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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Elli Mo Apr 18 2016, 11:43

Melinda ging gemeinsam mit Charles in Badezimmer und half ihm so weit sie konnte und er es zuließ. Ihr war nicht entgangen, dass er peinlich berührt gewesen war. Wieder einmal verstand sie das nicht. Sie hatte ihn mehr als einmal nackt gesehen und nicht nur das. Warum er diese Scham an den Tag legte, war ihr ein Rästel. Nicht zu verachten war natürlich die Tatsache, dass sie den ganzen Tag nichts anderes tat, als sich nackt zu zeigen, sofern das der Wunsch der Kunden war. Oftmals konnte sie dem auch entgehen, in dem sie den Kunden in eine Seitengasse lockte und es dort mit ihm trieb. Besonders gerne hatte sie dabei betrunkene Freier, die den Unterschied, wo sie ihren Penis nun hineinsteckten nicht mehr bemerkten und sich mit zwei aneinandergepressten Oberschenkel zufrieden gaben. Die paar Pence, die sie dafür bekam, waren auch nicht mehr wert. Doch hin und wieder, da gab es gut zahlende Kunden, die eben anderes wollten. Nicht zuletzt einen Künstler, Gallone, Gallion, Gallon...war es so glaubte sie. Er war...besonders...exzentrisch...er wollte meist nur, dass sie nackt auf seiner Liege lag und nichts tat. Das konnte sie gut und er zahlte hervorragend dafür. Er saß meist nur da, malte Bilder von Landschaften und Häusern und sah sie hin und wieder an.
Nichtsdestotrotz wusste sie nicht, warum viele Menschen so ein Problem mit dem zur Schau stellen ihres Körpers hatten. Wenn schon eine Frau Schienbein zeigte, flippten alle völlig aus.
Absoluter Blödsinn wie Melinda fand.
Nachdem sie Charles geholfen hatte und seine Wunden so gut es ging gesäubert und versorgt hatte, riet sie ihm sich noch einmal hinzulegen und etwas zu schlafen. Er war sehr erschöpft, das merkte sie bei all seinen Bewegungen und Reaktionen. Die Maus in der Falle, war gerade eher eine träge, fette Bisamratte, die an einem Knochen nagte.
Sie kehrte nach einem Kuss auf seine Stirn wieder in das Zimmer zurück in dem sie sich aufgehalten hatte und überlegte was sie nun anstellen sollte. Sie hatte weder Hunger noch Durst, ihre Alkoholspiegel erwies sich gerade als angenehm. Sich hier im Haus umsehen um eventuell Geheimnisse zu finden? Zu lästig. Dann konnte sie also auch schlafen. Manchester war wirklich ein großer Haufen Scheiße. Furchtbar. Nichts zu tun, Langeweile, alles zu kotzen.
Sie legte sich auf eine Liege, die an der Wand stand und leicht eingestaubt war. Sie schloß die Augen. Zeit sich zu erholen.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Leo Mo Apr 18 2016, 21:28

Wright tat nicht, wozu sie ihn förmlich gedrängt hatte – er übernahm nicht die Führung. Das war zu erwarten gewesen, trotzdem enttäuschte es Maura. Sie hatte schon erlebt, wie der Mann über seinen Schatten gesprungen war. Dieses Mal tat er es nicht.
Also würde es wieder an ihr liegen. An der Frau … wie aberwitzig. Natürlich – es war Unsinn zu glauben, dass Frauen in dieser Zeit völlig machtlose Individuen waren. Gesellschaftlich waren sie dem Mann vielleicht unterlegen, privat sah das Ganze mitunter anders aus. Sie kannte Ehepaare, in denen ziemlich offen zur Schau getragen wurde, wer zu Hause die Hosen anhatte. Hauptsächlich Bekannte ihres Mannes; mit Harolds Tod waren diese Beziehungen schneller verwelkt als ausgerissenes Unkraut. Was brauchte sie Freunde? Sie hatte ihre Manuskripte, und sie hatte ihren Sohn. Das war mehr als genug. Fiktive Menschen waren einfach viel umgänglicher … vor allem, wenn sie taten, was man ihnen sagte.
Maura sah zum Verwaltungsgebäude hinüber. Es war hässlich, sah aus als wäre es seit Jahrzehnten verlassen. Vermutlich Tarnung, wenn hier wirklich der ‚listenreiche König‘ samt Anhang hauste. Das ganze Gelände war wie tot, wenn man von den vermehrt wuchernden Pflanzen mit ihren spitzen Blättern einmal absah. Es wäre irgendwie beruhigender gewesen, wenn sie Angst vor diesem düsteren Ort gehabt hätte. Stattdessen spürte sie nur prickelnde Aufregung am ganzen Körper, als wären all ihre Glieder eingeschlafen.
Natürlich habe ich einen Plan“, log sie, ohne Wright anzusehen. Nicht nötig, den armen Burschen noch mehr zu verunsichern. Wie gern hätte sie tatsächlich einen Plan gehabt … Es war verflucht ärgerlich, dass sie den wichtigen Part einfach verschlafen hatte. Ihr fehlten Informationen. Stattdessen blieben ihr nur vage Vermutungen. Sie hatte keine Ahnung, wie Norly auf ihr plötzliches Auftauchen reagieren würde, ganz zu schweigen von seinen Begleitern, der blonden Frau und dem Doktor. Sie konnte nur vermuten, und vermuten reichte zum Planen schlicht nicht aus. „Also dann, versuchen wir es beim Verwaltungsgebäude. Kommen Sie?“ Sie wartete keine Antwort ab.
Von Nahem wurde das Gebäude auch nicht hübscher. Rote Ziegelsteine mit beigem Mörtel dazwischen, mit Schmutz und Vogelkot verziert … Maura verzog leicht das Gesicht. Ihre Wohngegend war auch nicht die allerbeste, und diese furchtbaren Iren hatten ihr schon mehr als eine schlaflose Nacht beschert, aber Orte wie die Norman Mill waren dann doch nicht ganz ihre Kragenweite.
Hm. Wenn dieser Ort einen verlassenen Eindruck erwecken wollte, müsste doch eigentlich …
Sie drückte die Klinke herunter – und die Tür öffnete sich. Treffer. Vorsichtig spähte sie ins Innere; als niemand zu sehen war, öffnete sie die Tür ein Stück weiter und trat ein. Einige Türen führten von Flur ab, eine Treppe wies nach oben. Geräusche waren zu hören, schnelle Schritte, wie spielende Kinder. Hatte Charles etwa Kinder? Nein, davon hätte man in der Zeitung gelesen. Kurz entschlossen ging sie noch weiter den Flur hinunter, bis zur ersten Tür, und öffnete sie.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Umbra Mi Apr 20 2016, 17:56

Maura war allein im Flur, und auch wenn dieser zum verlassenen Eindruck der äußerlichen Fassade passte, war jedoch nicht genug Staub vorhanden, dass er wirklich unbewohnt sein konnte. Die Geräusche, die sie im Haus vernahm, sprachen ebenfalls dagegen. Leider gaben sie nur Hinweis, wo sich der von Mr. Wright erwähnte Anhang dieses King Reynards befinden könnte: Oben und vielleicht hier im Erdgeschoss. Möglicherweise also überall. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis sie auf jemanden stoßen wurde.
Hinter der Tür, die sie öffnete, fand sie jedoch keine Menschen. Es war ein großzügig geschnittener Raum, der vielleicht einmal als Aufenthaltsraum für Gäste oder Angestellte dieses alten Verwaltungsgebäudes gedient hatte. Nun, jedoch, waren die Wände mit Möbeln zugestellt, auf denen sich einmal mehr, einmal weniger eingestaubter Krimskrams türmte, der hier äußerst deplatziert wirkte. Tatsächlich war es solcherlei Tand, den sich die Reichen, wenn auch nicht in dieser Menge, gern zur Dekoration hinstellten: Vasen, hässliche Porzellanfiguren, Modellschiffe, Waffen, aber auch leere Bilderrahmen, die sicherlich Eigenwert besaßen, Spieluhren, Wanduhren, Standuhren und aller vorstellbarer anderer Kram, der hochwertigen Materialien gefertigt worden war. Inmitten des großen Raumes stand einsam ein massiver Schreibtisch, hinter dem ein gepolsterter Stuhl stand, die wohl die einzige Sitzgelegenheit war. Auf dem Tisch herrschte Ordnung – bis auf einige Schreibutensilien und einen groben Schlagring, der dort drohend auf seinen Einsatz wartete, war er leer. Einige Messer in einer Holzplatte mit aufgemalter Zielscheibe an der Wand.
Der kurze Moment der Unaufmerksamkeit für Mauras nähere Umgebung, da sie das, was vor ihr lag, näher in Betrachtung gezogen hatte, hatte, wie sie nun feststellte, ausgereicht, um nicht zu bemerken, Gesellschaft bekommen zu haben.
Eine laute Stimme fast direkt neben ihr, sprach sie jedoch nicht an, sondern richtete sich an Gilbert, der sich noch nicht getraut hatte, den Flur zu betreten.
„Es ist nicht sehr männlich, deine bessere Hälfte vorzuschicken“, rief der Fremde mit leicht amerikanischem Akzent in der Stimme. Belustigung und auch etwas Spott lagen darin.
„Oder“, fügte er hinzu und pausierte kurz, um Maura von Kopf bis Fuß zu betrachten, „… deine Mutter.“
Der Mann zeigte einen Goldzahn, als er süffisant grinste. Er stand da, an die Wand gelehnt, mit den Armen vor der Brust verschränkt. Diese Haltung hob seine sehnigen, aber kräftigen Arme hervor, die mit vielfältigen, schwarzen Tattoomotiven überzogen waren, welche bereits an seinen Fingern anfingen und zwar unter seinen hochgekrempelten Hemdsärmeln verschwanden, aber wohl so weit reichten, dass sie ebenfalls aus seinem Kragen herausragten und an seiner rechten Halsseite sogar bis hinter sein Ohr hinaufreichten. Doch nicht nur diese ausgiebigen Hautverzierungen waren ein Blickfang: Er besaß dunkelgrüne Augen und aschblondes Haar, das er kurz trug, vielleicht, weil der Ansatz begann, eine Halbglatze auszubilden. Sein Barthaar war etwas dunkler und deutlich mit Grau durchzogen. Er ließ es sich als fast schon extravagenten Knebelbart stehen. Daneben bildete seine Kleidung, normale Arbeiterkleidung, die aus dem hellen Hemd, einer braunen Stoffhose, und einer dunkelbraunen Weste bestand, einen schlichten Kontrast. Er mochte wohl um die vierzig Jahre alt sein.
Sein Grinsen wich nun jedoch schnell einem ernsten Gesichtsausdruck und sein Tonfall verlor ebenfalls an Lustigkeit.
„Tja, das ist immer noch Privatbesitz“, teilte er, immer noch Gilbert, mit, „also verschwinde, so wie du das schon vorhin vorbildlich getan hast und nimm die werte Lady hier mit.“
Sein Blick fiel wieder auf sie.
„Ich habe euch nicht eingeladen“, erinnerte er daran. „Und dort hast du sicher nichts zu suchen, Schätzchen, das ist mein Reich. Nur weil Türen nicht abgeschlossen sind, heißt es nicht, dass du auf der anderen Seite willkommen bist.“
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Elli Fr Apr 22 2016, 11:47

Schlaf finden konnte Melinda nicht, sie lag stattdessen wach und dachte über die gesamte Reise nach Manchester nach. Darüber wie sie in den Zug gestiegen war
...und das Messer nahm...
zum ersten Mal in ihrem Leben Sterne gesehen hatte
...und langsam die Kehle aufschnitt...
den Iren kennen lernte und gehen sah
...und Johanna zwang, sich aufzuhängen...
Maura kennenlernte
...und ihr ins Geschicht sah, als ihre Augen brachen
ebenso wie Gilbert, der irgendwie in die Sache geraten war
....und das warme Blut über ihre Hände rann...
Charles half
...das letzte gurgelnde Geräusch hörte...
Randy ihr das Notizbuch zeigte
...Johanna und ihre Mutter durch ihre Hand den Tod fanden..,
als sie die Stimme des Kings in Hier und Jetzt zurückholte. Da sie ohnehin keinen Schlaf fand, beschloss sie nachzuschauen, was nun schon wieder los war. Immerhin hatte es nun fast eine Stunde gedauert, so schätze sie, bis wieder jemand für Tumult sorgte.
Den ersten Teil von dem was der King rief, verstand sie nicht nur das Wort Mutter war klar und deutlich zu hören.
Melindas Herz setzte einen Moment aus. Hatte man bereits Johanna und ihre Mutter gefunden? War es klar, dass sie etwas damit zu tun hatte? Charles sollte das auf keinen Fall erfahren. Scheiße.
Also beeilte sie sich etwas mehr, gerade als sie die Treppe herunter geeilt war, sah sie den Rücken des Kings, der offenbar entspannt wirkte, auch wenn er gerade jemandem sagte, dass er verschwinden sollte.
Einen Augenblick dachte die Hure daran, dass der King gar nicht übel aussah und sie unter anderen Umständen mehr mit ihm anzufangen wüsste, als ihm den Absinth leerzusaufen.
Dann sah sie auch mit wem er sprach. Sie stoppte verwundert, als sie Maura erblickte.
Na super....die hat uns gerade noch gefehlt. Das war es mit der Aufmerksamkeit, die du von Charles zu erwarten hast. Das alte Klappergestell ist wieder auf dem Plan
Damit hatte sie nicht gerechnet.
"King...sie gehört zu Norly." sagte sie, als sie gerade auf seiner Höhe angekommen war.
Nun erblickte sie auch Gilbert. Sie war überrascht. "...und der da hinten auch..."
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur Fr Apr 22 2016, 20:59

Nachdenklich lauschte Randolph dem, was Mr. C zu sagen hatte.
„Er scheint viel herumgekommen zu sein. Ich habe schon von Ausflügen nach Amerika und Indien erfahren. Wie er aber Mandarin, oder welche Sprache auch immer das nun ist, erlernt haben soll, bleibt mir ein Rätsel. Ich denke Sie treffen den Nagel auf den Kopf, wenn sie meinen, er würde sich mit Rätseln umgeben.“
Sonst wären wir nun auch gar nicht, in dieser Situation, vermute ich.
„Es ist möglich, dass er wirren Mist verschlüsselt…ich habe Einkaufslisten mit Nahrungsmitteln im Buch gefunden. Allerdings kann ich mir selbst bei Norly nicht vorstellen, dass er das über dutzende Seiten hinweg macht, einzig und allein, um einen potentiellen Dieb zu verspotten. Er verbirgt etwas. Da würde ich mein rechtes Bein drauf verwetten.“
Der Doktor hob eine Augenbraue und nahm noch einen Schluck von seiner Tasse. Irgendwie hatte er sich erhofft, dass Crowne an Ort und Stelle bereits etwas identifizieren konnte, aber im Grunde war das ein sehr utopischer Gedanke gewesen. Er sollte dem Mann Zeit lassen und er würde seine Arbeit sicher vernünftig machen.
Insgesamt hörte er konzentriert zu, was sein Gegenüber zu sagen hatte. Das Zitat stammte also von Shakespeare. Zugegeben, Randolph hatte sich nie sonderlich für ihn oder die Welt des Theaters interessiert. Aber er konnte sich gut vorstellen, dass so etwas Norly ansprach. Vielleicht sah er sogar sein Leben als einziges großes Drama in fünf Akten und versuchte sich deshalb immer in seinen unerträglich langwierigen Dialogen auszudrücken. Der Mann konnte einfach nicht auf den Punkt kommen.
Als Crowne am Ende noch auf das Buch zu sprechen kam, nickte Randolph. Er hatte nicht vor es Norly in absehbarer Zeit zurückzugeben. Im Gegenteil. Dem Doktor schwebten noch ein paar Ideen vor, was er damit tun könnte. Vielleicht sollte er sich auch selbst nochmal Zeit nehmen und sich an einer Entschlüsselung versuchen. Nur stand die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass ihm das nicht gelingen würde. Norly würde sich für den Text bestimmt selbst ein ausgeklügeltes, raffiniertes System überlegt haben.
„Sicher, machen sie sich ein paar Fotos. Und lassen sie es mich bitte wissen, sollten sie zu Erkenntnissen bezüglich des Inhalts kommen.“
Randolph fragte sich, ob er noch den Fall um die Familie Mauney ansprechen sollte, aber entschied sich dann dagegen. Sein Gespräch mit Crowne war im Grunde erst einen Tag her. Was sollte der Kerl in der Zeit schon groß herausgefunden haben- zumal er sich gerade in Manchester befand. Dann fiel ihm noch etwas ein.
„Achja, da wäre noch etwas, was für sie von Interesse sein könnte. Sie haben ja mitbekommen, dass er mittlerweile wieder auf freiem Fuß ist. Anscheinend hat er dazu ein Abkommen mit einem gewissen Routledge geschlossen. Wer genau das ist, wissen sie wohl besser als ich. Ich hatte den Polizeichef im Verdacht. Das wäre vermutlich das Wichtigste, was ich in letzter Zeit herausgefunden habe.“
Gab es sonst noch etwas zu sagen? Irgendwie war Randolph nicht wirklich befriedigt. Vielleicht sollte er noch ein wenig nachbohren, was Crownes Wissen betraf, bevor er seine Nachforschungen andernorts fortsetzte. Aber er ließ seinen Gastgeber nun erstmal zu Wort kommen.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Leo Mo Apr 25 2016, 00:45

Schlagringe, Messer … der Raum verriet Maura genug, um den ‚King‘ noch fragwürdiger erscheinen zu lassen. Scheinbar tatsächlich ein Kerl, vor dem man sich in Acht nehmen sollte. Nicht, dass sie jetzt noch umkehren würde, aber trotzdem war es sicher nicht dumm, so viele Informationen wie möglich zu sammeln. So etwas konnte erfahrungsgemäß schneller wichtig werden, als man so dachte. Und was machten all diese seltsamen Dinge hier? Schmuggel? Reynard schien ihr jedenfalls niemand zu sein, der sich gern Vasen in alle Ecken stellte.
Sie fuhr fast unmerklich zusammen, als sie neben sich plötzlich eine Stimme vernahm; damit, so schnell auf jemanden zu treffen, hatte sie nicht gerade gerechnet. Sie konterte sofort, ohne groß nachzudenken: „Warum sollte jemand zurückkehren, nur um sich gleich wieder zurückzuziehen? Ihre Aussagen entbehren der Logik, werter Herr. Ebenso, wie sie an Höflichkeit zu wünschen übrig lassen.“ Das war dreist. Maura wusste das; trotzdem schien es ihr der beste Weg zu sein, mit Reynard umzuspringen. Duckmäusertum würde sie hier nicht weiterbringen, wenn sie den King beeindrucken wollte, musste sie selbstbewusst vorgehen.
Vorausgesetzt, das war überhaupt der King. Erst jetzt kam Maura dazu, ihr Gegenüber genauer zu besehen. Es war ein Mann von ordentlichem Wuchs (obwohl er kaum größer als sie selbst war – was ihr natürlich sehr genehm war) mit blondem Haar und reichlich bemalten Armen. Diese völlig übertriebene Menge an Tätowierungen sah auf sonderbare Weise lächerlich aus, doch diese Meinung behielt sie lieber für sich. „Wir sind aus freien Stücken hier, und nicht etwa, um sofort wieder zu verschwinden, und ich möchte wetten, dass Sie ebenso wenig ein Anrecht auf diese Räumlichkeiten haben wie jeder andere auch. Das hier ist der Besitz von Charles Norly, und –
Sie brach ab, als sie sah, wer dort die Treppe herunter kam. Maura war nicht sicher, ob sie sich freuen sollte, die Frau wiederzusehen – sympathisch war sie ihr nicht gerade, aber andererseits erleichterte sie der Anblick, denn er bedeutete, dass Norly ebenfalls hier sein musste. Höchstwahrscheinlich. Und dass die Frau auch noch für sie einsprang, kam zwar völlig unerwartet, aber keineswegs unwillkommen.
Sehr richtig“, fügte sie mit fester Stimme hinzu, „wir gehören zu Norly, und ich möchte, dass Sie mich augenblicklich zu ihm führen! Nach allem, was ich seinetwegen durchgemacht habe, könnte man meinen, ich hätte ein Anrecht darauf!


Zuletzt von Leo am Di Apr 26 2016, 20:53 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Thorgrimm Di Apr 26 2016, 03:41

Langsam aber sicher - und in einem gebührenden Abstand - folgte Gilbert Ms. Thomson in das Verwaltungsgebäude. Es gefiel ihm immer noch überhaupt nicht, hier zu sein aber er musste sichergehen, dass Ms. Thomson nichts passierte. Er wusste noch nicht, wie er es anstellen würde aber zumindest konnte er versuchen, Leid und Schaden zu verhindern. Der Blick des Malers lief das alte Gebäude hoch und runter, als würde er nach irgendeinem Anzeichen suchen, dass ihn und seine Begleitung dazu veranlassen konnte, einfach wieder zu verschwinden. Leider fand er nichts dergleichen und so trat er schließlich über die Türschwelle. Es war schon erstaunlich, dass die Tür nicht verschlossen worden war und noch bevor er eintrat, wusste Gilbert, dass es Probleme geben würde, wenn sie sich einfach so Eintritt verschafften. Doch was hätten sie schon tun sollen? Anklopfen und warten? So blöd sich das auch anhörte, vielleicht wäre das sogar die bessere Vorgehensweise gewesen, als still und heimlich einzudringen.
Anstatt sich wie Ms. Thomson umzusehen, blieb Gilbert nervös im Flur stehen. Er wollte lieber die Möglichkeit haben, bei den kleinsten Schwierigkeiten, den Rückzug anzutreten, weshalb er sich auch in der Nähe der Tür aufhielt. Er hatte keine Lust irgendwie zu kämpfen oder sich mit dem Hausherrn auseinandersetzen zu müssen. Dieser ließ allerdings nicht lange auf sich warten und zeigte beeindruckend, was er von Ms. Thomson und ihm hielt. Zumindest hatte diese Begegnung auch etwas gutes. Reynard wollte zwar, dass sie verschwinden aber setzte seine Forderung nicht mit Gewalt durch. Wenn sich Gilbert den Mann genauer ansah, konnte er wirklich froh sein, dass der King auf Gewalt verzichtete. Er würde Gilbert ganz einfach in den Boden stampfen.
Bevor sich der Maler zumindest mit Worten verteidigen konnte, drehte Ms. Thomson auch schon auf. Eines musste man der Frau lassen. Reynard hatte ganz offensichtlich nicht viel für Frauen übrig und trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen - ließ es sich Ms. Thomson nicht nehmen, sich mutig mit dem Hausherren auseinanderzusetzen. Gilbert hätte so wahrscheinlich nicht reagiert. Er wusste nicht, ob das die richtige Vorgehensweise war aber das würde sich schon bald herausstellen. Zu seiner Überraschung, kam Melinda die Treppe herunter und sprang für sie ein. Damit hätte er jetzt am wenigsten gerechnet aber die Frau konnte er immer noch genauso schlecht einschätzen, wie Ms. Thomson. Das es ihr aber gut ging, musste bedeuten, dass auch Norly und dem Doktor soweit nichts schlimmeres passiert sein konnte. Gilbert atmete erleichtert auf. Es überraschte ihn selbst ein bisschen, dass er Erleichterung verspürte.
Auch wenn er Ms. Thomson in einigen Punkten am liebsten widersprochen hätte, hielt sich der Maler weiterhin bedeckt. Er hatte keine Lust in irgendeinen Streit oder eine Auseinandersetzung hineingezogen zu werden und seine Begleitung konnte ja anscheinend ganz gut mit dem King umgehen. So ignorierte Gilbert also den Spott ihres unfreiwilligen Gastgebers und die Verallgemeinerungen Ms. Thomsons und schwieg. Jetzt da sicher war, dass die Frau nicht direkt erschossen wurde, konnte er ja auch eigentlich wieder abhauen. Er hatte sich dazu bereit erklärt, sie hierherzuführen und darauf aufzupassen, dass ihr nichts geschieht und das hatte er getan. Einen Moment spielte Gilbert noch mit dem Gedanken, sofort wieder - ohne ein Wort zu sagen - zu verschwinden aber entschied sich dann dagegen. Wer konnte schon wissen, wie sich das alles noch entwickelte. Für den Moment würde er also noch bleiben.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Umbra Do Apr 28 2016, 22:56

King Reynard schien sich von Mauras Tirade nicht beeindrucken zu lassen, aber Melindas Einmischung mochte ihn dann doch etwas aus dem Konzept zu bringen. Fast wirkte er enttäuscht, als die junge Frau ihm mitteilte, dass sie die beiden Neuankömmlinge Charles zuordnete.
Da Gilbert sich immer noch im Hintergrund herumdruckste und Maura sich provokant in den Vordergrund drängte, verlor Der Tätowierte damit erstmal den Anreiz, den Maler zu verspotten und beschäftigte sich lieber mit dem, aus seiner Sicht, geltungsbedürftigen Hausdrachen.
„Nun, da ich der Pächter dieses Grundstücks bin, darf ich sehr wohl meinen Anspruch, hier meine Ruhe vor euch zu haben, geltend machen“, erwähnte er als Erstes, und betonte es auch durch seine Stimmlage.
„Wer ohne Einladung hierherkommt, braucht nicht erwarten, willkommen zu sein; oder würdest du mich bitten, auf einen Tee und Kuchen zu bleiben, wenn ich ungefragt durch deine Tür poltern und auf irgendein Anrecht pochen würde, M’lady?“
Der Mann zog eine Pfeife aus seiner Westentasche, einen Umschlag mit Tabak aus seiner Hosentasche und begann, die Pfeife zu stopfen, während er weiterredete.
„Ich schätze, leugnen, dass Charles hier ist, kann ich nicht mehr, aber mir ist auch recht egal, was ihr möchtet“, konterte er Mauras Wortschwall, weiterhin recht unbeeindruckt wirkend.
„Ich werd in meinem eigenen Heim nun sicher nicht den Butler spielen. Bitt lieber das Gassenpüppchen darum“, er nickte in Melindas Richtung, „dass sie euch zu Charles bringt. Ich rate euch aber, keinen Ärger zu machen, sonst mache ich euch Ärger.“
Dann verstaute er den Tabak wieder und zündete sich die Pfeife mit einem Streichholz an.



Mr. C hörte Randolph konzentriert und höflich zu, so wie es auch ihm zuvor zugehört worden war, bevor er reagierte.
„Routledge, ja…“, erwiderte der Mann nicht überrascht. „Der hiesige Polizeichef, da liegen Sie richtig. Mr. Norly hat einige Bekannte in wichtigen Positionen, und er scheut offenbar nicht, Gefallen einzufordern – aber nicht nur hier in Manchester, sondern auch in London. Ich bin schon fest davon ausgegangen“, offenbarte er, „immerhin hat Routledge öffentlich der Presse erklärt, dass die Verhaftung am Bahnhof ein unglückliches Missverständnis gewesen ist. Ganz zum Ärger des Scotland Yards, wie Sie sich sicher denken können. “
Er nahm einen Zug von seiner Zigarette.
„Mr. Norly hat viele Jahre seines Lebens im Ausland verbracht“, griff er das vorherige Thema dann noch einmal auf. „Mehr als zwei davon in China. Ob für Geschäftsreisen oder Lustfahrten, geht aus seinen Aufzeichnungen, die übrigens ähnlich sind wie diese hier“, er legte seine Hand auf das Buch neben sich, „nicht immer hervor, aber er hatte genügend Zeit und Gelegenheit, sich fremde Sprachen anzueignen. Besonders Mandarin. Vielleicht wird er ja aus dem Nähkästchen plaudern, sollten Sie ihn danach fragen. Was sich alles in diesem Buch versteckt, werden wir bestimmt schon bald ergründet haben.“
Mr. C sog noch ein letztes Mal Tabakqualm in seinen Brustkorb ein, bevor er die noch nicht ganz verbrauchte Zigarette auf seiner Untertasse ausdrückte und mit einem Mal die Stimme etwas erhob.
„Mrs. Towers!“, rief er halblaut und es dauerte nicht lang, bis die Dame in der Tür stand.
„Sie wünschen, Sir?“
Mr. C machte sich nicht die Mühe, aufzustehen, wie es ein Gentleman tat, um eine Dame zu begrüßen, die den Raum betrat, vielleicht auch, weil er ihre Gesellschaft gewohnt war oder er sie seine Angestellte war – was sich zumindest vermuten ließ, weil sie ihn mit „Sir“ ansprach. Doch Mr. C machte sich ebenfalls noch nicht einmal die Mühe, sich zu ihr umzudrehen, sondern ergriff das Buch und hielt es, dabei beinahe gelangweilt wirkend, leicht in die Höhe.
„Der Doktor hat uns Mr. Norlys Notizbuch mitgebracht“, kommentierte er das. „Wären Sie so gütig, einen ersten Blick hineinzuwerfen? Nehmen Sie ruhig Platz, mein Liebe.“
Wenigstens war er so zuvorkommend, in ihrer Anwesenheit nicht zu rauchen, auch wenn dies vermutlich nur einen geringen Unterschied machte, so verqualmt die Luft im Salon inzwischen roch. Mrs. Towers beschwerte sich, auch wenn sie nicht ganz glücklich mit der Situation schien, nicht (sie schenkte Randolph trotzdem ein Lächeln), sondern nahm Mr. C das Buch daraufhin einfach ab, setzte sich damit auf die Couch, sodass die Anwesenden sich im Dreieck zueinander befanden. Sie fischte einen kleinen Block und einen Bleistift aus ihrer Jackentasche und schlug dann Norlys Buch auf, um den besagten ersten Blick hineinzuwerfen.
Mr. C ließ sie damit in Ruhe und wendete sich wieder Randolph zu:
„Währenddessen kann ich Ihnen von Ereignissen und Umständen berichten, die meine Kenntnis erreicht haben“, kam er selbst darauf zu sprechen, wonach sich Randolph nicht hatte erkundigen wollen.
„Nun kommen wir, schätze ich, zu einem weniger erfreulichen Teil unseres Treffens“, kündigte er an dieser Stelle allerdings bereits an.
„Sie hatten mich ja gebeten, mehr über den Vorfall bei den Mauneys herauszufinden, in den Sie verwickelt waren. Nun, am Kenntnisstand der Polizei hat sich seitdem nicht viel verändert. Und auch dem Innenministerium nicht mehr Informationen vor, als dass die vier Opfer von der Polizei schon erschossen aufgefunden worden sind.“
Er zögerte nicht, bevor fortfuhr. Sein Tonfall blieb die ganze Zeit neutral.
„Der neue Chief Inspector hat inzwischen die Fahndung nach Ihnen ausgerufen, weil Sie nicht mehr Daheim anzutreffen waren, und auch Ihre Familie nichts von einer angeblichen Verlobten wusste, die man inzwischen schon als Miss Stead identifizieren konnte – was Sie in direkte Verbindung mit Mr. Norly bringt, da man weiß, dass er Sie vor Ihrem Entkommen aus der Haft als Geisel genommen und entführt hat. Ich bedaure Ihnen sagen zu müssen, dass Sie in großen Schwierigkeiten stecken, und dass dies, bei allen unglücklichen Umständen, leider noch nicht alles war. Neben den vier Morden in London, wird Scotland Yard Ihnen nun auch zu Ereignissen hier in Manchester Fragen stellen wollen. Ich muss Ihnen leider mitteilen, sofern Sie es nicht schon wissen, dass Miss Stead und ihre Mutter tot aufgefunden wurden. Ebenfalls ermordet, auch wenn es als Mord und Selbstmord durch Miss Steads Hand inszeniert wurde.“
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Elli Di Mai 03 2016, 11:04

"Gassenpüppchen...und das von jemandem der aussieht wie extrem schlecht ausgemaltes Bilderbuch. Vergiss nicht, dass ich die meisten Bilder lesen kann."
Sie hatte den King für einen Moment nett gefunden, vielleicht etwas wie ein Verbündeter. Doch er war wie Manchester, nettes Anlitz - schrecklicher Kern, schaute man hinter die Fassade.
"Der King wäre auch gerne ein King, ich würde ihn eher als Hofnarr bezeichnen. Wenn ihr Charles sehen wollt, kann ich euch zu ihm führen."
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur Di Mai 03 2016, 19:34

Routledge, ja…der hiesige Polizeichef, da liegen sie richtig…
Randolphs Hand wanderte zur Teetasse. Er nahm vorsichtig einen Schluck und ein angenehmes Gefühl stellte sich ein, als die warme Flüssigkeit seinen Körper durchströmte. Crowne musterte er dabei aufmerksam über den Rand seiner Tasse hinweg.
Vermutlich war es nicht unbedingt ein angenehmer Blick, denn wie so häufig waren Randolphs Augen von starken, dunklen Ringen unterlegt und durchbohrten grau und emotionslos seinen Gegenüber. Interessant wäre es auf jeden Fall zu erfahren, wer Norlys Kontaktmänner in London waren. Genaueres wusste er selbst diesbezüglich nämlich nicht. Taylor kam ihm natürlich sofort in den Sinn, aber bei dem Arzt konnte man sich weder sicher sein, wie stark der Kontakt wirklich war, noch war er in einer übermäßig einflussreichen Position. Crowne musste auf andere Personen anspielen, die Charles bisher nicht erwähnt hatte.
Es kann eigentlich nicht schaden, dort nachzuhaken. Nachdem ich zu dem Buch heute ohnehin nichts mehr herausfinden werde. Dann hat sich der Besuch zumindest in irgendeiner Weise gelohnt.
Doch Randolph wollte seinen Gegenüber erst einmal aussprechen lassen. Misstrauisch verfolgte er den Umgang des Mannes mit Miss Towers, was seine Theorie bestätigte, dass es sich um seine Assistentin handelte. Allerdings war ihm etwas mulmig zumute, als er ihr das Buch reichte. Er hatte gehofft, dass es nicht durch all zu viele Hände gehen würde. Aber gut. Jetzt war es ohnehin zu spät. Er hatte seine Entscheidung getroffen und er hatte gewusst, dass er Norly damit in den Rücken fallen würde. Jetzt gab es kein zurück mehr. Das Arschloch konnte ihm erstmal gestohlen bleiben.
Passenderweise hatte er diesen Gedanken auch gerade dann, als Crowne über mögliche Lustreisen im asiatischen Raum spekulierte.
Währenddessen kann ich Ihnen von Ereignissen und Umständen berichten, die meine Kenntnis erreicht haben. Randolph blinzelte und lehnte sich dann interessiert in seinem Sessel zurück. Vielleicht wird es nun doch noch spannend. Seine bleichen Finger trommelten geräuschlos auf dem rechten Sesselarm.
Ohne sichtliche Regung hörte er zu, was es zu den Mauneys zu berichten gab. Kein neuer Kenntnisstand. Damit hatte er fast gerechnet.
Was dann folgte war zwar unangenehm, aber erwartet. Er hatte damit gerechnet, dass der Polizei sein Verschwinden nicht passen würde. Das war im Grunde genommen klar gewesen. Im Augenblick konnte er nichts dagegen tun. Er würde in London auf jeden Fall vorsichtiger vorgehen müssen, wenn er zurück war. Zumal sein zerstörtes Bein nun ein dauerhaftes Hindernis darstellte.
Als Crowne dann auf seine „Verlobte“ zu sprechen kam, zuckte kurz einer seiner Mundwinkel hoch. Das war in der Tat eine geniale Aktion gewesen. Er war nach wie vor beeindruckt von der schauspielerischen Leistung, mit der Johanna ihn da rausgeboxt hatte. Das Versprechen, dass er ihr bei ihrem Abschied gab, hatte sich wohl mittlerweile relativiert, da Norly sich aus eigener Kraft hatte befreien können. Dennoch wünschte er sich, dass sie nun hier in Manchester erst einmal in Sicherheit und außer Gefahr war. Diese Ermittlungen waren nichts für eine junge Frau, oder eher ein Mädchen, wie sie es war…
…ihnen nun auch zu Ereignissen hier in Manchester Fragen stellen wollen.
Der Doktor zog die Augenbrauen zusammen. Etwa etwas über den…
Ich muss Ihnen leider mitteilen, sofern Sie es nicht schon wissen, dass Miss Stead und ihre Mutter tot aufgefunden wurden, schnarrte Crownes Stimme.
Randolph gefror das Blut zu Eis. Ihm stockte der Atem, während Crowne weitersprach. WAS?
„WAS?“, stieß Randolph laut aus. Das Blut war ihm ins Gesicht geschossen. Seine Ungläubigkeit wandelte sich schnell in grausiges Entsetzen, während er Bilder von Johanna vor seinem innerem Auge sah, aufgeschlitzt in Blut schwimmend. Nein, verdammte Scheiße! „Das ist nicht möglich!“, krächzte er dann geistesabwesend. Seine bleiche, rechte Hand vergrub sich in sein dunkles Haar. Sein Magen fühlte sich an, als wäre er mit dutzenden Gewichten aus Blei gefüllt. So tief saß seine Übelkeit, die ihn plötzlich überfiel, gleichzeitig einsetzend mit der Realisierung, dass er Johannas Gesicht nie wieder sehen würde. Dass sie sie nicht in Sicherheit, sondern in den Tod geführt hatten. Dass die Sicherheit, die er selbst noch angenommen hatte nur eine dürre, bröckelige Fassade war, die Crowne nun ohne großen Aufhebens in ihre Bruchteile zerschlagen hatte.
Danach die Erkenntnis, dass auch Norly seine Tochter nie wieder sehen würde. Dass er vielleicht Recht gehabt hatte, was den Iren und Thomson betraf. Nein…wie hatte es dazu kommen können? Dieser Geistesgestörte…diese Geistesgestörten…sie war noch ein junges Mädchen gewesen. Verzweifelter Zorn machte sich in Randolph breit. Crownes und Angels Gegenwart war in den Hintergrund gerückt. Er starrte mit entgleistem Gesichtsausdruck auf seine Knie, den Körper vorwärts gekrümmt, das Gesicht auf den rechten Ellenbogen gestützt.
Wäre sein Hirn in diesem Augenblick bei völliger Funktionsfähigkeit gewesen, die Lage zu analysieren, hätte er wohl mit mildem Interesse feststellen können, dass seine Finger tatsächlich ein wenig zitterten. Was erstaunlich war, da er selbst bei schwierigen und scheiternden Operationen es immer schaffte seine Ruhe zu bewahren. Doch hier war die Situation anders. Vielleicht weil er einen persönlicheren Kontakt zu dieser Patientin eingegangen war. Vielleicht weil er nicht damit gerechnet hatte. Vielleicht weil Randolph neben Übelkeit und Entsetzen tief in sich auch eine immer stärker keimende Angst ergriff. Nicht um ihn selbst, aber über die anderen Personen, die er zurückgelassen hatte. Wright und Thomson. Aber vor allem Melinda. Melly…
Er musste zurück. Sofort. Er musste Norly erzählen, was er erfahren hatte. Sein rechtes Auge blinzelte Feuchtigkeit weg.
„Wer ist dafür verantwortlich?“ Sein Atem ging schwer, aber leise. Er griff nicht nach der Teetasse, um sich zu beruhigen. Sein Verstand sagte ihm, dass er sofort von hier aufbrechen musste. Das war der einzige, einigermaßen klare Gedanke den er im Augenblick fassen konnte.
Wenn ich Sie fressen will, verspreche ich, es zumindest kurz und schmerzlos zu gestalten…
Ja, genau. So hatte er sie damals in seiner Praxis begrüßt…
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Thorgrimm Do Mai 05 2016, 00:56

"Ich kann ihnen versichern, dass wir nicht vorhaben, für Ärger zu sorgen." begann schließlich auch Gilbert, sich in das Gespräch einzumischen. Da Reynard ihnen schon mehr oder weniger freiwillig erlaubt hatte, sich im Haus aufzuhalten und die Situation soweit durch Melindas Eingreifen entschärft worden war, sah der Maler keinen Grund mehr, sich weiter im Hintergrund zu halten. Stattdessen versuchte er - ganz anders als Ms. Thsomson - eher auf eine diplomatische Weise mit dem Hausherren zu reden. Denn genau das war er. Auch wenn Gilbert den King nicht leiden konnte, so hatte der Mann mit dem, was er gesagt hatte, Recht.
"Ich entschuldige mich für unser unerlaubtes Eindringen. Natürlich haben sie das Recht, uns des Grundstückes zu verweisen. Ich bin froh, dass sie das nicht tun." Fast wünschte sich Gilbert schon, dass Reynard sie einfach verscheuchte und er damit einen guten Grund hatte, abzuhauen aber so wie es aussah, würde das nicht passieren. Da er Ms. Thomson versprochen hatte, sie zu begleiten, würde er das im Endeffekt wohl auch tun.
"Tee oder Kuchen sind nicht notwendig." erklärte Gilbert völlig ernsthaft. "Wir erwarten keine Gastfreundschaft und wollen nur mit Mr. Norly reden. Lange möchte ich mich hier sowieso nicht aufhalten." erzählte er weiter. Ob es so klug war, Reynard so viel Honig ums Maul zu schmieren war schwer einzuschätzen aber einen Versuch war es immerhin wert. Lieber entschuldigte sich Gilbert bei dem King einmal mehr als notwendig, wenn das bedeutete, keine weiteren Schwierigkeiten zu bekommen.
"Trotz alldem möchte ich darum bitten, sie..." und damit nickte Gilbert in Richtung Melindas "... nicht als Gassenpüppchen zu bezeichnen." Er richtete sich schließlich an Melinda. "Wenn sie so freundlich wären, uns zu Mr. Norly zu bringen, Ms. ..." Gilbert wusste nur durch Zufall, dass die Frau Melinda hieß aber sie hatte sich ihm noch immer nicht vorgestellt und es gehörte sich nicht, sie einfach so mit ihrem Vornamen anzusprechen. Deshalb beendete er seinen Satz auch einfach mit einem fragenden Ton, der die Frau dazu bringen sollte, zumindest ihren Nachnamen preiszugeben.
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Beitrag von Umbra Fr Mai 06 2016, 18:19

King Reynard schien von Melindas Reaktion auf seine Worte leicht überrascht zu sein, trug die ganze Sache jedoch mit Humor. Grinsend verbeugte er sich leicht. „Ich bin König und Hofnarr zugleich, wenn es Euch beliebt, Mylady.“
Dann aber, als er sich wieder aufgerichtet hatte, zog er, sie skeptisch betrachtend, eine Augenbraue in die Höhe, und gab ihr erstmal nicht die Gelegenheit, auf Gilbert einzugehen.
„Stell dich nun nicht so an, Kleines, das war keineswegs abwertend gemeint. Sei stolz auf das, was du bist. Wir Kinder der Straße müssen doch zusammenhalten“, meinte er lächelnd und zwinkerte ihr zu.
„Und wir haben es auch nicht nötig, uns hinter falscher Höflichkeit zu verstecken“, fügte er mit einem deutlichen Blick in Gilberts Richtung hinzu. Dann betrachtete er allerdings auch Maura einen Moment lang und paffte seine Pfeife.
„Nun, husch, die Treppe rauf mit euch, ehe ich es mir anders überlege.“
Melinda erwiderte nichts darauf, sondern wandte sich noch kurz an Gilbert, bevor sie auf dem Absatz kehrtmachte und wieder auf die Treppe zuschritt.
„Mein Name ist Benton“, gab sie dem Maler Auskunft.
Schon auf den ersten Stufen, aber bewusst noch in Hörweite von King Reynard, sagte sie dann aber noch laut:
„Hofnarr? Höchstens einer, der Kinder zum Weinen bringt.“
Melinda folgte der der Treppe nach oben. Auf dem Weg in den dritten Stock, konnten sie alle Blicke in die teils chaotischen, mitgenommenen Flure des Verwaltungsgebäudes erhaschen. Fast wirkte es so, als hätte hier jemand randaliert. Aber das mochte wohl schon länger her sein. Zersplitterte Möbelteile, leere, schief hängende Bilderrahmen und zerkratzte, in Handhöhe versiffte Tapeten prägten den Eindruck einer verlassenen Bruchbude. In den Zimmern, allerdings, schien es anders auszusehen: Ordentlicher, sauberer und definitiv wohnlicher. Die Kinder, die Maura bereits beim Betreten des Hauses gehört hatte, bekam sie nun auch zu Gesicht. Einige blickten nur schüchtern durch Türspalte, andere tollten weiter von Zimmer zu Zimmer als wären die Fremden gar nicht anwesend. Es waren definitiv viele – um die zwanzig insgesamt, auf die sie einen Blick erhaschen konnten. Die meisten von ihnen, Jungen sowohl Mädchen, trugen Tattoos, ähnlich die King Reynards, wenn auch nicht so umfangreich. Je jünger sie waren, desto weniger Bildchen schienen es zu sein. Spielkarten, Würfel und die verschiedensten anderen Symbole, bedeckten Finger, Handrücken und, bei einem Jugendlichen, den sie sahen, auch Teile der Unterarme.
Melinda ließ sich davon nicht beirren, sondern blieb erst am oberen Ende der Treppe vor der Tür stehen, hinter der sie Charles wusste. Das Schloss war aufgebrochen und die Tür deswegen nur angelehnt. Sie schloss nicht mehr richtig. Sie befanden sich in einem kleinen Vorzimmer, das wohl einmal ein winziges Büro gewesen war. Staub sammelte sich auf zersplitterten Möbeln, die sich vor einer schon zerfetzten Tapete in einer Ecke stapelten. Einige Bilder hingen, ebenso vergessen, an den Wänden. Eins von ihnen war weniger mitgenommen als die anderen, obwohl es älter zu sein schien. Es handelte sich um ein Portrait eines Mannes mit grauem, lichten Haar und buschigen Koteletten, dem man mit Fantasie Ähnlichkeit zu Charles zuschreiben konnte.
Vor dem Gemälde befand sich ein noch intakter Schreibtisch mitsamt Stuhl, der dem Raum zugewandt war.
Melinda drehte sich um und machte erst einmal keine Anstalten, weiterzugehen.
„Und? Was ist alles Spannendes passiert, nachdem Sie mutig abgehauen sind“, fragte sie Gilbert.



Mrs. Towers regte sich auf ihrem Platz, doch Mr. C gab ihr ein deutlichen Handzeichen, einzuhalten – was auch immer sie vorgehabt hatte.
Crowne beugte sich leicht zu Randolph vor.
„Sie haben unser volles Mitgefühl, Doktor“, versicherte er und musterte den aufgebrachten Doktor, während er selbst vollkommen ruhig und beherrscht blieb.
„Es ist sicherlich unangenehm für alle Beteiligte, und ich muss zugeben, diese Szenerie war auch kein schöner Anblick. Sie wissen, dass meine Leute ein Auge auf Mr. Norly haben…“, begann er erklären, anstatt direkt auf Randolphs Frage, wer für den Doppelmord an den Steads verantwortlich war, zu antworten, „und damit auf die Menschen, die er um sich geschart hat. Ihre Freundin, Miss Bolt, hat, auch wenn es wirklich ehrenhaft von Ihnen ist, Ihre Privatsphäre vor mir beschützen zu wollen“, er wies auf das Buch in Mrs. Towers Händen, mit dem sie sich nunmehr nicht mehr beschäftigte, sondern mit verunsichertem Blick die das Geschehen im Raum beobachtete, „gewiss Geheimnisse, von denen Sie nichts wissen. Sie hat das Gelände der Norman Mill vor wenigen Stunden, kurz nach Ihrer aller Ankunft dort, allein verlassen und ist nach Salford zurückgekehrt – eben zur Heimatadresse der Steads. Sie hat die Mutter an einen Stuhl gefesselt und ihr die Kehle aufgeschlitzt. Und die Tochter hat, bevor sie an einem Strick von der Decke baumelte, schriftlich ein Selbstmordbekenntnis verfassen müssen. Miss Bolt hat sie dazu gebracht, festzuhalten, nicht Charles Norlys Tochter zu sein.“
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur Fr Mai 06 2016, 20:40

Crownes ruhige, ernste Stimme brachte Randolph dazu, seine Ängste und chaotischen Gedanken in den Hintergrund zu drängen. Er schluckte den gallebitteren Speichel herunter, der sich in seiner Kehle angesammelt hatte und hob den Blick, um seinem Gegenüber in die Augen sehen zu können. Seine Finger spannten sich verkrampft um das Sesselpolster, das unter seinen Handflächen etwas feucht geworden war.
War auch kein schöner Anblick…dem Doktor drehte sich der Magen um. Sofort schossen ihm die Bilder in den Kopf, die ihm von Edward Tilling, dem Kutscher gezeigt worden waren. Er wollte sich gar nicht erst vorstellen, wie es Johanna ergangen war. Wollte nicht wissen, was diese Psychopathen mit ihr angestellt hatten. Schließlich kannte er viele der Nachrichten über die Scarface-Morde. Er wusste, was dort mit den Opfern gemacht worden war. Angespannt nickte er, als Crowne von seinen Beschattern erzählte.
Als er Melinda erwähnte, lief ihm eine Gänsehaut über den Nacken. Er hatte sich schon gedacht, dass Crowne wusste, welche Informationen er dem Buch entrissen hatte, aber jetzt hatte dieser die Vermutung bestätigt. Randolph hatte sie ihm nicht geben können. Er hatte Melly um jeden Preis aus diesem Deal heraushalten wollen, zumal er sich nicht sicher sein konnte, wie viel Vertrauen er Crowne tatsächlich entgegenbringen konnte. Übel zu nehmen schien ihm C. das aber nicht. Er atmete tief durch.
Gelände verlassen...das flaue Gefühl in Randolphs Magen verstärkte sich nur noch. Warum redet er von Melly? Um seine geröteten Augen und auf seiner Stirn hatten sich angestrengte Falten gebildet. Nach Salford zurückgekehrt...Heimataddresse der Steads...nein.
Nein. Er dachte an Melinda, wie sie neben ihm vor der Haustür gestanden hatte und sich alle Mühe gegeben hatte, Sofia Stead ihre hässlichste Seite zu präsentieren. Nein. Das konnte nicht sein, er wollte es nicht hören, doch Crowne kannte keine Gnade mit ihm. Er bestätigte nicht nur seinen Verdacht, sondern zählte ihm auch noch alle schmutzigen Einzelheiten auf. Und das Schlimmste daran war, dass Randolph keine seiner Aussagen bezweifelte. Sie hat sie umgebracht. Tränen schimmerten in seinen Augen, als er den Blick abwandte. Vor ihm verschwamm das rotorange Muster des Teppichs. Nein, sie hat sie nicht nur umgebracht. Sie hat Johanna zum Selbstmord gezwungen, sie gezwungen ein Schuldgeständnis zu schreiben.
Er zweifelte nichts davon an. Denn alles ergab Sinn. Nicht seine Tochter zu sein. Sie war wahnsinnig. Besessen. Sie…Randolph musste sich zurückhalten. Seine Finger zitterten und obwohl er noch kein Wort gesagt hatte, seit Crowne mit dem Reden aufgehört hatte, stand er kurz davor auszurasten.
Sein Mund fühlte sich so trocken und taub an, wie eine Felsenwüste. Er brachte kein Wort hervor. Nur sein schweres Atmen stand im Raum. Wie in Trance versuchte Randolph sich auf die Beine zu stemmen. Er musste weg hier. Weg von diesen Leuten. Weg aus diesem Raum. Seine Augen schwirrten geisterhaft zu Angeline und dann zu Crowne zurück: „I-Ich danke euch für eure Gastfreundschaft. Und für…die Informationen. Ich muss nun gehen...“
Wo war sein Krückstock? Alles fühlte sich dumpf und leer an. Er dachte an Johanna, wie sie unter Tränen dazu angehalten wurde diesen Brief zu verfassen. Ihren letzten Brief. Und Melinda, wie sie grausam über ihr thronte, die spitzen Fingernägel in den Nacken von Johanna bohrte, das Messer in der Rechten. Sein gemarterter Körper zitterte, während er mit immer noch verschwommenem Sichtfeld nach seinem Stock tastete.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Umbra Fr Mai 06 2016, 22:17

Mr. Crowne erhob sich simultan zu Randolph aus seinem Sessel und hob mit beschwichtigender Geste die Hände leicht an, während er versuchte, Augenkontakt herzustellen.
„Nein, Doktor, bitte setzen Sie wieder“, ersuchte er diesen.
„Ich kann nur ahnen, wie furchtbar diese Neuigkeiten für Sie sein müssen, aber es ist nun Zeit, ein wenig Abstand davon zu nehmen und klare Gedanken zu fassen. Sie müssen sich ein Gesamtbild machen können, deswegen will ich Ihnen alles sagen, was ich weiß. Und das bereits Ausgesprochene war leider noch nicht alles“, offenbarte er.
„Miss Bolt hat einen Bettler bestochen, zu bezeugen, dass er den jungen Mann, der nebenan wohnt, dabei beobachten konnte, wie er sich gewaltsam Zutritt zum Haus verschafft hat. Unglücklicherweise für Letzteren, war er es tatsächlich, der die Leichen gefunden und blutbesudelt auf die Polizei gewartet hat, womit er ohnehin sofort auf der Verdächtigenliste stand“, erklärte Crowne.
„Man hat Jonathan Porter bereits verhaftet – und es sieht nicht gut für ihn aus“, fügte er, kaum merkbar den Kopf schüttelnd, hinzu.
„Vor allem nicht, wenn man sich an seine Verbindung zum gestrigen Geschehen am Bahnhof erinnert. Man wird sich leichte Antworten auf Fragen suchen, weil die Wahrheit niemand erahnen kann.“
Er blickte Randolph ernst entgegen.
„Allerdings kann ich ihm helfen“, fügte Crowne dann hinzu. „Und ich kann Ihnen helfen. Es mir ein Bedürfnis, weil Sie uns geholfen haben. Quid pro quo, mein Freund. Die Lösung für alles kann ich Ihnen nicht bieten, aber kann Ihnen zunächst einmal eine Last von den Schultern nehmen: Ich befreie Sie vom Scotland Yard. Mehr noch: Ich verschaffe Ihnen Zutritt zum Yard. Zum Scarface-Fall. Was sagen Sie dazu? Ja oder nein?“, interessierte es ihn zu wissen.
„Ich würde Chief Inspector Drake weismachen, dass Sie für mich arbeiten – dass Sie schon in meiner Sache bei den Mauneys waren und Einsicht in seine Ermittlungen brauchen. Sie müssten mich nur zu ihm begleiten und mitspielen. Ja oder nein, Doktor?“
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur Sa Mai 07 2016, 00:32

Randolph nahm gerade noch so wahr, dass sich neben ihm Crownes Schemen erhob. Er wollte hier verdammt noch mal raus. Die Gedanken an Melinda ließen ihn nicht los. Der Doktor fühlte Verzweiflung und blinde Wut in sich aufsteigen. Er wollte laut seinen Hass auf diese Welt hinausschreien und hatte das dringende Bedürfnis auf etwas einschlagen zu wollen. Auch wenn es dumm war.
Es war nicht Melinda, die er hasste, das war ihm klar. Wie könnte er Melinda hassen, das Mädchen, dass er hätte in Sicherheit bringen sollen, für das er hätte sorgen müssen, dass er hätte großziehen sollen. Ein Mädchen, das dann nach der Arbeit in giftigen Industriedämpfen jahrelang ihren Körper verkauft hatte und schließlich zu der Frau geworden war, die sie jetzt ist. Und er hatte ihr nicht herausgeholfen, nicht als Arzt, nicht als Freund. Erst stand sein Vater im Weg, dann seine eigenen egoistischen Probleme, sein ständiges Selbstmitleid, seine Mutter, der er früher hätte die Schnapsflasche wegnehmen müssen, sein ungebremster Hass, in dem er alles andere ignorierte. Hass. Mehr Hass. Er hasste nicht Melinda, er hasste alles. Er hasste diese Welt.
Zornig drehte er seinen Kopf in Crownes Richtung. Dabei war er es nicht, der seinen Hass verdient hatte. Crowne hatte ihm gesagt, was notwendig war. Er hatte ihm geholfen die Wahrheit zu erkennen und endlich klar zu sehen.
Er sagte nichts. Jedes Wort, das er jetzt gesagt hätte, hätte einen beißenden, vor Zorn triefenden Unterton gehabt. Er blickte ihn nur aus glänzenden, rot geäderten Augen an.
War leider noch nicht alles... Langsam drangen die Worte zu ihm durch.
Er senkte wieder den Blick. Mit der Hand wischte er sich zitternd die Tränen aus den Augen. Dann ließ er sich schwach und gebrechlich wieder zurück in den Sessel sinken. Was wollt ihr noch von mir? Seine Zähne pressten sich zusammen. Er wollte, dass es endete. Randolph wollte nicht noch mehr von dem erfahren, was Melinda getan hatte.
Doch er hörte sich alles an. Ließ es einfach über sich ergehen, auch wenn es ihm Stiche ins Herz versetzte. Nein…warum nur hatte er es nicht früher gemerkt, was sie vorhatte? Früher diesen Wahn gemerkt, der in ihr steckte...
Er war so etwas von verblendet gewesen. Und jetzt war alles zerstört.
Quid pro quo, tönte Crownes Stimme. Missmutig presste der Doktor seine Lippen zusammen. Er hatte doch ohnehin keine Wahl. Er musste den Schaden begrenzen, konnte nicht einfach auch noch Jonathan wegen Melindas Handeln sterben lassen. Andererseits konnte er auch nicht einfach gegen Melinda aussagen. Das war unmöglich.
Auch wenn sie schuld war, er musste doch…er musste sie beschützen. Nein, beschützen war vielleicht nicht mehr der richtige Ausdruck. Er wusste selbst nicht, was er mit ihr tun sollte. Er sah wieder das kranke Mädchen vor sich liegen, von Anfällen durchschüttelt. Wieder traten ihm Tränen in die Augen, er konnte es nicht verhindern. Eigentlich wollte der Doktor nichts lieber als einen Raum für sich allein, in dem herumschreien und heulen konnte. Aber er musste sich zusammenreißen. Wie immer. Ich muss mich immer zusammenreißen. Immer und immer und immer wieder. Warum? Warum hast du das getan, Melly? Sie war doch schon weg gewesen, verdammt, wir hatten sie doch extra schon weg gebracht!
Randolph legte seine linke Hand auf die Stirn und schirmte damit seine Augen ab. Er brauchte Ruhe. Zeit zum Nachdenken.
„Drake ist hier?“, kam es schließlich nur kratzig aus seiner Kehle. „In Manchester?“ Der Gedanke an den rothaarigen Chief Inspector kam ihm plötzlich lächerlich absurd vor.
Und der Scarface-Fall…wie viel hatte der Fall noch mit dem zu tun, was er hier trieb? Welchen Serienmörder wollte er stellen, wenn selbst seine letzte gebliebene Freundin sich als kaltblütige Mörderin herausstellte. Wollte er sie am Ende hinter Gitter führen?
Randolph fühlte sich verloren und allein. Er war nur auf sich gestellt und es gab niemanden, dem er Vertrauen schenken konnte. Selbst Crowne nicht, der ihm vermutlich gerade nur behilflich sein wollte. Aber vielleicht war auch dies nur eine Falle. Vielleicht würde er nun einfach an Drake ausgeliefert werden, als der Verbrecher, der er war.
Was soll es? Dann erwartet mich eben der Strick. Mir soll es recht sein.
Der Gedanke an den Tod erschien ihm gerade so verlockend, wie an keinem Augenblick an den Tagen zuvor. Der Ehrgeiz hatte ihn wieder gepackt gehabt. Er hatte noch etwas bewirken wollen mit seinem Leben. Und nun konnte er sehen, wohin es ihn geführt hatte: In ein Meer aus Leichen.
Er räusperte sich und nahm dann wieder Blickkontakt mit Crowne auf. Diesmal hielt er ihn. Sein Hirn fühlte sich immer noch schwammig an, zu viele Gedanken gingen ihm gleichzeitig durch den Kopf.
„Ich kann nicht gegen Melinda aussagen, wenn sie das von mir wollen“, meinte er. Es bereitete ihm Schmerz auch nur ihren Namen zu erwähnen. Miss Bolt. „Es ist unmöglich. Auch wenn sie Schuld für diesen grausamen Blutakt trägt.“
Er atmete leise ein und aus. Er wollte Crowne nicht von ihrem Verhältnis erzählen, aber mittlerweile hatte sich der Mann bestimmt ohnehin ein recht gutes Bild verschaffen können.
„Sie war einmal wie eine Tochter für mich. In gewisser Hinsicht ist sie das immer noch. Ich bin mit daran Schuld, dass es dazu gekommen ist.“
Die Frage war, wer dann die Schuld tragen sollte. Den Tod von Porter konnte er jedenfalls nicht verantworten. Dabei spielte es keine Rolle, ob ihm der junge Mann sympathisch war oder nicht. Im Grunde gab es nur eine logische Alternative.
Er brauchte eigentlich nicht lange darüber nachzudenken. Vorher hatte er es doch schon gesagt. Der Strick sollte ihm recht sein…
Randolph schluckte. Das war nicht der Tod, den er sich gewünscht hätte. Vor einer breiten Menschenmenge hingerichtet zu werden. Verdammt, wenn er Norly nicht mehr zu sprechen bekam…dann würde selbst er denken, er hätte Johanna umgebracht. Aus reiner Rachsucht und Suche nach Vergeltung. Ein abscheuliches Ableben, dem Hass der Menschen ausgesetzt.
Aber er musste es dann tun. Er konnte weder den Tod von Melinda, noch von Porter, noch von irgendeinem anderem armen Kerl, der mit der Sache nichts zu tun hatte, verantworten.
„Wenn es sein muss, werde ich die Schuld auf mich nehmen. Aber dann muss ich vorher noch einmal zur Norman Mill zurückkehren.“
Er schluckte. Randolph fühlte sich schwach, hilflos und es widerte ihn selbst an. „Ich muss mit Norly und Melinda noch einmal reden.“
Er räusperte sich nochmal, danach klang seine Stimme wieder fester: „Ansonsten, Mr. Crowne, bin ich mit ihren Konditionen voll und ganz einverstanden.“
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Umbra So Mai 08 2016, 17:21

Mr. Crowne setzte sich wieder, als Randolph sich ebenfalls zurück in den Sessel sinken ließ. Er wartete, bis Randolph ausgeredet hatte und verzog dabei keine Miene. Allerdings wirkte er trotzdem nachdenklich.
„Nein, nein“, wandte er schließlich ein, „Sie verstehen mich ganz falsch“, löste er die Sache auf.
„Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte Crowne, auch wenn sein Tonfall weiterhin eher neutral als mitfühlend klang.
„Es gibt keine Konditionen“, versicherte er,  „und Sie brauchen auch nicht die Schuld auf sich nehmen oder gegen Miss Bolt aussagen. Sie können selbst entscheiden, wie Sie mit den Gesamtumständen umgehen wollen, aber den Märtyrer verlange ich Ihnen nicht ab – im Gegenteil. Ich kläre das für Sie und Mr. Porter. Kein Unschuldiger wird zu Schaden kommen. Und ich sorge dafür, dass Detective Chief Inspector Drake Sie nicht nur in Ruhe lässt, sondern Sie auch an seinen Ermittlungen teilhaben lässt.“
Er lehnte sich auf seinem Platz zurück.
„Wir reden mit ihm, wenn wir alle zurück in London sind – denn Drake ist nicht hier, nein. Allerdings wird dieses Treffen wohl bald stattfinden. Ich nehme an, Mr. Norly wird nicht allzu lang mehr in Manchester verbleiben. Je nachdem, wie er den Vorfall bei den Steads nun aufnimmt...“
Eine kurze Pause entstand. Crowne hatte allerdings noch nicht ausgesprochen.l
„Wie dem auch sei: Begleiten Sie ihn“, fuhr er fort. „Es wäre gut, wenn Sie weiterhin ein Auge auf ihn haben. Aber vergessen Sie dabei nicht, dass er nicht minder gefährlich als Miss Bolt ist“, erinnerte er daran, was er auch schon bei ihrem ersten Treffen über Charles gesagt hatte.
„Ich möchte nicht, dass Sie zu hohe Risiken eingehen. Davon hätte niemand von uns etwas. Sie sollten ihm das Buch wiedergeben. Vielleicht sogar zugeben, dass Sie es sich angesehen haben, denn wenn ihm die fehlende Seite aus eigenem Antrieb auffällt, könnte er womöglich ungemütlich werden. Es wäre gut, wenn er Ihnen vertraut.“
Anschließend erhob er sich erneut und streckte die Hand nach dem Buch aus, das Mrs. Towers daraufhin zuklappte und ihm überreichte.
„Entschuldigen Sie mich“, bat C, „ich werde Abzüge von den Seiten machen.“
Zügigen Schrittes verschwand er aus dem Zimmer.
Mrs. Towers blickte ihm hinterher und dann wieder zu Randolph, nachdem ihr Boss sich eindeutig entfernt hatte. Im Gegensatz zu seiner Mimik, war ihre nicht frei von Emotionen.
„Verzeihen Sie Mr. Crowne“, unterbrach sie die Stille mit sanfter, mitfühlender Stimmlage.
„Ich arbeite noch nicht seit Langem für ihn, aber das rechte Maß an Taktgefühl zu finden, scheint nicht unbedingt zu seinen Tugenden zu gehören. Wenn ich irgendetwas für Sie tun kann, Doktor… Ich möchte Ihnen nochmal persönlich mein herzliches Beileid ausrichten.“
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur Do Mai 12 2016, 22:50

Keine Konditionen…Randolph hörte sich einfach an, was Crowne zu erzählen hatte und nahm es hin. So sollte es sein. Was das Buch betraf…es war ihm im Augenblick schlichtweg egal. Auch wenn er nur deswegen hierher gekommen war, durch die Offenbarung, die er hier vor Ort erlebt hatte, hatte sich vieles geändert. Vor allem was Melinda betraf…
Düster starrte er vor sich hin, während sich sein Gastgeber entfernte, als er Angelines Stimme vernahm. Er vermutete dass ihr Mitgefühl echt war, aber helfen tat ihm das auch nichts. Er wollte nur seine Ruhe. Seine knochige, rechte Hand ballte sich zusammen und öffnete sich langsam wieder. Er wollte sterben.
Sie sind nicht in der Lage, irgendetwas von mir zu fordern. Selbst ihren Tod nicht, Sie arroganter Mistkerl…
Warum kam ihm das nun in den Sinn? Das hatte er selbst gesagt. Alles fühlte sich trüb und beschissen an. Er schüttelte den Kopf.
„Ich danke Ihnen“, presste er hervor. Mehr war er im Augenblick nicht in der Lage von sich zu geben. Das einzige, was er wollte, konnte er mit Sicherheit nicht von dieser Frau fordern. Und es war noch nicht an der Zeit. Es gab Dinge zu erledigen.
Er hatte sich eingemischt. Er hatte es getan, obwohl er gewusst hatte, dass das keine guten Folgen haben könnte. Ob Johanna ohne ihn auch gestorben wäre? Vielleicht. Es wäre möglich gewesen. Aber dann hätte ihn das alles nicht interessiert. Er wäre in seiner Praxis gesessen und hätte gearbeitet, wie es vernünftige Menschen machten. Und dann hätte er eines Tages doch den Entschluss gefasst, sich einen Revolver zu kaufen, an die Schläfe zu pressen und sich ein rauchendes Loch in den Schädel zu stanzen.
Verdammt. Er hatte Melinda angelogen, als er ihr sagte, dass er nichts für sie empfand, hatte es nur leichter machen wollen. Es war besser, wenn er nichts mit anderen Menschen zu tun hatte. Denn das einzige was er ihnen brachte war Unglück und Verderben.
Aber natürlich war es nur eine Lüge gewesen. Er hätte sie nicht aufgeben können. Nicht nur, weil er sie kannte, seit sie ein kleines Mädchen war. Sondern auch, weil sie die Einzige gewesen war, die ihm in der Zeit danach treu geblieben war.
Und wie sollte er sie nun behandeln? Was sollte er sagen? Sollte er sie zurechtweisen? Sie anschreien? Sie schlagen? Allein der Gedanke daran erregte in ihm Brechreiz. Wenn er wirklich glauben würde, es könnte helfen, würde er vielleicht tatsächlich die Hand gegen sie erheben. Aber dazu war er erstens physisch vermutlich nicht mal in der Lage und zweitens hatte er die starke Befürchtung, dass dies genauso wenig bringen würde, wie alles andere.
Aus seinen zahlreichen Operationen wusste er, was irreparabler Schaden bedeutete. Und genau so würde seine Diagnose bei Melinda ausfallen, prophezeite ihm seine dunkle Vorahnung.
Das letzte Mal das er eine solche Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung in seinem Leben verspürt hatte, war nach dem Tod seines Vaters und dem darauffolgendem Zugrundegehen seiner Existenz.
Als Mr. C zurückkam um ihm das Buch zu bringen, nahm er es nicht sonderlich gesprächig an sich, verabschiedete sich nur knapp von ihm und seiner Sekretärin und trat dann nach draußen ins immer noch regnerische Scheißwetter. Wenigstens das hätte sich in der Zwischenzeit verpissen können, aber nein. Das hier war mal wieder einer der beschissensten Tage seines Lebens. Bestimmt unter den beschissensten Zehn. Wenn nicht sogar unter den beschissensten Fünf.
Nach einiger Zeit fand er sich einen Kutscher, der gewillt war ihn mitzunehmen. An sich ein Wunder bei seinem Anblick. Vermutlich war der Kerl halb blind. Er ließ ihn eine Gasse nahe der Normal Mill ansteuern, ließ ihn dann ohne Trinkgeld zurück und stapfte an Drecklachen vorbei wieder auf das Fabrikgelände zu, begleitet vom Klacken seines Krückstocks.
Oh, wie freute er sich wieder Treppen besteigen zu dürfen. Wenn Norly noch dort war, wo er ihn vermutete. Am Besten er fragte den King. Oder einen seiner heruntergekommenen, tätowierten Abkömmlinge, die sich wohl irgendwo vollsoffen. Unschlüssig blieb er im Regen stehen. Was sollte er ihm überhaupt sagen? Und wie sollte er es ihm sagen? Er war wohl kaum der Mensch, der in der Lage war so eine Nachricht zu überbringen. Zumal er Norly würde anlügen müssen.
Er wischte sich die letzte Feuchtigkeit aus den Augen, um wieder etwas gefasster und ernster zu wirken und bahnte sich dann ohne groß Anzuklopfen seinen Weg in Richtung des Boxrings. Dort irgendwo würde er schon jemanden finden, der ihm weiterhelfen könnte.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Leo Fr Mai 13 2016, 01:17

König und Hofnarr zugleich. Maura schnaubte. Eher noch sah der selbsternannte King wie der Kerkermeister aus. Und benahm sich so vornehm wie der Stallbursche. Ein toller König. Na, vielleicht immer noch besser als die alte Victoria. Nicht, dass Maura sich je für Politik interessiert hätte – die Welt der politischen Wirrungen konnte ihr gestohlen bleiben, ihr eigenes Leben war schon Lügengebilde genug.
Ihre Überraschung über Miss Bentons Eintreffen blieb, und da die Dame falsche Höflichkeit nicht zu schätzen schien, tat Maura ihr den Gefallen, und versuchte es gar nicht erst. Ganz das Kind der Straße. „Wenn Sie dann so freundlich wären, Miss …“ Endlich jemand, der kapierte was sie wollte! Nach Angsthasen-Wright und Trottel-König verspürte sie schon fast so etwas wie Sympathie für die junge Frau. „Was ich mit Mr. Norly besprechen möchte, duldet wenig Aufschub, wenn Sie verstehen.“ Wer wusste schon, wann die Polizei hier auftauchte … und dann wollte sie nicht mehr hier sein.

Der Gang durch das Verwaltungsgebäude verlief schweigend, was Maura eher als angenehm empfand; so hatte sie genug Gelegenheit, ihren eigenen Gedanken nachzuhängen. Kinder aller Altersstufen waren überall über das Haus verteilt wie wilde Mäuse, die man nicht verscheucht bekam. Die allermeisten schienen zum King zu gehören, diese Sprache sprachen jedenfalls die deutlich sichtbaren Tätowierungen, die sogar die Mädchen unter ihnen aufwiesen. Maura wusste nicht so recht, was sie davon zu halten hatte, also begnügte sie sich damit, den Kindern gelegentlich verächtliche Blicke zuzuwerfen, wenn sie zu nah herankamen, und sie ansonsten zu ignorieren.
Hmm … eine Bande von Kindern … als Verbrecher? Als Mörder gar? Keine üble Idee … Der Mangel stand ihnen in den schmalen Gesichtern geschrieben … Wie ein Rudel Straßenhunde zogen sie durch die Gassen … Oh, das musste sie unbedingt zu Papier bringen, sobald sich eine ruhige Minute fand! Mit Worten so flink wie mit Steinen … mit Verachtung so wenig geizig wie mit Neugierde, standen sie vor ihm, das Kinn hochgereckt wie … selbsternannte Grafen … nein, Prinzen! … Das war das schönste an der Kunst – dass sie selbst belanglose Minuten wie diese ungefragt zu versüßen wusste.

Maura beendete ihren kreativen Exkurs erst, als sie an ihrem – scheinbaren – Ziel ankamen. Es war kein schöner Raum, aber womöglich war er einmal schön gewesen. Nun hatte sich die Verwahrlosung hier eingerichtet wie ein feister Hausherr auf seinem Diwan. Staub bedeckte alles, was das Auge erfassen konnte, die Tapete hatte verdächtige, womöglich bewohnte Dellen, die sie sich lieber nicht näher ansah, und sie war froh, festes Schuhwerk zu tragen – sich bei diesem Holz Späne einzuziehen, wäre sicher ein leichtes gewesen. Maura schürzte verächtlich die Lippen, was aber vermutlich von ihren Begleitern niemand sah. Miss Benton hatte sich Gilbert zugewandt, ein Glücksfall, denn Maura wollte nicht mit ihr reden. Der Mann, den sie sprechen wollte, war nicht hier.
Es gab außer der Tür, durch die sie gekommen waren, nur eine weitere. Maura rief sich die Proportionen des Gebäudes ins Gedächtnis, soweit sie sie von außen hatte sehen können. Viel mehr als ein oder zwei Räume konnten sich dahinter nicht befinden, also … musste er dort sein. Norly. Scarface? Vielleicht … Sie würde auf jeden Fall vorsichtig sein müssen.
Maura ging zügigen Schrittes auf die Tür zu, weder Miss Benton noch Wright hinderten sie daran. Einen Moment lang überlegte sie, die Tür einfach zu öffnen, doch dagegen hätte Miss Benton sicher etwas einzuwenden gewusst. Ein wenig mehr Zurückhaltung war also angebracht.
Ein wenig.
Norly? Sind Sie dort drinnen?“ Sie stellte sich seitlich zur Tür und schlug kräftig mit der Faust dagegen. „Ich muss mit Ihnen sprechen, Scarface! Kommen Sie heraus, ich habe dieses Versteckspiel langsam satt!
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Elli Fr Mai 13 2016, 11:48

"Hör' auf so gegen die Tür zu hämmern, sonst hämmert gleich den Kopf dagegen. Keinen Anstand dieses Gesindel aus Manchester."
Melinda fragte sich, warum Charles Maura überhaupt mitgenommen hatte, als ursprünglich. Ein Nutzen ergab sich aus ihren Augen daraus nicht. Aber wenn man es genau betrachtete, war eben nur noch sie von der auserkoreren Gruppe dabei. Alle anderen waren mehr oder weniger in die Gruppe geschlittert ohne es zu wollen. Kein Wunder also, dass es nur noch mit Stümpern zu Rande ging, abgesehen von Randy natürlich auch, auch wenn Melly ihm bei Gelegenheit dazu anhalten würde, sich mal wieder einen guten Fick zu leisten, dann wäre er sicher wieder entspannter.
Entspannt war tatsächlich aber gerade sie, auch wenn Gilbert bisher nicht gesagt hatte, was nach seiner heldenvollen Flucht geschehen war und Maura offenbar unglaublich scharf darauf war Charles zu sehen, störte sie beides kaum.
Die alte Vettel würde wenig bei ihm erreichen, dass hoffte die junge Hure zumindest.
Schließlich ging sie an Maura vorbei. "So mein Herzchen, du bleibst jetzt hier stehen und bewegst dich nicht in den Raum rein, weil ich dir sonst leider beibringen muss, wie man sich verhält. Zumindest in London. Da kannst du dir selbst von mir noch ein Scheibchen abschneiden."
Leise öffnete sie die Tür, deren Schloss nur noch als Zierde seinen Dienst tat, ohne die Tür wirklich zu halten zu können.
Schnell drückte sie sich durch den schmalen Spalt und zog die Tür, so gut es ging wieder hinter sich zu. Sie hoffte das Maura nicht auf die dumme Idee kommen würde und ebenfalls in den Raum kommen würde, ohne das Charles sie herein gebeten hatte.
"Duhuhuhuhu machst gerade nichts anderes! Hahahahaha. Aber immerhin hat er dich ja eben auch noch besteigen dürfen. Hoffen wir das er das bei Maura nicht auch getan hat, damit sie auch Sonderrechte hat, was? Hahahahaha. Stell dir das vor. Die beiden Senioren...miteinander...hahahahahahaha
Die blickte sich kurz um und entdeckte Charles auf der Couch. Recht leise sagte sie dann "Charles?!"
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Beitrag von Thorgrimm So Mai 15 2016, 01:29

Je länger sich Gilbert in dem kleinen Haus aufhielt, desto sicherer war er sich, dass ihm und Ms Thomson keine direkte Gefahr drohte. Man würde sie nicht einfach erschießen - vor allem jetzt nicht, nachdem Melinda sich für sie ausgesprochen hatte. Das bedeutete zwar noch nicht, dass sie in Sicherheit waren aber zumindest konnten sie sich erst einmal sicher sein, nicht hinterrücks erschossen zu werden. Es gab zwar immer noch das Problem mit Scarface selbst und auch Melinda - oder Ms. Benton, wie sie sich vorstellte - war sicherlich nicht ungefährlich aber dagegen konnte Gilbert jetzt nichts tun. Diese ganze Aktion war mit einem großen Risiko behaftet, welches er nunmal auf sich nehmen musste.
"Danke, Ms. Benton." gab er schließlich von sich und ging hinter der Frau die Treppe hinauf. Er warf noch einen kurzen Blick zum King zurück aber dieser überließ sie jetzt anscheinend sich selbst. Auch gut - er musste sich mit dem Mann nicht unbedingt mehr beschäftigen, als es notwendig war.

Einige neue Eindrücke prasselten auf den Maler ein aber er ließ sich davon nicht weiter aus der Ruhe bringen. Dieses gesamte Gebäude und auch seine Bewohner schienen schon bessere Tage gesehen zu haben. Zumindest die Kinder waren auf den ersten Blick gesund, tobten herum und spielten miteinander - was Kinder eben tun sollten. Das sie alle Tattoos trugen war eine Sache, die Gilbert nicht verstehen konnte aber vielleicht war das hier Gang und Gebe. Er würde sich davor hüten, jetzt deshalb einen großen Aufstand zu machen. Ihm gefiel das zwar nicht aber vielleicht war das bei den Kindern anders. Außerdem würde er sowieso nichts ändern können - auch wenn er sich dagegen aussprach. Auf Gilbert wirkte es so, als würden hier dutzend kleine Gangmitglieder herangezogen werden. Es fehlten nur noch die Messer. Auch das Gebäude selbst gefiel ihm überhaupt nicht. Vor allem für Kinder war es nicht geeignet. Es gab einfach zu viele Gegenstände und Möglichkeiten, bei denen sich die Kinder verletzen konnten.
Unabhängig davon, hatte das ganze einen gewissen, eigenartigen Charme und weckte alte Sehnsüchte und Wünsche in dem Maler. Er war als Einzelkind aufgewachsen. Umschwärmt von Privatlehrern, die dafür sorgen sollten, dass Gilbert Wright zu einer Person aufwuchs, die das Unternehmen seines Vaters erfolgreich leiten konnte. Er hatte keine Geschwister gehabt. Keine Spielkameraden. Keine Freunde. Erst mit 13 oder 14 war er zu Festen und Veranstaltungen mitgenommen worden und hatte langsam und sehr mühsam Kontakte knüpfen können. Seine Kindheit war zu diesem Zeitpunkt aber schon vorbei gewesen. Nichts hatte er sich damals mehr gewünscht, als einfach nur im Dreck herumzutollen und mit anderen Kindern spielen zu können.

Er seufzte und sah sich stattdessen in dem Zimmer um, in dass Ms. Benton ihn geführt hatte. Scarface war nicht zu sehen. War auch nicht wichtig, da Gilbert es wirklich nicht darauf anlegte, den Mann zu treffen. Wenn es nach ihm ginge, wäre er gar nicht hier. Er ließ seinen Blick in dem Zimmer umherschweifen und rümpfte die Nase. Hier sah es ja sogar noch schlimmer aus, als im Rest des Hauses. Es war ein Wunder, dass er noch keine Ratten oder Kakerlaken entdeckt hatte. Es würde ihn auch nicht überraschen, eines der Insekten jeden Moment hinter der Tapete hervorkriechen zu sehen. Was aber wirklich seine Aufmerksamkeit erweckte, waren natürlich die Bilder an den Wänden. Er verschränkte die Arme hinter seinem Rücken und wanderte die Wand entlang. Was er sah, überraschte ihn nicht. Gemälde irgendwelcher Stümper, die keine eigene Seele hatten. Eines war aber dann doch interessanter. Es stellte einen älteren Mann dar, der entfernte Ähnlichkeiten mit Norly hatte. Konnte es sein, dass es sich bei ihm tatsächlich um seinen Vater handelte? Den ursprünglichen Besitzer der Norman Mill? Unwahrscheinlich war es nicht.
Gilbert war so in Gedanken vertieft gewesen, dass er Ms. Bentons Frage gar nicht realisiert hatte. Er räusperte sich und wollte gerade antworten, als Ms. Thomson an ihm vorbei ging und an der Tür klopfte. Da nun auch Ms. Benton zur Tür ging und nach Scarface fragte, sparte er sich, zu antworten. Es gab ja sowieso nicht viel zu erzählen und ob er das mit der Polizei überhaupt erwähnen sollte, wusste er noch gar nicht. Für Scarface war das sicherlich eine wichtige Information aber wollte Gilbert dem Mann helfen, indem er ihn mit allem versorgte, dass er wusste? War es nicht vielleicht schlauer, erst einmal solche Dinge für sich zu behalten? Er hatte hier bald - wieder einmal - einen gesuchten Serienmörder vor sich und da musste sich Gilbert gut überlegen, was er erzählte. Vielleicht konnte er manche Informationen für sich behalten und einen Vorteil daraus ziehen. Der Mann und seine Gefolgschaft waren gefährlich. Gilbert brauchte alle Vorteile, die er kriegen konnte.
Für den Moment wartete er also wieder ab, bis sich Scarface dazu begnügte, sie zu empfangen. Wieder wurde ihm bewusst, wie hirnrissig dieser ganze Plan eigentlich war. Ms Thomson und er hatten noch nicht einmal besprochen, was genau sie hier wollten und was sie Scarface erzählen würden. Er würde es einfach seiner Begleiterin überlassen, zu reden. Interesse daran, sich mit Scarface zu unterhalten - so nett wie das kurze Gespräch in der Polizeikutsche auch gewesen war - hatte er ja sowieso keine.
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Beitrag von Umbra Mo Mai 16 2016, 22:22

Charles schlug die Augen gemächlich einen Spalt weit auf, als er Melindas Stimme seinen Namen aussprechen hörte. Er war bereits durch das laute Hämmern an der Tür unsanft aus dem Schlaf gerissen worden. Hätte er nicht Mrs. Thomsons Stimme auf der anderen Seite erkannt, besonders wenn diese Stimme männlich gewesen wäre, wäre er wohl sofort in Hektik verfallen und hätte sich bereits, seine Waffe ladend, hinter seinem Schreibtisch verschanzt.

Er war müde… So unendlich müde. Dementsprechend motiviert war Charles, sich zu erheben. Sein Körper fühlte sich zudem immer noch so an, als wäre er von einer Kutsche überrollt worden. Melinda vor sich zu erblicken, war zwar ein kleiner Trost, jedoch schien sie diejenige gewesen zu sein, den keifenden Grund, sich totstellen zu wollen, zu ihm geführt hatte. Schwer ausatmend rieb sich Charles mit Daumen und Zeigefinger die Augen, bevor er seinen Mantel, den er als Decke verwendet hatte, zurückschlug und sich schwerfällig aufsetzte.
Er schenkte Melinda ein sanftes Lächeln, auch wenn er sich bewusst war, dass es recht gequält wirken musste.
„Ich schätze, ich sollte mich der Dame stellen, bevor Sie noch wütender wird, nicht wahr?“, vermutete er ohne Vorfreude, ehe er seine müden Glieder zwang, sich seinem Willen zu unterwerfen, und ihn behutsam Richtung Tür zu tragen.
Charles wusste nicht, wie lang er geschlafen hatte, aber ausgeruht fühlte er sich wirklich nicht. Sein Schädel fühlte sich schwer an und ein dumpfes Brennen unter seinem Kopfverband stichelte ihn genauso sehr, wie die Verletzung an seiner Seite und die vielen Hämatome, die er sich in den vergangenen Tagen zugezogen hatte (müssen). Ihm fiel erst auf, dass er vergessen hatte, seine Schuhe anzuziehen, als er bereits den Raum durchquert hatte, also verwarf er, noch einmal zur Couch zurückzukehren, und öffnete einfach die Tür. Verschlafen und mitgenommen, wie er war, zudem in der geliehenen, billigen und schon abgenutzten Kleidung, fehlte es ihm ohnehin an jeglicher Eleganz.
Hinter Mrs. Thomson entdeckte er auch Mr. Wrights Anwesenheit. Charles über beide Besucher nicht erfreut, zumal es ihm schleierhaft war, was die beiden noch von ihm wollten (außer ihm den Schlaf zu rauben, den er so dringend brauchte, wie er sich nach ihm sehnte).
Charles stützte sich mit seiner Linken am Türrahmen ab, an der er, wie immer, seinen langen, schnallenbesetzten Lederhandschuh trug, während er mit der Rechten die Klinke nicht losließ. Er hatte nicht vor, Gilbert und Maura hineinzubitten.
„Ich würde gern fragen, wie ich, Charles Norly“, hob er allein durch den Satzbau, nicht aber durch die Stimmlage hervor, denn er war nicht in Stimmung für ausgefeilte Rhetorik und zu müde, um die Müdigkeit in seiner Stimme zu vertuschen, „Ihnen zu Diensten sein kann, da ich nicht auf die Beleidigung „Scarface“ höre, aber lassen Sie mich Sie stattdessen lieber bitten, heimzukehren.“
Manchmal war es ihm doch willkommen, dass man sich vor ihm fürchtete… aber gerade dann, wenn er es sich wünschte, dass gewisse Personen schreiend vor ihm davonliefen, schien das Schicksal es nicht gut mit ihm zu meinen.
„Sie taten gut daran, sich von mir zu entfernen, und was auch immer Sie glauben, hier zu wollen: Wenn Sie darüber nachdenken, werden Sie feststellen, dass es eine schlechte Idee war, hierherzukommen. Bitte lassen Sie mich in Frieden, zu Ihrer eigenen Sicherheit.“
Auffordernd durchbohrte er die beiden mit seinen brennenden Augen.



„Charles hat sich wieder schlafengelegt.“
Rosies Tonfall war kühl, als sie Randolph dahingehend informierte, und währenddessen einen kleinen Jungen, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt, der neugierig an ihr vorbeilinste, wieder schützend hinter sich schob.
Der Chirurg hatte beim Boxring niemanden mehr angetroffen, aber die beiden betrunkenen Jugendlichen dafür, neben vielen anderen Kindern, in der Küche beim Essen ausmachen können. Die Lebensgefährtin des Kings hatte sich ihm und seinem Vorhaben, einen von ihnen anzusprechen, allerdings vorbeugend in den Weg gestellt.
„Sie finden ihn nebenan, wahrscheinlich ganz oben, wie ich ihn kenne. Es gibt keinen Grund für Sie, hier herumzuschleichen. Auch wenn er nach ihrem dramatischen Abgang vorhin betont hat, dass er viel von Ihnen hält, traue ich Ihnen nicht. Halten Sie sich von den Kindern fern. Die meisten von Ihnen haben auch ohne Ihr Zutun schon mehr als genug Drohungen erdulden müssen.“
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Beitrag von Thorgrimm Di Mai 17 2016, 00:42

Eigentlich hatte Gilbert ja vorgehabt, Ms. Thomson reden zu lassen und sich dann zu verziehen, wenn sie fertig war aber jetzt, als Scarface sie so nett empfing, ließ es sich der Maler nicht nehmen, etwas zu dem Thema zu sagen. Es lag ihm sowieso schon lange auf der Zunge und nun konnte er seiner Meinung endlich Luft machen. Er trat vor und beugte sich etwas zur Seite, um Norly besser ansehen zu können. Der Mann hatte definitiv schon bessere Tage erlebt. Er war regelrecht abgewrackt aber das hinderte Gilbert jetzt nicht daran, ihm einige Dinge zu sagen, die er schon lange hatte sagen wollen.
"Wissen sie, ich würde nichts lieber tun als ihrer Bitte nachzukommen und einfach zu verschwinden. Sie können sicher sein, dass ich mich genauso wenig auf dieses Wiedersehen freue wie sie aber leider hatte Ms. Thomson die wirklich glorreiche Idee, wieder hierherzukommen und mit ihnen zu reden. Sie fragen sich jetzt sicherlich - und bitten lassen sie mich ausreden, Ms Thomson - ..." fügte er mit einem deutlichen Blick auf seine Begleiterin hinzu, die sicherlich gar nicht abwarten konnte, mit Scarface zu reden "... warum ich dann überhaupt hier bin." So wirklich wusste das Gilbert selbst noch nicht aber zumindest hatte er eine Ahnung.
"Leider ließ sich Ms. Thomson von ihrem Vorhaben nicht abbringen und da sie und ihre Freunde unberechenbar und gefährlich sind, konnte ich Ms. Thomson nicht alleine gehen lassen. Also... BITTE bringen sie diese ganze Sache schnell hinter sich, damit ich ein für alle mal aus dieser Stadt verschwinden kann und sie nie wieder sehen muss." Der sonst so nette und wohlüberlegt redende Maler hatte langsam wirklich genug. Es war bereits das zweite mal, dass er an diesem Tag kein Blatt vor den Mund nahm und ein bisschen schämte er sich für diese direkte Ausdrucksweise aber er merkte schnell, dass es gut tat, einfach das zu sagen, was einem auf dem Herzen lag. Er hatte tatsächlich keine Lust mehr, mit irgendeinem dieser Leute etwas zu tun zu haben.
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Beitrag von Darnamur Do Mai 19 2016, 17:31

Randolphs Blick durchdrang die sich vor ihm aufbauende Frau und wanderte über ihren ernsten Gesichtsausdruck. Ihm war klar, dass sie ihm in keinster Weise vertraute, vermutlich sogar Angst vor ihm hatte. Konnte ihm gerade egal sein. Er hatte anderes zu tun, als sich um Tillings Tochter zu kümmern. Bildhaft sah er die Fotografie wieder vor sich, wie ihr Vater bleich und ausgeblutet auf dem Kutschbock saß.
Er hatte keine Lust sich zu rechtfertigen, aber ärgern tat es ihn trotzdem. Er hatte seine Drohungen ausgestoßen, nachdem Norly niedergeknüppelt und ihm die Waffe vorgehalten wurde und dafür dass man ihn hier nun für einen kranken Kindermörder hielt, war niemand Geringeres als Charles verantwortlich.
Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Er wollte die Frau in Ruhe lassen, andererseits war wieder in den dritten Stock- selbst mit Krücke- hinaufzuklettern, das Letzte, was er nun tun wollte. Ihm ging es bereits Scheiße genug.
„Ich bin nicht freiwillig zurückgekehrt“, meinte er mit trockener Stimme, die vermutlich eine ähnliche emotionale Kälte ausstrahlte, wie die von Rosie. Aber er sah auch keinen Sinn darin sich nun zu verstellen. Geschweige denn, dass er Motivation dazu gehabt hätte. „Und ich habe nicht vor irgendjemandem in diesem Haus schaden zuzufügen.“
Und das wird sie mir bestimmt auch glauben…
Randolph beließ es dabei. Egal war er nun sagen würde, der Nutzen war ohnehin fraglich. Er musste zu Norly und zu Melinda.
Der Doktor räusperte sich um den Kloß in seiner Kehle loszuwerden: „Ich muss Norly dringend sprechen. Es…geht um seine Tochter. Wenn er sich wieder schlafen gelegt hat, ist er bestimmt im dritten Stock. Könnten sie mir die Treppe hinauf helfen? Ich habe ziemliche Probleme mit meinem Bein.“
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Leo Do Mai 19 2016, 19:49

Maura schnaufte. Diese ganzen Menschen hier gingen ihr ziemlich auf die Nerven. Die Blonde hatte sich ihre Sympathie sofort wieder verspielt; Maura murmelte nur ein halblautes „Moralisch belehrt von einem Straßenkind“ und warf Ms. Benton einen eisigen Blick zu, blieb aber vor der Tür stehen. Norly würde schon kommen, und dann konnten sie dieses leidige Thema endlich aus der Welt schaffen.
Tatsächlich kam Norly nur kurz darauf an die Tür, aber es war nicht der Mann, den sie im Lagerhaus kennengelernt hatte. Scarface – Norly, verbesserte sie sich – sah müde aus und wirkte sehr unleidlich, fast sah es aus, als bereite ihm selbst das aufrechte Stehen Mühe. Sein geschmackvoller Anzug war verschwunden, und sein Gentleman-Gehabe schien sich hinter einem Schleier der Erschöpfung zu verstecken. Sie war sich nicht sicher, welcher der Norlys ihr lieber war.
Maura verschränkte die Arme vor der Brust und musterte Norly ausgiebig. Dann zwang sie sich zu einem ganz und gar gefühllosen Lächeln; eigentlich zog sie bloß ihre Mundwinkel unmerklich nach oben. „Sie sehen schlecht aus, Charles Norly. Sie sollten sich mehr Ruhe gönnen.“ Sie machte einen Schritt vorwärts und begab sich einfach an Norly vorbei in das Zimmer, aus dem er kam. Während sie sich auf das zerwühlt aussehende Sofa sinken ließ, fuhr sie fort:
Mr. Wright hat Recht – ‚Mrs. Thomson‘ ließ sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen, und das werde ich auch jetzt nicht tun. Mr. Norly, ich bin niemand der gern um den heißen Brei herumredet, also komme ich gleich zur Sache.“ Sie lehnte sich vor, die Ellenbogen auf die Knie aufgestützt, die Hände verschränkt. „Nur aufgrund meiner Sicherheit bin ich überhaupt hier. Sie halten mein Erscheinen hier für eine schlechte Idee?“ Maura schüttelte langsam den Kopf. „Nun, da muss ich Ihnen zustimmen. Aber eine bessere Alternative sehe ich nicht. Abgesehen davon, dass ich mich nicht freiwillig entfernt habe …“ Ihr Blick schweifte flüchtig zu Mr. Wright. „Nun, Mr. Wright brachte uns beide zu Ihrem Haus, Norly. Doch es dauerte nicht allzu lange, bis Ihre Freunde vom Scotland Yard dort auftauchten … und es stellte sich für die beiden Herren offensichtlich so dar, als wären wir Teil Ihres … Helferteams.“ Sie machte eine kurze Pause und sah zu Ms. Benton, dann räusperte sie sich und wandte sich wieder Norly zu. „Sie werden verstehen, dass ich vorerst keine Möglichkeit sehe, dieses Missverständnis zu bereinigen – die Polizei wird mir ob der Brisanz des Scarface-Falls wohl kaum Gehör schenken. Und deshalb bin ich hergekommen – für meine eigene Sicherheit, wie Sie sehen können. Ich bin hier, um Ihnen meine Unterstützung anzubieten“, ihr Lächeln wurde etwas weicher, „und zwar nicht zuletzt, damit ich selbst unbeschadet aus der Sache herauskomme.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 14 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Umbra Mo Mai 23 2016, 22:28

Rosie blickte dem Doktor, wie erwartet, mit harter Miene entgegen, als er ihr versicherte, keinem in diesem Haus Schaden zufügen zu wollen. Um sie davon zu überzeugen, brauchte es vermutlich mehr als kühle Worte und ein finsteres Auftreten, was alles in allem wohl keinen sehr positiven Eindruck machte.
Jedoch schaffte Randolph es, ihr böses Starren zu beenden und es in sichtbare Verwunderung umschlagen zu lassen.
„Tochter?“, wiederholte sie, nachdem Randolph geendet hatte – auf dessen Bitte erst einmal nicht eingehend.
„Charles hat eine Tochter?“
Ihr war zunächst Skepsis anzumerken, allerdings musste sie darüber dann doch lachen. Das war das erste Mal, dass Randolph eine positive Emotion ihrerseits vernahm – ausgerechnet er hatte ihr gerade ein ehrliches, belustigtes Lachen entlockt. Rosie schien trotzdem nicht von seiner Anwesenheit begeistert zu sein, als sie sich nach wenigen Sekunden wieder beruhigte, auch wenn sie den Chirurgen nun nicht mehr ganz so streng beäugte.
„Na schön“, sagte sie dann einwilligend. „Ich helfe Ihnen.“

Randolph kannte den Aufstieg und hatte ihn bereits hassen gelernt. Doch mit Rosies Hilfe war es weitaus geringer herausfordernd, als es bei seinem ersten Aufstieg gewesen war. Ihre Stütze verhinderte die meisten Schmerzen, die ein alleiniges Treppensteigen sicher mit sich gebracht hätte. Auf ihrem Weg nach oben begegneten sie mehreren Kindern (die meisten trugen Tätowierungen ähnlich der der beiden Jungen am Boxring), die ihnen mal mehr, mal weniger Beachtung schenkten. Zwischen dem zweiten und dritten Stockwerk angelangt, war Charles‘ Stimme, die vermutlich aus seinem Bürozimmer kam, auf der Treppe zu vernehmen, die sich zuvor bereits als unverständliches Dröhnen angekündigt hatte.



Charles warf Gilbert einen mehr oder minder finsteren Blick zu, als der Maler um Eile drängelte. Damit sprach er Charles zwar aus der Seele, allerdings empfand es Charles gleichermaßen als unverschämt. Er wollte sich überhaupt nicht mit den beiden sprechen, und auch hatte er wenig Lust, sich auch noch Forderungen zu fügen, wenn man sich ihm schon aufzwängte.
Seine Hoffnung, dass zumindest die Dame sich fügte und sich entschloss, wieder zu verschwinden, lösten sich auch in Luft auf, als sie sich einfach vorwärtszwängte – Charles machte ihr allerdings, wenn auch missbilligend, Platz. Stehenzubleiben hätte wohl Körperkontakt bedeutet, und damit wäre Mrs. Thomson auf unerfreuliche Weise in seine Wohlfühlzone eingedrungen. Er bevorzugte angemessenen Abstand.
Ungeniert durchquerte die Dame den ausladenden Raum und nahm auf der Couch Platz, als würde sie ihr gehören. Charles folgte ihr, während sie meinte, ihm ihren Willen und ihre Worte aufzwingen zu können, einige Schritte ins Büro zurück. Ihn wunderte doch etwas, was sie ihm zu berichten hatte, allerdings stimmte ihn das nicht um.

„Sie haben offenbar nicht verstanden, Madam Thomson“, versuchte er, ihre rosa Wolken verpuffen zu lassen, „dass es in meiner Nähe keinesfalls sicher ist. Die Polizei ist mir lästig und ich vermag sie immer wieder abzuschütteln, das stimmt“, wandte er ein, denn soweit mochte sie richtig liegen, „aber Sie erinnern sich vielleicht, dass andere Umstände zu unserer ersten Begegnung geführt haben. Schlussendlich sind die beiden Trottel, die mich verfolgt haben, nicht diejenigen gewesen, für die ich sie gehalten habe. Das bedeutet, dass diejenigen, die mich beobachten, verfolgen und mir Morde anhängen, noch immer dort draußen sind.“
Er wies, gestikulierend, Richtung Fenster. Dieser Frau die Augen zu öffnen, war die einzig richtige Vorgehensweise, mit ihr umzugehen.
„Sie wollen mich vernichten“, erklärte Charls todernst, „– und wie ginge das besser, als diejenigen, die mir helfen, zu vernichten und mir die Schuld daran zu geben? Es ist bereits geschehen. Ein Mann ist tot, einer verwundet, einer ist verschwunden. Das allein in den letzten Tagen – und das nur, weil ich sie um Hilfe ersucht und dann aus den Augen gelassen habe. Nehmen Sie Mr. O’Sullivan und Dr. Tremaine dazu, und meinen Freund, der vor ihrer Haustür angeschossen wurde… sehen Sie mich selbst an.“
Charles schüttelte leicht den Kopf.
„Sie wissen nicht, was Sie mir gerade anbieten. Es ist nicht Ihre Unterstützung, sondern Ihr Leben.“
Gestern hätte er noch keine Hilfe ausgeschlagen, aber seitdem war zu viel geschehen.
„Sie haben doch sicherlich Familie“, appellierte Charles an ihre Vernunft, auch wenn er selbst eher resigniert klang, wie er merkte. Sein Schädel bettelte dröhnend um Schlaf.
„Kehren Sie heim und stellen Sie sich dem Yard. Allzu schlimm wird es Ihnen dann nicht ergehen. Oder begleiten Sie Ihren Freund hinaus aus Manchester, bevor es zu spät ist. Ich könnte Ihnen eine Überfahrt nach Übersee organisieren. Damit wäre Ihnen mehr geholfen, als mir zu helfen.“
Hilfe auszuschlagen, war in seiner Lage vielleicht nicht das Naheliegendste und vermutlich auch nicht das, was Mrs. Thomson erwartete zu hören, aber sie wusste es nicht besser.
„So sehr ich auch schätze, dass Sie hergekommen sind“, wollte er sich nicht undankbar zeigen, „wenn es auch weniger mir als Ihnen selbst zuliebe war, kann ich es gleichermaßen nicht gutheißen. Ich kann diese Verantwortung nicht auf mich nehmen. Ich kann nicht zulassen, dass noch jemand sterben muss, nur weil ich die Gefahr unterschätzt habe. Ich weiß inzwischen nur zu gut um das Risiko.“
Charles blickte sie aus seinen müden Augen ernst an.
„Nicht ohne Grund habe ich verhindern wollen, dass Sie mehr erfahren, als gut für Sie sein kann. Verzeihen Sie mir meine Grobheit, übrigens“, fiel ihm an dieser Stelle ein. Nach dem Ende ihrer letzten Begegnung war es umso verwunderlicher, dass Maura ihm nicht viel mehr Wut entgegenbrachte. Allerdings war ihre Betäubung in Charles Augen gerechtfertigt gewesen.
„Das war angesichts Ihrer Bemühungen, mich wissen zu lassen, dass Sie sich alles, was Sie sehen und hören, merken, unvermeidbar.“
Nun fixierte Charles Blick wieder Gilbert – den Mann, der scheinbar ein Händchen dafür zu haben schien, ihm Ärger zu bereiten.
„Doch Sie hatten nichts Besseres zu tun, als Mrs. Thomson zu meinem Haus zu bringen“, band Charles den Maler wieder ein, wobei sein Tonfall mit einem Mal harsch wurde und ein Grollen in seiner Kehle lag.
„Wie kommt man nur auf solch eine hirnverbrannte Idee, frage ich Sie, Mr. Wright? Und nicht zu allerletzt“, wollte er nun wissen, „wenn Sie geflohen sind, wo haben Sie Oxley gelassen? Und Arthur?“
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Tiefseemonster

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