei in seinem eigenem Blut und Saft am Boden. Stattdessen stand er recht aufrecht und scheinbar komplett unangetastet da, während zwei Polizisten bereits leblos das Straßenpflaster zierten.
Den Dritten der Männer hatte Norly ausgeschaltet, in dem er seinen Gewehrlauf drohend auf den Schädel des jungen Burschens gerichtet hielt. Er wird ihm nichts tun, dachte sich Randolph. Norly ist kein Mörder, er hat sich unter Kontrolle. Dennoch verfolgte er angespannt die Situation, hielt sich aber ein wenig in Deckung, um nicht von dem Bobby entdeckt zu werden, der noch bei Sinnen war.
Als Charles schließlich begann mahnend auf den wuchtigen Kerl einzureden, wuchs wieder die Nervosität im Doktor. Was wenn sie entdeckt wurden? Je mehr Zeit sie hier draußen verschwendeten, umso größer war die Chance das sie in weitere Patrouillen hineinliefen und in Probleme gerieten.
"Norly", ließ er letzten Endes doch noch seine Stimme aus den Schatten heraus ertönen, um den Redeschwall zu unterbrechen. Sie mussten schleunigst von hier weg. Doch entweder schien Norly ihn nicht gehört zu haben oder er ignorierte seinen Einwurf. Unruhig blieb Randolph an Ort und Stelle stehen, spielte mit seinem Revolver und blickte immer wieder auf die regungslosen Gestalten zu den Füßen seines Begleiters.
Doch fürs Erste ging alles gut. Der Polizist schien den Befehlen fügsam zu gehorchen, währenddessen sammelte der Hüne die Waffen ein. Was wiederum etwas war, dass den Doktor misstrauisch stimmte. In den Händen eines Mannes, der ohne zu Zögern mit bloßen Händen einen Polizistentrupp angriff, wollte er keinen Revolver sehen. Er hatte mit dem fremden Kerl noch kein Wort gewechselt, aber alleine durch das, was sich eben ereignet hatte, musste er unweigerlich an den Iren aus Manchester denken...und wie es für ihn geendet hatte.
Eine andere Sache, die natürlich interessant war, war das Taylor ein solches Verhalten zu billigen schien. Er, der selbst für den Scotland Yard arbeitete. Entweder das alles war wirklich nur eine Maskerade von seiner Seite, oder aber er ging bei dem Plan, welchen auch immer er verfolgen mochte, nicht besonders rücksichtsvoll gegenüber seinen Kollegen vor. Der Mann blieb Randolph nach wie vor ein Rätsel. Man konnte ihm einfach nicht in die Karten sehen. Und das war ein weiterer Grund, warum es gefährlich war das sie hier mit ihm und seinem Schläger gemeinsam davon eilten. Sie hätten sich trennen sollen, noch im Park. Das wäre das Beste für alle gewesen. Randolph konnte die Schwierigkeiten die noch folgen würden, nur erahnen, aber das Gefühl das diese Angelegenheit kein gutes Ende nehmen würde, war nicht verschwunden, es hatte eher noch zugenommen.
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Beitrag von Elli Mi Aug 16 2017, 10:07

Melinda konnte bei Weiten nicht alles sehen und hören um was es ging. Das lag hauptsächlich aber daran, dass so sehr sie sich auch Mühe gab auf das Geschehen konzentriert zu bleiben, ihr dies nicht gelang. Wie sehr sie sich auch die Nägel in ihr Fleisch schlug, die Nacht, der Sprung und die Landung im kalten Wasser zollten ihren Tribut.
Sie wollte lediglich kurz die Augen schließen, nur einen Augenblick länger als ein blinzeln, das musste doch möglich sein.
Ihr Körper forderte seinen Tribut und sie schaffte es nicht ihre Augenlider wieder zu öffnen.
Während sie weit entfernt Charles sprechen hörte, sackte sie in dem Mantel zusammen und schlief ein.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Umbra So Sep 03 2017, 16:42

Charles beobachte den sich entfernenden Polizisten aufmerksam und hoffte dabei, dass dieser genug eingeschüchtert war, um nun nicht das zu tun, was er selbst anstelle des Burschen tun würde. Er wollte nicht abdrücken, war aber bereit dazu. Jede Kugel würde den Bobby verfehlen, wenn dieser um Hilfe rufen würde, da Charles ihn nicht verletzen wollte... aber abfeuern würde er sie trotzdem. Da es in einer solchen Situation ohnehin zu spät für Heimlichkeit sein würde, war er entschlossen, den Anwohnern eine Show zu liefern... denn wenn alle Aufmerksamkeit nur lang genug auf Scarface liegen würde, hatten die anderen Gelegenheit, um zu fliehen – selbst mitsamt dem lahmenden Dr. Tremaine. Riskant wäre eine solche Situation ohne Frage, immerhin konnte man nie wissen, aus welchen Richtungen polizeiliche Unterstützung anrücken würde, aber solange Charles damit Zeit erkaufen konnte, war ihm dieses Mittel recht.

Unterdessen traute sich, weil das Problem unter Kontrolle schien, Oxley aus der Gasse hinaus. Mit seinem Koffer in der Hand, trat er auf die größere Straße und hielt kurz an, um den überwältigten Polizisten einen misstrauischen Blick zuzuwerfen, diesen Blick weiter zu Bruce schweifen zu lassen... und dann noch weiter, die Straße hinunter, zu dem Polizisten, den Charles gerade in Schach hielt. Der Butler verharrte nur kurz, wobei er nicht im Mindesten beunruhigt, sondern ernst und entschlossen wirkte, und überquerte dann einfach hinter Charles die Straße.
Taylor ließ sich nach Charles‘ aufforderndem Handzeichen ebenfalls nicht ein weiteres Mal bitten, sich in Bewegung zu setzen. Er hatte das Geschehen um Charles und Bruce aus den Schatten her verfolgt, wobei ihm aber offensichtlich trotzdem nicht entgangen war, wohin sich Melinda zurückgezogen hatte. Mit wenigen, langen Schritten, trat er zu ihr ins Gebüsch, wo er sie, an der Hauswand zusammengesunken, vorfand.
„Miss Bolt...“, sprach er sie mit gedämpfter Stimme an und stellte den Koffer neben sich ab, als er sich hinabbeugte. Da sie nicht reagierte, griff er ihr kurzerhand unter den Arm und zog sie mit sich auf die Beine, als er sich aufrichtete. Auch ihr Gepäck nahm er wieder an sich.
„Miss Bolt“, versuchte er erneut, die Aufmerksamkeit der schläfrigen und schlotternden Melinda zu erlangen, und begann, sie sanft vor sich herzuschieben, „kommen Sie, hier ist nicht der passende Ort zum Rasten. Sie müssen wach bleiben. Los, hier entlang.“
Dies setzte Taylor auch mit Nachdruck durch, indem er sie weiterhin mit der freien Hand führte. Während er mit ihr an Charles vorbeiging, erwähnte er mit Nachdruck:
„Sie muss schleunigst ins Warme, Charles, Sie ist stark unterkühlt. So wie du.“

Wie es ihm selbst ging, war für Charles momentan nur hintergründig relevant. Er merkte, dass er zitterte, er merkte das taube Gefühl, das sich überall in seinem Körper ausgebreitet hatte, aber er wusste, dass er dies nicht mehr allzu lang ertragen müsste. Melinda allerdings... ihr Wohlergehen war ihm nicht egal, und er blickte ihr besorgt nach, als Taylor mit ihr weiter auf die andere Straßenseite zog.
Charles wartete angespannt, bis sich die gesamte Gruppe in der gegenüberliegenden Gasse verschwunden war, bis er das Gewehr sinken ließ. Er beobachtete den Polizisten noch ein paar Sekunden und hastete anschließend, da der arme Kerl vorbildlich kooperierte, seinen Gefährten mit eiligen, aber leisen Schritten hinterher.
„Es ist nicht mehr weit“, raunte Charles ihnen zu, als er an ihnen vorbeirauschte und wieder die Führung übernahm.
„Beeilung, sonst haben wir den ganzen Yard am Hals, bevor wir untertauchen können.“
Charles schulterte sein Gewehr und wählte einen Weg durch verwinkelte Hinterhofpfade, die kaum breiter als eine Armspanne waren. Anders als im Osten der Stadt, watete man auf solchen Wegen (zum Glück) nicht durch Müll und Exkremente. Jede Sekunde, die verging, stresste Charles. Er lauschte angestrengt über die Atem- und Schrittgeräusche der Gruppe hinweg und versuchte, sich auch visuell nichts entgehen zu lassen. Dies war nun der kritischste Moment ihrer Flucht. Sollte jemand sehen, wo sie untertauchten, waren sie in großer Gefahr. Doch es war mucksmäuschenstill. Sie waren allein.
Charles hielt dennoch noch einmal inne, um sich dessen zu versichern, bevor er schlussendlich den Weg in eine dunkle Passage wies, die sich hinter hochragenden, Geschäftshäusern entlangbahnte. Sie endete in einer Sackgasse.
Charles trat an die letzte Tür auf der rechten Seite heran – ein unscheinbares, aber hochragendes Backsteingebäude, an dem Ruß und Vogelkot Spuren hinterlassen hatte.
„Das ist das Oracle Theatre, nicht wahr?“, erkundigte sich Taylor, noch bevor Charles an der Tür angelangt war.
Hier hinten war zwar nichts dergleichen zu erkennen, aber Drew hatte mit seiner Vermutung ins Schwarze getroffen. Charles wunderte sich nicht unbedingt darüber, dass Drew genau wusste, wo sie waren.
„Sie haben noch in etwa einen Monat Probepause, bevor die nächste Saison beginnt“, erwiderte Charles, statt es mit einem einfachen „Ja“ zu bestätigen.
„Die Wartungskolonne beginnt ihre Arbeit, laut den Geschäftsbüchern, erst im April und der Besitzer sieht nur jeden Montag nach dem Rechten“, wusste er.
„Wir können also über das ganze Wochenende bleiben.“
Charles hatte dies nicht unbedingt vor, aber es wäre wohl möglich.
„Du hast Douglas Tilcott hinterhergeschnüffelt?“ Taylor klang belustigt.
Charles war nicht in Stimmung für diese Art von Plauderei und reagierte deshalb mit einer trockenen Rechtfertigung, während er an die Tür trat und das Schloss begutachtete: „Er machte es mir nicht sonderlich schwer und Orte wie diese hier sind ein exzellentes Versteck.“
„Das sollte kein Tadel sein“, fügte Drew hinzu. „Ich konnte ihn noch nie leiden.“
Er schwieg nur einen kurzen Moment, denn als Charles begann, mit seinen tauben Fingern in den Manteltaschen sein seinem Dietrichset zu suchen (und ihm nur kurz später einfiel, dass Melinda ja seinen Mantel trug), drängte sich Drew schon an seine Seite.
„Lass mich das machen“, sagte er und zückte, als Charles ihm tatsächlich Vortritt gewährte, einen kleinen Gegenstand aus seiner Hosentasche, der auf den ersten Blick einem Taschenmesser ähnelte, sich dann aber doch als Einbruchswerkzeug entpuppte. Mit einem leisen Klicken entklappte Taylor einen mit einem Haken versehenem Metallstift und zog auch ein in einen Seitenschlitz eingelassenes Hilfswerkzeug aus dem Griff.
Charles behielt angespannt die Gasse und auch die umstehenden Gebäude im Auge, jedoch mussten sie alle nicht lang warten. Taylor machte mit dem Schloss der Hintertür innerhalb einer halben Minute kurzen Prozess. Sie schwang unter leisem Knarren auf, als Drew sie öffnete.
„Voilà. Ganz wie in alten Zeiten, nicht wahr?“
Charles antwortete nicht, sondern scheuchte missgelaunt alle Anwesenden hinein, um dann die Tür, nach einem letztmaligen Überprüfen der Umgebung, hinter sich zu schließen.
Ein Feuerzeug leuchtete in Oxleys Händen auf und bald darauf war, zwischen Requisiten und Werkzeugen, eine Laterne gefunden, die für ausreichend Beleuchtung sorgte. Offenbar standen sie hier zwischen dem Gebälk unter der Bühne. Die Decke war niedrig und die Umgebung vollgestellt mit Regalen, zwischen denen sich staubige Kisten türmten und Seilzüge spannten.
Charles merkte, wie er sich ein wenig entspannte. Hier war es geschützt und sie konnten so viel Licht machen und heizen, ohne dass es wem auffallen würde. Er sehnte sich nach Wärme und trockener Kleidung, aber fast noch im höheren Maße nach Sauberkeit (das Teichwasser stank ekelerregend) und nach Ruhe vor dem ständigen Genörgel, das ihn umgab. Hoffentlich waren genügte diese Unterkunft den hohen Ansprüchen der dauerhaft Unzufriedenen.
„Dort vorn“, er wies den Gang hinunter, „rechter Hand sind die Ankleidezimmer der Darsteller. Dort gibt es Sofas und Betten und Heizöfen... einen Gemeinschaftsraum und eine Küche. Der Kostümfundus ist linker Hand, bestimmt findet sich dort ein Stock für Sie, Doktor.“
Charles schob sich an Dr. Tremaine vorbei und griff steif nach seinem Koffer, um diesen den Händen des blonden Draufgängers zu entreißen.
„Geben Sie das her“, murrte er finster. „Unterstehen Sie sich, noch einmal mit meinem Hab und Gut zu werfen, Mister.“
Zu lange wollte Charles sich allerdings nicht mehr mit den anderen aufhalten... Melinda einmal ausgeschlossen.
„Wie geht es Ihnen, Miss?“, erkundigte er sich besorgt, als er an sie herantrat.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Fade Fr Sep 08 2017, 18:16

Den Schotten beschlich ein unheilvolles Gefühl, als sie das alte Theater betraten. Der Verlauf ihrer Flucht war eigentlich viel zu glatt gegangen, wenn man die Verfassung der Gruppe und die Vorbereitung der Polizei auf das Luftschiff bedachte. Sehr passend dabei zur Legende Scarface.
Es erschien fast, wie eine einzige riesige Verschwörung, in die Bruce hinein gestolpert war. Er hatte sich nicht erträumt, so schnell so tief in diese Angelegenheit verwickelt zu werden. Besonders die Beziehung zwischen Dr. Taylor und Mr. Norly erschien dabei wichtig. Taylor schien Norly und seine Bande heute Nacht erwartet zu haben. Der Abschuss der Flugmaschine erfolgte dabei offenbar nicht nach ihrem Plan. Dennoch war Dr. Taylor mit dem Fernglas vorbereitet gewesen, um wohl von Norly ein Erkennungszeichen am Himmel zu erhalten.
Vielleicht war Dr. Tremaines Haus sogar ursprünglich als Treffpunkt vereinbart gewesen, ehe der Beschuss des Schiffes zur Reaktion gezwungen hatte. Gewissermaßen hatte Dr. Taylor Bruce benutzt, um Norly rascher aufzuspüren, doch war das Risiko dahinter eigentlich unberechenbar.

Niemand außer dem Schotten selbst kannte seine Motive und der Doktor war entweder sehr kaltblütig oder verzweifelt gewesen, sich so unverfänglich mit Bruce zusammen zu tun. Es erschien naheliegend, dass der Doktor ein Mittelsmann zwischen den Agitatoren, wie Mr. Norly oder Mr. C Darstellte, während die eigentlichen Hintermänner die Manipulation von Presse und Polizei bewerkstelligten. Norlys gereizte Reaktion auf ihn, wäre aufgrund des unplanmäßigen Abschusses seines Luftgefährts sogar verständlich gewesen, nur passte das Gespräch der Beiden nicht zu dieser Annahme. Ihre gemeinsame Vergangenheit musste dennoch etwas mit der ganzen Sache zu tun haben.

Bruce hatte brav wie ein Lamm gehorcht, als sie ihre Flucht fortsetzten. Er hatte nicht versucht, mit einem der anderen ins Gespräch zu kommen, oder überhaupt noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Norly und Taylor hatten gesehen, wozu er fähig war. Ob sie ihn eher als nützlich, oder als Bedrohung erachteten, konnte für ihn den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.
Weder Mr. Norly, noch der Doktor hatten dabei bisher ein Verhalten an den Tag gelegt, welches Bruce als besonders abgebrüht oder professionell gewertet hätte.

Etwas wichtiges schien in seinem ganzen Bild noch nicht zu stimmen und nicht nur die beiden Bandenmitglieder, die sich schon im Park kritisch gegen Charles Norly geäußert hatten, auch dessen eigenes Verhalten spielten dabei eine Rolle. Miss Bolt schien Scarface viel zu bedeuten und die verwundbare und willensmüde Seite, welche er vor seiner Gruppe und Bruce offenbart hatte, hielten beständig an der Möglichkeit fest, dass er nicht freiwillig Teil des Komplotts war und unter zwang oder unwissentlich seinen Namen und Kopf in die Waagschale legte.

Es brannte dem waghalsigen Schotten unter den Fingernägeln, endlich die Wahrheit heraus zu finden und die Zeit lief nicht unbedingt für ihn. Das Theater, welches für den Moment ein sicheres Versteck schien, konnte schnell zu einer Todesfalle werden. Die Gänge waren eng und viele Zugänge gab es nicht. Wenn das Yard ihre Fährte bis hierhin verfolgen konnte, würden sie das Gebäude umstellen und dann Stürmen. Eine Flucht wäre dann fast hoffnungslos und suchten Taylor oder Norly einen Weg, den unliebsamen Wegbegleiter loszuwerden, so war dies hier ein nahezu perfekt geeigneter Ort. Vermutlich würde man draußen noch nicht einmal die Schüsse hören.

Er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, aber Bruce fühlte sich geradezu jämmerlich, während ihm klar wurde, wie wenig er über die Geschichte eigentlich wusste. Sein Instinkt sagte ihm, dass Charles Norly kein kaltblütiger Killer war. Auch Taylor und die meisten der Scarface Bande hatten bisher einen eher harmlosen Eindruck auf ihn hinterlassen, auch wenn sie sicherlich einiges an Rückgrat besaßen.
Wenn dem jedoch so war, dann Spielte man ein gefährliches Spiel mit diesen Leuten. Jemand war über ihre Handlungen bestens informiert und setzte diesen Mr C darauf an, immer wenn die Gruppe es auf die Titelseite schaffte, mit einem verborgenen Plan von Zerstörungen fortzufahren.
Dies klang kaum weniger abenteuerlich, als die andere Variante und vielleicht war auch beides völlig falsch. Bruce kamen leise Zweifel, ob er nicht vielleicht doch zusammenhänge gesehen hatte, wo keine waren. Hatte er wirklich gründlich genug nachgeforscht? Was wenn es sich nur um einen Zufall gehandelt hatte? London war eine Weltstadt in der ständig etwas passierte. Nur, dass die Zeitungen so verschleiernd arbeiteten war neu und dahinter musste doch ein gewichtiger Grund liegen?! Der Mythos Scarface passte dabei einfach zu gut ins Bild, als dass das ganze ein Zufall sein konnte, nur wie sollte Bruce diesen Verdacht Charles Norly und dessen Leuten beibringen?
Wenn Bruce recht behielt und Norly zu Unrecht gejagt und benutzt wurde, dann war der Informant der Gegenseite mit Sicherheit unter den Personen in diesem Gebäude.
Nur Charles unter vier Augen zu informieren, brachte vor allem Bruce und womöglich noch Dr. Taylor in Gefahr, wenn Norly für sich feststellte, dass der Schotte zu viel wusste. Es allen gegenüber auszuplaudern, würde den Agenten der Gegenseite warnen und die Gefahr für sie alle erhöhen.

Klopfenden Herzens traf der Schotte eine Entscheidung. Als Norly mit nach wie vor kränkelnder Laune sein Gepäckstück zurückforderte übergab Bruce den Koffer ohne wiederworte, suchte dabei den Blick seines Gegenübers. Danach begab er sich wieder auf etwas Abstand und wartete ab. Es würde nicht ganz einfach werden, Mr. Norly in seinem momentanen Zustand abzupassen und zu einem Gespräch zu überzeugen, aber genau das würde er versuchen, sobald sich die Gelegenheit gab. Mit ein wenig Glück hatte der Einsatz des wortkargen Leibwächters seines alten Freundes gegen die Ordnungshüter vom Yard ja doch seine neugier geweckt um nach etwas Ruhe ein Gespräch zu suchen.

Bruce wurde sich bewusst, dass er Scarface hinterher starrte, als dieser bereits begann, sich Miss Bolt zu widmen. Sein Blick glitt etwas nervös zu den übrigen Leuten in Sichtweite. Wer von ihnen war wohl ein Spitzel?
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Leo Sa Sep 09 2017, 05:52

Die Nacht entwickelte sich nicht ganz so, wie Maura es sich gewünscht hätte. Was nicht bedeutete, dass sie keinen Spaß daran hatte – ganz und gar nicht! Aber sie hätte sich wohl liebe die Zunge abgebissen, als da zuzugeben. Es war beinahe schon ein Wunder, dass Norlys Plan funktionierte – nicht nur deshalb, weil Maura ihn für lächerlich schlecht hielt, sondern auch, weil Norlys Pläne, so lange sie ihn jetzt schon kannte, stets zum Scheitern zu tendieren schienen. Sie warf dem davonschreitenden Bobby, der sie in seiner strammen Gehweise an einen Betrunkenen, der sich zusammenreißen wollte erinnerte, einen misstrauischen Blick hinterher, passierte dann so schnell und leise wie möglich die Straße und schlug dabei die Hände um den Oberkörper. Mittlerweile fröstelte auch ihr ein wenig, was sie aber in Anwesenheit der dahindämmernden Ms. Benton nicht zu erwähnen wagte. Was für ein katastrophales Wetter für einen beginnenden Frühling. Es hätte stimmiger für diese ganze Unternehmung nicht sein können.

Hatte Maura den Teil des Parks, in dem sie gelandet waren noch gekannt, so entfernten sie sich nur allzu bald von den ihr bekannten Wegen – kein Wunder, denn die Gegend in die Norly sie führte, war bestensfalls als ‚schäbig‘ zu bezeichnen. Was auch sonst. Sie dachte kurz an ihr Elternhaus, in dem ihr Bruder und seine Familie wohnten und in dem es jetzt bestimmt ein Gästezimmer für sie gegeben hätte … wäre sie zu einer zivilisierteren Zeit, mit anderen Leuten im Schlepptau und weniger versengten Kleidern dort angekommen. So allerdings …
Abschätzig betrachtete sie den Bau, vor den Norly sie geführt hatte. „Sie haben gar nicht erwähnt, dass Sie regelmäßig ins Theater gehen, Norly. Nutzen Sie immer die hintere Tür?“, war der einzige Kommentar, den sie von sich gab. Dann war die Tür auch schon offen, und sie schob sich zwischen den anderen ins Innere.
Die Unordnung war auf den ersten Blick seltsam gemütlich und erinnerte Maura an eine Szene aus ihrem letzten Buch, wo sie etwas über den Keller eines alten Mannes geschrieben hatte … es hatte dort den Tod gefunden, blutig an die Wand genagelt. Sie erwischte sich dabei, die hölzernen Wände nach einer Leiche abzusuchen, während sie sich mit langen Fingern eine Staubfluse aus den Haaren zog; glücklicherweise war hier aber alles friedlich, abgesehen vielleicht von den Masken, die sie aus einer der Regale anstarrten.
Neben ihr stand Taylor, der gerade sein Einbruchswerkzeug (sehr interessant, im Übrigen) wieder verstaute. Maura sah ihn jedoch nur aus den Augenwinkeln, als sie an einen der Seilzüge herantrat und mit dem Finger etwas Staub von dem groben Hanfseil herunterschob. „Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal in einem Theater war …“ Eigentlich wusste sie es sehr wohl. Das war noch zu Lebzeiten ihres Mannes gewesen. Seit sie Witwe war, hatte sie viel zu selten das Haus verlassen. „In einem solchen Raum bin ich jedenfalls das erste Mal. ‚Alte Zeiten‘, sagen Sie, Dr. Taylor? Kennen Sie diese Gemäuer? Sie haben etwas Unnahbares an sich.
Leichte Verträumtheit benebelte ihre Gedanken wie süßer Alkohol. Jetzt bloß nicht die Deckung fallen lassen. Und doch konnte sie sich einer gewissen Faszination nun nicht mehr erwehren. Sie trat an eines der Regale heran, nahm eine der Masken in die Hand und strich mit dem Daumen an der Seite entlang, während sich fast so etwas wie ein Lächeln auf ihre Lippen schlich. Sie sah Taylor jetzt zwar nicht mehr, spürte ihn aber noch in ihrem Rücken. „Ein faszinierender Ort. Man kann förmlich all die Geschichten riechen, die dieses Haus durchlebt hat, jeden Abend eine andere, finden Sie nicht?
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Thorgrimm Mi Sep 13 2017, 02:07

So wie es schien, wurde seine Hilfe gar nicht benötigt. Trotzdem blieb Gilbert am Rande der Mauer stehen, beobachtete das Geschehen und hielt sich bereit, einzugreifen, falls es nötig werden sollte. Er wollte zwar nichts mit irgendwelchen Kämpfen und hangreiflichen Auseinandersetzungen zu tun haben aber das hieß nicht, dass er nicht versuchen würde, die Menschen vor Schaden zu bewahren, wenn er es konnte. Doch was als völlig irrsinniger, ja fast suizidaler Angriff begonnen hatte, entwickelte sich dank Norlys Eingreifen schnell in eine Situation, die beherrscht werden konnte. Natürlich nicht dank des Schlägers. Noch immer konnte Gil nicht verstehen, was den Mann geritten hatte. Wer sah eine solche Situation und dachte sich, dass ein Angriff die beste Lösung wäre? Zugegeben, es war gut gegangen aber es hätte sehr schnell auch eine komplett andere Richtung einschlagen können. Eine, die mit Blut und Tod gepflastert war. Hoffentlich hatten sie sich mit diesem Schläger nicht einen zweiten Ir(r)en ins Boot geholt.
Zu Gilberts Erleichterung wurde das Aufeinandertreffen mit den Polizisten nicht durch weitere Gewalt gelöst. Zwar kamen Waffen zum Einsatz aber diese wurden nur für Drohungen missbraucht. Natürlich hieß das nicht, dass Norly sie nicht eingesetzt hätte, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gegeben hätte. Wenn es um sein Leben gegangen wäre, hätte Gilbert aber vermutlich auch nicht anders gehandelt. Er versuchte zwar Gewalt zu vermeiden, wo es nur ging aber wenn sein Leben auf dem Spiel stand, gab es keinen anderen Ausweg. So musste er Norly zumindest eingestehen, dass dieser sich wieder unter Kontrolle hatte und versuchte, solche Situationen auf dem richtigen Weg zu lösen. Das bedeutete allerdings noch lange nicht, dass Gil den Mann unterstützte.
Sein Herz klopfte wild, als er sich ansah, was auf der Straße vor sich ging. Die Polizisten spielten zum Glück mit. Nur ein einziger von ihnen musste einen Kurzschluss haben oder versuchen den Helden zu spielen und diese ganze Sache würde den Bach runtergehen. Doch nichts dergleichen geschah. Die Bobbys waren kooperativ und folgten den Befehlen Norlys. Zumindest jetzt würden sie auf ihrem Weg zur Gerechtigkeit - oder wohin es auch immer ging - keine weiteren Toten hinterlassen. Als Norly sie heranwinkte und ihnen bedeutete, auf die andere Straßenseite zu huschen, nahm Gilbert all seinen Mut zusammen. Ein einziger Fehler von ihm oder jemand anderem und es würde hässlich werden. Das Ganze war ein Drahtseilakt und er war froh, als sie sich langsam wieder durch die Gassen der Stadt bewegten. Das bedeutete natürlich noch lange nicht, dass sie sicher waren aber es war um Meilen besser, als in der Nähe der Polizisten zu sein.

Kurze Zeit später erreichten sie ihr Ziel. Ein Theater, welches sie durch den Hintereingang betraten. Diesmal war es nicht Norly, sondern dieser Taylor, der das Schloss knackte. Langsam fragte sich Gilbert ob er der einzige hier war, der nicht solche kriminellen Fähigkeiten besaß. Das führte ihm wieder einmal vor Augen, dass er zwischen diesen Leuten eigentlich überhaupt nichts zu suchen hatte. Doch er musste nur noch etwas aushalten. Schon bald war das alles vorbei und er konnte das Land verlassen und einen Neubeginn starten. Dass die beiden Männer - Taylor und Norly - eine gemeinsame Vergangenheit hatten, überraschte ihn dabei wenig. Trotzdem war es ganz interessant mitanzuhören, was und vor allem wie sie miteinander redeten. Doch Gil war viel zu müde, zu erschöpft und geistig hinüber, um sich darüber jetzt noch genauere Gedanken zu machen. Das musste warten.
Er folgte den Männern in das Theater und atmete erst einmal tief durch. Wenn Norly nicht wieder irgendwie die Wahrheit verdrehte, waren sie hier erst einmal sicher. Es gab Sofas, Heizöfen und eine Küche. Endlich wieder etwas Komfort und hoffentlich auch Ruhe. Er konnte es kaum erwarten. Gilbert schlich etwas zwischen den vielen Regalen und Requisiten hin und her, um seine künstlerische Neugierde zu befriedigen aber so wirklich stand ihm jetzt nicht der Sinn nach Kunst. Er wollte sich hinlegen und die Ruhe im Schlaf suchen. Sich in eine Welt zurückziehen, die nur ihm gehörte. Er wollte sich gerade abwenden und sein Heil in der Flucht - und dem Gemeinschaftsraum - suchen aber da fiel sein Blick auf den Doktor. Mr. Benton. "Wie geht es ihnen und ihrem Bein?" Der Mann war nicht viel mehr als ein Wrack. Für ihn musste der Absturz und die Flucht hierher eine wahre Tortur gewesen sein. "Etwas gegen die Schmerzen?" fragte Gil und kramte aus seinem Koffer eine Flasche Laudanum heraus, welcher er dem Doktor hinhielt. Er wusste nicht, wie oft ihn diese Tinktur gerettet hatte. Nicht nur Schmerzen ließen sich dadurch gut bekämpfen. Auch einen Rausch konnte er dadurch hervorrufen, der sich bestens zum Malen eignete. Natürlich war das jetzt nicht besonders hilfreich aber Laudanum hatte so viele Anwendungsgebiete, da konnte man einfach nichts falsch machen. Nach dem heutigen Tag war es - zumindest für ihn - sicherlich angebracht sich etwas Laudanum zu genehmigen.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Elli Fr Sep 15 2017, 11:30

Es war so unglaublich anstregend. Sie hatte endlich geschlafen und dann drang da diese Stimme an sie heran. Gefahr? Sie musste die Augen aufbekommen. Jetzt. Sie sammelte alle Kräfte die sie noch hatte um ihren Augen aufzuzwingen. Sie erkannte das Gesicht vor ihr wage, als sie auf die Füße gezogen wurde. Sie stolperte wie ein frisch geborenes Kalb über die Straße, während ein starkere Arm sie fest führte und jeden Stolperer auffing. Wer war das? Sie wusste es nicht. Wollte nur schlafen. Schlafen.
Sie stoppten und ihr Kopf sank sofort wieder auf ihre Brust, ebenso knickten ihre Beine weg. Wieder wurde sie aufgefangen. Von der Wand? Einem Menschen? Sie wusste es nicht. Dauerte der Weg Minuten? Stunden? Tage?
Es fühlte sich wie Monate an. Alles war taub. Hatte sie noch einen Unterkörper? Waren ihre Füße noch da?
Schwärze. Kälte. Müdigkeit.
Irgendwann ging es weiter. In ein Gebäude? Ein Bahnhof? Ein müder Blick an die Decke. Sie war hoch. Aber sie bewegte sich auch ständig hin und her. Ein Schiff?
Aber es war total egal. Alles war egal.
Gerede. Gemurmel. Menschen um sie herum.
Dann ein Gesicht. Ein Mann. Charles?
Das Gesicht fragte wie es ihr ging. Und alles fiel von ihr ab. All ihre aufgesetzte Art, ihre Kühnheit, ihre Arrgoganz, ihren Vorsatz nie Schwäche zu zeigen.
Sie ließ sich nach vorne auf ihn fallen. Ihr Kopf ruhte auf seiner Schulter sank auf die Brust herab.
Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie so etwas, was andere Menschen "zu Hause" sein nannten.
"........kalt........"
Mehr brachte sie nicht heraus.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Umbra Mi Sep 20 2017, 20:50

Andrew Taylor ließ seinen Blick ebenso über die Umgebung schweifen, wie es andere der Anwesenden taten. Nun, im Schutze dieses Gebäudes, fiel Anspannung von ihm ab, auch wenn er sich zuvor nicht viel davon hatte anmerken lassen. Während Oxley für Licht sorgte und Charles der Gruppe gegenüber das Wort ergriff, hielt Taylor sich still und beobachtend im Hintergrund. Erst Maura brachte ihn dazu, sich von der Musterung der Umgebung abzuwenden.
„Ich war schon einige Male hier“, antwortete er ihr, „wenn auch nicht in diesen Räumlichkeiten. Aber ich stimme Ihnen zu: Das Theater ist ein Ort, um abseits des Alltags in Träumen zu schwelgen... und jede Bühne hat dabei ihren eigenen Charme. Ich konnte mich dem noch nie erwehren. Das Eintauchen in eine Rolle, die gebannten Blicke des Publikums, die Requisiten, Feuerwerk und Musik... Das alles ist so viel realistischer als das Leben.“
Er lächelte. „Zumindest, bis der Vorhang fällt.“
Dennoch schien Maura nicht seine volle Aufmerksamkeit zu haben. Er hatte das Geschehen um sie beide herum nicht aus den Augen gelassen. So bedachte er Melinda und Charles‘ Interaktion mit einem halb skeptischen, halb neugierigen Blick... dann aber schienen Gilberts Worte sein Interesse zu wecken.
„Vielleicht sollten Sie mich einen Blick auf die Wunde werfen lassen, Tremaine“, warf Taylor ein, noch bevor Randolph auf das von Gilbert angebotene Laudanum reagieren konnte.
„Einem Kollegen helfe ich natürlich gern, auch wenn er meint, meine Anordnung, sich zu schonen, in den Wind schießen zu müssen“, ergänzte er in einem leicht tadelndem Unterton. „Als Chirurg wissen Sie selbst, welches Risiko Sie damit eingehen. Dennoch fühle ich mich verpflichtet, Sie daran zu erinnern, dass Sie Ihr Bein verlieren könnten, wenn Sie so weitermachen.“



Charles merkte selbst, wie die Erschöpfung über ihn hereinbrach, als er Melindas Elend direkt vor sich sah. Die Kälte hatte jede Faser seines Körpers durchdrungen, so zitterte er fast ebenso stark wie sie, als sie mit einem Mal seine Nähe suchte. Instinktiv legte er seinen Arm um sie, um sie festzuhalten... und ihr Trost zu schenken. Wärme wäre wohl besser gewesen, aber ihm war bewusst, dass er gerade nicht genug davon abgab, um ihr zu helfen, sich besser zu fühlen. Drew hatte gesagt, dass sie stark unterkühlt war, und Charles stimmte dieser Diagnose zu. Die Landung im Wasser war äußerst ungünstig verlaufen und es war höchste Zeit, Melinda aufzuwärmen.
„Gleich wird es besser sein, das verspreche ich“, versicherte er der schwächelnden jungen Frau und löste sich sanft ein kleines Stückchen von ihr, um etwas Bewegungsfreiheit er erlangen. Bedacht, sie weiterhin zu stützen, ging er nur wenig in die Knie, bis der Koffer, den er soeben erst an sich genommen hatte, den Boden berührte. Er stellte ihn neben sich ab und mobilisierte seine letzten Kräfte, um stattdessen Melinda anzuheben und auf die Arme zu nehmen. Glücklicherweise war sie eine kleine und zierliche Person, aber dennoch fiel es Charles in diesem Moment nicht leicht, sie zu tragen. Sie war um einiges schwerer als sein Koffer und er spürte seine Gliedmaßen kaum noch. Er beschloss, keine Zeit zu verlieren, und schlängelte sich zwischen den Umherstehenden hindurch – was sicherlich weniger elegant wirkte als es unter anderen Umständen der Fall gewesen wäre, aber darauf legte Charles nun keinen Wert. Er fokussierte sich einfach auf sein angestrebtes Ziel und darauf, Melinda gut festzuhalten.
„Bleiben Sie wach, Melinda“, sprach er zu ihr, während er, die Gespräche der anderen Anwesenden ignorierend, voranstapfte und rechts abbog, wo es, wie er schon angekündigt hatte, zu den Aufenthaltsräumen ging.
„Das ist wichtig, hören Sie mich? Konzentrieren Sie sich einfach auf meine Stimme und bleiben Sie wach. Gleich können Sie sich ausruhen, doch erst einmal müssen wir Sie abtrocknen und aufwärmen.“
Charles spähte im Vorbeigehen in die Zimmer. Er stieß die Türen einfach mit der Fußspitze auf und machte sich ein Bild von der jeweiligen Ausstattung, bis er sich für den ersten Raum entschied, der einladend genug aussah. Währenddessen ließ er seinen Wortschwall nicht abbrechen und behielt nebenbei Melinda im Blick. Immer, wenn ihr die Augen drohten, zuzufallen, bewegte er seine Schulter, an der ihr Kopf ruhte, um sie bei Bewusstsein zu halten. Sie sollte es sich in seinen Armen nicht zu bequem machen. Zumindest dieses Mal nicht.
„Hier sieht es gut aus, nicht wahr? Wir sind hier sicher und bald ist es warm.“
Charles sorgte sich um sie, war sich allerdings sicher, dass es ihr schnell bessergehen würde, sobald sie sich vor einem brennenden Ofen in eine Decke eingekuschelt hatte. Deswegen betrat er mit ihr einen der Ankleideräume, der mit einem kleinen, gusseisernen Heizofen ausgestattet war. Dort, direkt vor dem eingestaubten Ding, ließ er Melinda vorsichtig zu Boden und zog ihr den Stuhl heran, der zuvor vor dem Schminktisch gestanden hatte.
„Lassen Sie mich schnell für Licht sorgen.“
Der Raum war relativ düster, fensterlos und beengt, aber zumindest ersterem konnte Charles Abhilfe verschaffen. Er fand eine Öllaterne nebst einer Schachtel Streichhölzer. Das erste und auch das zweite Streichholz brachen, als er versuchte, sie an der rauen Seite der Schachtel zu entzünden, weil er so stark zitterte. Beim dritten Versuch gelang es ihm, den Raum zu erhellen. Trotz des Platzmangels war er relativ gemütlich eingerichtet. Ein Zweisitz-Ledersofa und ein kleiner Tisch hatten noch Platz neben einem vollgestopften Kleiderständer, dem Schminktisch mit Spiegel und dem Heizofen in der Ecke. Die Wände waren voll von angehefteten Fotografien und Zeitungsartikeln, die sich wohl mit der Theatertruppe beschäftigten, die hier im Oracle tätig waren. Eine Vase mit vertrockneten Rosen, die wohl einmal in einem zarten Rosa geblüht haben mussten, stand zwischen chaotisch zurückgelassenem Make-Up vor dem Spiegel.
Charles eilte zum Sofa und schob die Kissen beiseite, die auf einer zusammengefalteten, beigen Wolldecke lagen. Diese war es, die er an sich nahm, mit einem Schütteln entfaltete und Melinda um die Schultern legte.
„Ich werde den Ofen für Sie anheizen“, kündigte Charles an und wandte sich auch sogleich wieder den Streichhölzern zu. Vor dem Ofen ließ er sich, weil das Bücken ihm dank seiner Blessuren, den steifen Gliedern und der schweren, mit Wasser vollgesogenen Kleidung schwerfiel, ungelenk auf die Knie sinken.
„Sie müssen sich umziehen“, redete er weiter, unterdessen er mit dem Schürhaken, den er neben dem Ofen gefunden hatte, die alte Asche fortkratzte und dann neue Kohle aus dem Eimer einfüllte, der ebenfalls dort bereitstand.
„Vielleicht findet sich auf dem Kleiderständer etwas Passendes... Ich hole aber gleich auch Ihren Koffer. Meinen Sie, Sie sind dazu imstande, die nasse Kleidung abzulegen?“
Charles zögerte kurz und merkte, dass sich Verlegenheit in ihm breitmachte. Tatsächlich schoss Hitze in seine Wangen, auch wenn er nicht gedacht hätte, dass das gerade, in seinem durchgefrorenen Zustand, möglich gewesen wäre.
Schnell beschäftigte er sich damit, eine alte Zeitung vom Tisch zu holen und einzelne Seiten zusammenzuknüllen, um diese als Brennhilfe zu verwenden.
„Ich könnte Mrs. Thomson bitten, Ihnen zu helfen.“
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

Beitrag von Fade Mi Sep 20 2017, 22:14

Bruce wich den Blicken der anderen aus, wo er konnte, wirkte eher etwas eingeschüchtert. Tatsächlich dachte er fieberhaft über einem Plan nach. Als Scarface Miss Bolt mehr schlecht als recht davonzutragen begann, sah Bruce seine Chance verlöschen, rasch Klärung für seine Fragen zu erhalten, die ihn in diese seltsame Lage gebracht hatten. Er ließ den anderen Zeit, Beschäftigung untereinander zu finden und nutzte die Gunst der Stunde, als ihn niemand direkt ins Verhör nahm.
Er schlug den gleichen Weg wie Norly ein und sah sich die von ihm geöffneten Räume scheinbar neugierig an, als wolle er darunter selbst ein Schlafquartier wählen. Doch war seine Absicht selbst eher eine etwas absurd erscheinende Verfolgung des Mannes, der zumindest einige Antworten geben konnte, ganz gleich was er tatsächlich über die dunklen Machenschaften in der Stadt wusste.

Es war kein angenehmes Bauchgefühl, was sich in dem jungen Schotten breit machte, als er sich Norlys ausgesuchten Zimmer näherte. Unpassender hätte seine Aufdringlichkeit wohl gar nicht möglich sein können, doch war Charles Norly wenigstens zu einem Teil an all dem hier mitschuldig und darum ohnehin nicht in der Situation, gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten geltend zu machen. Wie ein Dieb lugte Bruce durch die Türe, welche Charles offenbar in seiner eile noch nicht vollends geschlossen hatte. Er hörte die Worte des gesuchten Kriminellen, aus denen aufrichtige Sorge und eigene Erschöpfung hervor klang. Der Blick des Boxers schweifte methodisch durchs Zimmer und weitete sich leicht, als er Norlys Bestrebungen erkannte.
Kurzentschlossen zog Bruce die Türe auf, sah zu Charles und räusperte sich hörbar. Sein Gesicht fühlte sich kalt an, und er konnte nur raten, dass er im Augenblick wohl etwas Blass um die Nase war, jedoch versuchte er seine Stimmlage möglichst ruhig und neutral klingen zu lassen, um seine innere Unruhe zu überspielen.
"Tun Sie das nicht, Mr Norly. Man wird den Rauch bemerken. Es gibt hier genügend Kostüme und Mäntel." Bruce schluckte leicht nach den Worten. Er konnte förmlich fühlen, wie unerwünscht er gerade in den Augen seines Gegenübers erscheinen musste. Doch Norly reagierte irrational. Auch wenn so ein Ofen nicht viel Rauch verursachte und es Nacht war, gab es doch mehr als genug Anwohner in Sichtweite des Gebäudes, die hier schon ewig lebten und denen gerade in einer so ereignisvollen Nacht solch eine Unregelmäßigkeit auffallen würde.
Der Schotte hielt den Blick starr auf Charles Norly gerichtet und verharrte wie eine Statue im Türrahmen. Seinem taktisch ausgerichteten Verstand erschien es im Moment unmöglich, die nächste Reaktion voraus zu sehen, auch wenn eine innere Stimme seinen Körper eindringlich um einen Rückzug zu ersuchen begann.
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Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten - Seite 5 Empty Re: Götterblut - Kapitel 5: Spiel im Schatten

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