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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
+2
Umbra
Sensemann
6 verfasser
Seite 8 von 18
Seite 8 von 18 • 1 ... 5 ... 7, 8, 9 ... 13 ... 18
Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Noch bevor Wright aus der Gasse kam (Melinda war verwundert, dass er direkt reagiert hatte) ging sie ein paar Schritte nach vorne und besah sich das Pferd, welches ihr am nächsten stand. Gutmütig und erschöpft blickte es unter den langen Haaren die ihm bis über die Augen reichte, hervor und schnaubte leicht als Melinda ihm sanft über die Nüstern strich. "Keine Sorge, Mr. Wright wird sich benehmen und du wirst deinen Herren bald wieder sehen." Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging wieder zur Kutsche. Offenbar hatte auch Gilbert den gleichen Gedanken gehabt und ging zu den Tieren herüber.
Währenddessen warf Melinda die Tür der Kutsche auf und stieg hastig die Stufen hinauf und hielt den Kopf aus dem Fenster. "Mr. Wright wären sie so nett die Kutsche zu ihrem Bestimmungsort zu bringen?"
Sie lächelte ihm dabei zu. Erstaunlich dass der Plan geklappt hatte. Erstaunlich.
Währenddessen warf Melinda die Tür der Kutsche auf und stieg hastig die Stufen hinauf und hielt den Kopf aus dem Fenster. "Mr. Wright wären sie so nett die Kutsche zu ihrem Bestimmungsort zu bringen?"
Sie lächelte ihm dabei zu. Erstaunlich dass der Plan geklappt hatte. Erstaunlich.
Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Eigentlich war Maura nicht sehr begeistert von Norlys Plan gewesen – er wirkte eher, wie spontan zusammengewürfelt, und sie bevorzugte klar durchdachte Pläne – aber trotz allem schien er zu funktionieren. Überraschend, aber sie würde sich sicher nicht beschweren.
Beim Gehen vermisste sie ihren Revolver in der Innentasche. Auf dem Hinweg hatte er rhythmisch gegen ihr Bein geschlagen, ein Gefühl, dass sie nun bei jedem Schritt erwartete, das aber nicht kam.
Die Hauptstraße war voll, wie üblich, und Maura war versucht, sich nach etwaigen Beobachtern umzusehen, hielt sich aber zurück; Norly hatte Recht, das wäre auffälliger als die vorgetäuschte Souveränität, hinter der sie sich bis jetzt verschanzt hatte. Schließlich hatte sie die Kutsche erreicht, und mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre das gute Stück ihr Privatvehikel, machte sie sich daran, ins Innere zu steigen, jedoch nicht, ohne Gilbert zuvor noch ihre Adresse zu nennen:
„Victoria Street 31, bitte.“
Beim Gehen vermisste sie ihren Revolver in der Innentasche. Auf dem Hinweg hatte er rhythmisch gegen ihr Bein geschlagen, ein Gefühl, dass sie nun bei jedem Schritt erwartete, das aber nicht kam.
Die Hauptstraße war voll, wie üblich, und Maura war versucht, sich nach etwaigen Beobachtern umzusehen, hielt sich aber zurück; Norly hatte Recht, das wäre auffälliger als die vorgetäuschte Souveränität, hinter der sie sich bis jetzt verschanzt hatte. Schließlich hatte sie die Kutsche erreicht, und mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre das gute Stück ihr Privatvehikel, machte sie sich daran, ins Innere zu steigen, jedoch nicht, ohne Gilbert zuvor noch ihre Adresse zu nennen:
„Victoria Street 31, bitte.“
Leo- Anzahl der Beiträge : 2411
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Scheinbar hatte Charles sich verguckt. Nein, Melinda hatte sich nicht aufgemacht, um dem Doktor und ihm wieder entgegenzukommen, wie es geplant gewesen war, sondern war in die Kutsche eingestiegen.
Äußerst ungünstig.
Bisher hatte sein Fluchtplan so funktioniert, wie er es sich vorgestellt hatte. Doch er wusste, dass ihm die Zeit ausging. Melinda musste zurückkehren… Er musste mit ihr sprechen, bevor sie alle in die Kutsche stiegen oder überhaupt in der Nähe dieses Gefährts waren. Damit dies noch funktionieren konnte, musste er sie auf sich aufmerksam machen – und Tremaine etwas ausbremsen, der immer noch wütend in Richtung Kutsche stapfte (oder es zumindest stark humpelnd versuchte).
Charles wusste, dass dies nun ein vermutlich unerwarteter und plötzlicher Einschnitt war, denn die Art der Diskussion, die sie gerade noch geführt hatten, war erheblich anders gewesen. Allerdings war nun, da Mrs. Thompson nicht mehr mitlauschte, der beste Augenblick, um Charles‘ Zielthema anzuschneiden. Jetzt oder nie. Das Zeitfenster war nicht breit.
Obwohl Charles selbst noch verärgert über die Worte und das Verhalten des Chirurgen war, setzte er die Wichtigkeit seines Anliegens über seinen Stolz. Er versuchte, den Doktor mithilfe seiner Hand etwas auszubremsen, ohne Körperkontakt herzustellen.
„Nicht allzu eilig, bitte“, ersuchte Charles ihn höflich und in gedämpftem Tonfall. Er wollte nicht, dass Gilbert und Maura ihn hörten. Es war ihm etwas unangenehm, gerade nun um einen Gefallen zu bitten.
„Für den nächsten Teil meines Plans brauche ich Ihre Unterstützung, Doktor“, erklärte er, ohne den Blick von der Kutsche abzuwenden, „– die Ihre und Miss Bolts.“
Endlich sah Melinda in seine Richtung! Charles hätte ungern nach ihr rufen müssen – das hätte nur wieder die Aufmerksamkeit aller auf sich gelenkt. Nun reichte es, dass er sie herbeiwinkte. Sie stieg wieder aus der Kutsche und kam ihnen entgegen.
„Es wäre besser, wenn Mr. Wright und unsere reizende Lady Thomson nichts davon mitbekämen“, fuhr Charles unterdessen, an Dr. Tremaine gerichtet, fort. „Ich rechne damit, dass beide etwas dagegen einzuwenden hätten. Auch mir gefallen solcherlei Methoden nicht unbedingt. Aber in unserer Lage dürfen wir nicht allzu wählerisch sein und sollten Möglichkeiten nutzen, die uns Ärger ersparen.“
Inzwischen war Melinda bei ihnen eingetroffen. Die Gelegenheit, ein paar Sätze auszusprechen, bevor sie der Kutsche zu nah kamen, sah Charles noch.
„Gut, Miss…“, begann er leise und beeilte sich beim Sprechen. „Ich muss Sie beide nun um Hilfe bitten. Ich möchte, dass alles schnell und leise über die Bühne gehen kann.“
Dann begann er, den beiden seinen Plan zu unterbreiten. Er war besorgt, sie könnten ihm seine Bitte um Hilfe ausschlagen. Ohne Randolph und Melinda würde es nämlich vielleicht nicht funktionieren. Natürlich hätte Charles die beiden nicht einweihen müssen – aber das hätte auch als ungünstig empfunden. Es würde sich besser fühlen, wenn er sich ihrer Unterstützung gewiss war, oder zumindest wusste, dass sie nicht einverstanden waren. Noch konnte er sich an ihre Entscheidung anpassen… Irgendwie.
Äußerst ungünstig.
Bisher hatte sein Fluchtplan so funktioniert, wie er es sich vorgestellt hatte. Doch er wusste, dass ihm die Zeit ausging. Melinda musste zurückkehren… Er musste mit ihr sprechen, bevor sie alle in die Kutsche stiegen oder überhaupt in der Nähe dieses Gefährts waren. Damit dies noch funktionieren konnte, musste er sie auf sich aufmerksam machen – und Tremaine etwas ausbremsen, der immer noch wütend in Richtung Kutsche stapfte (oder es zumindest stark humpelnd versuchte).
Charles wusste, dass dies nun ein vermutlich unerwarteter und plötzlicher Einschnitt war, denn die Art der Diskussion, die sie gerade noch geführt hatten, war erheblich anders gewesen. Allerdings war nun, da Mrs. Thompson nicht mehr mitlauschte, der beste Augenblick, um Charles‘ Zielthema anzuschneiden. Jetzt oder nie. Das Zeitfenster war nicht breit.
Obwohl Charles selbst noch verärgert über die Worte und das Verhalten des Chirurgen war, setzte er die Wichtigkeit seines Anliegens über seinen Stolz. Er versuchte, den Doktor mithilfe seiner Hand etwas auszubremsen, ohne Körperkontakt herzustellen.
„Nicht allzu eilig, bitte“, ersuchte Charles ihn höflich und in gedämpftem Tonfall. Er wollte nicht, dass Gilbert und Maura ihn hörten. Es war ihm etwas unangenehm, gerade nun um einen Gefallen zu bitten.
„Für den nächsten Teil meines Plans brauche ich Ihre Unterstützung, Doktor“, erklärte er, ohne den Blick von der Kutsche abzuwenden, „– die Ihre und Miss Bolts.“
Endlich sah Melinda in seine Richtung! Charles hätte ungern nach ihr rufen müssen – das hätte nur wieder die Aufmerksamkeit aller auf sich gelenkt. Nun reichte es, dass er sie herbeiwinkte. Sie stieg wieder aus der Kutsche und kam ihnen entgegen.
„Es wäre besser, wenn Mr. Wright und unsere reizende Lady Thomson nichts davon mitbekämen“, fuhr Charles unterdessen, an Dr. Tremaine gerichtet, fort. „Ich rechne damit, dass beide etwas dagegen einzuwenden hätten. Auch mir gefallen solcherlei Methoden nicht unbedingt. Aber in unserer Lage dürfen wir nicht allzu wählerisch sein und sollten Möglichkeiten nutzen, die uns Ärger ersparen.“
Inzwischen war Melinda bei ihnen eingetroffen. Die Gelegenheit, ein paar Sätze auszusprechen, bevor sie der Kutsche zu nah kamen, sah Charles noch.
„Gut, Miss…“, begann er leise und beeilte sich beim Sprechen. „Ich muss Sie beide nun um Hilfe bitten. Ich möchte, dass alles schnell und leise über die Bühne gehen kann.“
Dann begann er, den beiden seinen Plan zu unterbreiten. Er war besorgt, sie könnten ihm seine Bitte um Hilfe ausschlagen. Ohne Randolph und Melinda würde es nämlich vielleicht nicht funktionieren. Natürlich hätte Charles die beiden nicht einweihen müssen – aber das hätte auch als ungünstig empfunden. Es würde sich besser fühlen, wenn er sich ihrer Unterstützung gewiss war, oder zumindest wusste, dass sie nicht einverstanden waren. Noch konnte er sich an ihre Entscheidung anpassen… Irgendwie.
Umbra- Tiefseemonster
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
„Wer es hätte ahnen können? Ich! Ich habe es die ganze, verfluchte Zeit gewusst, dass er durchdrehen würde!“, antwortete Randolph ungläubig auf Charles‘ Rechtfertigungen. Sie hätten den Iren so schnell wie möglich loswerden müssen, ganz gleich, was Norly sagte. „Es hat gar nicht viel gebraucht, um ihn in Rage zu versetzen. Ich musste ihn nur aus seinem Schlaf wecken und schon wollte er mit jeden Zahn einzeln ausschlagen. Er ist einfach auf mich zugestürmt. Vollkommen wahnsinnig! Habe ich dergleichen gemacht? Ich habe sie nur mit einer Waffe bedroht, weil ich sie für einen gesuchten Serienmörder hielt!“
Randolph schnaufte. Wenn er nebenbei redete, kostete es ihn noch mehr Anstrengung. Er registrierte, dass er sich richtig in seine Wut verborrt hatte. Warum? Was half ihnen das jetzt? Melinda und Gilbert schienen sich zu bemühen, Norlys Plan zum Erfolg zu führen. Nur er stand herum und meckerte. Ob seine Kritik nun angebracht war oder nicht, spielte dabei keine so große Rolle.
Der gehetzte Blick seiner grauen Augen beruhigte sich wieder ein wenig: „Entschuldigen sie: Das tut im Moment nichts zur Sache.“ Er verlangsamte seinen Schritt, was im Grunde die Schmerzen nicht sonderlich milderte. Dieses verfluchte Stück Fleisch, dass sich sein Bein schimpfte, schien jede Art von Bewegung, oder auch Nichtbewegung als Anlass zu sehen, ihn weiter zu peinigen.
Er presste seine Lippen zusammen und hörte Norly geduldig zu. Für den nächsten Teil meines Plans brauche ich Ihre Unterstützung, Doktor. Randolph würde es niemals zugeben, aber diese Worte gefielen ihm. Das es jemanden gab, der ihn brauchte. Das er etwas bewirken konnte. Das war es, was er sich von seiner Zusammenarbeit mit Norly versprochen hatte. Das er etwas würde bewirken können. In größerem Ausmaß, als nur Menschen zusammenzuflicken, die schon wenige Tage später erneut den Grausamkeiten des Höllenlochs London zum Opfer fielen.
Aber auch, wenn es nun im Rahmen von Norlys Plan sein sollte, irgendwie fühlte es sich nicht schlecht an, gebraucht zu werden. In Euphorie brach Randolph deswegen allerdings nicht. Man musste skeptisch bleiben. Wenn Leute etwas von einem verlangten, verlangten sie oftmals etwas, das einem nicht gefallen würde. Die Art, wie Charles das inszenierte, verhieß nichts Gutes. Allerdings…wenn die alte Schachtel nichts davon mitbekommen soll, kann ich mich vielleicht doch damit anfreunden.
Insgeheim stellte er sich schon vor, wie Charles aus seinem Mantel ein Messer hervorholte und es ihm in die Hand drücken würde: „Sie weiß zu viel!“ Nein, so würde der Plan natürlich nicht aussehen und damit wäre der Doktor wohl auch nicht einverstanden gewesen. Oder was hieß wohl nicht? Natürlich wäre er nicht damit einverstanden gewesen. Er mochte sie nicht, diese…Mrs. Thomson. Er verabscheute sie sogar, hasste sie in gewisser Hinsicht. Ihre provokante Art, ihre Dreistigkeit, ihre Dämlichkeit…aber umbringen wollte er sie deswegen nicht. Das ist der Unterschied zwischen dem Iren und mir. Das ist der Unterschied, Norly.
Es ärgerte ihn, dass Norly nun doch auf sein Geständnis zu sprechen gekommen war, um es gegen ihn zu verwenden. Zuvor war seit ihrem nächtlichen Gespräch kein Wort mehr darüber gefallen. Randolph wusste immer noch nicht, ob es klug war Charles und den anderen in dieser Situation sein Herz auszuschütten. Aber er hatte es getan, jetzt half es ohnehin nichts mehr. Außerdem- wer wusste davon?
Charles, Melinda und Johanna. Zwei von diesen Personen vertraute er die Information nicht weiterzugeben und solange Johanna nicht irgendwelche Probleme mit der Polizei bekommen würde, erhoffte er sich von ihr ebenfalls ein Stillschweigen. Ich bin noch nicht quitt mit ihr, fiel ihm an dieser Stelle ein. Sie hat mich aus dem Gefängnis befreit. Eine erstaunliche schauspielerische Darbietung war das gewesen, er konnte sich erinnern. Vielleicht sollte das Mädchen ins Theater gehen…und über was mache ich mir gerade eigentlich schon wieder Gedanken?
Sein Geheimnis sollte jedenfalls sicher sein. Keine der Personen…Randolph traf es wie ein Schwall kalten Wassers auf den nackten Körper. Eine Ader auf seinem Schädel begann bedrohlich zu pochen. Verflucht. Warum hatte er das getan? Er hatte herausfinden wollen…Scheiße. Alan wusste es. Alan. Alan! Und damit wussten es vielleicht bald alle…
Später. Ja, später, würde er sich damit befassen. Aber erstmal…
„Was gibt es zu tun?“, meinte er sachlich und ernst. Er war stehen geblieben und fixierte Charles nun mit kühlem, analytischem Blick. Er würde sich darum kümmern, dass der Plan aufgehen konnte. Alles andere war erst mal nebensächlich. Die Polizei suchte sie, das durften sie nicht einmal für eine Sekunde vergessen. Und wenn sie von hier nicht schleunigst verschwanden, erwarteten sie Gefängnis und Galgen. Das ist doch witzig, nicht wahr, Mrs. Thomson? Sie finden ja alles so unfassbar komisch…
Er lauschte Norlys Worten. Leise und unauffällig, geht klar. Randolph nickte. Als er dann in den eigentlichen Plan eingeweiht wurde, veränderte sich seine Miene. Das überraschte ihn dann doch stark. Randolph wusste nicht so Recht, was er dazu sagen sollte. War es eine gute Idee? Nein, ganz sicher nicht. Aber er überdachte rasch die Alternativen: Mit Charles diskutieren? Den Plan sabotieren? Sinnlos. Sie mussten hier weg und zwar bevor, dieser Kutscher zurückkam und merkte, dass etwas nicht stimmte. Und das würde er registrieren, wenn er Mr.Wright auf dem Kutschbock erblickte.
Randolph willigte kurzerhand ein. Manchmal musste man sich eben mit einem zweit- oder drittbesten Plan zufrieden geben. Das war immer noch besser, als gar keiner: „Ich bin dabei.“
Allerdings frage ich mich stark, wie du darauf kommst, Mrs. Thomson habe etwas dagegen einzuwenden…Randolphs Mundwinkel zuckten kurz nach oben, bevor sie wieder in ihre gewöhnliche Position zurücksackten. Die Zähne hatte er aufeinander gepresst. Schon witzig. Schon sehr witzig. Ich könnte glatt ein Clown werden.
Randolph schnaufte. Wenn er nebenbei redete, kostete es ihn noch mehr Anstrengung. Er registrierte, dass er sich richtig in seine Wut verborrt hatte. Warum? Was half ihnen das jetzt? Melinda und Gilbert schienen sich zu bemühen, Norlys Plan zum Erfolg zu führen. Nur er stand herum und meckerte. Ob seine Kritik nun angebracht war oder nicht, spielte dabei keine so große Rolle.
Der gehetzte Blick seiner grauen Augen beruhigte sich wieder ein wenig: „Entschuldigen sie: Das tut im Moment nichts zur Sache.“ Er verlangsamte seinen Schritt, was im Grunde die Schmerzen nicht sonderlich milderte. Dieses verfluchte Stück Fleisch, dass sich sein Bein schimpfte, schien jede Art von Bewegung, oder auch Nichtbewegung als Anlass zu sehen, ihn weiter zu peinigen.
Er presste seine Lippen zusammen und hörte Norly geduldig zu. Für den nächsten Teil meines Plans brauche ich Ihre Unterstützung, Doktor. Randolph würde es niemals zugeben, aber diese Worte gefielen ihm. Das es jemanden gab, der ihn brauchte. Das er etwas bewirken konnte. Das war es, was er sich von seiner Zusammenarbeit mit Norly versprochen hatte. Das er etwas würde bewirken können. In größerem Ausmaß, als nur Menschen zusammenzuflicken, die schon wenige Tage später erneut den Grausamkeiten des Höllenlochs London zum Opfer fielen.
Aber auch, wenn es nun im Rahmen von Norlys Plan sein sollte, irgendwie fühlte es sich nicht schlecht an, gebraucht zu werden. In Euphorie brach Randolph deswegen allerdings nicht. Man musste skeptisch bleiben. Wenn Leute etwas von einem verlangten, verlangten sie oftmals etwas, das einem nicht gefallen würde. Die Art, wie Charles das inszenierte, verhieß nichts Gutes. Allerdings…wenn die alte Schachtel nichts davon mitbekommen soll, kann ich mich vielleicht doch damit anfreunden.
Insgeheim stellte er sich schon vor, wie Charles aus seinem Mantel ein Messer hervorholte und es ihm in die Hand drücken würde: „Sie weiß zu viel!“ Nein, so würde der Plan natürlich nicht aussehen und damit wäre der Doktor wohl auch nicht einverstanden gewesen. Oder was hieß wohl nicht? Natürlich wäre er nicht damit einverstanden gewesen. Er mochte sie nicht, diese…Mrs. Thomson. Er verabscheute sie sogar, hasste sie in gewisser Hinsicht. Ihre provokante Art, ihre Dreistigkeit, ihre Dämlichkeit…aber umbringen wollte er sie deswegen nicht. Das ist der Unterschied zwischen dem Iren und mir. Das ist der Unterschied, Norly.
Es ärgerte ihn, dass Norly nun doch auf sein Geständnis zu sprechen gekommen war, um es gegen ihn zu verwenden. Zuvor war seit ihrem nächtlichen Gespräch kein Wort mehr darüber gefallen. Randolph wusste immer noch nicht, ob es klug war Charles und den anderen in dieser Situation sein Herz auszuschütten. Aber er hatte es getan, jetzt half es ohnehin nichts mehr. Außerdem- wer wusste davon?
Charles, Melinda und Johanna. Zwei von diesen Personen vertraute er die Information nicht weiterzugeben und solange Johanna nicht irgendwelche Probleme mit der Polizei bekommen würde, erhoffte er sich von ihr ebenfalls ein Stillschweigen. Ich bin noch nicht quitt mit ihr, fiel ihm an dieser Stelle ein. Sie hat mich aus dem Gefängnis befreit. Eine erstaunliche schauspielerische Darbietung war das gewesen, er konnte sich erinnern. Vielleicht sollte das Mädchen ins Theater gehen…und über was mache ich mir gerade eigentlich schon wieder Gedanken?
Sein Geheimnis sollte jedenfalls sicher sein. Keine der Personen…Randolph traf es wie ein Schwall kalten Wassers auf den nackten Körper. Eine Ader auf seinem Schädel begann bedrohlich zu pochen. Verflucht. Warum hatte er das getan? Er hatte herausfinden wollen…Scheiße. Alan wusste es. Alan. Alan! Und damit wussten es vielleicht bald alle…
Später. Ja, später, würde er sich damit befassen. Aber erstmal…
„Was gibt es zu tun?“, meinte er sachlich und ernst. Er war stehen geblieben und fixierte Charles nun mit kühlem, analytischem Blick. Er würde sich darum kümmern, dass der Plan aufgehen konnte. Alles andere war erst mal nebensächlich. Die Polizei suchte sie, das durften sie nicht einmal für eine Sekunde vergessen. Und wenn sie von hier nicht schleunigst verschwanden, erwarteten sie Gefängnis und Galgen. Das ist doch witzig, nicht wahr, Mrs. Thomson? Sie finden ja alles so unfassbar komisch…
Er lauschte Norlys Worten. Leise und unauffällig, geht klar. Randolph nickte. Als er dann in den eigentlichen Plan eingeweiht wurde, veränderte sich seine Miene. Das überraschte ihn dann doch stark. Randolph wusste nicht so Recht, was er dazu sagen sollte. War es eine gute Idee? Nein, ganz sicher nicht. Aber er überdachte rasch die Alternativen: Mit Charles diskutieren? Den Plan sabotieren? Sinnlos. Sie mussten hier weg und zwar bevor, dieser Kutscher zurückkam und merkte, dass etwas nicht stimmte. Und das würde er registrieren, wenn er Mr.Wright auf dem Kutschbock erblickte.
Randolph willigte kurzerhand ein. Manchmal musste man sich eben mit einem zweit- oder drittbesten Plan zufrieden geben. Das war immer noch besser, als gar keiner: „Ich bin dabei.“
Allerdings frage ich mich stark, wie du darauf kommst, Mrs. Thomson habe etwas dagegen einzuwenden…Randolphs Mundwinkel zuckten kurz nach oben, bevor sie wieder in ihre gewöhnliche Position zurücksackten. Die Zähne hatte er aufeinander gepresst. Schon witzig. Schon sehr witzig. Ich könnte glatt ein Clown werden.
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Charles bemerkte die Überraschung und den Zweifel im Gesicht des Doktors, als er dem Arzt und Melinda sein Vorhaben unterbreitete. Umso erleichterter war er, dass Tremaine schließlich dennoch seine Unterstützung zusagte. Auch Melinda willigte ein, ihm zu helfen.
Es war gut, die Gewissheit zu haben, dass man ihm nicht in den Rücken fallen würde – sicher war sicher. So etwas konnte er im Eifer des Gefechts nicht gebrauchen. Ein wenig Nervosität fiel von ihm ab. Dennoch war die Lage dadurch nicht weniger angespannt: Sie mussten immer noch schleunigst fort von hier, bevor die Polizei auf sie aufmerksam wurde oder der Kutscher mit leeren Händen aus dem Chesters zurückkehrte und sie beim „Ausborgen“ seines Gespanns erwischte. Da nun alles geklärt war, konnten sie allerdings wieder einen Zahn zulegen. Ob es dem Doktor angenehm war, oder nicht: Melinda und Charles halfen Tremaine, das letzte Stück Weg zügig hinter sich zu bringen und in den Wagen zu klettern.
Charles reichte Melinda im Anschluss ebenfalls die Hand, damit sie bequem einsteigen konnte.
„Fahren Sie erst einmal los“, richtete Charles sich an dieser Stelle an Mr. Wright. „Wir müssen aus der Sichtweite des richtigen Kutschers kommen… rasch.“
Er blickte zur Kabine herauf.
Leise und unaufällig – nun musste jeder Schritt kontrolliert von Statten gehen.
Charles bereitete sich mit wenigen, schnellen Handgriffen vor und hievte seine schmerzenden Glieder die Trittleiter hinauf. Er schloss die Tür hinter sich und zog den Vorhang vor. Er nahm gerade schräg gegenüber von Mrs. Thomson Platz, als die Kutsche Fahrt aufnahm. Er erkannte, dass sie sich noch immer nicht sonderlich wohl fühlen musste.
So weit, so gut.
Das war der Moment, auf den er gewartet hatte. Die Geräusche der fahrenden Räder und des Hufgeklappers würden, zusammen mit dem allgemeinen Straßenlärm, hoffentlich für genügend akustische Tarnung sorgen.
Charles‘ Hand verschwand beiläufig in seiner Manteltasche. Dann räusperte er sich leicht – das war das verabredete Zeichen. Mit einem Mal stürzten sie alle auf Maura los, um sie zu packen und festzuhalten.[1] Melinda links, der Doktor rechts und Charles mittig. Was er tat, tat ihm Leid, aber er war entschlossen, es zuendezubringen. Er setzte sein ganzes Körpergewicht ein, um sie zu fixieren und ihr ein mit Chloroform getränktes Taschentuch auf Mund und Nase zu drücken.[2]
Nun nur nicht zu tief einatmen, ermahnte Charles sich selbst. Mrs. Thomsons körperliche Verfassung kam ihnen nun hoffentlich entgegen.
[1]Maura wird davon überrascht (-1 auf Verteidigungswürfe): Wahrnehmung +1 gegen Wahrnehmung +3.3 (Durchschnitt Randolph, Melinda und Charles)
[2]Es wird nun zu Dritt ein Gewalt-Wert ausgewürfelt, den Maura übertreffen muss, um sich erfolgreich gegen den Angriff zu wehren.
Es war gut, die Gewissheit zu haben, dass man ihm nicht in den Rücken fallen würde – sicher war sicher. So etwas konnte er im Eifer des Gefechts nicht gebrauchen. Ein wenig Nervosität fiel von ihm ab. Dennoch war die Lage dadurch nicht weniger angespannt: Sie mussten immer noch schleunigst fort von hier, bevor die Polizei auf sie aufmerksam wurde oder der Kutscher mit leeren Händen aus dem Chesters zurückkehrte und sie beim „Ausborgen“ seines Gespanns erwischte. Da nun alles geklärt war, konnten sie allerdings wieder einen Zahn zulegen. Ob es dem Doktor angenehm war, oder nicht: Melinda und Charles halfen Tremaine, das letzte Stück Weg zügig hinter sich zu bringen und in den Wagen zu klettern.
Charles reichte Melinda im Anschluss ebenfalls die Hand, damit sie bequem einsteigen konnte.
„Fahren Sie erst einmal los“, richtete Charles sich an dieser Stelle an Mr. Wright. „Wir müssen aus der Sichtweite des richtigen Kutschers kommen… rasch.“
Er blickte zur Kabine herauf.
Leise und unaufällig – nun musste jeder Schritt kontrolliert von Statten gehen.
Charles bereitete sich mit wenigen, schnellen Handgriffen vor und hievte seine schmerzenden Glieder die Trittleiter hinauf. Er schloss die Tür hinter sich und zog den Vorhang vor. Er nahm gerade schräg gegenüber von Mrs. Thomson Platz, als die Kutsche Fahrt aufnahm. Er erkannte, dass sie sich noch immer nicht sonderlich wohl fühlen musste.
So weit, so gut.
Das war der Moment, auf den er gewartet hatte. Die Geräusche der fahrenden Räder und des Hufgeklappers würden, zusammen mit dem allgemeinen Straßenlärm, hoffentlich für genügend akustische Tarnung sorgen.
Charles‘ Hand verschwand beiläufig in seiner Manteltasche. Dann räusperte er sich leicht – das war das verabredete Zeichen. Mit einem Mal stürzten sie alle auf Maura los, um sie zu packen und festzuhalten.[1] Melinda links, der Doktor rechts und Charles mittig. Was er tat, tat ihm Leid, aber er war entschlossen, es zuendezubringen. Er setzte sein ganzes Körpergewicht ein, um sie zu fixieren und ihr ein mit Chloroform getränktes Taschentuch auf Mund und Nase zu drücken.[2]
Nun nur nicht zu tief einatmen, ermahnte Charles sich selbst. Mrs. Thomsons körperliche Verfassung kam ihnen nun hoffentlich entgegen.
[1]Maura wird davon überrascht (-1 auf Verteidigungswürfe): Wahrnehmung +1 gegen Wahrnehmung +3.3 (Durchschnitt Randolph, Melinda und Charles)
[2]Es wird nun zu Dritt ein Gewalt-Wert ausgewürfelt, den Maura übertreffen muss, um sich erfolgreich gegen den Angriff zu wehren.
Umbra- Tiefseemonster
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Melinda erkannte erst durch den Wink von Charles, dass sie völlig vergessen hatte, was sie tun sollte. Sie war in Gedanken gewesen.
Äußerst nachlässig!
Glücklicherweise blieb keine Zeit die Situation zu klären, aber Charles würde vielleicht später noch darauf zurückkommen. Ihr würde sicherlich etwas einfallen um zu erklären, wie es dazu kam...wenn ihr bis dahin etwas Gutes einfiel. Doch dafür blieb später noch Zeit. Stattdessen konnte sie sich es nicht verkneifen zu lächeln, als sie den Plan von Norly hörte. Endlich mal wieder etwas nach ihrem Geschmack.
Der richtige Augenblick war gekommen! Charles, Randy und sie griffen gleichzeitig nach Maura und brachten sie unter ihre Gewalt. Norly hatte ein Taschentuch mit Chloroform zur Hand und nutze es zielsicher.
Kennst du das noch irgendwo her? Bei dir hat er es genauso gemacht...Hach...ist das schon so lange her...?
Die Gegenwehr von Maura ließ langsam aber sicher nach.
Hehehehehehehehehe
Äußerst nachlässig!
Glücklicherweise blieb keine Zeit die Situation zu klären, aber Charles würde vielleicht später noch darauf zurückkommen. Ihr würde sicherlich etwas einfallen um zu erklären, wie es dazu kam...wenn ihr bis dahin etwas Gutes einfiel. Doch dafür blieb später noch Zeit. Stattdessen konnte sie sich es nicht verkneifen zu lächeln, als sie den Plan von Norly hörte. Endlich mal wieder etwas nach ihrem Geschmack.
Der richtige Augenblick war gekommen! Charles, Randy und sie griffen gleichzeitig nach Maura und brachten sie unter ihre Gewalt. Norly hatte ein Taschentuch mit Chloroform zur Hand und nutze es zielsicher.
Kennst du das noch irgendwo her? Bei dir hat er es genauso gemacht...Hach...ist das schon so lange her...?
Die Gegenwehr von Maura ließ langsam aber sicher nach.
Hehehehehehehehehe
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Maura wartete geduldig im Kutscheninneren. Es war nicht sehr hell, und allzu groß war der Innenraum des Gefährts auch nicht. Ihr gefiel der Gedanke nicht, in diesem beengten Raum gleich mit drei Gestalten sitzen zu müssen, die ihr zum Großteil unsympathisch waren, doch für solche Albernheiten war jetzt kaum der passende Zeitpunkt.
Außerdem – hatte sie eine Wahl?
Eigentlich nicht.
Ihre neuen ‚Begleiter‘ kamen nicht sofort, doch Maura machte sich keine Gedanken darüber. Stattdessen blickte sie ins Leere und ließ die Gedanken schweifen. Wirklich nervös fühlte sie sich nicht, wie sie mit Erstaunen feststellte; vielleicht, da sie zugleich das Gefühl hatte, die Lage noch gut unter Kontrolle zu haben.
Abgesehen von ihrem Mageninhalt, natürlich. Was für eine peinliche Aktion. Doch niemand hatte groß Notiz davon genommen, und Maura war sehr dankbar dafür.
Schließlich stiegen Norly und die anderen ein. Sie rückte unwillkürlich ein Stück zur Seite. Die Fahrt ging los, endlich.
Und mit einem Mal geschah etwas, das sie nicht im Mindesten hatte kommen sehen.
Wie auf ein geheimes Zeichen hin stürzen sich die Kutscheninsassen alle gleichzeitig auf sie; die Frau links, der widerliche Doktor rechts, und Norly, der Mistkerl höchstpersönlich, von vorne. In der Hand hielt er ein Taschentuch, und Maura musste nicht nachfragen, um zu wissen, was er vorhatte – sie hatte genug Kriminalromane geschrieben, um mit derartigen Vorgängen vertraut zu sein. Sie versuchte noch, ihre Angreifer mit einigen ausgesuchten Schimpfwörtern zu bedenken, doch dafür blieb ihr weder Zeit noch Atem. Schon fühlte sie das feuchte Taschentuch auf ihrer Nase; eine Woge des Ekels überkam sie. Sie gab ihr Bestes, nicht einzuatmen und den Kopf zur Seite zu drehen, gleichzeitig kämpfte sie gegen den Griff ihrer Peiniger an, doch dazu fehlte ihr alle Kraft – der Konflikt mit dem Iren hatte sie stärker mitgenommen, als sie vermutet hatte.
Wie hatte sie nur so dumm sein können! Norly war nichts weiter als eine Ausgeburt an Niedertracht – und sie hätte beinahe den Fehler gemacht, ihm zu vertrauen. Etwas so Naives forderte natürlich seinen Tribut …
Ihre Lungen schrien nach Luft. Vor ihren Augen tanzten schwarz-gelbe Flecken, Norlys Gesicht verschwamm.
Sie musste Atmen. Jetzt.
Es war nur ein kurzes Luftholen, doch es reichte aus. Maura roch den Gestank des Chloroforms und hatte das unangenehme Gefühl, sich erneut übergeben zu müssen. Doch dazu kam es nicht. Ihr Blick trübte sich, und die Geräusche der Kutsche klangen mit einem Mal hohl und dumpf.
Dann wurde alles schwarz.
Außerdem – hatte sie eine Wahl?
Eigentlich nicht.
Ihre neuen ‚Begleiter‘ kamen nicht sofort, doch Maura machte sich keine Gedanken darüber. Stattdessen blickte sie ins Leere und ließ die Gedanken schweifen. Wirklich nervös fühlte sie sich nicht, wie sie mit Erstaunen feststellte; vielleicht, da sie zugleich das Gefühl hatte, die Lage noch gut unter Kontrolle zu haben.
Abgesehen von ihrem Mageninhalt, natürlich. Was für eine peinliche Aktion. Doch niemand hatte groß Notiz davon genommen, und Maura war sehr dankbar dafür.
Schließlich stiegen Norly und die anderen ein. Sie rückte unwillkürlich ein Stück zur Seite. Die Fahrt ging los, endlich.
Und mit einem Mal geschah etwas, das sie nicht im Mindesten hatte kommen sehen.
Wie auf ein geheimes Zeichen hin stürzen sich die Kutscheninsassen alle gleichzeitig auf sie; die Frau links, der widerliche Doktor rechts, und Norly, der Mistkerl höchstpersönlich, von vorne. In der Hand hielt er ein Taschentuch, und Maura musste nicht nachfragen, um zu wissen, was er vorhatte – sie hatte genug Kriminalromane geschrieben, um mit derartigen Vorgängen vertraut zu sein. Sie versuchte noch, ihre Angreifer mit einigen ausgesuchten Schimpfwörtern zu bedenken, doch dafür blieb ihr weder Zeit noch Atem. Schon fühlte sie das feuchte Taschentuch auf ihrer Nase; eine Woge des Ekels überkam sie. Sie gab ihr Bestes, nicht einzuatmen und den Kopf zur Seite zu drehen, gleichzeitig kämpfte sie gegen den Griff ihrer Peiniger an, doch dazu fehlte ihr alle Kraft – der Konflikt mit dem Iren hatte sie stärker mitgenommen, als sie vermutet hatte.
Wie hatte sie nur so dumm sein können! Norly war nichts weiter als eine Ausgeburt an Niedertracht – und sie hätte beinahe den Fehler gemacht, ihm zu vertrauen. Etwas so Naives forderte natürlich seinen Tribut …
Ihre Lungen schrien nach Luft. Vor ihren Augen tanzten schwarz-gelbe Flecken, Norlys Gesicht verschwamm.
Sie musste Atmen. Jetzt.
Es war nur ein kurzes Luftholen, doch es reichte aus. Maura roch den Gestank des Chloroforms und hatte das unangenehme Gefühl, sich erneut übergeben zu müssen. Doch dazu kam es nicht. Ihr Blick trübte sich, und die Geräusche der Kutsche klangen mit einem Mal hohl und dumpf.
Dann wurde alles schwarz.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Mrs. Thomson zu betäuben, war eine leidliche Prozedur. Es war nicht nur die Angst und der Hass in ihrem Blick, der Charles dazu brachte, angewidert von ihrer gemeinschaftlichen Missetat zu sein… es war nicht zu vermeiden, dass der süßliche Geruch des Chloroforms sich im Inneren der Kutsche ausbreitete – etwas nicht unbedingt Wünschenswertes. Das Erste, was Charles tat, als er merkte, dass Maura unter seinem Griff erschlaffte, war, das Taschentuch mit der Hand unter Vorhang hindurchzuführen und aus dem Fenster fallen zu lassen. Dass ungewollt noch jemand von ihnen zu viel des Betäubungsmittels einatmete, wäre der Situation nicht zuträglich. Dann erst machte er sich daran, seinen Körper aus der unbequemen Haltung zu hieven, die die Angriffsaktion (bei der er darauf geachtet hatte, Maura nicht mehr zu berühren, als es notwendig gewesen war) erfordert hatte. Etwas ungelenk stützte er sich an der Innenwand des Passagierwagens ab, um wieder auf die Beine zu kommen. Nun hatte er wieder die Gelegenheit, über Schmerzen nachzudenken. Natürlich konnte er zwischen den Sitzbänken aufgrund der niedrigen Decke nicht aufrecht stehen (er war froh, dass er überhaupt in der Lage war, stehen zu bleiben, bedachte man das Ruckeln des Wagens und die Verfassung seines geschundenen Körpers), aber er brauchte auch einen Moment, um sich zu seinem Sitzplatz zu hangeln. Er ließ sich einfach, vor Anstrengung und Schmerz schnaufend, auf die Bank plumpsen. Eleganz sah mit Sicherheit anders aus, aber dies war wohl die schonendste Variante für seine protestierenden Glieder.
Charles musste erst einmal wieder zu Atem kommen. Innerlich verfluchte er den Sturz vom Dach, den Kampf mit diesem Polizisten namens Leeland, zu dem er sich hatte hinreißen lassen, und auch den trinksüchtigen Iren mit seinem Messer – als hätte er, den man spöttisch „Scarface“ und „Scarred Charlie“ getauft hatte, nicht schon genug Narben, die blendet zu diesen unfreiwilligen Aliasen passten! Verärgert, vor allem, weil der Schnitt schmerzte, presste Charles wieder eine Hand auf die verwundete Seite (vermutlich verblutete er gerade, bei seinem Glück) und riss am Vorhang, um das Fenster wieder freizumachen. Ein wenig Licht, ein wenig frische Luft… Das konnte nicht schaden. Sofort strömte der mit Pferdemist und Ruß aromatisierte Stadtgestank hinein – eine dennoch gute Alternative zum Chloroform.
Charles verbarg sein Gesicht im Schatten, was ihm sehr gelegen kam, da er so den Kopf anlehnen konnte, und fixierte seine Mitfahrer mit müden Augen.
„Danke für Ihre Hilfe“, sagte er und schloss kurz einen Moment länger die Lider, als es für ein gewöhnliches Blinzeln notwendig gewesen wäre. Leider brachte dies dem Brennen seiner Augäpfel keine Linderung.
„Dieser Frau ist nicht zu trauen. Es kann nur zu unserem Nachteil sein, wenn sie uns belauschen und den Weg der Kutsche nachverfolgen kann. Eigentlich hatte ich mich vorgenommen, niemanden mehr zu entführen… aber in diesem Fall ist es die einfachste und sicherste Option.“
Das musste als Rechtfertigung für die soeben begangene Tat, auch sich selbst gegenüber, genügen. Anschließend klopfte er mit geballter Faust gegen die Wand neben sich und erhob ein wenig die Stimme.
„Finden Sie zurück nach Wigan, Mr. Wright?“,[1] erkundigte er sich, bevor er sich in gedämpfter Lautstärke direkt an Melinda wandte.
„Währen Sie so freundlich, unsere Begleiterin zu durchsuchen?“
Er selbst wagte dies nicht – der Anstand verbat es einfach, sie abzutasten und ihre Habseligkeiten zu durchwühlen. Zumindest, wenn man ein Mann war. Ein Gentleman.
Aber auch an Dr. Tremaine hatte Charles noch eine Bitte. Mit seiner freien Hand wühlte er aus seiner Manteltasche das Fläschchen Chloroform hervor und hielt es dem Arzt anbietend entgegen.
„Sie sind der Fachmann, Doktor: Würden Sie freundlicherweise dafür Sorge tragen, dass die Dame im Reich der leeren Träume bleibt?“
Er selbst hatte wenig Lust dazu. Er wollte sich am besten gar nicht mehr bewegen, bis sie den Zielort erreicht hatten. Charles hatte mit der Kutschfahrt selbst schon genug Schwierigkeiten. Dass er jede kleine Bodenubebenheit in den Gliedern spürte, war äußerst unangenehm. Hinzu kam, dass er Kutschfahrten auch in gesundem Zustand verabscheute. Dieses Ruckeln und Schaukeln...
Unterdessen konnte Gilbert auf dem Kutschbock nicht über eine stickige, beengte Umgebung klagen. Er stellte fest, dass er ein Händchen für seine aktuelle Beschäftigung zu haben schien. Das Steuern der Pferde ging ihm intuitiv von der Hand. Sonderlich schwer war es nicht, die Tiere mit den Zügeln zu lenken. Etwas anstrengender war es da schon, die Umgebung im Blick zu halten und niemanden der Passanten, die zwischen den fahrenden Kutschen und Karren über die Straße huschten, anzufahren... oder auch, nicht mit anderen Gefährten zusammenzuprallen. Frontal würden die Pferde wohl in kein Hindernis hineinlaufen, aber der Kutschwagen selbst war einfach groß und träge. Die Straßen waren voll von Menschen, allerdings wartete Gilbert vergeblich auf einen verärgerten Kutscher, der ihm hinterherfluchte und versuchte, aufzuschließen, um ihm die Hölle heißzumachen. Offenbar hatte die Ablenkung ausgereicht, um rechtzeitig aus der Reichweite dieses armen Mannes zu verschwinden.
[1]Gilbert: Ja, der Wurf reicht dafür aus, dass dir das sogar ohne Probleme gelingt.
Charles musste erst einmal wieder zu Atem kommen. Innerlich verfluchte er den Sturz vom Dach, den Kampf mit diesem Polizisten namens Leeland, zu dem er sich hatte hinreißen lassen, und auch den trinksüchtigen Iren mit seinem Messer – als hätte er, den man spöttisch „Scarface“ und „Scarred Charlie“ getauft hatte, nicht schon genug Narben, die blendet zu diesen unfreiwilligen Aliasen passten! Verärgert, vor allem, weil der Schnitt schmerzte, presste Charles wieder eine Hand auf die verwundete Seite (vermutlich verblutete er gerade, bei seinem Glück) und riss am Vorhang, um das Fenster wieder freizumachen. Ein wenig Licht, ein wenig frische Luft… Das konnte nicht schaden. Sofort strömte der mit Pferdemist und Ruß aromatisierte Stadtgestank hinein – eine dennoch gute Alternative zum Chloroform.
Charles verbarg sein Gesicht im Schatten, was ihm sehr gelegen kam, da er so den Kopf anlehnen konnte, und fixierte seine Mitfahrer mit müden Augen.
„Danke für Ihre Hilfe“, sagte er und schloss kurz einen Moment länger die Lider, als es für ein gewöhnliches Blinzeln notwendig gewesen wäre. Leider brachte dies dem Brennen seiner Augäpfel keine Linderung.
„Dieser Frau ist nicht zu trauen. Es kann nur zu unserem Nachteil sein, wenn sie uns belauschen und den Weg der Kutsche nachverfolgen kann. Eigentlich hatte ich mich vorgenommen, niemanden mehr zu entführen… aber in diesem Fall ist es die einfachste und sicherste Option.“
Das musste als Rechtfertigung für die soeben begangene Tat, auch sich selbst gegenüber, genügen. Anschließend klopfte er mit geballter Faust gegen die Wand neben sich und erhob ein wenig die Stimme.
„Finden Sie zurück nach Wigan, Mr. Wright?“,[1] erkundigte er sich, bevor er sich in gedämpfter Lautstärke direkt an Melinda wandte.
„Währen Sie so freundlich, unsere Begleiterin zu durchsuchen?“
Er selbst wagte dies nicht – der Anstand verbat es einfach, sie abzutasten und ihre Habseligkeiten zu durchwühlen. Zumindest, wenn man ein Mann war. Ein Gentleman.
Aber auch an Dr. Tremaine hatte Charles noch eine Bitte. Mit seiner freien Hand wühlte er aus seiner Manteltasche das Fläschchen Chloroform hervor und hielt es dem Arzt anbietend entgegen.
„Sie sind der Fachmann, Doktor: Würden Sie freundlicherweise dafür Sorge tragen, dass die Dame im Reich der leeren Träume bleibt?“
Er selbst hatte wenig Lust dazu. Er wollte sich am besten gar nicht mehr bewegen, bis sie den Zielort erreicht hatten. Charles hatte mit der Kutschfahrt selbst schon genug Schwierigkeiten. Dass er jede kleine Bodenubebenheit in den Gliedern spürte, war äußerst unangenehm. Hinzu kam, dass er Kutschfahrten auch in gesundem Zustand verabscheute. Dieses Ruckeln und Schaukeln...
Unterdessen konnte Gilbert auf dem Kutschbock nicht über eine stickige, beengte Umgebung klagen. Er stellte fest, dass er ein Händchen für seine aktuelle Beschäftigung zu haben schien. Das Steuern der Pferde ging ihm intuitiv von der Hand. Sonderlich schwer war es nicht, die Tiere mit den Zügeln zu lenken. Etwas anstrengender war es da schon, die Umgebung im Blick zu halten und niemanden der Passanten, die zwischen den fahrenden Kutschen und Karren über die Straße huschten, anzufahren... oder auch, nicht mit anderen Gefährten zusammenzuprallen. Frontal würden die Pferde wohl in kein Hindernis hineinlaufen, aber der Kutschwagen selbst war einfach groß und träge. Die Straßen waren voll von Menschen, allerdings wartete Gilbert vergeblich auf einen verärgerten Kutscher, der ihm hinterherfluchte und versuchte, aufzuschließen, um ihm die Hölle heißzumachen. Offenbar hatte die Ablenkung ausgereicht, um rechtzeitig aus der Reichweite dieses armen Mannes zu verschwinden.
[1]Gilbert: Ja, der Wurf reicht dafür aus, dass dir das sogar ohne Probleme gelingt.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Randolph atmete erschöpft aus, nachdem Mrs. Thomsons Körper unter seinem Griff erschlafft war und Charles das Chloroform entsorgt hatte. Bis dahin hatte er sich bemüht möglichst nicht einzuatmen. Es war nun wichtig bei klarem Verstand zu bleiben. Ächzend lehnte er sich zurück, gegen die hölzerne Kutschenwand, die ihm in regelmäßigen Abständen unangenehm gegen die Wirbel schlug.
Die grauen Augen des Doktors musterten kurz die bewusstlose Frau. Irgendwie sah sie jetzt friedlich aus. Sie ist immer noch eine dämliche, alte Schachtel, redete er sich aber dann ein und zog sich den Arztkoffer auf den Schoß. Er entnahm die Opiumspritze, die er zuvor noch für Mr. O’Sullivan präpariert hatte. Doch der Rotschopf würde dieses Vergnügen nicht mehr erleben müssen. Glück gehabt.
Er ergriff sanft die rechte Hand der älteren Frau und drehte sie um. Schon stach ihm eine schöne, blaue Vene ins Auge. Er setzte die Spritze an. Jetzt könnte ich sie töten. Er stach zu und intravenierte ihr ein wenig von dem Opium. Es war nur eine sehr geringe Menge, aber das sollte für sie ausreichen. Ich wünsche angenehme Träume…
Nachdem das Werk verrichtet war und er seinen Arztkoffer zur Seite geschoben hatte, wandte er sich Norly zu. Er hatte dem Plan zwar zugestimmt, aber das hieß nicht, dass er ihn voll und ganz befürwortete. Schnelles Handeln war gefragt gewesen und jetzt hatten sie immer noch genügend Zeit zu Diskutieren.
„Warum wollen sie sie mit zu sich nehmen?“, begann der Doktor, ohne lange um den heißen Brei herumzureden. „Es ist natürlich sinnvoll sie zu betäuben, wenn das der Plan ist. Aber mir stellt sich die Frage, warum wir sie nicht einfach bei ihrer Wohnung absetzen. Wir kennen diese Frau nicht, wir können ihr nicht trauen…und selbst wenn wir es könnten sehe ich keinen größeren Sinn darin sie dorthin zu bringen und noch tiefer in diese Angelegenheiten hinein zu ziehen.“
Auch wenn Mr.Wright sie vermutlich ohnehin nicht hören konnte, bemühte sich Randolph mit gedämpfter Stimme zu sprechen.
Die grauen Augen des Doktors musterten kurz die bewusstlose Frau. Irgendwie sah sie jetzt friedlich aus. Sie ist immer noch eine dämliche, alte Schachtel, redete er sich aber dann ein und zog sich den Arztkoffer auf den Schoß. Er entnahm die Opiumspritze, die er zuvor noch für Mr. O’Sullivan präpariert hatte. Doch der Rotschopf würde dieses Vergnügen nicht mehr erleben müssen. Glück gehabt.
Er ergriff sanft die rechte Hand der älteren Frau und drehte sie um. Schon stach ihm eine schöne, blaue Vene ins Auge. Er setzte die Spritze an. Jetzt könnte ich sie töten. Er stach zu und intravenierte ihr ein wenig von dem Opium. Es war nur eine sehr geringe Menge, aber das sollte für sie ausreichen. Ich wünsche angenehme Träume…
Nachdem das Werk verrichtet war und er seinen Arztkoffer zur Seite geschoben hatte, wandte er sich Norly zu. Er hatte dem Plan zwar zugestimmt, aber das hieß nicht, dass er ihn voll und ganz befürwortete. Schnelles Handeln war gefragt gewesen und jetzt hatten sie immer noch genügend Zeit zu Diskutieren.
„Warum wollen sie sie mit zu sich nehmen?“, begann der Doktor, ohne lange um den heißen Brei herumzureden. „Es ist natürlich sinnvoll sie zu betäuben, wenn das der Plan ist. Aber mir stellt sich die Frage, warum wir sie nicht einfach bei ihrer Wohnung absetzen. Wir kennen diese Frau nicht, wir können ihr nicht trauen…und selbst wenn wir es könnten sehe ich keinen größeren Sinn darin sie dorthin zu bringen und noch tiefer in diese Angelegenheiten hinein zu ziehen.“
Auch wenn Mr.Wright sie vermutlich ohnehin nicht hören konnte, bemühte sich Randolph mit gedämpfter Stimme zu sprechen.
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Charles steckte sein Chloroformfläschchen wieder ein, als Tremaine dieses ignorierte und stattdessen zu einer Spritze griff – Morphium, wie Charles vermutete. Dies wäre nicht seine erste Wahl gewesen, dazu hatte er die Nebenwirkungen dieses Opiats schon zu sehr am eigenen Leib gespürt, allerdings bot der Stoff auch den Vorteil, dass sie länger ihre Ruhe haben würden, ohne ihren eigenen Bewusstseinszustand durch gefährliche Dämpfe zu gefährden, wie es beim Chloroform der Fall gewesen wäre.
Eigentlich war der Schlummer, in den Mrs. Thomson auf diese Weise fiel, etwas Beneidenswertes. Charles sehnte sich so sehr nach Ruhe… Und nun, da er saß und sein Herzschlag sich beruhigen konnte, umtanzte der Schleier des Schlafes seine Wahrnehmung und drohte, seinen Willen, in dieser Situation noch wach zu bleiben, zu überwältigen. Daran änderte selbst das Ruckeln der Kutsche und auch das schmerzhafte Ziehen in seiner Seite bei jedem Atemzug nichts – von seinen ächzenden Gliedern und der pochenden Kruste an seiner Stirn einmal ganz zu schweigen.
Dennoch hörte Charles Dr. Tremaines Einwände, die bewusstlose Frau mit nach Wigan zu nehmen, und zwang sich dazu, die Augen offen zu halten.
„Es wäre zu risikobehaftet, sie heimzubringen“, begann Charles, seine Entscheidung zu erklären.
„Wir können sie in diesem Zustand nicht draußen vor der Tür absetzen“, nein, das wäre für Maura selbst zu gefährlich, „– und mit ihrem Schlüssel das Haus zu betreten, wäre unklug. Wir wissen nicht, was oder wer uns an diesem Ort erwarten würde: Familienmitglieder“, zählte er auf, „Bedienstete… im schlimmsten Fall eine Bande bewaffneter Halunken“, ergänzte er düster.
„Sie wollte heim und da ich ihr nicht traue, werde ich ihr diesen Willen nicht geben, ohne ihn zu hinterfragen. Ich halte es zwar für unwahrscheinlich, dass sie zu Mr. Raker und seinem Kumpan gehört, denn Mr. Stirlings ausgezehrte Ärmchen reichen wohl kaum bis nach Manchester“, meinte Charles geringschätzig, „aber wir können nicht wissen, wer darüber hinaus seine Finger mit im Spiel haben könnte. Ich gebe zu, dass es durchaus sein kann, dass sie mich gestern erkannt und sie allein aus eigenem Antrieb in die Lagerhalle gefunden hat – aber genauso sehr muss ich damit rechnen, dass sie jemand auf mich angesetzt hat. Ich bin nicht so naiv, sie zu unterschätzen, nur weil sie eine Frau ist. Ich werde niemanden mehr unterschätzen.“
Alan und O’Sullivan waren nur die jüngsten Beweise dafür, dass Vertrauensvorschüsse keine Option sein sollten, wenn die Kontrolle auf Charles‘ Seite nicht absolut gewährleistet war. Charles war sich bewusst, dass er durchaus dazu neigte, Risiken einzugehen – die Anwesenheit von Melinda, Randolph und Gilbert waren dafür Zeichen genug –, allerdings ließ er sich darauf in der Regel nur ein, wenn er sich sicher war, Probleme händeln zu können, wenn diese auftraten. In dieser Hinsicht war Charles pragmatisch gestrickt: Er wog Nutzen gegen Kosten und Risiko ab.
„Sie einfach zurückzulassen, ohne zu wissen, was sie weiß, werde ich mir nicht erlauben“, fuhr Charles fort.
„Allein, dass sie Zeugin der Geschehnisse in der Lagerhalle geworden ist, macht sie gefährlich für uns. Was ich brauche, ist ein ruhiger Ort in Sicherheit, an dem ich mich mit ihr unterhalten kann, und hierfür ist mein eigener Grund und Boden am besten geeignet.“
Mauras eigenes Haus oder ein neutraler Ort läge zu sehr in ihrer und außerhalb von Charles‘ Wohlfühlzone.
„Natürlich bietet Manchester allerlei Orte, die diese Grundvoraussetzung erfüllen würden“, gestand er ein, „aber sehen Sie sich selbst an – sehen Sie sich mich an, Dr. Tremaine: Wir brauchen Ruhe, das können Sie nicht leugnen. Da die Gelegenheit ausnahmsweise einmal günstig ist, Ihren ärztlichen Rat zu befolgen und mich zu schonen, will ich sie nutzen.“
Sich Schwäche einzugestehen, war in diesem Fall zu Charles‘ Vorteil, weil dies das Erreichen seines Willens begünstigte. Über sein körperliches Empfinden zu schweigen, so wie er es normalerweise bevorzugt hätte, brachte ihm in dieser Situation keinen Vorteil. Man sah ihm ohnehin an, dass es ihm nicht gut ging – warum dies also nicht als Argument verwenden?
„Ich nehme sie mit zu mir und stelle ihr einige Fragen“, schloss Charles seine Antwort. „Danach kann man sie immer noch heimbringen. So oder so können wir nicht in meinem Haus bleiben. Sobald wir sie in der Victoria Street zurücklassen, wird sie nichts davon abhalten, zur Polizei zu gehen – und in meinen eigenen vier Wänden wird man als erstes nach mir suchen. Kosten wir den Komfort meines Heims noch ein wenig aus, bevor wir eine andere Bleibe finden müssen oder direkt nach London zurückkehren. In dieser Stadt hält mich nun nichts mehr.“
Hier gab es nur zu viele schmerzliche Erinnerungen – und seit ihrer Ankunft hier waren nur ausschließlich schmerzliche dazugekommen: der Gefängnisaufenthalt, der Verlust seiner Tochter, die Schießerei mit Arthurs Verwundung, das Aufwühlen begrabener Gedanken durch den Aufenthalt in seinem Elternhaus, der Tod O’Sullivans, die Entführung dieser vorlauten Frau, die gerade schräg gegenüber von ihm saß und nichts vom Geschehen mitbekam…
Was würde sich noch in diese Liste einreihen?
Eigentlich war der Schlummer, in den Mrs. Thomson auf diese Weise fiel, etwas Beneidenswertes. Charles sehnte sich so sehr nach Ruhe… Und nun, da er saß und sein Herzschlag sich beruhigen konnte, umtanzte der Schleier des Schlafes seine Wahrnehmung und drohte, seinen Willen, in dieser Situation noch wach zu bleiben, zu überwältigen. Daran änderte selbst das Ruckeln der Kutsche und auch das schmerzhafte Ziehen in seiner Seite bei jedem Atemzug nichts – von seinen ächzenden Gliedern und der pochenden Kruste an seiner Stirn einmal ganz zu schweigen.
Dennoch hörte Charles Dr. Tremaines Einwände, die bewusstlose Frau mit nach Wigan zu nehmen, und zwang sich dazu, die Augen offen zu halten.
„Es wäre zu risikobehaftet, sie heimzubringen“, begann Charles, seine Entscheidung zu erklären.
„Wir können sie in diesem Zustand nicht draußen vor der Tür absetzen“, nein, das wäre für Maura selbst zu gefährlich, „– und mit ihrem Schlüssel das Haus zu betreten, wäre unklug. Wir wissen nicht, was oder wer uns an diesem Ort erwarten würde: Familienmitglieder“, zählte er auf, „Bedienstete… im schlimmsten Fall eine Bande bewaffneter Halunken“, ergänzte er düster.
„Sie wollte heim und da ich ihr nicht traue, werde ich ihr diesen Willen nicht geben, ohne ihn zu hinterfragen. Ich halte es zwar für unwahrscheinlich, dass sie zu Mr. Raker und seinem Kumpan gehört, denn Mr. Stirlings ausgezehrte Ärmchen reichen wohl kaum bis nach Manchester“, meinte Charles geringschätzig, „aber wir können nicht wissen, wer darüber hinaus seine Finger mit im Spiel haben könnte. Ich gebe zu, dass es durchaus sein kann, dass sie mich gestern erkannt und sie allein aus eigenem Antrieb in die Lagerhalle gefunden hat – aber genauso sehr muss ich damit rechnen, dass sie jemand auf mich angesetzt hat. Ich bin nicht so naiv, sie zu unterschätzen, nur weil sie eine Frau ist. Ich werde niemanden mehr unterschätzen.“
Alan und O’Sullivan waren nur die jüngsten Beweise dafür, dass Vertrauensvorschüsse keine Option sein sollten, wenn die Kontrolle auf Charles‘ Seite nicht absolut gewährleistet war. Charles war sich bewusst, dass er durchaus dazu neigte, Risiken einzugehen – die Anwesenheit von Melinda, Randolph und Gilbert waren dafür Zeichen genug –, allerdings ließ er sich darauf in der Regel nur ein, wenn er sich sicher war, Probleme händeln zu können, wenn diese auftraten. In dieser Hinsicht war Charles pragmatisch gestrickt: Er wog Nutzen gegen Kosten und Risiko ab.
„Sie einfach zurückzulassen, ohne zu wissen, was sie weiß, werde ich mir nicht erlauben“, fuhr Charles fort.
„Allein, dass sie Zeugin der Geschehnisse in der Lagerhalle geworden ist, macht sie gefährlich für uns. Was ich brauche, ist ein ruhiger Ort in Sicherheit, an dem ich mich mit ihr unterhalten kann, und hierfür ist mein eigener Grund und Boden am besten geeignet.“
Mauras eigenes Haus oder ein neutraler Ort läge zu sehr in ihrer und außerhalb von Charles‘ Wohlfühlzone.
„Natürlich bietet Manchester allerlei Orte, die diese Grundvoraussetzung erfüllen würden“, gestand er ein, „aber sehen Sie sich selbst an – sehen Sie sich mich an, Dr. Tremaine: Wir brauchen Ruhe, das können Sie nicht leugnen. Da die Gelegenheit ausnahmsweise einmal günstig ist, Ihren ärztlichen Rat zu befolgen und mich zu schonen, will ich sie nutzen.“
Sich Schwäche einzugestehen, war in diesem Fall zu Charles‘ Vorteil, weil dies das Erreichen seines Willens begünstigte. Über sein körperliches Empfinden zu schweigen, so wie er es normalerweise bevorzugt hätte, brachte ihm in dieser Situation keinen Vorteil. Man sah ihm ohnehin an, dass es ihm nicht gut ging – warum dies also nicht als Argument verwenden?
„Ich nehme sie mit zu mir und stelle ihr einige Fragen“, schloss Charles seine Antwort. „Danach kann man sie immer noch heimbringen. So oder so können wir nicht in meinem Haus bleiben. Sobald wir sie in der Victoria Street zurücklassen, wird sie nichts davon abhalten, zur Polizei zu gehen – und in meinen eigenen vier Wänden wird man als erstes nach mir suchen. Kosten wir den Komfort meines Heims noch ein wenig aus, bevor wir eine andere Bleibe finden müssen oder direkt nach London zurückkehren. In dieser Stadt hält mich nun nichts mehr.“
Hier gab es nur zu viele schmerzliche Erinnerungen – und seit ihrer Ankunft hier waren nur ausschließlich schmerzliche dazugekommen: der Gefängnisaufenthalt, der Verlust seiner Tochter, die Schießerei mit Arthurs Verwundung, das Aufwühlen begrabener Gedanken durch den Aufenthalt in seinem Elternhaus, der Tod O’Sullivans, die Entführung dieser vorlauten Frau, die gerade schräg gegenüber von ihm saß und nichts vom Geschehen mitbekam…
Was würde sich noch in diese Liste einreihen?
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Randolph dachte mit in Falten gelegter Stirn über Charles‘ Worte nach. Norly hatte mit einigen seiner Punkte durchaus Recht. Es war nachvollziehbar die Alte mit zu schleppen. Aber dennoch: Jede Sekunde, die er länger in der Gegenwart dieser Frau verbringen musste, reizte ihn. Das war das Weib, das O’Sullivan auf dem Gewissen hatte. Natürlich: Es war Charles‘ namenloser Begleiter gewesen, der ihn erschossen hatte. Aber er war nur der Metzger gewesen. Thomson war die Schweinehirtin, die den Iren zur Schlachtbank führte.
Und dazu kam noch ihr Gerede, dass wahrlich um ein vielfaches nervenaufreibender war, als Norlys Monologe. Randolph mochte viele Menschen nicht. Aber Thomson gelang es relativ schnell ihn zur Weißglut zu bringen. Wir sollten sie trotzdem vor ihrem Haus abladen. Irgendwann wird jemand von ihrer Familie sie schon finden. Und wenn nicht, kommt sie alleine wieder auf die Beine.
Das waren bösartige, zynische Gedanken des Doktors. Er wusste, dass sie es nicht tun konnten, aber dennoch war er besorgt diese Frau mitzunehmen. Sie wusste im Moment schon viel und je länger sie sich in ihrer Gegenwart aufhielt, desto mehr würde sie noch herausfinden. Maura Thomson war offenkundig gefährlich. Sie schien ähnlich lebensmüde wie O’Sullivan zu sein, nur dass sie ihre wahren Motive vermutlich gut verbergen konnte.
Auch sie schien auf gewisse Weise radikal in ihrem Bestreben vorzugehen. Das Donny bei ihrem unterhaltsamen Plausch hätte verrecken können, hatte sie nicht sonderlich irritiert. Der Ire und sie waren einander nicht mal so unähnlich. Charles sah das natürlich anders. Aber er war auch nicht von Anfang an bei ihr gewesen.
Randolph würde diese Frau nicht unterschätzen. Vielleicht könnte man etwas herausfinden, wenn man sie befragen würde, aber der Doktor war sich nicht sicher, ob es dieses Risiko wert war. Und wenn sie die alte Schachtel nun zu Norlys Haus brachten, würde auch Oxley noch in diese Angelegenheit hineingezogen werden. Als Mithelfer von Charles wäre er mit Sicherheit auch in Gefahr.
Aber wenn Norly Schmerzen hatte…er selbst hätte vermutlich versucht das Ganze hinzunehmen, aber wollte auch nicht die Gesundheit eines seiner Patienten riskieren. Charles hatte Recht damit, dass er Ruhe brauchte.
Schließlich nickte Randolph: „In Ordnung. Ich denke, wir sollten uns dann allerdings auch noch einmal mit Mr. Wright auseinandersetzen. Seit ihrer Verhaftung hat er nichts mehr getan, was Vorwürfe gegen ihn erhärten würde, aber auch ihm können wir nicht trauen. Seine Gründe, warum genau er bei uns aufgetaucht ist, erscheinen mir schleierhaft, um ehrlich zu sein.“
Mr. Wright hatte sich tatsächlich als vertrauenswürdig und sogar nützlich erwiesen, aber man konnte nie wissen. Über seine wahren Motive war sich der Doktor immer noch nicht im Klaren.
Und dazu kam noch ihr Gerede, dass wahrlich um ein vielfaches nervenaufreibender war, als Norlys Monologe. Randolph mochte viele Menschen nicht. Aber Thomson gelang es relativ schnell ihn zur Weißglut zu bringen. Wir sollten sie trotzdem vor ihrem Haus abladen. Irgendwann wird jemand von ihrer Familie sie schon finden. Und wenn nicht, kommt sie alleine wieder auf die Beine.
Das waren bösartige, zynische Gedanken des Doktors. Er wusste, dass sie es nicht tun konnten, aber dennoch war er besorgt diese Frau mitzunehmen. Sie wusste im Moment schon viel und je länger sie sich in ihrer Gegenwart aufhielt, desto mehr würde sie noch herausfinden. Maura Thomson war offenkundig gefährlich. Sie schien ähnlich lebensmüde wie O’Sullivan zu sein, nur dass sie ihre wahren Motive vermutlich gut verbergen konnte.
Auch sie schien auf gewisse Weise radikal in ihrem Bestreben vorzugehen. Das Donny bei ihrem unterhaltsamen Plausch hätte verrecken können, hatte sie nicht sonderlich irritiert. Der Ire und sie waren einander nicht mal so unähnlich. Charles sah das natürlich anders. Aber er war auch nicht von Anfang an bei ihr gewesen.
Randolph würde diese Frau nicht unterschätzen. Vielleicht könnte man etwas herausfinden, wenn man sie befragen würde, aber der Doktor war sich nicht sicher, ob es dieses Risiko wert war. Und wenn sie die alte Schachtel nun zu Norlys Haus brachten, würde auch Oxley noch in diese Angelegenheit hineingezogen werden. Als Mithelfer von Charles wäre er mit Sicherheit auch in Gefahr.
Aber wenn Norly Schmerzen hatte…er selbst hätte vermutlich versucht das Ganze hinzunehmen, aber wollte auch nicht die Gesundheit eines seiner Patienten riskieren. Charles hatte Recht damit, dass er Ruhe brauchte.
Schließlich nickte Randolph: „In Ordnung. Ich denke, wir sollten uns dann allerdings auch noch einmal mit Mr. Wright auseinandersetzen. Seit ihrer Verhaftung hat er nichts mehr getan, was Vorwürfe gegen ihn erhärten würde, aber auch ihm können wir nicht trauen. Seine Gründe, warum genau er bei uns aufgetaucht ist, erscheinen mir schleierhaft, um ehrlich zu sein.“
Mr. Wright hatte sich tatsächlich als vertrauenswürdig und sogar nützlich erwiesen, aber man konnte nie wissen. Über seine wahren Motive war sich der Doktor immer noch nicht im Klaren.
Zuletzt von Darnamur am Mo Jun 29 2015, 00:39 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Ein kurzer Blick über die Schulter und ein selbstbewusstes "Natürlich finde ich den Weg zurück nach Wigan. Für wen oder was halten Sie mich, Mr. Norly?" war die Antwort auf Norlys Frage. So sicher Gilbert geantwortet hatte, war er dann aber doch nicht. Viel zu sehr musste er sich darauf konzentrieren, die Pferde richtig zu lenken und dabei nicht mit einem Passanten oder einem anderen Gefährt zusammenzustoßen. Doch je mehr Zeit verging, desto sicherer war Gilbert sich, dass er keinerlei Probleme haben würde, die kleine Gruppe zurück in Sicherheit zu bringen. Oxley würde sich sicherlich freuen, Thomson begrüßen zu dürfen. Der alte Butler war auf Fremde ja sowieso schon nicht besonders gut zu sprechen und in den letzten Tagen hatte es recht viele davon gegeben. Allerdings war ein griesgrämiger Butler, einer möglicherweise gefährlichen alten Frau sicherlich vorzuziehen. Wer konnte schon ahnen, was in Ms. Thomsons Kopf vorging und was sie als Nächstes plante? Gilbert war jetzt auch in Gefahr, denn wie sagte man so schön: Mitgehangen, mitgefangen. Er war ein Mittäter an dem Verbrechen im Lagerhaus.
Zumindest hatte die Situation etwas Gutes - der Kutscher war nicht zu sehen. Irgendwie tat der Mann ihm schon Leid aber jetzt war nicht die Zeit ihn zu bedauern. Der Mann konnte von Glück sagen, dass er auf den Trick mit dem Gepäck reingefallen war, denn sonst hätten sie ihm wahrscheinlich mit Gewalt die Kutsche abnehmen müssen. Außer ihm, schien niemand in der Gruppe Probleme mit aggressivem Vorgehen zu haben.
Gilbert verscheuchte diese Gedanken. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen und so es ihm möglich war, würde er genau das tun. Zum Glück war in der Vergangenheit oft aufgrund verschiedener Geschäfte in Manchester gewesen und kannte sich deshalb gut aus. Die Stadt war fast wie ein zweites Zuhause für ihn, auch wenn seine bloße Anwesenheit hier eigentlich schmerzhaft sein müsste. Hier hatte Gilbert einen Großteil dessen gelernt, was ihn später dazu hatte befähigen sollen, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und ins Textilgeschäft einzusteigen. Es war nie so weit gekommen und darüber war der Maler froh - auch wenn der Grund dafür ihn ganz und gar nicht fröhlich stimmte.
Gilbert seufzte und konzentrierte sich wieder auf das Lenken der Kutsche und Ausweichen der Menschen. Es war noch ein weiter Weg bis nach Wigan - viel Zeit um nachzudenken und alleine mit seinen Gedanken zu sein. Er wusste jetzt schon, dass er - wenn sie das Herrenhaus erreicht hatten - einen großen Schluck Whiskey brauchen würde, um all diese Gedanken wieder wegzuspülen.
Zumindest hatte die Situation etwas Gutes - der Kutscher war nicht zu sehen. Irgendwie tat der Mann ihm schon Leid aber jetzt war nicht die Zeit ihn zu bedauern. Der Mann konnte von Glück sagen, dass er auf den Trick mit dem Gepäck reingefallen war, denn sonst hätten sie ihm wahrscheinlich mit Gewalt die Kutsche abnehmen müssen. Außer ihm, schien niemand in der Gruppe Probleme mit aggressivem Vorgehen zu haben.
Gilbert verscheuchte diese Gedanken. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen und so es ihm möglich war, würde er genau das tun. Zum Glück war in der Vergangenheit oft aufgrund verschiedener Geschäfte in Manchester gewesen und kannte sich deshalb gut aus. Die Stadt war fast wie ein zweites Zuhause für ihn, auch wenn seine bloße Anwesenheit hier eigentlich schmerzhaft sein müsste. Hier hatte Gilbert einen Großteil dessen gelernt, was ihn später dazu hatte befähigen sollen, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und ins Textilgeschäft einzusteigen. Es war nie so weit gekommen und darüber war der Maler froh - auch wenn der Grund dafür ihn ganz und gar nicht fröhlich stimmte.
Gilbert seufzte und konzentrierte sich wieder auf das Lenken der Kutsche und Ausweichen der Menschen. Es war noch ein weiter Weg bis nach Wigan - viel Zeit um nachzudenken und alleine mit seinen Gedanken zu sein. Er wusste jetzt schon, dass er - wenn sie das Herrenhaus erreicht hatten - einen großen Schluck Whiskey brauchen würde, um all diese Gedanken wieder wegzuspülen.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Charles war froh, dass sich Dr. Tremaine einsichtig zeigte. Er fühlte sich momentan nicht in Stimmung für Streit. Er wollte einfach nur noch schlafen – etwas was er solange aufschieben wollte, bis er sich an einem adäquaten Ort dafür wusste. Es fiel ihm wirklich schwer, sich noch zu konzentrieren, jedoch sah er in einem Gespräch willkommene Ablenkung für seinen Verstand, der sich nachdrücklich dem Wachsein entziehen wollte.
„Darauf müssen Sie mich nicht aufmerksam machen“, erwiderte Charles auf des Doktors Bedenken bezüglich Gilbert Wrights Motive.
„Sie scheinen zu vergessen, dass ich noch weniger über Mr. Wrights Gesellschaft weiß als sie. Ich habe mich mit ihm unterhalten, in der Kutsche, nach unserer Verhaftung – er schien keine sonderlichen Ambitionen zu hegen, länger Zeit mit mir zu verbringen als nötig. Umso mehr musste ich mich darüber wundern, ihn unter meinem Dach anzutreffen. Ich weiß nicht, was Sie sich dabei gedacht haben, ihn mitzunehmen, aber Ihnen ist hoffentlich bewusst, dass er zuvor mit Sicherheit einen Plausch mit dem Yard-Inspektor hatte, der mir am Bahnhof aufgelauert hat.“
Allein beim Gedanken an diesen Polizisten verfinsterte sich Charles‘ Blick.
„Ich rechne fest damit, dass dieser Mistkerl stinkwütend darüber ist, dass die hiesige Polizei mich hat gehen lassen“ – was durchaus naheliegend war. Damit hatte man dem armen Yardinspektor den Fang seines Lebens entrissen. Charles selbst würde dies an dessen Stelle nicht auf sich sitzen lassen.
Er atmete tief aus. Dr. Tremaine hatte im Grunde wirklich zu wenig Ahnung von den Umständen, um sich ein passendes Gesamtbild zu machen.
„Die Situation ist nicht nur aufgrund des just Geschehenen alles andere als entspannt für uns“, fuhr Charles fot. „Dass uns der werte Herr Inspektor noch Ärger bereiten wird, ist sehr wahrscheinlich. Ob Mr. Wright dabei eine Rolle spielen wird, kann ich nicht sagen. Allerdings gab er an, seine Neugier und die Bitte einer flüchtigen Bekanntschaft hätten ihn dazu bewegt – und ich bin mir nicht sicher, ob er damit wirklich diesen vorwitzigen Burschen namens Porter meinte“, grollte er mit einem Mal missgelaunt und geringschätzig, „der um…“, er zögerte, wählte aber dann keine persönliche Anrede, „Miss Stead herumscharwenzelt wie ein wollüstiger Köter.“
Nützte es etwas, sich über diesen Umstand zu ärgern? Verhindern konnte Charles es vorerst nicht, dass Jonathan Jo… Miss Stead näher war, als man es für akzeptabel halten könnte. Dass er dies missbilligte, war ihm bewusst. Eigentlich ging es ihn nun nichts mehr an. Eigentlich. Dies schmerzte. Charles fühlte sich trotzdem verantwortlich. Möglicherweise würde er etwas unternehmen. Porter war ihm nicht nur deswegen ein großer Dorn im Auge. Porter wusste zu viel.
Viel zu viele Menschen wussten zu viel.
Dies bedeutete Gefahr.
Charles besann sich auf seine Prinzipien, die ihn in letzter Zeit hatten überleben lassen. All den Leuten, die ihm schaden konnten und wollten, in die Hände zu spielen, war taktisch nicht gerade vorteilhaft. So war es auch ihr bisheriges Ziel – das Anwesen der (nun Ein-Mann-)Familie Norly, nicht.
„In Anbetracht der nicht geringer werdenden Bedrohung durch Personen und Mächte, die ich nicht kontrollieren kann“, meinte Charles darum nach kurzem Schweigen, „ist es vielleicht doch nicht sehr ratsam, in meinem Haus zu verweilen, weil dies offenkundige Nachteile hätte.“
Die Lage desselben inmitten des Grundstückes war hinderlich, um ungesehen, auch noch mit einer bewusstlosen Frau, die getragen werden musste, ins Haus zu gelangen… außerdem war es aufgrund der gleichen Voraussetzung ein schlechter Ort, um sich selbst verteidigen. Man könnte leicht umstellt werden. Eine Flucht wäre unmöglich. Ja, das war offensichtlich. Dies musste Charles nicht erklären. Zu bedenken war Folgendes:
„Dabei ist der Yard noch eins der kleineren Probleme. Porter, vielleicht meine Nachbarn, die Leute, die mir die Morde angehängt haben… Jeder Mitwisser ist eine Gefahr für uns – aber auch für sich selbst. Sie haben in London erlebt, was im Haus der Mauneys geschehen ist“, erinnerte Charles den Doktor, „nur weil Stirling und Sie sich selten dämlich angestellt haben. Wir werden beobachtet, sicher auch in diesem Moment. Diese Leute halten sich zurück, solange sie nicht glauben, einschreiten zu müssen – verstehen Sie?“
Wann genau, allerdings, glaubten sie, eingreifen zu müssen? Sie hielten sich eigentlich im Hintergrund, um ihre Fäden zu spinnen. Sie agierten und mordeten aus den Schatten heraus.
„Vor dem Polizeirevier haben Sie sich gezeigt und, warum auch immer, Porter und Wright angegriffen.“
Ja, warum? Dies war noch ein Rätsel, das es zu lösen galt. Sicherlich war es ihnen eine Priorität, unerkannt zu bleiben. Dies musste ihrem Vorgehen beim Polizeirevier nicht widersprechen. Hatten sie ihre Handlanger losgeschickt, um Wright und Porter abzulenken? Wenn ja, wovon? Oder war der Überfall am Ende eine Erfindung von den beiden „Opfern“? Charles war nicht anwesend gewesen. Er behielt die Möglichkeit, darüber angelogen worden zu sein, im Hinterkopf, setzte aber für seine Überlegungen erst einmal voraus, dass sich dieser Vorfall tatsächlich ereignet hatte.
„Nun, da ich weiß, dass dies nicht Stirlings Idioten zu verantworten haben, fühle ich mich ein weiteres Mal in der Befürchtung bestätigt, dass diese Unbekannten die Schlinge immer enger ziehen. Es gab zu viele Anschläge, zu viele Tote in den letzten Tagen. Sie wollen mir die letzte Luft zum Atmen rauben, mich in den Wahnsinn treiben, nachdem sie mich nun schon monatelang gequält haben, aber ich werde den Spieß umdrehen. Ich brauche nur eine Gelegenheit…“, murmelte er schließlich. Er musste ihnen eine Falle stellen. Erneut. Bisher war dies mit keinem Erfolg gekrönt gewesen, aber er sah es so: Je näher sie ihm kamen, desto einfacher würde es werden.
Darüber würde Charles sich später genauere Gedanken machen. Er hatte mehrere Ideen, die noch präziserer Planung bedurften.
„Vorerst, jedoch, müssen wir uns zurückziehen“, lenkte er wieder das Thema auf das akute Problem, das sie hatten, zurück: das Finden einer Unterkunft. Er hatte etwas in der Hinterhand.
„Wie der Zufall es möchte, kenne einen passenden Ort, den man zwar auch mit mir in Verbindung bringt, aber er wird gemieden, sogar von der hiesigen Polizei, also werden wir dort gewiss sicher vor anderen neugierigen Augen und Ohren sein. Sollte sich dennoch unerwünschter Besuch, wie der Yardmann, dorthin verirren – was ich nicht für ausgeschlossen halte –, muss uns das nicht beunruhigen. Sie werden sehen, was ich meine, wenn wir dort sind.“
Dies waren die positiven Aspekte. Um die negativen würde Charles sich vor Ort kümmern.
„Wigan bleibt die richtige Richtung“, war das einzige, was er noch preisgab, und verfiel dann für den Rest des Weges in Schweigen –bis es von Nöten war, Mr. Wright Richtungsanweisungen zu geben.
Charles führte die Kutsche in eine etwas abgeschiedene Gegend des Stadtteil Wigans, in dem die Häuser bei Weitem nicht so nobel waren wie in der Straße, an die sein Anwesen grenzte. Dabei wusste er, dass sie sich mit jedem Atemzug dennoch seinem Besitz näherten – beziehungsweise einem Grundstück, das man ihm offiziell weggenommen hatte (so wie alles andere), solange er sich einer Klärung der Scarface-Angelegenheit entzog. Da diese (gerichtliche) Klärung zum aktuellen Stand der Dinge hingegen mit seinem Todesurteil enden würde, hatte Charles nicht das Bedürfnis, diesen Weg zu gehen. Allerdings hinderte ihn das nicht daran, das Fabrikgelände als sein Eigentum anzusehen – genauso wie alles, was vor Hills feigem Manöver zu Charles‘ Habe gehört hatte.
Er hatte nun einige Zeit gehabt, sich zu überlegen, wie er vorgehen würde, wenn sie angekommen waren. Die anderen würden vor vollendete Tatsachen gestellt. Es war schwer vorherzusagen, wie dies enden würde. Charles war jedoch entschlossen, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Es war besser, in der stillgelegten „Norman Mill“ Unterschlupf zu suchen, als das Risiko einzugehen, beim Tragen von Maura über das Grundstück beobachtet zu werden. Zudem wäre es unmöglich, heimlich von dort zu fliehen, sollten sie das Bedürfnis danach verspüren. Der Komfort auf dem Fabrikgelände war, selbstverständlich, bescheiden, verglich man ihn mit dem Luxus seines Elternhauses, aber das Verwaltungsgebäude bot Räumlichkeiten, die sich dafür eigneten, darin zu wohnen, ohne sich wie ein Landstreicher fühlen zu müssen.
In der Theorie, jedenfalls. In der Praxis würde vielleicht zuvor noch eine Hürde zu überwinden sein.
Charles wies Gilbert an, durch ein breites, in etwa mannshohes Mauerwerk eingefasstes, eisernes Gattertor zu fahren (es stand bereits offen), an dem ein Blechschild befestigt war. Auf schwarzem, abblätterndem Grund standen in goldener Schrift die Lettern:
norman mill
c. l. norly
norman hill road 3
Wie Charles dieses Ort[1] hasste… Einst war er Arbeitsplatz von rund vierhundert Menschen gewesen. Er hatte zu ihnen gehört… auch wenn alle für ihn gearbeitet hatten. Sein Name sah aus wie der Schriftzug auf einem Grabstein. Es war das letzte in einer Reihe von Schilden, die hier im Laufe der Zeit befestigt gewesen waren. Einst hatte hier „J. T. Norly“ gestanden – der Name seines Großvaters. Dann „J. T. Norly & Son“ – nachdem sein Vater ins Geschäft eingestiegen war. „W. J. Norly“ nach dem Tod seines Großvaters. „W. J. Norly & Bakersfield“ – nach Beginn der Geschäftspartnerschaft mit dem Großhändler George Bakersfield, mit der die internationale Expandierung des Betriebs begonnen hatte. „W. J. Norly & Sons & Bakersfield“ – da hatte Charles‘ Unglück seinen Lauf genommen. „W. J. Norly & Sons“ – nachdem Charles‘ Bruder verstorben war, war die Partnerschaft mit Bakersfield in die Brüche gegangen, aber in Gedenken an Timothy hatte sein Vater ihn trotzdem auf dem Schild erwähnt haben wollen. Schließlich hatte Charles alles geerbt. Nicht, dass er das gewollt hatte. Er hatte den Betrieb nie führen wollen. Eigentlich war es eine Genugtuung, das Unkraut zu sehen, das auf dem Gelände wucherte.
Das Fabrikgebäude selbst war riesig. Die genauen Ausmaße kannte Charles nicht, aber es dauerte eine halbe Ewigkeit, es zu umrunden, und die drei Stockwerke, die es in die Höhe ragte, machten einen fast einschüchternden Eindruck. Es war einmal erweitert worden. Aber auch die Lagerhalle hatte eine ansehnliche Größe. Als Kind hatte Charles mit seinem Bruder gern Verstecken zwischen den aufgestapelten Säcken voller Baumwolle und den Paletten voller Garn gespielt. Gegen diese zwei ziegelroten Blöcke wirkte das Verwaltungsgebäude recht klein – aber im Grunde war es so groß, dass es zwei Reihenhäusern in der Innenstadt gleichkam. Dort fanden sich die ehemaligen Büros und Geschäftsräume der Verwaltung – wie der Name „Verwaltungsgebäude“ schon ahnen ließ. Darunter waren auch die Geschäftsführerräumlichkeiten. Sie umfassten, mitsamt Vorzimmer, in dem sein Sekretär gesessen hatte, ein halbes Stockwerk. Im Grunde war es eine ganze Wohnung. Büro, Aufenthaltsraum, Bad. Nur die Küche fehlte – die befand sich unten im Erdgeschoss (wer erwartete von dem Leiter eines Unternehmens, dass er sich selbst etwas zubereitete). Und ein Bett fehlte noch, vielleicht, allerdings hätte es vor Kunden und Geschäftspartnern seltsam ausgesehen, so etwas hinter dem Schreibtisch oder im Kaminzimmer (nur dort wäre Platz gewesen) stehen zu haben. Aber die Couch hatte Charles damals als sehr bequem und als gute Alternative für ein Bett empfunden.
Wenn er Glück hatte, stand sie noch da und wartete auf ihn. Wenn er Glück hatte und die aktuellen Bewohner dieser Räumlichkeiten das zuließen. Genau darin bestand die Hürde.
Charles klopfte gegen die Wagenwand und rief Gilbert „Halt!“ zu, als sie auf den Hof gefahren waren. Sobald die Räder stillstanden, stieg er aus.
„Warten Sie hier“, bat er die anderen und runzelte etwas besorgt die Stirn, da er ungewiss war, wie man ihn – wie man sie alle – empfangen würde.
Er hatte bisher bewusst verschwiegen, dass sich hier Leute aufhielten, um nicht wieder eine Diskussion heraufzubeschwören. Ob es Freunde oder Feinde waren, konnte Charles aktuell selbst noch nicht sagen. Seitdem er für seinen brutalen Serienmörder erklärt worden war, konnte er sich nicht unbedingt darauf verlassen, dass ihm alte Verbündete noch gut gesinnt waren.
„Ich werde vorgehen und uns ankündigen“, teilte Charles seinen Begleitern mit, ohne sich näher zu erklären, stapfte zielstrebig los. Seinen Zylinder ließ er in der Kutsche.
Oh, man hatte sie durchaus bereits bemerkt. Er spürte einige Augenpaare auf sich. Aber Charles hatte sowieso nicht vor, sich hineinzuschleichen wie ein Dieb. Er klopfte an, bevor er eintrat und die Tür hinter sich wieder ins Schloss schob.
Die Jahre ohne penible Pflege hatten den Eingangsbereich des Verwaltungsgebäudes, einst nobel und blitzeblank, etwas mitgenommen. Es war staubig – aber Charles hatte nicht die Zeit, sich umzusehen und in nostalgische Gedanken zu verfallen:
Im Augenwinkel bemerkte er eine rasche Bewegung, als auch schon zwei kräftige, tätowierte Hände grob nach dem Revers seines Mantels langten und ihn vor sich herschoben, bis er rücklings gegen die nächste Wand stieß. Charles wehrte sich nicht gegen diese bedrängende Handlung, erkannte er doch in seinem Gegenüber einen der Freunde, die er hier anzutreffen gehofft hatte – er hatte nicht erwartet, zur Begrüßung freudig umarmt zu werden. Allerdings war diese Art des Wiedersehens doch ein wenig schmerzhaft und das wutverzerrte Gesicht, das ihm entgegenblickte, war nicht gerade ein vielversprechender Anblick.
Charles lächelte gewinnend. Höchste Zeit, die Lage ein wenig zu entspannen.
„Lloyd…“, setzte er zur Beschwichtigung an und betonend die Hände an, doch die Faust, die sein Kinn traf, raubte ihm alle Sinne. Charles‘ Hinterkopf stieß gegen die Wand.
Alles wurde schwarz.[2]
Nur einen kurzen Moment später flog die Tür auf, durch die Charles soeben verschwunden war, und ein Mann schritt energisch auf den Hof, dessen Äußeres wohl alles andere als unauffällig war. Er trug eigentlich recht gewöhnliche Kleidung, die man wohl einem Arbeiter zuordnen würde – eine braune Stoffhose, ein helles Hemd und darüber eine dunkelbraune Weste –, allerdings waren seine sehnigen, aber kräftigen Hände und Arme (soweit die hochgekrempelten Ärmel Blicke zuließen) vollkommen mit mit schwarzer Tinte gestochenen Tattoomotiven bedeckt, und auch aus seinem Kragen ragten diese dauerhaften Bilder seitlich an seiner rechten Halsseite bis hinter sein Ohr empor. Da er jeden Muskel anzuspannen schien und auch die Hände gereizt zu Fäusten geballt hatte, traten die Tätowierungen[3] umso mehr hervor. Aber nicht nur das Künstliche an ihm war ein Blickfang: Er besaß aschblondes Haar, das er kurz trug, vielleicht, weil der Ansatz begann, eine Halbglatze auszubilden. Sein Barthaar war etwas dunkler und deutlich mit Grau durchzogen. Er ließ es sich als fast schon extravagenten Knebelbart stehen. Äußerst finster blickte dieser, wohl rund vierzigjährige, Mann den Neuankömmlingen auf dunkelgrünen Augen entgegen und verzog den Mund zu einem knurrigen Zähnefletschen.
„Verschwindet von hier!“, verlangte er mit einem leichten amerikanischen Akzent in der Stimme. „Wir haben euch nichts zu bieten.“
[1] Gelehrsamkeit/Gassenwissen (besonders Gilbert kann als Brancheninsider Genaueres über den Betrieb wissen)
„Darauf müssen Sie mich nicht aufmerksam machen“, erwiderte Charles auf des Doktors Bedenken bezüglich Gilbert Wrights Motive.
„Sie scheinen zu vergessen, dass ich noch weniger über Mr. Wrights Gesellschaft weiß als sie. Ich habe mich mit ihm unterhalten, in der Kutsche, nach unserer Verhaftung – er schien keine sonderlichen Ambitionen zu hegen, länger Zeit mit mir zu verbringen als nötig. Umso mehr musste ich mich darüber wundern, ihn unter meinem Dach anzutreffen. Ich weiß nicht, was Sie sich dabei gedacht haben, ihn mitzunehmen, aber Ihnen ist hoffentlich bewusst, dass er zuvor mit Sicherheit einen Plausch mit dem Yard-Inspektor hatte, der mir am Bahnhof aufgelauert hat.“
Allein beim Gedanken an diesen Polizisten verfinsterte sich Charles‘ Blick.
„Ich rechne fest damit, dass dieser Mistkerl stinkwütend darüber ist, dass die hiesige Polizei mich hat gehen lassen“ – was durchaus naheliegend war. Damit hatte man dem armen Yardinspektor den Fang seines Lebens entrissen. Charles selbst würde dies an dessen Stelle nicht auf sich sitzen lassen.
Er atmete tief aus. Dr. Tremaine hatte im Grunde wirklich zu wenig Ahnung von den Umständen, um sich ein passendes Gesamtbild zu machen.
„Die Situation ist nicht nur aufgrund des just Geschehenen alles andere als entspannt für uns“, fuhr Charles fot. „Dass uns der werte Herr Inspektor noch Ärger bereiten wird, ist sehr wahrscheinlich. Ob Mr. Wright dabei eine Rolle spielen wird, kann ich nicht sagen. Allerdings gab er an, seine Neugier und die Bitte einer flüchtigen Bekanntschaft hätten ihn dazu bewegt – und ich bin mir nicht sicher, ob er damit wirklich diesen vorwitzigen Burschen namens Porter meinte“, grollte er mit einem Mal missgelaunt und geringschätzig, „der um…“, er zögerte, wählte aber dann keine persönliche Anrede, „Miss Stead herumscharwenzelt wie ein wollüstiger Köter.“
Nützte es etwas, sich über diesen Umstand zu ärgern? Verhindern konnte Charles es vorerst nicht, dass Jonathan Jo… Miss Stead näher war, als man es für akzeptabel halten könnte. Dass er dies missbilligte, war ihm bewusst. Eigentlich ging es ihn nun nichts mehr an. Eigentlich. Dies schmerzte. Charles fühlte sich trotzdem verantwortlich. Möglicherweise würde er etwas unternehmen. Porter war ihm nicht nur deswegen ein großer Dorn im Auge. Porter wusste zu viel.
Viel zu viele Menschen wussten zu viel.
Dies bedeutete Gefahr.
Charles besann sich auf seine Prinzipien, die ihn in letzter Zeit hatten überleben lassen. All den Leuten, die ihm schaden konnten und wollten, in die Hände zu spielen, war taktisch nicht gerade vorteilhaft. So war es auch ihr bisheriges Ziel – das Anwesen der (nun Ein-Mann-)Familie Norly, nicht.
„In Anbetracht der nicht geringer werdenden Bedrohung durch Personen und Mächte, die ich nicht kontrollieren kann“, meinte Charles darum nach kurzem Schweigen, „ist es vielleicht doch nicht sehr ratsam, in meinem Haus zu verweilen, weil dies offenkundige Nachteile hätte.“
Die Lage desselben inmitten des Grundstückes war hinderlich, um ungesehen, auch noch mit einer bewusstlosen Frau, die getragen werden musste, ins Haus zu gelangen… außerdem war es aufgrund der gleichen Voraussetzung ein schlechter Ort, um sich selbst verteidigen. Man könnte leicht umstellt werden. Eine Flucht wäre unmöglich. Ja, das war offensichtlich. Dies musste Charles nicht erklären. Zu bedenken war Folgendes:
„Dabei ist der Yard noch eins der kleineren Probleme. Porter, vielleicht meine Nachbarn, die Leute, die mir die Morde angehängt haben… Jeder Mitwisser ist eine Gefahr für uns – aber auch für sich selbst. Sie haben in London erlebt, was im Haus der Mauneys geschehen ist“, erinnerte Charles den Doktor, „nur weil Stirling und Sie sich selten dämlich angestellt haben. Wir werden beobachtet, sicher auch in diesem Moment. Diese Leute halten sich zurück, solange sie nicht glauben, einschreiten zu müssen – verstehen Sie?“
Wann genau, allerdings, glaubten sie, eingreifen zu müssen? Sie hielten sich eigentlich im Hintergrund, um ihre Fäden zu spinnen. Sie agierten und mordeten aus den Schatten heraus.
„Vor dem Polizeirevier haben Sie sich gezeigt und, warum auch immer, Porter und Wright angegriffen.“
Ja, warum? Dies war noch ein Rätsel, das es zu lösen galt. Sicherlich war es ihnen eine Priorität, unerkannt zu bleiben. Dies musste ihrem Vorgehen beim Polizeirevier nicht widersprechen. Hatten sie ihre Handlanger losgeschickt, um Wright und Porter abzulenken? Wenn ja, wovon? Oder war der Überfall am Ende eine Erfindung von den beiden „Opfern“? Charles war nicht anwesend gewesen. Er behielt die Möglichkeit, darüber angelogen worden zu sein, im Hinterkopf, setzte aber für seine Überlegungen erst einmal voraus, dass sich dieser Vorfall tatsächlich ereignet hatte.
„Nun, da ich weiß, dass dies nicht Stirlings Idioten zu verantworten haben, fühle ich mich ein weiteres Mal in der Befürchtung bestätigt, dass diese Unbekannten die Schlinge immer enger ziehen. Es gab zu viele Anschläge, zu viele Tote in den letzten Tagen. Sie wollen mir die letzte Luft zum Atmen rauben, mich in den Wahnsinn treiben, nachdem sie mich nun schon monatelang gequält haben, aber ich werde den Spieß umdrehen. Ich brauche nur eine Gelegenheit…“, murmelte er schließlich. Er musste ihnen eine Falle stellen. Erneut. Bisher war dies mit keinem Erfolg gekrönt gewesen, aber er sah es so: Je näher sie ihm kamen, desto einfacher würde es werden.
Darüber würde Charles sich später genauere Gedanken machen. Er hatte mehrere Ideen, die noch präziserer Planung bedurften.
„Vorerst, jedoch, müssen wir uns zurückziehen“, lenkte er wieder das Thema auf das akute Problem, das sie hatten, zurück: das Finden einer Unterkunft. Er hatte etwas in der Hinterhand.
„Wie der Zufall es möchte, kenne einen passenden Ort, den man zwar auch mit mir in Verbindung bringt, aber er wird gemieden, sogar von der hiesigen Polizei, also werden wir dort gewiss sicher vor anderen neugierigen Augen und Ohren sein. Sollte sich dennoch unerwünschter Besuch, wie der Yardmann, dorthin verirren – was ich nicht für ausgeschlossen halte –, muss uns das nicht beunruhigen. Sie werden sehen, was ich meine, wenn wir dort sind.“
Dies waren die positiven Aspekte. Um die negativen würde Charles sich vor Ort kümmern.
„Wigan bleibt die richtige Richtung“, war das einzige, was er noch preisgab, und verfiel dann für den Rest des Weges in Schweigen –bis es von Nöten war, Mr. Wright Richtungsanweisungen zu geben.
Charles führte die Kutsche in eine etwas abgeschiedene Gegend des Stadtteil Wigans, in dem die Häuser bei Weitem nicht so nobel waren wie in der Straße, an die sein Anwesen grenzte. Dabei wusste er, dass sie sich mit jedem Atemzug dennoch seinem Besitz näherten – beziehungsweise einem Grundstück, das man ihm offiziell weggenommen hatte (so wie alles andere), solange er sich einer Klärung der Scarface-Angelegenheit entzog. Da diese (gerichtliche) Klärung zum aktuellen Stand der Dinge hingegen mit seinem Todesurteil enden würde, hatte Charles nicht das Bedürfnis, diesen Weg zu gehen. Allerdings hinderte ihn das nicht daran, das Fabrikgelände als sein Eigentum anzusehen – genauso wie alles, was vor Hills feigem Manöver zu Charles‘ Habe gehört hatte.
Er hatte nun einige Zeit gehabt, sich zu überlegen, wie er vorgehen würde, wenn sie angekommen waren. Die anderen würden vor vollendete Tatsachen gestellt. Es war schwer vorherzusagen, wie dies enden würde. Charles war jedoch entschlossen, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Es war besser, in der stillgelegten „Norman Mill“ Unterschlupf zu suchen, als das Risiko einzugehen, beim Tragen von Maura über das Grundstück beobachtet zu werden. Zudem wäre es unmöglich, heimlich von dort zu fliehen, sollten sie das Bedürfnis danach verspüren. Der Komfort auf dem Fabrikgelände war, selbstverständlich, bescheiden, verglich man ihn mit dem Luxus seines Elternhauses, aber das Verwaltungsgebäude bot Räumlichkeiten, die sich dafür eigneten, darin zu wohnen, ohne sich wie ein Landstreicher fühlen zu müssen.
In der Theorie, jedenfalls. In der Praxis würde vielleicht zuvor noch eine Hürde zu überwinden sein.
Charles wies Gilbert an, durch ein breites, in etwa mannshohes Mauerwerk eingefasstes, eisernes Gattertor zu fahren (es stand bereits offen), an dem ein Blechschild befestigt war. Auf schwarzem, abblätterndem Grund standen in goldener Schrift die Lettern:
norman mill
c. l. norly
norman hill road 3
Wie Charles dieses Ort[1] hasste… Einst war er Arbeitsplatz von rund vierhundert Menschen gewesen. Er hatte zu ihnen gehört… auch wenn alle für ihn gearbeitet hatten. Sein Name sah aus wie der Schriftzug auf einem Grabstein. Es war das letzte in einer Reihe von Schilden, die hier im Laufe der Zeit befestigt gewesen waren. Einst hatte hier „J. T. Norly“ gestanden – der Name seines Großvaters. Dann „J. T. Norly & Son“ – nachdem sein Vater ins Geschäft eingestiegen war. „W. J. Norly“ nach dem Tod seines Großvaters. „W. J. Norly & Bakersfield“ – nach Beginn der Geschäftspartnerschaft mit dem Großhändler George Bakersfield, mit der die internationale Expandierung des Betriebs begonnen hatte. „W. J. Norly & Sons & Bakersfield“ – da hatte Charles‘ Unglück seinen Lauf genommen. „W. J. Norly & Sons“ – nachdem Charles‘ Bruder verstorben war, war die Partnerschaft mit Bakersfield in die Brüche gegangen, aber in Gedenken an Timothy hatte sein Vater ihn trotzdem auf dem Schild erwähnt haben wollen. Schließlich hatte Charles alles geerbt. Nicht, dass er das gewollt hatte. Er hatte den Betrieb nie führen wollen. Eigentlich war es eine Genugtuung, das Unkraut zu sehen, das auf dem Gelände wucherte.
Das Fabrikgebäude selbst war riesig. Die genauen Ausmaße kannte Charles nicht, aber es dauerte eine halbe Ewigkeit, es zu umrunden, und die drei Stockwerke, die es in die Höhe ragte, machten einen fast einschüchternden Eindruck. Es war einmal erweitert worden. Aber auch die Lagerhalle hatte eine ansehnliche Größe. Als Kind hatte Charles mit seinem Bruder gern Verstecken zwischen den aufgestapelten Säcken voller Baumwolle und den Paletten voller Garn gespielt. Gegen diese zwei ziegelroten Blöcke wirkte das Verwaltungsgebäude recht klein – aber im Grunde war es so groß, dass es zwei Reihenhäusern in der Innenstadt gleichkam. Dort fanden sich die ehemaligen Büros und Geschäftsräume der Verwaltung – wie der Name „Verwaltungsgebäude“ schon ahnen ließ. Darunter waren auch die Geschäftsführerräumlichkeiten. Sie umfassten, mitsamt Vorzimmer, in dem sein Sekretär gesessen hatte, ein halbes Stockwerk. Im Grunde war es eine ganze Wohnung. Büro, Aufenthaltsraum, Bad. Nur die Küche fehlte – die befand sich unten im Erdgeschoss (wer erwartete von dem Leiter eines Unternehmens, dass er sich selbst etwas zubereitete). Und ein Bett fehlte noch, vielleicht, allerdings hätte es vor Kunden und Geschäftspartnern seltsam ausgesehen, so etwas hinter dem Schreibtisch oder im Kaminzimmer (nur dort wäre Platz gewesen) stehen zu haben. Aber die Couch hatte Charles damals als sehr bequem und als gute Alternative für ein Bett empfunden.
Wenn er Glück hatte, stand sie noch da und wartete auf ihn. Wenn er Glück hatte und die aktuellen Bewohner dieser Räumlichkeiten das zuließen. Genau darin bestand die Hürde.
Charles klopfte gegen die Wagenwand und rief Gilbert „Halt!“ zu, als sie auf den Hof gefahren waren. Sobald die Räder stillstanden, stieg er aus.
„Warten Sie hier“, bat er die anderen und runzelte etwas besorgt die Stirn, da er ungewiss war, wie man ihn – wie man sie alle – empfangen würde.
Er hatte bisher bewusst verschwiegen, dass sich hier Leute aufhielten, um nicht wieder eine Diskussion heraufzubeschwören. Ob es Freunde oder Feinde waren, konnte Charles aktuell selbst noch nicht sagen. Seitdem er für seinen brutalen Serienmörder erklärt worden war, konnte er sich nicht unbedingt darauf verlassen, dass ihm alte Verbündete noch gut gesinnt waren.
„Ich werde vorgehen und uns ankündigen“, teilte Charles seinen Begleitern mit, ohne sich näher zu erklären, stapfte zielstrebig los. Seinen Zylinder ließ er in der Kutsche.
Oh, man hatte sie durchaus bereits bemerkt. Er spürte einige Augenpaare auf sich. Aber Charles hatte sowieso nicht vor, sich hineinzuschleichen wie ein Dieb. Er klopfte an, bevor er eintrat und die Tür hinter sich wieder ins Schloss schob.
Die Jahre ohne penible Pflege hatten den Eingangsbereich des Verwaltungsgebäudes, einst nobel und blitzeblank, etwas mitgenommen. Es war staubig – aber Charles hatte nicht die Zeit, sich umzusehen und in nostalgische Gedanken zu verfallen:
Im Augenwinkel bemerkte er eine rasche Bewegung, als auch schon zwei kräftige, tätowierte Hände grob nach dem Revers seines Mantels langten und ihn vor sich herschoben, bis er rücklings gegen die nächste Wand stieß. Charles wehrte sich nicht gegen diese bedrängende Handlung, erkannte er doch in seinem Gegenüber einen der Freunde, die er hier anzutreffen gehofft hatte – er hatte nicht erwartet, zur Begrüßung freudig umarmt zu werden. Allerdings war diese Art des Wiedersehens doch ein wenig schmerzhaft und das wutverzerrte Gesicht, das ihm entgegenblickte, war nicht gerade ein vielversprechender Anblick.
Charles lächelte gewinnend. Höchste Zeit, die Lage ein wenig zu entspannen.
„Lloyd…“, setzte er zur Beschwichtigung an und betonend die Hände an, doch die Faust, die sein Kinn traf, raubte ihm alle Sinne. Charles‘ Hinterkopf stieß gegen die Wand.
Alles wurde schwarz.[2]
Nur einen kurzen Moment später flog die Tür auf, durch die Charles soeben verschwunden war, und ein Mann schritt energisch auf den Hof, dessen Äußeres wohl alles andere als unauffällig war. Er trug eigentlich recht gewöhnliche Kleidung, die man wohl einem Arbeiter zuordnen würde – eine braune Stoffhose, ein helles Hemd und darüber eine dunkelbraune Weste –, allerdings waren seine sehnigen, aber kräftigen Hände und Arme (soweit die hochgekrempelten Ärmel Blicke zuließen) vollkommen mit mit schwarzer Tinte gestochenen Tattoomotiven bedeckt, und auch aus seinem Kragen ragten diese dauerhaften Bilder seitlich an seiner rechten Halsseite bis hinter sein Ohr empor. Da er jeden Muskel anzuspannen schien und auch die Hände gereizt zu Fäusten geballt hatte, traten die Tätowierungen[3] umso mehr hervor. Aber nicht nur das Künstliche an ihm war ein Blickfang: Er besaß aschblondes Haar, das er kurz trug, vielleicht, weil der Ansatz begann, eine Halbglatze auszubilden. Sein Barthaar war etwas dunkler und deutlich mit Grau durchzogen. Er ließ es sich als fast schon extravagenten Knebelbart stehen. Äußerst finster blickte dieser, wohl rund vierzigjährige, Mann den Neuankömmlingen auf dunkelgrünen Augen entgegen und verzog den Mund zu einem knurrigen Zähnefletschen.
„Verschwindet von hier!“, verlangte er mit einem leichten amerikanischen Akzent in der Stimme. „Wir haben euch nichts zu bieten.“
[1] Gelehrsamkeit/Gassenwissen (besonders Gilbert kann als Brancheninsider Genaueres über den Betrieb wissen)
- [2] Charles:
- Leichte Konsequenz: Bewusstlos
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
„Ich wollte ihn nicht mitnehmen“, entgegnete Randolph unwirsch. Er wusste immer noch nicht, was sich Jonathan und vor allem Melinda dabei gedacht hatten, den Mann zum Mitkommen zu ermutigen. Das war absolut hirnrissig gewesen. Es hatte im Grunde keinen logischen Grund dafür gegeben, auch wenn Wright sich zumindest bisher als „in Ordnung“ herausgestellt hatte.
Aber er wollte sich nicht darüber auslassen, sondern hörte lieber zu, was Charles sonst noch zu sagen hatte. Und das war viel.
Nicht in seinem Haus zu bleiben, war schon mal ein guter Schritt. Da teilten sie die gleiche Meinung. Er nickte Norly knapp zu, ohne ihn zu unterbrechen. Sobald die Polizei bemerkte, dass sie einen großen Fehler begangen hatte, würde sie das Haus stürmten. Und dann sollten sie sich nicht mehr dort aufhalten. Sonst würden sie am Galgen landen. Zumindest Melinda und er. Vielleicht würde es Mr. C ja tatsächlich gelingen, Norly aus der Klemme herauszuholen, wenn das in seinem Interesse war. Aber er konnte sich wohl kaum um sie alle kümmern.
Randolph wollte nicht am Galgen enden. Lieber wollte er in die nachtschwarze Mündung seines Revolvers blicken und den Tod in Form heißen Bleis willkommen heißen. Die Mündung wäre schwarz wie das Innere des Sarges, in dem seine Gebeine deponiert werden würde. Hoffentlich würden seine Verwandten dann arrangieren, dass er nicht bei seinem Vater begraben werden würde.
Aber noch weniger wollte er natürlich, dass Melinda das Schicksal des Stricks ereilen würde. Das würde er mit jedem ihm nur möglichen Mittel verhindern. Düster lauschte er Norlys Worten. Nur weil Stirling und Sie sich selten dämlich angestellt haben…
Randolph verzog missmutig die Mundwinkel. Norly hatte ja Recht. Auch wenn tief in ihm eine Stimme Alan die Schuld an der ganzen Misere gab. Der Plan hätte aufgehen können. Aber er sagte dazu nichts. Es wäre nicht angebracht. Und in gewisser Hinsicht war er deswegen nun mitschuldig am Tod der Mauneys. Seine einzige Hoffnung war, dass er die Familie irgendwann würde rächen können.
Was die beiden Angreifer anging, wusste er natürlich mehr als Charles. Aber er war sich noch nicht sicher, ob er ihm das mitteilen wollte. Insgesamt fiel ihm auf, dass Norly in seinen letzten Sätzen wieder fast schon paranoid klang. Die Stirn des Doktors legte sich in Falten. Er braucht dringend ärztliche Versorgung und Schlaf. Vor allem Schlaf. Die Müdigkeit stand geradezu in Norlys Gesicht geschrieben. Er hatte ja angeblich sogar die ganze Nacht Wache an Arthurs Bett gehalten.
Dann kamen sie bei der Fabrik an. Randolph wusste, worum es sich handelte. Das war Norlys Besitz. Früher hatten er und seine Familie hier Garn produzieren lassen. Das wusste er aus der Zeitung. Eigentlich keine schlechte Idee. Hier hätten sie in Ruhe Zeit sich zu erholen und diese alte Schachtel von Thomson zu befragen.
Erste Zweifel kamen dem Doktor erst, als Norly die Kutsche verließ mit der Begründung, sie „anzukündigen“. „Norly, warten sie!“, rief er ihm hinterher, doch der hörte ihn schon nicht mehr. Fluchend stemmte sich Randolph auf und machte sich seinerseits daran die Kutsche zu verlassen. Als er schnaufend draußen ankam, konnte er gerade noch sehen, wie die Tür des Verwaltungsgebäudes zufiel.
Ich hoffe, du weißt, was du da tust…
Aber Charles hatte ja darum gebeten, dass sie ihm vertrauen sollten. Auch wenn Doktor Tremaine keine großen Hoffnungen mehr auf das Urteilsvermögen dieses Mannes setzte, so blieb ihm wohl im Augenblick nichts anderes übrig. Zumindest die Umgebung konnte er allerdings ein wenig absuchen.
Seine farblosen, grauen Augen wanderten über die gigantischen Ausmaße des Norly-Besitzes. Einst war er wohl wirklich sehr vermögend gewesen. Aber das hatten sie ja schon früher festgestellt. Und nun war dies alles tot. Wie weit konnte ein Mensch fallen, ohne dass er ernsthafte Schäden davontrug? Und damit mussten nicht unbedingt physische Schmerzen gemeint sein.
Dann fielen ihm die Personen auf. Sie schienen nicht entdeckt werden zu wollen, doch den aufmerksamen Augen des Doktors entgingen die Gestalten nicht, die sich hinter den Fenstern des Verwaltungsgebäudes verschanzt hatten. Und dann waren da noch ein paar Jungen mit einem Lederball, die wohl von der Neugier in ihre Nähe getrieben worden waren.
Das war nicht gut. So viele fremde Gesichter. So viele Zeugen. Mit gesenkten Augenbrauen schweifte Randolphs Blick über die Szenerie. „Das gefällt mir ganz und gar nicht“, knurrte er Mr. Wright zu, der noch auf seinem Kutschbock saß.
Dann sah er den tätowierten Mann auf sie zukommen. Verfluchte Scheiße. Bis jetzt hatte er gehofft, dass er sich nur wieder mal zu viele Sorgen machte. Aber jetzt dieser Kerl! Wo war Charles, verfluchte Scheiße! Tätowierungen waren ein Zeichen von Klassenzugehörigkeit. Randolph, der sich in seiner Kindheit viel in den Docks aufgehalten hatte, kannte das nur zu gut von den Seeleuten. Aber auch bei Zigeunern, Soldaten und Schaustellern traf man sie an.
Elendiger dummer Engländer! Zu hässlich und zu dumm, dass selbst die Jahrmarkt- und Wanderzirkusbesitzer ihn seinen Eltern nicht abkaufen wollten, schoss es ihm in diesem Zusammenhang wieder in den Sinn. So wäre es jetzt auch angebracht Charles zu verfluchen.
Elendiger dummer Engländer…nur das das nichts brachte. Die Situation war mit einem Mal todernst geworden. Und das bestätigte sich nur noch dadurch, als dieser Mann mit dem kuriosen Bart sie ansprach. Was ist mit Norly?
Zorn ballte sich in Randolph an. Wenn dieses minderbemittelte Gesindel ihm etwas angetan hatte…
„Das ist aber mal ein freundlicher Empfang“, lobte er den Fremden spöttisch, aber humorlos. Er hätte im Augenblick nichts als witzig empfunden, selbst nicht den schrägen Bart dieses Chaoten. Seine momentane Stimmung konnte man wohl bestenfalls als eisig beschreiben. „Ich frage mich, ob ihr unseren Freund auch derart höflich empfangen habt, als er das Gespräch mit euch suchte.“
Seine kalten, grauen Augen bohrten sich in die Grünen des Fremden. Denkst du, ich habe Schiss, kleiner Mann? Für den Notfall trug er seinen Revolver bei sich. Und wenn ihm dieser Kerl zu nahe kam, würde er damit auch treffen, ganz gleich wie untalentiert er war. Und sein Skalpell hatte er auch noch.
„Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Doktor Thomas Benton. Mit wem habe ich hier denn die Ehre?“
Jetzt wollte er erst einmal abwarten, was der Mann noch vorzubringen hatte. Wenn dieser Kerl und sein Gefolge, dass sich da in dem Gebäude herumtrieb, Norly gefangen genommen…oder schlimmere Dinge mit ihm getan hatten, dann würde sich Randolph ganz persönlich der Anatomie dieses Mannes annehmen. Und zu den Tintenstichen vielleicht noch ein paar Schmerzhaftere hinzufügen. Äußerlich war er noch ruhig, innerlich machte sich in ihm langsam eine gewisse Panik breit. Wer wusste schon, wozu Männer wie dieser in der Lage waren? Was wenn sie Norly einfach kurzerhand niedergestochen hatten? Das Kopfgeld wäre für sie nur ein gefundenes Fressen…
Aber er wollte sich nicht darüber auslassen, sondern hörte lieber zu, was Charles sonst noch zu sagen hatte. Und das war viel.
Nicht in seinem Haus zu bleiben, war schon mal ein guter Schritt. Da teilten sie die gleiche Meinung. Er nickte Norly knapp zu, ohne ihn zu unterbrechen. Sobald die Polizei bemerkte, dass sie einen großen Fehler begangen hatte, würde sie das Haus stürmten. Und dann sollten sie sich nicht mehr dort aufhalten. Sonst würden sie am Galgen landen. Zumindest Melinda und er. Vielleicht würde es Mr. C ja tatsächlich gelingen, Norly aus der Klemme herauszuholen, wenn das in seinem Interesse war. Aber er konnte sich wohl kaum um sie alle kümmern.
Randolph wollte nicht am Galgen enden. Lieber wollte er in die nachtschwarze Mündung seines Revolvers blicken und den Tod in Form heißen Bleis willkommen heißen. Die Mündung wäre schwarz wie das Innere des Sarges, in dem seine Gebeine deponiert werden würde. Hoffentlich würden seine Verwandten dann arrangieren, dass er nicht bei seinem Vater begraben werden würde.
Aber noch weniger wollte er natürlich, dass Melinda das Schicksal des Stricks ereilen würde. Das würde er mit jedem ihm nur möglichen Mittel verhindern. Düster lauschte er Norlys Worten. Nur weil Stirling und Sie sich selten dämlich angestellt haben…
Randolph verzog missmutig die Mundwinkel. Norly hatte ja Recht. Auch wenn tief in ihm eine Stimme Alan die Schuld an der ganzen Misere gab. Der Plan hätte aufgehen können. Aber er sagte dazu nichts. Es wäre nicht angebracht. Und in gewisser Hinsicht war er deswegen nun mitschuldig am Tod der Mauneys. Seine einzige Hoffnung war, dass er die Familie irgendwann würde rächen können.
Was die beiden Angreifer anging, wusste er natürlich mehr als Charles. Aber er war sich noch nicht sicher, ob er ihm das mitteilen wollte. Insgesamt fiel ihm auf, dass Norly in seinen letzten Sätzen wieder fast schon paranoid klang. Die Stirn des Doktors legte sich in Falten. Er braucht dringend ärztliche Versorgung und Schlaf. Vor allem Schlaf. Die Müdigkeit stand geradezu in Norlys Gesicht geschrieben. Er hatte ja angeblich sogar die ganze Nacht Wache an Arthurs Bett gehalten.
Dann kamen sie bei der Fabrik an. Randolph wusste, worum es sich handelte. Das war Norlys Besitz. Früher hatten er und seine Familie hier Garn produzieren lassen. Das wusste er aus der Zeitung. Eigentlich keine schlechte Idee. Hier hätten sie in Ruhe Zeit sich zu erholen und diese alte Schachtel von Thomson zu befragen.
Erste Zweifel kamen dem Doktor erst, als Norly die Kutsche verließ mit der Begründung, sie „anzukündigen“. „Norly, warten sie!“, rief er ihm hinterher, doch der hörte ihn schon nicht mehr. Fluchend stemmte sich Randolph auf und machte sich seinerseits daran die Kutsche zu verlassen. Als er schnaufend draußen ankam, konnte er gerade noch sehen, wie die Tür des Verwaltungsgebäudes zufiel.
Ich hoffe, du weißt, was du da tust…
Aber Charles hatte ja darum gebeten, dass sie ihm vertrauen sollten. Auch wenn Doktor Tremaine keine großen Hoffnungen mehr auf das Urteilsvermögen dieses Mannes setzte, so blieb ihm wohl im Augenblick nichts anderes übrig. Zumindest die Umgebung konnte er allerdings ein wenig absuchen.
Seine farblosen, grauen Augen wanderten über die gigantischen Ausmaße des Norly-Besitzes. Einst war er wohl wirklich sehr vermögend gewesen. Aber das hatten sie ja schon früher festgestellt. Und nun war dies alles tot. Wie weit konnte ein Mensch fallen, ohne dass er ernsthafte Schäden davontrug? Und damit mussten nicht unbedingt physische Schmerzen gemeint sein.
Dann fielen ihm die Personen auf. Sie schienen nicht entdeckt werden zu wollen, doch den aufmerksamen Augen des Doktors entgingen die Gestalten nicht, die sich hinter den Fenstern des Verwaltungsgebäudes verschanzt hatten. Und dann waren da noch ein paar Jungen mit einem Lederball, die wohl von der Neugier in ihre Nähe getrieben worden waren.
Das war nicht gut. So viele fremde Gesichter. So viele Zeugen. Mit gesenkten Augenbrauen schweifte Randolphs Blick über die Szenerie. „Das gefällt mir ganz und gar nicht“, knurrte er Mr. Wright zu, der noch auf seinem Kutschbock saß.
Dann sah er den tätowierten Mann auf sie zukommen. Verfluchte Scheiße. Bis jetzt hatte er gehofft, dass er sich nur wieder mal zu viele Sorgen machte. Aber jetzt dieser Kerl! Wo war Charles, verfluchte Scheiße! Tätowierungen waren ein Zeichen von Klassenzugehörigkeit. Randolph, der sich in seiner Kindheit viel in den Docks aufgehalten hatte, kannte das nur zu gut von den Seeleuten. Aber auch bei Zigeunern, Soldaten und Schaustellern traf man sie an.
Elendiger dummer Engländer! Zu hässlich und zu dumm, dass selbst die Jahrmarkt- und Wanderzirkusbesitzer ihn seinen Eltern nicht abkaufen wollten, schoss es ihm in diesem Zusammenhang wieder in den Sinn. So wäre es jetzt auch angebracht Charles zu verfluchen.
Elendiger dummer Engländer…nur das das nichts brachte. Die Situation war mit einem Mal todernst geworden. Und das bestätigte sich nur noch dadurch, als dieser Mann mit dem kuriosen Bart sie ansprach. Was ist mit Norly?
Zorn ballte sich in Randolph an. Wenn dieses minderbemittelte Gesindel ihm etwas angetan hatte…
„Das ist aber mal ein freundlicher Empfang“, lobte er den Fremden spöttisch, aber humorlos. Er hätte im Augenblick nichts als witzig empfunden, selbst nicht den schrägen Bart dieses Chaoten. Seine momentane Stimmung konnte man wohl bestenfalls als eisig beschreiben. „Ich frage mich, ob ihr unseren Freund auch derart höflich empfangen habt, als er das Gespräch mit euch suchte.“
Seine kalten, grauen Augen bohrten sich in die Grünen des Fremden. Denkst du, ich habe Schiss, kleiner Mann? Für den Notfall trug er seinen Revolver bei sich. Und wenn ihm dieser Kerl zu nahe kam, würde er damit auch treffen, ganz gleich wie untalentiert er war. Und sein Skalpell hatte er auch noch.
„Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Doktor Thomas Benton. Mit wem habe ich hier denn die Ehre?“
Jetzt wollte er erst einmal abwarten, was der Mann noch vorzubringen hatte. Wenn dieser Kerl und sein Gefolge, dass sich da in dem Gebäude herumtrieb, Norly gefangen genommen…oder schlimmere Dinge mit ihm getan hatten, dann würde sich Randolph ganz persönlich der Anatomie dieses Mannes annehmen. Und zu den Tintenstichen vielleicht noch ein paar Schmerzhaftere hinzufügen. Äußerlich war er noch ruhig, innerlich machte sich in ihm langsam eine gewisse Panik breit. Wer wusste schon, wozu Männer wie dieser in der Lage waren? Was wenn sie Norly einfach kurzerhand niedergestochen hatten? Das Kopfgeld wäre für sie nur ein gefundenes Fressen…
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Das Ruckeln der Kutsche machte Melinda etwas schläfrig, dass merkte sie. Statt groß auf die Worte von Charles und Randy einzugehen, blickte sie stattdessen Maura an, die von allem nichts mitbekam. Beneidenswert. Naja…zumindest ein wenig.
Die Hure sah sich immer zwischen zwei Stühlen sitzend, wenn der Doc und Scarface miteinander sprachen oder stritten. Zum einen wollte sie bei jedem zweiten Wort Randolph in Schutz nehmen, andererseits wollte sie auch Norly nicht vor den Kopf stoßen. Die Situation war ihr irgendwie entglitten. Sie hatte die Kontrolle verloren. Irgendwann. Irgendwie. Sie konnte nicht mehr ausmachen, wann das genau geschehen war, noch wie. Doch es ärgerte sie. Es kam ihr schon eine Weile nicht mehr so vor, als sei sie die Katze…nein sie war schon lange zur Maus geworden. Sie atmete tief ein und verkniff sich doch ein Seufzen. Stattdessen starrte sie weiterhin auf das bewusstlose Gesicht von Thompson. Die leichten Fältchen die sich um die Augen abzeichneten. Was sie dort wohl abgezeichnet hatten? Lachen? Gram? Sie war offenbar gar nicht so alt, wie Melinda sie erst geschätzt hätte. Doch immer noch deutlich älter als sie selbst. Sie musste in Norlys Alter sein. Sie verlor sich in ihren Gedanken zu den letzten Stunden und dem Anblick der so entspannten Gesichtszüge.
Erinnerst du dich, als du einst deine Ziehmutter umgehauen hast? Da sah sie genauso aus. Nur das Blut aus ihrem Kopf lief. Man das war vielleicht ein schöner Schlag mit dem Backstein. Hätte verrecken müssen die alte, aber damals waren deine Ärmchen ja nicht mehr als blutleere Trommelstöcke. Erstaunlich das du den Stein überhaupt hoch bekommen hast. Wie lange hast du dafür im Keller geschlafen? Vier Monate? Ach ich weiß nicht mehr. Naja, geschlafen hast du ja damals schon kaum. Immer auf Achse. Hättest dich damals schon verkaufen sollen. Wäre einfacher für uns alle gewesen…und ohhh was Stephen damals für eine Strafe bekommen?! Das war was! Haha. Wie er da immer stehen musste und die alte Vettel Dinge getan hat…Junge Junge…erinnerst du dich an den Gürtel von ihrem toten Mann? Den hat wirklich jeder mal abbekommen. Ha.
Nachdenklich strich sie ihr Kleid glatt und ihre Hand fuhr über eine unebene Stelle in ihrem Kleid. Eine der eingenähten Taschen war noch immer mit einer der Laudanumflaschen gefüllt. Das wäre jetzt keine schlechte Idee. Doch wie sollte sie die Droge zu sich nehmen, wenn Charles gleich daneben saß? Und Randy auch, der vielleicht erkennen würde, dass es sich um seine Flaschen handeln könnte. Verdammt. Wieder keine Gelegenheit.
Also ging die Fahrt, ebenso das Gespräch zwischen den beiden Herren weiter. Das Argument man könne Maura nicht ungesehen ins Haus schaffen, konnte Melly nicht ganz unterschreiben. Man konnte sie einfach an den Knöcheln fassen und ins Haus zerren. In London würde das keine Menschenseele scheren. Aber sie saßen ja in Manchester fest. Es fühlte sich jedenfalls wie ein Festsitzen an. Wenn die Reise nicht bald wieder nach London gehen würde, würde sie sich eben alleine auf den Weg machen. Mehr als abgestochen werden, könnte ihr nun auch nicht passieren. Sie würde schon einen Weg finden. Sie MUSSTE wieder nach Hause. „Nach Hause“ ein großes Wort. Aber immerhin kannte sie sich dort aus, kannte dort Menschen, wusste wo man sich blicken lassen konnte und wo nicht. Hier hingegen kannte sie nichts und Manchester hatte sich nicht so aufregend gezeigt wie gehofft. Für die Hure bestand die Reise aus Reden, Warten, Gesprächen und dem Versuch Laudanum zu nehmen. Nichts was in London anders wäre, aber dort könnte sie sich wenigstens anders beschäftigen. Jemandem den Fächer in die Kehle rammen wäre da eine Option. Aber hier wusste sie ja nicht mal wo sie sich verstecken könnte, geschweige denn wo sie war.
Die Kutsche stoppte und riss sie aus ihrer Lethargie. Nachdem Charles und Randolph die Kutsche verlassen hatte, hüpfte auch sie leichtfüßig aus dem Gefährt und warf noch einen Blick auf Maura. Immer noch selig in einer Traumwelt gefangen. Gut.
Sie blieb etwas zurück, während sie sich in der Gegend umsah, nur für den Fall dass es wichtig sein könnte, schnell den Ort des Geschehens verlassen zu müssen. Doch traf ihr Blick auch das imposante Fabrikgebäude. Kein Wunder das Norly sich Anzüge leisten konnte, die so viel kosten wie Melinda jemals verdient hatte. Das Firmenschild wies auf seinen, mittlerweile zweifelsohne, bekannten Besitzer hin. Interessant dass solche Firmen unter den Verdächtigungen nicht geschlossen wurden, doch Melinda kannte sich mit solchem Plunder nicht näher aus.
Schließlich sah sie noch das Charles im Gebäude verschwand und kurze Zeit später ein Typ aus dem Bunker trat, der durchaus aussah wie jemand der ihre Kundschaft sein könnte.
Randy reagiert jedoch zuvor und stellte sich vor. Also Dr. Benton. Melinda würde auf diesen Zug aufspringen.
Doch zuerst betrachtete sie ihren „Gesprächspartner“ etwas näher. Die gestochene Farbe unter seiner Haut ließ sie ein Kribbeln auf dem ganzen Körper spüren. Ein Seemann war er nicht. Dafür fehlten Anker, Sterne und Schiffe mit großen Segeln. Die Bilder waren unterschiedlich gut gemacht. Manche sahen aus, als seien sie von ihm selbst gemacht. Die Farbe war nicht tief genug in die Haut eingedrungen und an manchen Stellen wie ausgewaschen. Andere sahen hingegen fast schon professionel und auch frisch aus. Sie dachte kurz nach. Zigeuner? Da passte weder Haarfarbe noch Hauttyp. Auch sah er nicht aus wie ein Schausteller aus dem Zirkus. Hier passten die Motive ebenso wenig. Hier und dort sah Melinda Karten, Würfel und Pik-Zeichen. Er war also so mancher Spielerei nicht abgeneigt. Doch was sie irritierte waren zum einem eine Taschenuhr und ein Frauenkopf.
Sie durchforstete langsam und nachdenklich ihre Erinnerungen hierzu. Wofür in so mancher Gang in London eine Taschenuhr stand wusste sie nur zu gut. Mistkerl.
[B]“Was muss man in Manchester tun, um eine Taschenuhr zu bekommen? Hm?“[B] sie fragte gerade heraus. Gelangweilt und demotiviert von den Ereignissen der letzten Tage. Vielleicht würde es hier mal ein bisschen rund gehen. Das war es eben in der Lagerhalle auch, aber da hatte die Hure nur eine Nebenrolle gespielt. Nun war es an der Zeit sich selbst etwas Gutes zu tun. Ob es sich um Infos oder einen Schlag ins Gesicht handeln würde, würde sich herausstellen. Der Typ war groß und bullig. Weder Randolph noch Melinda konnten ihm allzu viel entgegensetzen. Mr. Wright vielleicht, aber würde der sich für sie einsetzen? Und wo war Charles überhaupt.
Die Hure sah sich immer zwischen zwei Stühlen sitzend, wenn der Doc und Scarface miteinander sprachen oder stritten. Zum einen wollte sie bei jedem zweiten Wort Randolph in Schutz nehmen, andererseits wollte sie auch Norly nicht vor den Kopf stoßen. Die Situation war ihr irgendwie entglitten. Sie hatte die Kontrolle verloren. Irgendwann. Irgendwie. Sie konnte nicht mehr ausmachen, wann das genau geschehen war, noch wie. Doch es ärgerte sie. Es kam ihr schon eine Weile nicht mehr so vor, als sei sie die Katze…nein sie war schon lange zur Maus geworden. Sie atmete tief ein und verkniff sich doch ein Seufzen. Stattdessen starrte sie weiterhin auf das bewusstlose Gesicht von Thompson. Die leichten Fältchen die sich um die Augen abzeichneten. Was sie dort wohl abgezeichnet hatten? Lachen? Gram? Sie war offenbar gar nicht so alt, wie Melinda sie erst geschätzt hätte. Doch immer noch deutlich älter als sie selbst. Sie musste in Norlys Alter sein. Sie verlor sich in ihren Gedanken zu den letzten Stunden und dem Anblick der so entspannten Gesichtszüge.
Erinnerst du dich, als du einst deine Ziehmutter umgehauen hast? Da sah sie genauso aus. Nur das Blut aus ihrem Kopf lief. Man das war vielleicht ein schöner Schlag mit dem Backstein. Hätte verrecken müssen die alte, aber damals waren deine Ärmchen ja nicht mehr als blutleere Trommelstöcke. Erstaunlich das du den Stein überhaupt hoch bekommen hast. Wie lange hast du dafür im Keller geschlafen? Vier Monate? Ach ich weiß nicht mehr. Naja, geschlafen hast du ja damals schon kaum. Immer auf Achse. Hättest dich damals schon verkaufen sollen. Wäre einfacher für uns alle gewesen…und ohhh was Stephen damals für eine Strafe bekommen?! Das war was! Haha. Wie er da immer stehen musste und die alte Vettel Dinge getan hat…Junge Junge…erinnerst du dich an den Gürtel von ihrem toten Mann? Den hat wirklich jeder mal abbekommen. Ha.
Nachdenklich strich sie ihr Kleid glatt und ihre Hand fuhr über eine unebene Stelle in ihrem Kleid. Eine der eingenähten Taschen war noch immer mit einer der Laudanumflaschen gefüllt. Das wäre jetzt keine schlechte Idee. Doch wie sollte sie die Droge zu sich nehmen, wenn Charles gleich daneben saß? Und Randy auch, der vielleicht erkennen würde, dass es sich um seine Flaschen handeln könnte. Verdammt. Wieder keine Gelegenheit.
Also ging die Fahrt, ebenso das Gespräch zwischen den beiden Herren weiter. Das Argument man könne Maura nicht ungesehen ins Haus schaffen, konnte Melly nicht ganz unterschreiben. Man konnte sie einfach an den Knöcheln fassen und ins Haus zerren. In London würde das keine Menschenseele scheren. Aber sie saßen ja in Manchester fest. Es fühlte sich jedenfalls wie ein Festsitzen an. Wenn die Reise nicht bald wieder nach London gehen würde, würde sie sich eben alleine auf den Weg machen. Mehr als abgestochen werden, könnte ihr nun auch nicht passieren. Sie würde schon einen Weg finden. Sie MUSSTE wieder nach Hause. „Nach Hause“ ein großes Wort. Aber immerhin kannte sie sich dort aus, kannte dort Menschen, wusste wo man sich blicken lassen konnte und wo nicht. Hier hingegen kannte sie nichts und Manchester hatte sich nicht so aufregend gezeigt wie gehofft. Für die Hure bestand die Reise aus Reden, Warten, Gesprächen und dem Versuch Laudanum zu nehmen. Nichts was in London anders wäre, aber dort könnte sie sich wenigstens anders beschäftigen. Jemandem den Fächer in die Kehle rammen wäre da eine Option. Aber hier wusste sie ja nicht mal wo sie sich verstecken könnte, geschweige denn wo sie war.
Die Kutsche stoppte und riss sie aus ihrer Lethargie. Nachdem Charles und Randolph die Kutsche verlassen hatte, hüpfte auch sie leichtfüßig aus dem Gefährt und warf noch einen Blick auf Maura. Immer noch selig in einer Traumwelt gefangen. Gut.
Sie blieb etwas zurück, während sie sich in der Gegend umsah, nur für den Fall dass es wichtig sein könnte, schnell den Ort des Geschehens verlassen zu müssen. Doch traf ihr Blick auch das imposante Fabrikgebäude. Kein Wunder das Norly sich Anzüge leisten konnte, die so viel kosten wie Melinda jemals verdient hatte. Das Firmenschild wies auf seinen, mittlerweile zweifelsohne, bekannten Besitzer hin. Interessant dass solche Firmen unter den Verdächtigungen nicht geschlossen wurden, doch Melinda kannte sich mit solchem Plunder nicht näher aus.
Schließlich sah sie noch das Charles im Gebäude verschwand und kurze Zeit später ein Typ aus dem Bunker trat, der durchaus aussah wie jemand der ihre Kundschaft sein könnte.
Randy reagiert jedoch zuvor und stellte sich vor. Also Dr. Benton. Melinda würde auf diesen Zug aufspringen.
Doch zuerst betrachtete sie ihren „Gesprächspartner“ etwas näher. Die gestochene Farbe unter seiner Haut ließ sie ein Kribbeln auf dem ganzen Körper spüren. Ein Seemann war er nicht. Dafür fehlten Anker, Sterne und Schiffe mit großen Segeln. Die Bilder waren unterschiedlich gut gemacht. Manche sahen aus, als seien sie von ihm selbst gemacht. Die Farbe war nicht tief genug in die Haut eingedrungen und an manchen Stellen wie ausgewaschen. Andere sahen hingegen fast schon professionel und auch frisch aus. Sie dachte kurz nach. Zigeuner? Da passte weder Haarfarbe noch Hauttyp. Auch sah er nicht aus wie ein Schausteller aus dem Zirkus. Hier passten die Motive ebenso wenig. Hier und dort sah Melinda Karten, Würfel und Pik-Zeichen. Er war also so mancher Spielerei nicht abgeneigt. Doch was sie irritierte waren zum einem eine Taschenuhr und ein Frauenkopf.
Sie durchforstete langsam und nachdenklich ihre Erinnerungen hierzu. Wofür in so mancher Gang in London eine Taschenuhr stand wusste sie nur zu gut. Mistkerl.
[B]“Was muss man in Manchester tun, um eine Taschenuhr zu bekommen? Hm?“[B] sie fragte gerade heraus. Gelangweilt und demotiviert von den Ereignissen der letzten Tage. Vielleicht würde es hier mal ein bisschen rund gehen. Das war es eben in der Lagerhalle auch, aber da hatte die Hure nur eine Nebenrolle gespielt. Nun war es an der Zeit sich selbst etwas Gutes zu tun. Ob es sich um Infos oder einen Schlag ins Gesicht handeln würde, würde sich herausstellen. Der Typ war groß und bullig. Weder Randolph noch Melinda konnten ihm allzu viel entgegensetzen. Mr. Wright vielleicht, aber würde der sich für sie einsetzen? Und wo war Charles überhaupt.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Der tätowierte Mann blieb stehen, wo er war, und fixierte Randolph, den er als Sprecher der Gruppe ausgemacht hatte. Wenig beeindruckt von dessen Spott, verzog der Mann keinen Gesichtsmuskel. Erst als Melinda ihn nach der Taschenuhr fragte, lockerte er seine angespannte Körperhaltung ein wenig. Mit einem anmaßenden, etwas anzüglichen Grinsen musterte er sie von oben bis unten und zeigte dabei einen Goldzahn.
„Ich weiß nicht, was du meinst, Püppchen“, schnurrte er. Eine sehr offensichtliche Lüge.
Dann wandte er sich wieder der Allgemeinheit zu, um sich, wie gewünscht, vorzustellen.
„Man nennt mich King Reynard[1]“, behauptete er und verbeugte sich ausladend, bevor er sich wieder aufrichtete und die bebilderten Arme vor der Brust verschränkte, „oder Dallas[2] – oder Bowen. Sucht es euch aus.“
Dies war ihm scheinbar genug der Formalitäten.
„Nun, Doktor“, betonte der Tätowierte missgelaunt, „würdest du bitte die Güte besitzen, dein Frauchen wieder einzupacken und meinen Grund und Boden zu verlassen? Es ist verdammt unhöflich von euch, ohne Einladung hier hereinzuschneien und dann auch noch Gastfreundschaft einzufordern. Ich schleiche mich ja auch nicht in dein Haus, fläze mich in deinen Lieblingssessel und bediene mich ungefragt an deinem Zigarrenkasten – zumindest nicht, solange du anwesend bist.“
Er lachte kurz belustigt auf, aber das Lächeln wich sofort wieder einer ernsten Miene.
„Du brauchst mich gar nicht so böse anzustarren“, meinte er stirnrunzelnd. „Das ist kein Scherz. Verschwindet! Eurem Freund geht es gut, keine Sorge. Unser Gespräch mit ihm ist noch nicht beendet. Er wird nachkommen, wenn es soweit ist.“
[1] Gelehrsamkeit/Gassenwissen
[2] Gelehrsamkeit
„Ich weiß nicht, was du meinst, Püppchen“, schnurrte er. Eine sehr offensichtliche Lüge.
Dann wandte er sich wieder der Allgemeinheit zu, um sich, wie gewünscht, vorzustellen.
„Man nennt mich King Reynard[1]“, behauptete er und verbeugte sich ausladend, bevor er sich wieder aufrichtete und die bebilderten Arme vor der Brust verschränkte, „oder Dallas[2] – oder Bowen. Sucht es euch aus.“
Dies war ihm scheinbar genug der Formalitäten.
„Nun, Doktor“, betonte der Tätowierte missgelaunt, „würdest du bitte die Güte besitzen, dein Frauchen wieder einzupacken und meinen Grund und Boden zu verlassen? Es ist verdammt unhöflich von euch, ohne Einladung hier hereinzuschneien und dann auch noch Gastfreundschaft einzufordern. Ich schleiche mich ja auch nicht in dein Haus, fläze mich in deinen Lieblingssessel und bediene mich ungefragt an deinem Zigarrenkasten – zumindest nicht, solange du anwesend bist.“
Er lachte kurz belustigt auf, aber das Lächeln wich sofort wieder einer ernsten Miene.
„Du brauchst mich gar nicht so böse anzustarren“, meinte er stirnrunzelnd. „Das ist kein Scherz. Verschwindet! Eurem Freund geht es gut, keine Sorge. Unser Gespräch mit ihm ist noch nicht beendet. Er wird nachkommen, wenn es soweit ist.“
[1] Gelehrsamkeit/Gassenwissen
[2] Gelehrsamkeit
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
FRAUCHEN? Jetzt übertreibt es der King aber. FRAUCHEN!!
Ja, Melinda war wenig erfreut über diese Ansprache. Beschimpfungen die weit unter die Gürtellinie gingen, waren weitaus einfacher zu verarbeiten, also solche…solche…sie wusste nicht einmal eine passende Bezeichnung dafür.
Innerlich schnaubte sie auf, äußerlich versuchte sie sich nichts anmerken zu lassen.
Die Taschenuhr, deren Bedeutung ihm angeblich nicht vertraut war, hieß in London, dass sich einst jemand an der Frau eines Gangmitgliedes vergriffen hatte. Vergriffen war jedoch ein großes Wort. Es reichte den Mitgliedern der unterschiedlichen Gruppierungen meist schon, hatte man die Frau angepöbelt, dumm angemacht oder in den Augen der Gang nur zu lange angeschaut. Je nachdem was vorgefallen war, zog man Schlüsse und entschied sich was mit dem armen Kerl passieren sollte, der es gewagt hatte der Dame schöne Augen zu machen (oder einfach nur eine Frau angeschaut zu haben, die ihren Weg durch die Straßen Londons suchte –sowas sollte es ja auch geben). Im Regelfall wurden den Männern aufgelauert und es gab eine ordentlich Portion Prügel. Oft erholten sich die Opfer körperlich nicht davon, konnten ihren Jobs nicht mehr nachgehen und endeten in der Gosse. Doch dann gab es eben auch Männer die nicht nur schauten oder pöbelten, sondern sich an wirklich vergriffen. Sei es mit einem Schlag oder sogar mit einem sexuellen Übergriff. Die Damen die ihr Leben mit einem Gangmitglied teilten, sagten zumindest immer das es ein Übergriff war, sofern jemand etwas gesehen hatte. Melinda selbst wusste jedoch, dass die meisten Frauen es auf Sex anlegten und das Thema „Treue“ keinerlei Rolle spielte. Man konnte sagen, dass sich dann stets zwei gefunden hatten. Gesindel blieb eben unter Gesindel. So war es Gesetz. Wie es schien. Natürlich nutzen die Mitglieder die Chance die sich ihnen bot. Hatte sich jemand an ihrem Mädchen vergriffen, erfolgt eine Strafe. Eine sehr unschöne. Um es beschönigt auszudrücken: Die Herren denen etwas derartiges zustieß brauchten danach nie wieder eine Hure aufzusuchen, da ihnen das wichtigste Teil um eine solche Dienstleistung zu rechtfertigen.
Die meisten überlebten diese Behandlung wegen des hohen Blutverlustes nicht, aber der ein oder andere Mann, der einst das Bett mit einem Mädchen einer Gang geteilt hatte, war nur noch ein halber Mann. So konnte man es wohl sagen.
Auch nicht weiter schlimm…ich meine die Natur hat sich bei den Geschlechtsteilen von Männern wirklich keine Mühe gegeben. Schön ist anders.
Die, die sich eben darum kümmerten, dass London mit einem Mann mehr besiedelt war, der Huren kein Geld mehr einbringen konnte, ließen sich eine Taschenuhr tätowieren. Ob in Manchester der Hintergrund der gleiche war? Vielleicht stand es auch mit dem Frauenkopf im Zusammenhang.
Auch wenn Melinda eine kranke Vorliebe für den Tod empfand, hatte sie die Behandlung immer verabscheut. Das war nicht richtig. Wider der Natur. Irgendwie. Leben nehmen war da schon was anderes. Das passierte auch im Tierreich.
Aber das ein Hund einem anderen den Penis abbiss hätte sie noch nie erlebt. Nein, so etwas sollte es nicht geben.
“ King Reynard ihre Stimme troff vor Ironie und Spott. “Ein schöner Name. Nicht so schlau wie ein Fuchs, aber riechst so, was?“ Der Witz war alt und flach. Egal. Irgendwie musste sie ja mit dem KING reden.
“Na so ist das eben, wenn man sich unter seinem echten Namen nicht mehr blicken lassen kann.“ Sie wusste wovon sie sprach. Sie hatte selbst schon mehr Namen benutzt, als sie Kleider besaß. Gut, das waren im Grunde genommen ja auch nur zwei. Dann mehr Kleider als sie ihn ihrem Leben besessen hatte. Das passte schon eher, schmälerte aber nicht die Aussage an sich. Sie blieb jedoch dabei ihn so anzusprechen. Sie wusste nicht was Dallas bedeuten solle und Bowen war so schrecklich gewöhnlich und langweilig.
“Dein Grund und Boden? Ach bitte, wenn ich mir das Schild da oben ansehe, steht da nichts von dir, sondern das die Bude hier Norly gehört. Wir folgten seiner Einladung hierhin, haben also besten Grund hier zu sein….und ohne ihn werden wir auch nicht einfach gehen.“
Sie lächelte.
Ja, Melinda war wenig erfreut über diese Ansprache. Beschimpfungen die weit unter die Gürtellinie gingen, waren weitaus einfacher zu verarbeiten, also solche…solche…sie wusste nicht einmal eine passende Bezeichnung dafür.
Innerlich schnaubte sie auf, äußerlich versuchte sie sich nichts anmerken zu lassen.
Die Taschenuhr, deren Bedeutung ihm angeblich nicht vertraut war, hieß in London, dass sich einst jemand an der Frau eines Gangmitgliedes vergriffen hatte. Vergriffen war jedoch ein großes Wort. Es reichte den Mitgliedern der unterschiedlichen Gruppierungen meist schon, hatte man die Frau angepöbelt, dumm angemacht oder in den Augen der Gang nur zu lange angeschaut. Je nachdem was vorgefallen war, zog man Schlüsse und entschied sich was mit dem armen Kerl passieren sollte, der es gewagt hatte der Dame schöne Augen zu machen (oder einfach nur eine Frau angeschaut zu haben, die ihren Weg durch die Straßen Londons suchte –sowas sollte es ja auch geben). Im Regelfall wurden den Männern aufgelauert und es gab eine ordentlich Portion Prügel. Oft erholten sich die Opfer körperlich nicht davon, konnten ihren Jobs nicht mehr nachgehen und endeten in der Gosse. Doch dann gab es eben auch Männer die nicht nur schauten oder pöbelten, sondern sich an wirklich vergriffen. Sei es mit einem Schlag oder sogar mit einem sexuellen Übergriff. Die Damen die ihr Leben mit einem Gangmitglied teilten, sagten zumindest immer das es ein Übergriff war, sofern jemand etwas gesehen hatte. Melinda selbst wusste jedoch, dass die meisten Frauen es auf Sex anlegten und das Thema „Treue“ keinerlei Rolle spielte. Man konnte sagen, dass sich dann stets zwei gefunden hatten. Gesindel blieb eben unter Gesindel. So war es Gesetz. Wie es schien. Natürlich nutzen die Mitglieder die Chance die sich ihnen bot. Hatte sich jemand an ihrem Mädchen vergriffen, erfolgt eine Strafe. Eine sehr unschöne. Um es beschönigt auszudrücken: Die Herren denen etwas derartiges zustieß brauchten danach nie wieder eine Hure aufzusuchen, da ihnen das wichtigste Teil um eine solche Dienstleistung zu rechtfertigen.
Die meisten überlebten diese Behandlung wegen des hohen Blutverlustes nicht, aber der ein oder andere Mann, der einst das Bett mit einem Mädchen einer Gang geteilt hatte, war nur noch ein halber Mann. So konnte man es wohl sagen.
Auch nicht weiter schlimm…ich meine die Natur hat sich bei den Geschlechtsteilen von Männern wirklich keine Mühe gegeben. Schön ist anders.
Die, die sich eben darum kümmerten, dass London mit einem Mann mehr besiedelt war, der Huren kein Geld mehr einbringen konnte, ließen sich eine Taschenuhr tätowieren. Ob in Manchester der Hintergrund der gleiche war? Vielleicht stand es auch mit dem Frauenkopf im Zusammenhang.
Auch wenn Melinda eine kranke Vorliebe für den Tod empfand, hatte sie die Behandlung immer verabscheut. Das war nicht richtig. Wider der Natur. Irgendwie. Leben nehmen war da schon was anderes. Das passierte auch im Tierreich.
Aber das ein Hund einem anderen den Penis abbiss hätte sie noch nie erlebt. Nein, so etwas sollte es nicht geben.
“ King Reynard ihre Stimme troff vor Ironie und Spott. “Ein schöner Name. Nicht so schlau wie ein Fuchs, aber riechst so, was?“ Der Witz war alt und flach. Egal. Irgendwie musste sie ja mit dem KING reden.
“Na so ist das eben, wenn man sich unter seinem echten Namen nicht mehr blicken lassen kann.“ Sie wusste wovon sie sprach. Sie hatte selbst schon mehr Namen benutzt, als sie Kleider besaß. Gut, das waren im Grunde genommen ja auch nur zwei. Dann mehr Kleider als sie ihn ihrem Leben besessen hatte. Das passte schon eher, schmälerte aber nicht die Aussage an sich. Sie blieb jedoch dabei ihn so anzusprechen. Sie wusste nicht was Dallas bedeuten solle und Bowen war so schrecklich gewöhnlich und langweilig.
“Dein Grund und Boden? Ach bitte, wenn ich mir das Schild da oben ansehe, steht da nichts von dir, sondern das die Bude hier Norly gehört. Wir folgten seiner Einladung hierhin, haben also besten Grund hier zu sein….und ohne ihn werden wir auch nicht einfach gehen.“
Sie lächelte.
Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Der von Melinda verspottete King Reynard verzog das Gesicht, als würden ihre Worte ihn hart treffen – dass er dabei lachte verriet jedoch, dass er ihre Art, mit ihm zu reden, eher amüsant fand.
„Aber Bowen ist mein echter Name, Schätzchen“, stellte er richtig, als hätte er keinen Grund, sich vor irgendwem zu verstecken, indem er Pseudonyme benutzte.
„Lloyd Bowen“, meinte er nickend, „zu deinen Diensten.“
Dann verzog sich seine Miene wieder zu einem breiten, Goldzahn-zeigenden Grinsen.
„Wenn ich es mir recht überlege, kannst du gern hier bei mir bleiben“, bot er Melinda an, bevor er Randolph unverschämt zuzwinkerte.
„Ich mag deine Kleine, Doc, sie hat Temperament.“
Doch ließ der Tätowierte sich von dem verbalen Widerstand immer noch nicht beirren. Er beharrte auf seiner Forderung, wurde wieder ernst:
„Ihr anderen müsst nun trotzdem abziehen“, teilte er der Gruppe mit. „Ihr hört wohl schlecht: Ich sagte, euer Freund kommt nach, wenn wir mit ihm gesprochen haben. Er wird euch schon finden, wenn es so weit ist.“
King Reynard schnaubte.
„Tja“, gab er zu, „sein Name mag da noch an diesem Schild dort hängen, aber“, wandte er ein, „das bedeutet momentan so viel, wie ich mag und nicht wie er mag, weil ich hier wohne und nicht er. Er hatte kein Recht, euch hierher einzuladen. Ihm mag das hier alles einmal gehört haben, aber das hat sich geändert, als Scarface begonnen hat, eine kolossale Sauerei unten in London zu veranstalten, und man seinen gesamten Besitz beschlagnahmt hat. Nur schert sich glücklicherweise niemand Offizielles um dieses Grundstück – also kann ich hier tun und lassen, was ich will.“
Nun löste der Mann seine verschränkten Arme und nahm wieder eine angespannte, Fäuste ballende Haltung ein.
„Und nun will ich euch hier nicht mehr sehen“, knurrte er. „Verschwindet! Ich meine es ernst. Ich habe keine Zeit für diesen Unsinn.“
„Aber Bowen ist mein echter Name, Schätzchen“, stellte er richtig, als hätte er keinen Grund, sich vor irgendwem zu verstecken, indem er Pseudonyme benutzte.
„Lloyd Bowen“, meinte er nickend, „zu deinen Diensten.“
Dann verzog sich seine Miene wieder zu einem breiten, Goldzahn-zeigenden Grinsen.
„Wenn ich es mir recht überlege, kannst du gern hier bei mir bleiben“, bot er Melinda an, bevor er Randolph unverschämt zuzwinkerte.
„Ich mag deine Kleine, Doc, sie hat Temperament.“
Doch ließ der Tätowierte sich von dem verbalen Widerstand immer noch nicht beirren. Er beharrte auf seiner Forderung, wurde wieder ernst:
„Ihr anderen müsst nun trotzdem abziehen“, teilte er der Gruppe mit. „Ihr hört wohl schlecht: Ich sagte, euer Freund kommt nach, wenn wir mit ihm gesprochen haben. Er wird euch schon finden, wenn es so weit ist.“
King Reynard schnaubte.
„Tja“, gab er zu, „sein Name mag da noch an diesem Schild dort hängen, aber“, wandte er ein, „das bedeutet momentan so viel, wie ich mag und nicht wie er mag, weil ich hier wohne und nicht er. Er hatte kein Recht, euch hierher einzuladen. Ihm mag das hier alles einmal gehört haben, aber das hat sich geändert, als Scarface begonnen hat, eine kolossale Sauerei unten in London zu veranstalten, und man seinen gesamten Besitz beschlagnahmt hat. Nur schert sich glücklicherweise niemand Offizielles um dieses Grundstück – also kann ich hier tun und lassen, was ich will.“
Nun löste der Mann seine verschränkten Arme und nahm wieder eine angespannte, Fäuste ballende Haltung ein.
„Und nun will ich euch hier nicht mehr sehen“, knurrte er. „Verschwindet! Ich meine es ernst. Ich habe keine Zeit für diesen Unsinn.“
Umbra- Tiefseemonster
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
"Schön das du uns nicht mehr sehen willst. Ich wünschte mir auch ich hätte dich nie gesehen, so schön bist du nun auch nicht, King." Melinda war in ihrem Metier. Auf diese Art zu reden und mit sich reden zu lassen - DAS war es was sie auf der Straße gelernt hatte. Und auch ein wenig, wenn auch auf eine verschrobene Art und Weise, liebte. Kein unnützes Gesülze, sondern einfach nur frei herausgeredet. Das passte ihr in den Kram. Zwar kam Randolph gerade nicht zu Wort, aber sie wusste auch nicht, ob er sich nicht einfach nur fürchterlich aufregen würde und im Zweifelsfall wieder jemanden unabsichtlich erschiessen würde.
Dann wäre ich an deiner Stelle aber tierisch sauer. Du darfst nicht und er hat immerhin schon mit Alan jemanden zu den Engeln geschickt. Ich meine Leeland war ja reine Notwehr. Das war was anderes, nicht?
"Du denkst also, dass wir jemanden bei dir lassen, denn du als Freund bezeichnest und dann sagst du das er Scarface sei. Du glaubst also was du hörst...das zeugt von viel Intelligenz. Wirklich. Ich bin beeindruckt. Und sowas nennt sich Fuchs. Das ich nicht lache." Ohne auch nur einen Schritt zur Seite zu weichen blickte sie den Mann weiterhin an.
"ICH für meinen Teil werde ohne Norly das Gelände nicht verlassen. Dafür musst du dir schon ein bisschen mehr einfallen lassen wie geballte Fäuste. Kannst mich natürlich auch umhauen. Würde mich nicht wundern, wenn du Frauen schlägst." sie lächte ihn breit und spöttisch an.
"...desweitern werde ich nun nach Norly suchen gehen." Sie hob ihren Rock etwas wan und machte sich auf den Weg in Richtung Fabrikhalle. Das sie dabei an diesem Bär von Mann vorbeimusste, war ihr klar, ebenso die Tatsache, dass das ziemlich ins Auge gehen könnte.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Augen zu und durch, Schätzchen. Ich denke mal, die meiste Zeit deines Lebens hast du ohnehin bereits hinter dich gebracht. Wen kümmert es?
Dann wäre ich an deiner Stelle aber tierisch sauer. Du darfst nicht und er hat immerhin schon mit Alan jemanden zu den Engeln geschickt. Ich meine Leeland war ja reine Notwehr. Das war was anderes, nicht?
"Du denkst also, dass wir jemanden bei dir lassen, denn du als Freund bezeichnest und dann sagst du das er Scarface sei. Du glaubst also was du hörst...das zeugt von viel Intelligenz. Wirklich. Ich bin beeindruckt. Und sowas nennt sich Fuchs. Das ich nicht lache." Ohne auch nur einen Schritt zur Seite zu weichen blickte sie den Mann weiterhin an.
"ICH für meinen Teil werde ohne Norly das Gelände nicht verlassen. Dafür musst du dir schon ein bisschen mehr einfallen lassen wie geballte Fäuste. Kannst mich natürlich auch umhauen. Würde mich nicht wundern, wenn du Frauen schlägst." sie lächte ihn breit und spöttisch an.
"...desweitern werde ich nun nach Norly suchen gehen." Sie hob ihren Rock etwas wan und machte sich auf den Weg in Richtung Fabrikhalle. Das sie dabei an diesem Bär von Mann vorbeimusste, war ihr klar, ebenso die Tatsache, dass das ziemlich ins Auge gehen könnte.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Augen zu und durch, Schätzchen. Ich denke mal, die meiste Zeit deines Lebens hast du ohnehin bereits hinter dich gebracht. Wen kümmert es?
Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Randolph riss der Geduldsfaden. Er hatte Melinda gewähren lassen. Sie hatte ja Erfahrung mit solchen Gestalten. Aber sie schien keinen Erfolg bei diesem Bastard zu haben, der sich selbst als „King“ bezeichnete.
Dieser Lloyd, wenn er wirklich so hieß, schien zu glauben, Herr der Lage zu sein. Vielleicht warteten da hinten in der Fabrikhalle ja noch weiteres Gesindel, wie er, aber hier draußen waren sie abgesehen von den paar Kinder ungestört. Und das bedeutete, dass es drei gegen einen stand.
Eurem Freund geht es gut. Der Doktor glaubte diesem Bastard kein Wort. Aber mal sehen, ob er sich selbst immer noch so lustig fand, wenn er ihm erst eine Kugel in die Weichteile gejagt hatte.
„So?“, knurrte Randolph aufgebracht. In ihm rührte sich gewaltiger Zorn. Sie haben ihn umgebracht! Diese Schweine! Ich weiß es doch ganz genau. Ermordet von einem Rudel stinkender, grobschlächtiger Primaten!
„Hier kann man also alles machen, was man will?“, schrie er den selbsternannten King Reynard an. Das Gesicht des Doktors färbte sich dunkelrot, als er näher heranhumpelte. Schon hatte er den Revolver gezogen und richtete ihn auf die Brust des Tätowierten. „Dann sage ich dir jetzt, was ich will! Du wirst uns jetzt schön brav dort hineinführen und zu Norly bringen. Und wenn du und dein geistig zurückgebliebenes Gefolge ihm etwas angetan habt, lasse ich euch alle an eurem Blut und euren Eingeweiden ersticken!“
Die farblosen Augen des Arztes funkelten, als sich sein Gesicht zu einer humorlos grinsenden Grimasse verzehrte. „Hört sich das für dich nach einem Angebot an, King Reynard?“
Melindas Versuch an dem Kerl vorbeizudrängen, hatte Randolph nicht mehr abwarten wollen. Wer wusste was sie dort drinnen erwartete? Er würde Reynard als Geisel benutzen. Und wenn Norly etwas fehlte, würde er ihn einfach umbringen. Für irgendwelchen Spielchen hatte der Doktor keine Zeit. In dem Mechanismus seines Hirns kreiselte nur noch eine einzige Frage: War Norly noch am Leben?
Wenn nicht, wäre dies alles umsonst gewesen. Dieses gesamte Unterfangen. Die Operation bei den Mauneys. Die Toten. Verschwendete Leben, verschwendete Lebenszeit. Zu viele Unschuldige, die in eine blutige und grausame Angelegenheit hineingezogen worden waren.
„Na los! Bewege deinen Arsch!“, knurrte er den Hurensohn an. „Ich habe einen nervösen Zeigefinger!“
Tick. Tack. Deine Zeit läuft, King Reynard!
Dieser Lloyd, wenn er wirklich so hieß, schien zu glauben, Herr der Lage zu sein. Vielleicht warteten da hinten in der Fabrikhalle ja noch weiteres Gesindel, wie er, aber hier draußen waren sie abgesehen von den paar Kinder ungestört. Und das bedeutete, dass es drei gegen einen stand.
Eurem Freund geht es gut. Der Doktor glaubte diesem Bastard kein Wort. Aber mal sehen, ob er sich selbst immer noch so lustig fand, wenn er ihm erst eine Kugel in die Weichteile gejagt hatte.
„So?“, knurrte Randolph aufgebracht. In ihm rührte sich gewaltiger Zorn. Sie haben ihn umgebracht! Diese Schweine! Ich weiß es doch ganz genau. Ermordet von einem Rudel stinkender, grobschlächtiger Primaten!
„Hier kann man also alles machen, was man will?“, schrie er den selbsternannten King Reynard an. Das Gesicht des Doktors färbte sich dunkelrot, als er näher heranhumpelte. Schon hatte er den Revolver gezogen und richtete ihn auf die Brust des Tätowierten. „Dann sage ich dir jetzt, was ich will! Du wirst uns jetzt schön brav dort hineinführen und zu Norly bringen. Und wenn du und dein geistig zurückgebliebenes Gefolge ihm etwas angetan habt, lasse ich euch alle an eurem Blut und euren Eingeweiden ersticken!“
Die farblosen Augen des Arztes funkelten, als sich sein Gesicht zu einer humorlos grinsenden Grimasse verzehrte. „Hört sich das für dich nach einem Angebot an, King Reynard?“
Melindas Versuch an dem Kerl vorbeizudrängen, hatte Randolph nicht mehr abwarten wollen. Wer wusste was sie dort drinnen erwartete? Er würde Reynard als Geisel benutzen. Und wenn Norly etwas fehlte, würde er ihn einfach umbringen. Für irgendwelchen Spielchen hatte der Doktor keine Zeit. In dem Mechanismus seines Hirns kreiselte nur noch eine einzige Frage: War Norly noch am Leben?
Wenn nicht, wäre dies alles umsonst gewesen. Dieses gesamte Unterfangen. Die Operation bei den Mauneys. Die Toten. Verschwendete Leben, verschwendete Lebenszeit. Zu viele Unschuldige, die in eine blutige und grausame Angelegenheit hineingezogen worden waren.
„Na los! Bewege deinen Arsch!“, knurrte er den Hurensohn an. „Ich habe einen nervösen Zeigefinger!“
Tick. Tack. Deine Zeit läuft, King Reynard!
Zuletzt von Darnamur am Sa Okt 31 2015, 02:40 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Als Norly dem Maler Richtungsanweisungen gab und damit ihren Zielort wechselte, konnte dieser seine Enttäuschung und Überraschung nicht verbergen. Gilbert wusste sofort, ohne zu erahnen, was ihr neues Ziel war, dass die Ankunft an diesem Ort wieder einmal mit Problemen verbunden sein würde. Er seufzte aber widersprach dem Mann nicht und fragte sich lediglich, wann dieser Tag endlich enden würde und ihm ein bisschen Ruhe und Erholung gegönnt war. Hätte er doch bloß einen Flachmann dabei, dann wäre wenigstens dieses Problem für die nächste Zeit aus der Welt geschafft.
Gilbert steuerte die Pferde gekonnt durch das Tor und war ehrlich erstaunt über sich selbst. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihm das Steuern einer Kutsche so leicht fiel aber anscheinend hatte er ein Händchen dafür. Auch wenn es eine Arbeit war, für die er sich in der Vergangenheit nie interessiert und die er immer anderen, weniger gut betitelten Menschen überlassen hatte, war es doch gut zu wissen, dieses Talent zu besitzen. Zumindest kam er sich jetzt nicht anders oder gar dreckig vor. Durch das Steuern der Kutsche hatte er der Gruppe lediglich etwas unter die Arme greifen können und sich als nützlich erwiesen.
Er warf einen Blick auf das Schild, welches seine besten Jahre schon hinter sich gelassen hatte und nahm schließlich das riesige Fabrikgebäude in Augenschein. Gilbert erkannte recht schnell, was er hier für ein Gebäude vor sich hatte. Tatsächlich wunderte er sich, warum ihm nicht schon vorher aufgefallen war, wohin ihn Norly führte - schließlich war Gilbert schon einmal hier gewesen. Der Besuch dieses Grundstückes lag schon weit in der Vergangenheit aber das hinderte den ehemals angehenden Geschäftsmann und führenden Hersteller für Herrenmode nicht daran, sich an diesen Tag zu erinnern. Die Norman Mill gehörte damals zu den größten Betrieben ihrer Art in Manchester und da dort Garn hergestellt worden war, hatte sich zwischen den Norlys und Wrights recht schnell ein ertragreiches Geschäftsverhältnis gebildet. Interessanter an diesem Betrieb waren für Gilbert allerdings zwei andere Dinge. Da war zum Einen die Tatsache, dass die Norman Mill ein Familienunternehmen war und damit die Leitung von Generation zu Generation weitergegen worden war. Das bedeutete für ihn, dass er schon damals, als er noch ein sehr junger Mann gewesen war, vermutlich auf Charles Norly oder seinen Vater getroffen war. Eine sehr interessante Verbindung. War es nur Zufall, dass er den Mann heute dabei unterstützte, die Welt von seiner Unschuld zu überzeugen oder war es schon seit jeher so vorhergesehen? Gilbert glaubte nicht an das Schicksal aber ein Gedankenspiel war es durchaus Wert.
Er führte den Gedankengang zu Norly und seinem Unternehmen weiter. Der Besuch dieses Grundstückes mit seinem Vater war in eine Zeit gefallen, in der Gilbert angefangen hatte, zu rebellieren und sich seinen eigenen Zielen zuzuwenden. Es war mehr oder weniger ein erzwungener Geschäftstermin gewesen, dem der Maler nicht wirklich viel Beachtung geschenkt hatte. Es war also nicht verwunderlich, dass er den weiteren Werdegang des Unternehmens nicht im Blick behalten hatte aber er wusste, dass es bei der Schließung des Unternehmens nicht mit rechten Dingen zugegangen war. Sein Gedächtnis ließ ihm nicht im Stich und er erinnerte sich sogar an die Zeitungsberichte zu diesem Thema. Man hatte das Ende des Betriebes mit der Baumwollkriese, die durch den amerikanischen Bürgerkrieg entstanden war und risikoreichen Spekulationsgeschäften Norlys in Verbindung gebracht aber Gilbert wusste, dass das Humbug war - genauso wie die Darstellung Norlys, den man als inkompetent und verantwortungslos dargestellt hatte. Tatsächlich war es so gewesen - durch das Geschäftsverhältnis war Gilbert natürlich mehr oder weniger an der Quelle gewesen - das die Baumwollkrise die Norman Mill weit weniger stark getroffen hatte, wie andere Betriebe. Grund dafür waren erfolgreiche Import- und Exportgeschäfte abseits Amerika. Charles Norly war ganz einfach nicht auf amerikanische Baumwolle angewiesen gewesen. Das hatte natürlich zur Folge, dass die Norman Mill sogar einen Aufschwung erfuhr, während es in anderen Betrieben genau andersherum ausging.
Ob es nun wirklich die Spekulationsgeschäfte Charles waren, konnte Gilbert aber nicht beurteilen. Er hatte Charles Norly bisher nicht als erfolgreichen Geschäftsmann eingeschätzt aber nachdem er die Ereignisse der Vergangenheit noch einmal durchgegangen war, kam er zu dem Schluss, dass Norly bei den Spekulationsgeschäften sicherlich nicht alles auf eine Karte gesetzt oder sich so stark verschätzt hatte, dass es ihn seinen Betrieb gekostet hatte. Nein, für die Schließung der Norman Mill gab es einen anderen Grund und Gilbert war sich sicher, dass es mit den Scarface-Morden in Verbindung stand. Früher oder später hätten die Anschuldigungen Norly sowieso dazu gezwungen, sein Geschäft aufzugeben und wie sich in den nächsten Minuten herausstellte, behielt er mit dieser Vermutung auch nicht unrecht.
Während all diese Gedanken durch den Kopf des gelernten Textil- und Kleidungshändlers gingen, fiel ihm gar nicht ein, sich auf seine Umgebung zu konzentrieren, geschweige denn von der Kutsche zu steigen. Den Befehl Norlys, dass er warten sollte, hatte er zwar gehört aber diesen nicht wirklich verarbeitet. Die Worte des Mannes waren einfach in ein Ohr hinein- und sofort wieder im anderen Ohr hinausgekommen. Aufgehalten hätte er den Mann sowieso nicht. Wieso auch, dass hier war noch immer sein Besitz und Norly konnte gut auf sich selbst aufpassen. Wenn er auf Probleme stoßen würde - und das würde er, da war sich Gilbert sicher - dann würde er diese schon irgendwie lösen können. Das hatte er bis jetzt immer.
So blieb er einfach auf dem Kutschbock sitzen und gönnte sich einige Momente wohlverdiente Ruhe. Das dies nicht lange vorhalten würde, hatte Gilbert gewusst aber zumindest hatte er durchatmen können, bis das nächste Problem in Form eines bulligen und tätowierten Arbeiters auftauchte.
Das auffälligste an dem Mann waren vor allem seine Tattoos und sein amerikanischer Akzent. Das er sich Dallas nannte, ließ darauf schließen, dass er aus dieser Stadt in den USA stammte. Interessant. Was hatte ihn nach Manchester verschlagen? Mit den Tattoos konnte Gilbert nicht viel anfangen. Vermutlich war der Mann einfach irgendein Gangmitglied, vielleicht sogar deren Anführer. Sicher war nur, dass er zum Abschaum gehörte und der war hinterlistig und gefährlich. Davon schien Dallas aber auch selbst sehr überzeugt zu sein. "King Reynard also... Reineke Fuchs, ein Trickster. Hinterlistig, schlau und zusätzlich auch noch sehr von sich selbst überzeugt." Der Mann war Gilbert sofort unsympathisch. Dieses ganze Gehabe und die völlige Selbstüberschätzung waren einfach zu viel. Für wen hielt der Mann sich, dass er sich King nannte und sich gleichzeitig mit einem Trickster verglich? Da konnte Gilbert nur hoffen, dass er sich auch so verhielt wie ein Trickster und nur die Regeln brach, um Menschen Gutes zu tun.
Während sich der Doktor und "das Frauchen", wie Dallas Melinda nannte, mit dem Mann unterhielten, beobachtete Gilbert die Situation. Das war wirklich nicht sein Gebiet. Sich mit solchen Individuen zu unterhalten, überließ er denen, die sich mit dem Thema auskannten. Er war dafür einfach zu... ja, was genau? Feige? Formell? Spießig? Vielleicht von allem ein bisschen.
Natürlich entwickelte sich das angespannte Gespräch sehr schnell in eine Richtung, die Gilbert zwar bekannt war aber die er hasste. Wieder einmal griff der Doktor zu seiner Waffe und drohte Gewalt an. Wieso musste alles nur auf diese Weise geregelt werden? Andererseits hatten sie es mit dem "King" zu tun und vielleicht war das die einzige Möglichkeit, ihn dazu zu bewegen, sie zu Norly zu bringen. Außerdem schien der Mann sowieso nicht gewillt gewesen zu sein, dass alles auf zivilisierte Weise auszudiskutieren. Dieses Mal sparte sich der Maler also seine Beschwichtigungsversuche - die bisher nie Wirkung gezeigt hatten - und hielt sich im Hintergrund. Wenn hier gleich eine Schießerei anfangen würde, dann wäre Gilbert zur Stelle und könnte zur Not zumindest sich und Thomson, die erstaunlicherweise bisher ruhig geblieben war, in Sicherheit bringen. Er würde kein schlechtes Gewissen haben, den Rest hier zu lassen. Das alles war schon viel zu sehr aus dem Ruder gelaufen. Für so viel Gewalt hatte sich Gilbert nicht gemeldet. Damit war er von Anfang an nicht einverstanden gewesen.
Neugierig beobachtete er, wie es weiterging und stieg gleichzeitig langsam vom Kutschbock, um sich sicherheitshalber hinter der Kutsche zu verstecken und sich so aus dem Schussfeld zu begeben.
Gilbert steuerte die Pferde gekonnt durch das Tor und war ehrlich erstaunt über sich selbst. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihm das Steuern einer Kutsche so leicht fiel aber anscheinend hatte er ein Händchen dafür. Auch wenn es eine Arbeit war, für die er sich in der Vergangenheit nie interessiert und die er immer anderen, weniger gut betitelten Menschen überlassen hatte, war es doch gut zu wissen, dieses Talent zu besitzen. Zumindest kam er sich jetzt nicht anders oder gar dreckig vor. Durch das Steuern der Kutsche hatte er der Gruppe lediglich etwas unter die Arme greifen können und sich als nützlich erwiesen.
Er warf einen Blick auf das Schild, welches seine besten Jahre schon hinter sich gelassen hatte und nahm schließlich das riesige Fabrikgebäude in Augenschein. Gilbert erkannte recht schnell, was er hier für ein Gebäude vor sich hatte. Tatsächlich wunderte er sich, warum ihm nicht schon vorher aufgefallen war, wohin ihn Norly führte - schließlich war Gilbert schon einmal hier gewesen. Der Besuch dieses Grundstückes lag schon weit in der Vergangenheit aber das hinderte den ehemals angehenden Geschäftsmann und führenden Hersteller für Herrenmode nicht daran, sich an diesen Tag zu erinnern. Die Norman Mill gehörte damals zu den größten Betrieben ihrer Art in Manchester und da dort Garn hergestellt worden war, hatte sich zwischen den Norlys und Wrights recht schnell ein ertragreiches Geschäftsverhältnis gebildet. Interessanter an diesem Betrieb waren für Gilbert allerdings zwei andere Dinge. Da war zum Einen die Tatsache, dass die Norman Mill ein Familienunternehmen war und damit die Leitung von Generation zu Generation weitergegen worden war. Das bedeutete für ihn, dass er schon damals, als er noch ein sehr junger Mann gewesen war, vermutlich auf Charles Norly oder seinen Vater getroffen war. Eine sehr interessante Verbindung. War es nur Zufall, dass er den Mann heute dabei unterstützte, die Welt von seiner Unschuld zu überzeugen oder war es schon seit jeher so vorhergesehen? Gilbert glaubte nicht an das Schicksal aber ein Gedankenspiel war es durchaus Wert.
Er führte den Gedankengang zu Norly und seinem Unternehmen weiter. Der Besuch dieses Grundstückes mit seinem Vater war in eine Zeit gefallen, in der Gilbert angefangen hatte, zu rebellieren und sich seinen eigenen Zielen zuzuwenden. Es war mehr oder weniger ein erzwungener Geschäftstermin gewesen, dem der Maler nicht wirklich viel Beachtung geschenkt hatte. Es war also nicht verwunderlich, dass er den weiteren Werdegang des Unternehmens nicht im Blick behalten hatte aber er wusste, dass es bei der Schließung des Unternehmens nicht mit rechten Dingen zugegangen war. Sein Gedächtnis ließ ihm nicht im Stich und er erinnerte sich sogar an die Zeitungsberichte zu diesem Thema. Man hatte das Ende des Betriebes mit der Baumwollkriese, die durch den amerikanischen Bürgerkrieg entstanden war und risikoreichen Spekulationsgeschäften Norlys in Verbindung gebracht aber Gilbert wusste, dass das Humbug war - genauso wie die Darstellung Norlys, den man als inkompetent und verantwortungslos dargestellt hatte. Tatsächlich war es so gewesen - durch das Geschäftsverhältnis war Gilbert natürlich mehr oder weniger an der Quelle gewesen - das die Baumwollkrise die Norman Mill weit weniger stark getroffen hatte, wie andere Betriebe. Grund dafür waren erfolgreiche Import- und Exportgeschäfte abseits Amerika. Charles Norly war ganz einfach nicht auf amerikanische Baumwolle angewiesen gewesen. Das hatte natürlich zur Folge, dass die Norman Mill sogar einen Aufschwung erfuhr, während es in anderen Betrieben genau andersherum ausging.
Ob es nun wirklich die Spekulationsgeschäfte Charles waren, konnte Gilbert aber nicht beurteilen. Er hatte Charles Norly bisher nicht als erfolgreichen Geschäftsmann eingeschätzt aber nachdem er die Ereignisse der Vergangenheit noch einmal durchgegangen war, kam er zu dem Schluss, dass Norly bei den Spekulationsgeschäften sicherlich nicht alles auf eine Karte gesetzt oder sich so stark verschätzt hatte, dass es ihn seinen Betrieb gekostet hatte. Nein, für die Schließung der Norman Mill gab es einen anderen Grund und Gilbert war sich sicher, dass es mit den Scarface-Morden in Verbindung stand. Früher oder später hätten die Anschuldigungen Norly sowieso dazu gezwungen, sein Geschäft aufzugeben und wie sich in den nächsten Minuten herausstellte, behielt er mit dieser Vermutung auch nicht unrecht.
Während all diese Gedanken durch den Kopf des gelernten Textil- und Kleidungshändlers gingen, fiel ihm gar nicht ein, sich auf seine Umgebung zu konzentrieren, geschweige denn von der Kutsche zu steigen. Den Befehl Norlys, dass er warten sollte, hatte er zwar gehört aber diesen nicht wirklich verarbeitet. Die Worte des Mannes waren einfach in ein Ohr hinein- und sofort wieder im anderen Ohr hinausgekommen. Aufgehalten hätte er den Mann sowieso nicht. Wieso auch, dass hier war noch immer sein Besitz und Norly konnte gut auf sich selbst aufpassen. Wenn er auf Probleme stoßen würde - und das würde er, da war sich Gilbert sicher - dann würde er diese schon irgendwie lösen können. Das hatte er bis jetzt immer.
So blieb er einfach auf dem Kutschbock sitzen und gönnte sich einige Momente wohlverdiente Ruhe. Das dies nicht lange vorhalten würde, hatte Gilbert gewusst aber zumindest hatte er durchatmen können, bis das nächste Problem in Form eines bulligen und tätowierten Arbeiters auftauchte.
Das auffälligste an dem Mann waren vor allem seine Tattoos und sein amerikanischer Akzent. Das er sich Dallas nannte, ließ darauf schließen, dass er aus dieser Stadt in den USA stammte. Interessant. Was hatte ihn nach Manchester verschlagen? Mit den Tattoos konnte Gilbert nicht viel anfangen. Vermutlich war der Mann einfach irgendein Gangmitglied, vielleicht sogar deren Anführer. Sicher war nur, dass er zum Abschaum gehörte und der war hinterlistig und gefährlich. Davon schien Dallas aber auch selbst sehr überzeugt zu sein. "King Reynard also... Reineke Fuchs, ein Trickster. Hinterlistig, schlau und zusätzlich auch noch sehr von sich selbst überzeugt." Der Mann war Gilbert sofort unsympathisch. Dieses ganze Gehabe und die völlige Selbstüberschätzung waren einfach zu viel. Für wen hielt der Mann sich, dass er sich King nannte und sich gleichzeitig mit einem Trickster verglich? Da konnte Gilbert nur hoffen, dass er sich auch so verhielt wie ein Trickster und nur die Regeln brach, um Menschen Gutes zu tun.
Während sich der Doktor und "das Frauchen", wie Dallas Melinda nannte, mit dem Mann unterhielten, beobachtete Gilbert die Situation. Das war wirklich nicht sein Gebiet. Sich mit solchen Individuen zu unterhalten, überließ er denen, die sich mit dem Thema auskannten. Er war dafür einfach zu... ja, was genau? Feige? Formell? Spießig? Vielleicht von allem ein bisschen.
Natürlich entwickelte sich das angespannte Gespräch sehr schnell in eine Richtung, die Gilbert zwar bekannt war aber die er hasste. Wieder einmal griff der Doktor zu seiner Waffe und drohte Gewalt an. Wieso musste alles nur auf diese Weise geregelt werden? Andererseits hatten sie es mit dem "King" zu tun und vielleicht war das die einzige Möglichkeit, ihn dazu zu bewegen, sie zu Norly zu bringen. Außerdem schien der Mann sowieso nicht gewillt gewesen zu sein, dass alles auf zivilisierte Weise auszudiskutieren. Dieses Mal sparte sich der Maler also seine Beschwichtigungsversuche - die bisher nie Wirkung gezeigt hatten - und hielt sich im Hintergrund. Wenn hier gleich eine Schießerei anfangen würde, dann wäre Gilbert zur Stelle und könnte zur Not zumindest sich und Thomson, die erstaunlicherweise bisher ruhig geblieben war, in Sicherheit bringen. Er würde kein schlechtes Gewissen haben, den Rest hier zu lassen. Das alles war schon viel zu sehr aus dem Ruder gelaufen. Für so viel Gewalt hatte sich Gilbert nicht gemeldet. Damit war er von Anfang an nicht einverstanden gewesen.
Neugierig beobachtete er, wie es weiterging und stieg gleichzeitig langsam vom Kutschbock, um sich sicherheitshalber hinter der Kutsche zu verstecken und sich so aus dem Schussfeld zu begeben.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
"Ach du ahnst es nicht..." entfuhr es Melinda als Randolph plötzlich seinen Revolver zog. Ja...sicher sie hatte auch das Bedürfnis gehabt dem King ein drittes Nasenloch in den Schädel zu verpassen, aber ohne dabei soviel Tamtam zu machen. Ohne groß zu überlegen machte sie einige zügige Schritte nach hinten, der King würde sie sicherlich nur zu gerne als Schutzschild nutzen. Davon hatte sie nach der Begegnung mit Leeland genug fürs Erste. Genug für ein Leben. Randolph würde sie nicht erschießen...zumindest nicht absichtlich. Ob er dann noch mehr durchdrehen würde, wenn eine Kugel von ihm in ihren Kugel einschlug? Der Gedanke erheiterte Melinda fast schon ein bisschen, auch wenn sie darauf bedacht war nun keinen falschen Schritt zu machen. Ihre Wristgun zu ziehen und damit auf den King zu zielen, kam ihr überflüssig vor. Stattdessen wollte sie die Situation entschärfen. Doch dazu war es nun zu spät, sie wusste nicht was sie tun sollte, außer eben Abstand zwischen sich und den King zu bringen.
"Gut Füchschen...du hast den Doc gehört...er kann Menschen ebenso gut aus Stücken wieder zusammen nähen, wie auch sie in Stücke schießen. Du wärst beeindruckt hättest du das schon mal gesehen...also los geht es. Nach dir." sagte sie nun lächelnd und machte eine einladende Geste in Richtung der Fabrik. Dann entschied sie sich jedoch, dass eine gezogene Waffe keine gute Idee war und sie zumindest versuchen sollte den Doc etwas runterzubekommen. "Ich bin mir sicher der Doc nimmt auch gleich seine Waffe herunter, sobald es los geht. Nicht wahr?!" knurrte sie in seine Richtung. Und betete zu allen Göttern an die sie nicht glaubte, dass er zur Besinnung kommen würde. "Bitte." schob sie dann noch hinterher.
"Gut Füchschen...du hast den Doc gehört...er kann Menschen ebenso gut aus Stücken wieder zusammen nähen, wie auch sie in Stücke schießen. Du wärst beeindruckt hättest du das schon mal gesehen...also los geht es. Nach dir." sagte sie nun lächelnd und machte eine einladende Geste in Richtung der Fabrik. Dann entschied sie sich jedoch, dass eine gezogene Waffe keine gute Idee war und sie zumindest versuchen sollte den Doc etwas runterzubekommen. "Ich bin mir sicher der Doc nimmt auch gleich seine Waffe herunter, sobald es los geht. Nicht wahr?!" knurrte sie in seine Richtung. Und betete zu allen Göttern an die sie nicht glaubte, dass er zur Besinnung kommen würde. "Bitte." schob sie dann noch hinterher.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Entgegen Melindas Befürchtung machte Lloyd Bowen keinerlei Anstalten, sie als Fleischschild zu missbrauchen, sondern wich, selbst überrascht von Randolphs gewaltbereitem Wutausbruch, einen Schritt zurück. Dass diese plötzliche Wendung den Tätowierten beunruhigte, war kaum zu übersehen. All der Schalk war aus seiner Mimik gewichen und hatte Sorge, wenn nicht sogar darüber hinaus auch Angst, zurückgelassen.[1] Hinter des Kings unruhigen Augen, die Randolph nicht dennoch für keinen Sekundenbruchteil außer Acht ließen, überschlugen sich die Gedanken.
„Ich führe euch zu Charles“, antwortete Reynard kühl, nachdem auch Melinda sich eingemischt hatte.
„Ihm ist wirklich nichts geschehen“, behauptete er erneut.
„Ich halte ihn nicht für Scarface, da habt ihr etwas falsch verstanden.“
Trotzdem er eingeschüchtert und zugleich verärgert von der vorgehaltenen Waffe und der aggressiven Einstellung Dr. „Bentons“ war, versuchte King Reynard ebenfalls, die Situation etwas zu entschärfen:
„Es besteht also kein Anlass, meine Familie und mich zu beleidigen und zu bedrohen“, knurrte er zähneknirschend. „Hör auf deine Kleine und nimm die Waffe weg, ich bitte dich. Wenn du unbedingt auf mich schießen musst, kannst du das später noch tun; ich bin unbewaffnet – doch nicht hier vor meiner Frau und den Kindern“, fügte er betonend hinzu.
Nur er wusste wohl, wer sie beobachtete.
„Macht es nicht schlimmer als es ist“, bat Bowen kopfschüttelnd. „Wir haben kein Interesse an solch unnötigem Blutvergießen.“
Skeptisch warf er einen Blick an Randolph hinab. O’Sullivans Blut klebte noch an der Kleidung des Chirurgen und das entging seinem Gegenüber nicht.
„Davon hattet ihr heute sicher auch schon genug, wenn ich dich mir so ansehe, Doktor“, kommentierte er geringschätzig (und die Anrede sprach er mit besonders beißendem Unterton aus), bevor er kurz Melinda einen Blick zuwarf.
„Ich bin also alles andere als beeindruckt.“
Reynard nahm wieder Augenkontakt zu Randolph auf und spuckte vor sich auf den Boden. Dann wandte er sich um und schritt gemächlich, wohl, um keine Kugel aufgrund zu hastiger Bewegungen zu riskieren, auf das Verwaltungsgebäude zu, in dem Charles vorhin verschwunden war.
[1] leichte mentale Konsequenz: Eingeschüchtert (dank kritischem Erfolg)
„Ich führe euch zu Charles“, antwortete Reynard kühl, nachdem auch Melinda sich eingemischt hatte.
„Ihm ist wirklich nichts geschehen“, behauptete er erneut.
„Ich halte ihn nicht für Scarface, da habt ihr etwas falsch verstanden.“
Trotzdem er eingeschüchtert und zugleich verärgert von der vorgehaltenen Waffe und der aggressiven Einstellung Dr. „Bentons“ war, versuchte King Reynard ebenfalls, die Situation etwas zu entschärfen:
„Es besteht also kein Anlass, meine Familie und mich zu beleidigen und zu bedrohen“, knurrte er zähneknirschend. „Hör auf deine Kleine und nimm die Waffe weg, ich bitte dich. Wenn du unbedingt auf mich schießen musst, kannst du das später noch tun; ich bin unbewaffnet – doch nicht hier vor meiner Frau und den Kindern“, fügte er betonend hinzu.
Nur er wusste wohl, wer sie beobachtete.
„Macht es nicht schlimmer als es ist“, bat Bowen kopfschüttelnd. „Wir haben kein Interesse an solch unnötigem Blutvergießen.“
Skeptisch warf er einen Blick an Randolph hinab. O’Sullivans Blut klebte noch an der Kleidung des Chirurgen und das entging seinem Gegenüber nicht.
„Davon hattet ihr heute sicher auch schon genug, wenn ich dich mir so ansehe, Doktor“, kommentierte er geringschätzig (und die Anrede sprach er mit besonders beißendem Unterton aus), bevor er kurz Melinda einen Blick zuwarf.
„Ich bin also alles andere als beeindruckt.“
Reynard nahm wieder Augenkontakt zu Randolph auf und spuckte vor sich auf den Boden. Dann wandte er sich um und schritt gemächlich, wohl, um keine Kugel aufgrund zu hastiger Bewegungen zu riskieren, auf das Verwaltungsgebäude zu, in dem Charles vorhin verschwunden war.
[1] leichte mentale Konsequenz: Eingeschüchtert (dank kritischem Erfolg)
Umbra- Tiefseemonster
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Der King hatte Angst. Das konnte der Doktor am nervösen Zucken seiner Iriden und seinem Rückwartsstolpern erkennen. Jetzt gehörst du mir, grollte seine innere Stimme, wie durch einen dunklen, schallenden Höhlenschacht. Randolphs Gesicht war immer noch wutverzerrt. Ihm ist wirklich nichts geschehen? Was für einen Grund hatte er diesem Bastard zu trauen? Sie würden ja sehen, wie es Norly ging. Und er wusste noch nicht, wie er reagieren würde, wenn er herausfand, dass man ihn einfach gemeuchelt hatte.
Melindas mildernde Worte verwirrten ihn ein wenig. Schließlich ging es um Charles. Aber vielleicht hatte sie einfach noch nicht die Option in Betracht gezogen, dass Norly gerade irgendwo dort drinnen in seiner eigenen Blutlache dahinsiechte. Sein Blick schweifte zwischen ihr und Reynard hin und her.
Denk doch noch einmal logisch über die Situation nach. Es bringt jetzt nichts, übereilt zu handeln, nicht wahr? Entweder Norly ist bereits tot, oder er ist es nicht. Das war die Stimme der Vernunft, die er verdrängt hatte, als er seiner Wut und seinem Hass Luft gemacht hatte.
Du willst niemanden erschießen, Randolph, oder? Nicht einmal so einen heruntergekommenen Straßenköter wie Reynard. Oder gerade deswegen nicht, weil er einer ist. Hast du dich nicht stets um die Armen und im Elend Lebenden gekümmert?
Randolph hielt den Revolver weiterhin auf Bowens Brust gerichtet, während er nachdachte.
Was machte es schon, wenn er diesen Bastard niederstreckte? Wenn Norly tot war, war alles umsonst gewesen. Und was ihn betraf, so hatte er sich doch ohnehin schon zu viele Schulden auf den Rücken geladen. Ein schmerzender Geröllhaufen, der gegen seine Schulterblätter drückte und täglich an Gewicht zunahm.
Der Mord an seinem Vater…
Gute Arbeit, mein Sohn! Ich sagte doch, du seist ein brauchbarer Chirurg. Und jetzt bring deinem Vater einen Kaffee und mach dich endlich wieder an die Arbeit…
Seine Mutter, die er in die Alkoholsucht und den Wahn getrieben hatte, Lynette…
Du hast dich in ein Monster verwandelt, Randolph Tremaine! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben! Verlasse dieses Haus! Sofort! Und komme nie wieder zurück!
Die Mauneys, auf die er die Aufmerksamkeit der falschen Personen gezogen hatte…
Sie halten uns für besonders dämlich, was?! Möge Gott Ihrer Seele gnädig sein, wenn Sie baumeln, Sie verfluchter Mörder! Ich allerdings werde lächelnd dabei zusehen!
Randolph fragte sich, wie lange Mrs.Sutton nach diesen Worten noch gelächelt hatte. Aber damit war die Liste noch nicht zu Ende. O’Sullivan. Er bildete im Augenblick das frisch blutige, letzte Glied dieser Kette und auch seinen Tod hatte er nicht verhindern können. Er hätte Charles davon abhalten müssen, ihn mitzunehmen, aber er hatte es nicht getan.
Denn es geht hier um Menschenleben...und unschuldige Menschenleben. Sollen sich die Täter an mir vergreifen - sie werden ihr blaues Wunder erleben! Ich bin Ire - ich stehe immer wieder auf.
Es war erstaunlich, wie selbstironisch all diese Texte der Verstorbenen im Nachhinein wirkten. Und jetzt? Wollte er diese Liste unbedingt noch erweitern? Nein. Melinda machte das Richtige. Sie blieb ruhig. Ein Massaker war nicht, was sie erreichen wollten. Randolph wollte nur zu Norly. Er konnte schauspielen, aber er sollte sich davor hüten, den Abzug abzudrücken.
Wenn du unbedingt auf mich schießen musst, kannst du das später noch tun; ich bin unbewaffnet – doch nicht hier vor meiner Frau und den Kindern.
Das tat dann wohl sein Übriges. Randolph blickte kurz zu den Kindern mit dem Ball hinüber und dann zu den Fenstern, hinter denen er eben noch Gesichter erblicken konnte. Der Doktor senkte den Lauf der Waffe, aber steckte sie nicht weg. Es konnte nicht schaden, etwas bedrohlicher auf den Kerl zu wirken und außerdem konnte er nicht wissen, was sie dort drinnen erwartete. Er würde aufmerksam sein müssen. Sehr aufmerksam. Und im Zweifelsfall, sehr schnell. Besonders, wenn Melinda mit ins Innere kam. Hindern würde er sie nicht können.
Was er allerdings machen konnte…der Doktor wandte sich an Wright, der sich bisher sorgsam im Hintergrund gehalten hatte. Diesmal würde er allerdings nicht den Fehler begehen, ihn bei seinem richtigen Namen zu nennen. Diese Angelegenheit ärgerte ihn immer noch, obwohl sie im Augenblick wohl eher irrelevant war.
„George, du könntest dir in der Zwischenzeit schon einmal das Innere der Kutsche ansehen.“ Er zwinkerte Wright kurz zu. Damit, dass der Mann sie begleiten wollte, rechnete er nicht. Und so könnte er sich zumindest um die alte Schachtel sorgen und sie vielleicht sogar wach zu bekommen. Der Doktor war einverstanden damit gewesen sie einzuschläfern, aber jetzt waren sie in einer gefährlichen Situation und je nachdem, was dort im Verwaltungsgebäude geschehen würde, könnte das Ganze auch Böse für sie enden. Auch wenn er Thomson nicht traute…das wollte er dann auch nicht.
Llyod schnauzte er nur noch kurz an: „Sparen sie sich ihr Gefasel! Glauben sie mich interessiert der Dreck? Bringen sie uns einfach zu Norly.“ Daraufhin machte sich der Doktor daran dem Tätowierten hinterher zu humpeln.
Du bist nicht beeindruckt? Vorher hat das noch ganz anders ausgesehen, du kleiner Schisser.
Melindas mildernde Worte verwirrten ihn ein wenig. Schließlich ging es um Charles. Aber vielleicht hatte sie einfach noch nicht die Option in Betracht gezogen, dass Norly gerade irgendwo dort drinnen in seiner eigenen Blutlache dahinsiechte. Sein Blick schweifte zwischen ihr und Reynard hin und her.
Denk doch noch einmal logisch über die Situation nach. Es bringt jetzt nichts, übereilt zu handeln, nicht wahr? Entweder Norly ist bereits tot, oder er ist es nicht. Das war die Stimme der Vernunft, die er verdrängt hatte, als er seiner Wut und seinem Hass Luft gemacht hatte.
Du willst niemanden erschießen, Randolph, oder? Nicht einmal so einen heruntergekommenen Straßenköter wie Reynard. Oder gerade deswegen nicht, weil er einer ist. Hast du dich nicht stets um die Armen und im Elend Lebenden gekümmert?
Randolph hielt den Revolver weiterhin auf Bowens Brust gerichtet, während er nachdachte.
Was machte es schon, wenn er diesen Bastard niederstreckte? Wenn Norly tot war, war alles umsonst gewesen. Und was ihn betraf, so hatte er sich doch ohnehin schon zu viele Schulden auf den Rücken geladen. Ein schmerzender Geröllhaufen, der gegen seine Schulterblätter drückte und täglich an Gewicht zunahm.
Der Mord an seinem Vater…
Gute Arbeit, mein Sohn! Ich sagte doch, du seist ein brauchbarer Chirurg. Und jetzt bring deinem Vater einen Kaffee und mach dich endlich wieder an die Arbeit…
Seine Mutter, die er in die Alkoholsucht und den Wahn getrieben hatte, Lynette…
Du hast dich in ein Monster verwandelt, Randolph Tremaine! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben! Verlasse dieses Haus! Sofort! Und komme nie wieder zurück!
Die Mauneys, auf die er die Aufmerksamkeit der falschen Personen gezogen hatte…
Sie halten uns für besonders dämlich, was?! Möge Gott Ihrer Seele gnädig sein, wenn Sie baumeln, Sie verfluchter Mörder! Ich allerdings werde lächelnd dabei zusehen!
Randolph fragte sich, wie lange Mrs.Sutton nach diesen Worten noch gelächelt hatte. Aber damit war die Liste noch nicht zu Ende. O’Sullivan. Er bildete im Augenblick das frisch blutige, letzte Glied dieser Kette und auch seinen Tod hatte er nicht verhindern können. Er hätte Charles davon abhalten müssen, ihn mitzunehmen, aber er hatte es nicht getan.
Denn es geht hier um Menschenleben...und unschuldige Menschenleben. Sollen sich die Täter an mir vergreifen - sie werden ihr blaues Wunder erleben! Ich bin Ire - ich stehe immer wieder auf.
Es war erstaunlich, wie selbstironisch all diese Texte der Verstorbenen im Nachhinein wirkten. Und jetzt? Wollte er diese Liste unbedingt noch erweitern? Nein. Melinda machte das Richtige. Sie blieb ruhig. Ein Massaker war nicht, was sie erreichen wollten. Randolph wollte nur zu Norly. Er konnte schauspielen, aber er sollte sich davor hüten, den Abzug abzudrücken.
Wenn du unbedingt auf mich schießen musst, kannst du das später noch tun; ich bin unbewaffnet – doch nicht hier vor meiner Frau und den Kindern.
Das tat dann wohl sein Übriges. Randolph blickte kurz zu den Kindern mit dem Ball hinüber und dann zu den Fenstern, hinter denen er eben noch Gesichter erblicken konnte. Der Doktor senkte den Lauf der Waffe, aber steckte sie nicht weg. Es konnte nicht schaden, etwas bedrohlicher auf den Kerl zu wirken und außerdem konnte er nicht wissen, was sie dort drinnen erwartete. Er würde aufmerksam sein müssen. Sehr aufmerksam. Und im Zweifelsfall, sehr schnell. Besonders, wenn Melinda mit ins Innere kam. Hindern würde er sie nicht können.
Was er allerdings machen konnte…der Doktor wandte sich an Wright, der sich bisher sorgsam im Hintergrund gehalten hatte. Diesmal würde er allerdings nicht den Fehler begehen, ihn bei seinem richtigen Namen zu nennen. Diese Angelegenheit ärgerte ihn immer noch, obwohl sie im Augenblick wohl eher irrelevant war.
„George, du könntest dir in der Zwischenzeit schon einmal das Innere der Kutsche ansehen.“ Er zwinkerte Wright kurz zu. Damit, dass der Mann sie begleiten wollte, rechnete er nicht. Und so könnte er sich zumindest um die alte Schachtel sorgen und sie vielleicht sogar wach zu bekommen. Der Doktor war einverstanden damit gewesen sie einzuschläfern, aber jetzt waren sie in einer gefährlichen Situation und je nachdem, was dort im Verwaltungsgebäude geschehen würde, könnte das Ganze auch Böse für sie enden. Auch wenn er Thomson nicht traute…das wollte er dann auch nicht.
Llyod schnauzte er nur noch kurz an: „Sparen sie sich ihr Gefasel! Glauben sie mich interessiert der Dreck? Bringen sie uns einfach zu Norly.“ Daraufhin machte sich der Doktor daran dem Tätowierten hinterher zu humpeln.
Du bist nicht beeindruckt? Vorher hat das noch ganz anders ausgesehen, du kleiner Schisser.
Zuletzt von Darnamur am Sa Okt 31 2015, 02:36 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
King Reynard ging schweigend voran. Es waren genug Worte gefallen und eine Diskussion schien ihm nun nicht mehr lohnenswert zu sein. Trotzdem die Bedrohung durch die Waffe des Doktors noch immer bestand, bestimmt auch noch die Angst davor, war seine Haltung aufrecht und er gab sich nicht der Blöße hin, die Hände zu heben, um sich unterwürfig zu zeigen.
Hinter den Fenstern des Verwaltungsgebäudes war niemand mehr zu sehen, als der reichlich tätowierte Mann an die Eingangstür trat, doch es war sicher, dass sich mehr als eine Person in diesem Haus aufhielt. Charles war vermutlich eine dieser Personen – ob lebendig, tot oder etwas dazwischen, würde sich noch zeigen.
Reynard öffnete die Tür, deren Klinke unter seinem Griff leicht ächzte, und überquerte die Schwelle. Der Eingangsbereich des Gebäudes war ein Treppenhaus. Die breiten Stufen, die sich an den Wänden hinaufschraubten, waren mit einem verbraucht wirkenden, einstmalig wohl satt weinroten Teppich ausgelegt, der kaum noch Kontrast zum Holz aufwies. Auch die Tapete hatte einige Gebrauchsspuren, die aber nicht über Kratzer und den ein oder anderen dunkleren Fleck hinausgingen. Eine dünne Staubschicht hatte sich auf der Kommode gebildet, die an der Wand neben der Tür stand. Insgesamt wirkte dieser Raum recht verlassen. Allein ein Kleiderständer mit einigen Mänteln und Hüten verschiedenster Form, Qualität und Zustand unterschieden, ließ darauf schließen, dass hier überhaupt Leute ein und aus gingen. Nur wie viele mochten es sein?
Momentan war alles ruhig. King Reynard schien kurz unschlüssig zu sein, wohin er sich wenden sollte, wählte dann aber eine Tür auf der linken Seite – oder, genau genommen, den davon übrig gebliebenen Türrahmen.
Kaum hatte er ihn durchschritten, durchbrach eine aufgebracht klingende Stimme die Stille:
„Halt!“, forderte sie entschlossen. „Keinen Schritt weiter!“
Reynard gehorchte.
Die Stimme gehörte zu einer Frau, die sich (anscheinend hockend) hinter einem Sessel mit löchrigem Polster verschanzt hatte – ihr Druckmittel saß vor ihr, schlaff und schweigend (was in diesem Fall ein auffällig schlechtes Zeichen war) auf dem Möbelstück sitzend: Charles Norly. Sie hatte ihn mit einer Hand am Kragen gepackt – in der anderen ruhte ein Revolver, den sie ihm an die Schläfe hielt. Dabei handelte es sich um Charles‘ eigene Waffe, was leicht an dem in den Lauf kunstvoll eingravierten Schriftzug, der das Wort „Beauty“ bildete, zu erkennen war, wenn einem dieser schon einmal ins Auge gesprungen war.
Die Frau, selbst ebenfalls eine Schönheit, wenn auch nicht metallglänzend, sondern schwarzhaarig, vermutlich in den Anfängen ihrer Dreißiger und mit hohen Wangenknochen gesegnet, die sie elegant wirken ließen. Wäre ihr Gesicht in diesem Moment nicht wutverzerrt und gerötet, würde dies wohl noch deutlicher zur Geltung kommen. Die Ähnlichkeit zu dem Tattoo King Reynolds, das das Abbild einer Frau zeigte, war unverkennbar.
Sie spannte demonstrativ den Hahn und ein leises Klicken ertönte.
„Lasst Bowen gehen und schert euch fort“, fauchte sie, „– sonst drücke ich ab, das schwöre ich!“
Hinter den Fenstern des Verwaltungsgebäudes war niemand mehr zu sehen, als der reichlich tätowierte Mann an die Eingangstür trat, doch es war sicher, dass sich mehr als eine Person in diesem Haus aufhielt. Charles war vermutlich eine dieser Personen – ob lebendig, tot oder etwas dazwischen, würde sich noch zeigen.
Reynard öffnete die Tür, deren Klinke unter seinem Griff leicht ächzte, und überquerte die Schwelle. Der Eingangsbereich des Gebäudes war ein Treppenhaus. Die breiten Stufen, die sich an den Wänden hinaufschraubten, waren mit einem verbraucht wirkenden, einstmalig wohl satt weinroten Teppich ausgelegt, der kaum noch Kontrast zum Holz aufwies. Auch die Tapete hatte einige Gebrauchsspuren, die aber nicht über Kratzer und den ein oder anderen dunkleren Fleck hinausgingen. Eine dünne Staubschicht hatte sich auf der Kommode gebildet, die an der Wand neben der Tür stand. Insgesamt wirkte dieser Raum recht verlassen. Allein ein Kleiderständer mit einigen Mänteln und Hüten verschiedenster Form, Qualität und Zustand unterschieden, ließ darauf schließen, dass hier überhaupt Leute ein und aus gingen. Nur wie viele mochten es sein?
Momentan war alles ruhig. King Reynard schien kurz unschlüssig zu sein, wohin er sich wenden sollte, wählte dann aber eine Tür auf der linken Seite – oder, genau genommen, den davon übrig gebliebenen Türrahmen.
Kaum hatte er ihn durchschritten, durchbrach eine aufgebracht klingende Stimme die Stille:
„Halt!“, forderte sie entschlossen. „Keinen Schritt weiter!“
Reynard gehorchte.
Die Stimme gehörte zu einer Frau, die sich (anscheinend hockend) hinter einem Sessel mit löchrigem Polster verschanzt hatte – ihr Druckmittel saß vor ihr, schlaff und schweigend (was in diesem Fall ein auffällig schlechtes Zeichen war) auf dem Möbelstück sitzend: Charles Norly. Sie hatte ihn mit einer Hand am Kragen gepackt – in der anderen ruhte ein Revolver, den sie ihm an die Schläfe hielt. Dabei handelte es sich um Charles‘ eigene Waffe, was leicht an dem in den Lauf kunstvoll eingravierten Schriftzug, der das Wort „Beauty“ bildete, zu erkennen war, wenn einem dieser schon einmal ins Auge gesprungen war.
Die Frau, selbst ebenfalls eine Schönheit, wenn auch nicht metallglänzend, sondern schwarzhaarig, vermutlich in den Anfängen ihrer Dreißiger und mit hohen Wangenknochen gesegnet, die sie elegant wirken ließen. Wäre ihr Gesicht in diesem Moment nicht wutverzerrt und gerötet, würde dies wohl noch deutlicher zur Geltung kommen. Die Ähnlichkeit zu dem Tattoo King Reynolds, das das Abbild einer Frau zeigte, war unverkennbar.
Sie spannte demonstrativ den Hahn und ein leises Klicken ertönte.
„Lasst Bowen gehen und schert euch fort“, fauchte sie, „– sonst drücke ich ab, das schwöre ich!“
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