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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
+2
Umbra
Sensemann
6 verfasser
Seite 16 von 18
Seite 16 von 18 • 1 ... 9 ... 15, 16, 17, 18
Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Ein dumpfes Geräusch drang an Charles rauschende Ohren, als er sich mit der Schulter gegen die Treppenhauswand fallen ließ. Keuchend drückte er sich daran weiter voran. Einige letzte Stufen noch. Obwohl drei Stockwerke abwärts normalerweise nicht viel sein mochten, selbst im hohen Tempo nicht, forderte Charles körperlicher Zustand bereits nun seinen Tribut. Er fühlte sich vollkommen ausgelaugt. Brennende Tränen wegblinzend, auch wenn schnell neue seine Sicht verschleierten, hinkte Charles etwas vorsichtiger als zuvor den letzten Abschnitt hinab, nur um unten im Flur wieder an Geschwindigkeit zu gewinnen.
Er musste weiter. Musste hier raus.
Verbissene Sturheit trieb ihn weiter, egal, wie sehr sein Körper dagegen protestierte. Und dies war nicht nur kleiner Protest. Er musste sich die Seite halten, um das stechende Ziehen dort überhaupt auszuhalten. Der Messerstich O’Sullivans war vielleicht nicht so tiefgegangen, allerdings hatten die wenigen Stunden, die seither vergangen waren, nicht gereicht, um die Wunde robust gegen Bewegung werden zu lassen. Gut möglich, dass sein Verband sich gerade mit Blut vollsog. Doch Charles versuchte, die Schmerzen zu ignorieren, genauso, wie er die Rufe ignorierte, die man ihm hinterherschleuderte.
Nein, Charles hatte nicht vor, zu warten.
Eigentlich schon aus der Puste, stürmte er durch die Tür hinaus in den Hof und verlor dabei fast das Gleichgewicht. Mit der einen freien Hand, die er nicht für seine Wunde gebraucht hatte, schaffte er es, sich vom Boden abzustoßen und einen Sturz zu verhindern. Er verlangsamte seinen Lauf dabei nicht. Zumindest wollte er das nicht. Allerdings hatte er inzwischen kaum noch Kraft in den Beinen. Seine Füße ließen sich nur schwer wie Bleiklötze anheben. Charles war ohnehin nicht mehr schnell.
Wut darüber mischte sich unter die unbändige, atemraubende Trauer und den Hass, den er für dieses feige Mörderpack verspürte. Charles kämpfte weiter.
Er hatte ein Ziel vor Augen und war entschlossen, sich nicht davon abbringen zu lassen. Nicht von sich selbst, aber auch nicht von anderen.
Mrs. Thomson war ihm dicht auf den Fersen. Zumindest hatte es sich so angehört. Oder wer auch immer es sonst sein mochte. Charles hielt nicht an und blickte auch nicht über die Schulter, um sich zu erkundigen, wer ihn in seiner Trauer störte. Er wollte keine Gesellschaft. Er wollte nicht reden.
Er wollte weiterlaufen. Zur Not bis ans andere Ende der Welt. Also taumelte er weiter vorwärts. Das Tor, das das Firmengelände von der Straße trennte, rückte näher – war allerdings gleichzeitig noch so unnahbar weit entfernt.
Rasselnd gierten seine Lungen nach Sauerstoff, ähnlich wie seine Glieder zitternd nach Ruhe gierten. Doch das war nicht akzeptabel. Sie hatten sich gefälligst dem Willen ihres Herrn zu unterwerfen. Weitere, heiße Tränen suchten sich einen Weg hinab an seinen Wangen. Charles könnte selbst nicht sagen, ob sie inzwischen aus emotionalen Gründen oder aus körperlicher Anstrengung geboren waren.
Warum musste man ihm unbedingt hinterherjagen? Er wollte allein sein, das dürfte er durch das Ignorieren sämtlicher Rufe und Forderungen, zu warten, unmissverständlich klargestellt haben.
„Lassen… Sie… mich… in Frieden“, stieß er seinen Wunsch kurzatmig aus, während er hartnäckig voranstolperte, nicht wissend, ob seine Verfolgerin, wenn es Mrs. Thomson war, überhaupt nah genug war, um es zu hören.
Er musste weiter. Musste hier raus.
Verbissene Sturheit trieb ihn weiter, egal, wie sehr sein Körper dagegen protestierte. Und dies war nicht nur kleiner Protest. Er musste sich die Seite halten, um das stechende Ziehen dort überhaupt auszuhalten. Der Messerstich O’Sullivans war vielleicht nicht so tiefgegangen, allerdings hatten die wenigen Stunden, die seither vergangen waren, nicht gereicht, um die Wunde robust gegen Bewegung werden zu lassen. Gut möglich, dass sein Verband sich gerade mit Blut vollsog. Doch Charles versuchte, die Schmerzen zu ignorieren, genauso, wie er die Rufe ignorierte, die man ihm hinterherschleuderte.
Nein, Charles hatte nicht vor, zu warten.
Eigentlich schon aus der Puste, stürmte er durch die Tür hinaus in den Hof und verlor dabei fast das Gleichgewicht. Mit der einen freien Hand, die er nicht für seine Wunde gebraucht hatte, schaffte er es, sich vom Boden abzustoßen und einen Sturz zu verhindern. Er verlangsamte seinen Lauf dabei nicht. Zumindest wollte er das nicht. Allerdings hatte er inzwischen kaum noch Kraft in den Beinen. Seine Füße ließen sich nur schwer wie Bleiklötze anheben. Charles war ohnehin nicht mehr schnell.
Wut darüber mischte sich unter die unbändige, atemraubende Trauer und den Hass, den er für dieses feige Mörderpack verspürte. Charles kämpfte weiter.
Er hatte ein Ziel vor Augen und war entschlossen, sich nicht davon abbringen zu lassen. Nicht von sich selbst, aber auch nicht von anderen.
Mrs. Thomson war ihm dicht auf den Fersen. Zumindest hatte es sich so angehört. Oder wer auch immer es sonst sein mochte. Charles hielt nicht an und blickte auch nicht über die Schulter, um sich zu erkundigen, wer ihn in seiner Trauer störte. Er wollte keine Gesellschaft. Er wollte nicht reden.
Er wollte weiterlaufen. Zur Not bis ans andere Ende der Welt. Also taumelte er weiter vorwärts. Das Tor, das das Firmengelände von der Straße trennte, rückte näher – war allerdings gleichzeitig noch so unnahbar weit entfernt.
Rasselnd gierten seine Lungen nach Sauerstoff, ähnlich wie seine Glieder zitternd nach Ruhe gierten. Doch das war nicht akzeptabel. Sie hatten sich gefälligst dem Willen ihres Herrn zu unterwerfen. Weitere, heiße Tränen suchten sich einen Weg hinab an seinen Wangen. Charles könnte selbst nicht sagen, ob sie inzwischen aus emotionalen Gründen oder aus körperlicher Anstrengung geboren waren.
Warum musste man ihm unbedingt hinterherjagen? Er wollte allein sein, das dürfte er durch das Ignorieren sämtlicher Rufe und Forderungen, zu warten, unmissverständlich klargestellt haben.
„Lassen… Sie… mich… in Frieden“, stieß er seinen Wunsch kurzatmig aus, während er hartnäckig voranstolperte, nicht wissend, ob seine Verfolgerin, wenn es Mrs. Thomson war, überhaupt nah genug war, um es zu hören.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Als Randolph sagte, dass man Porter in Verdacht habe, den Mord ausgeübt zu haben, lächelte sie nur um so breiter. Auch als er sagte, dass sie einen Penner bezahlt habe, diese Aussage zu treffen. Sie hatte schon lange befürchtet ihn "verloren" zu haben, doch nurn war es mehr als deutlich. Ja, sie war für ihn nicht mehr als Gesindel. Dann aber als ihr bewusst wurde, dass sie ihre Version dazu nicht einmal hören wollte, verschwand das Lächeln aus ihrem Gesicht und hob sie ihre Hand und gab ihm eine Ohrfeige, die sich gewaschen hatte, ohne auch nur einen Zentimeter Platz zwischen sich zu schaffen.
"Das lässt tief blicken mein lieber Randolph, dass du sobald du erzählt bekommst, ich hätte etwas getan, offenbar nicht mal einen Gedanken daran verschwendest, das anzuzweifeln. Es wundert mich aber auch nicht, wie nanntest du mich erst kürzlich so nett? Gesindel. Genau das bin ich für dich, nicht wahr? Eine Hure, der Abschaum der Gesellschaft, der Abfall Londons, der Dreck an der Schuhsohle des Empires. NIcht mehr und nicht weniger. Vielleicht mag ich dir tatsächlich mal etwas bedeutet haben, aber unsere Freundschaft scheint offensichtlich nur einseitiger Natur gewesen zu sein."
Dann nahm sie Abstand von ihm und ging einige Schritte fort, nachdem sie ebenso wie Randolph einen Blick aus dem Fenster geworfen hatte.
"Weißt du weshalb ich Norly im Gegensatz zu dir nicht für einen irren Mörder halte? Ich habe mir bisher immer beide Seiten einer Geschichte angehört. Du magst es kaum glauben, aber das mache ich, obwohl ich nur Gesindel bin. Vielleicht solltest du auch damit anfangen. Du sagtest mir einst wir seinen Freunde, doch Randolph ich sage dir eins, Freunde verdächtigen sich nicht, wenn sie eine Information von jemandem erhalten, denn sie vermutlich nicht einmal kennen."
Von ihrer Position aus, konnte sie noch immer aus dem Fenster sehen und verlor sich einen Augenblick in der Weite.
"Randolph, ich sage dir noch etwas: Lynett war genauso wie ich. Das wirst du nicht hören wollen, aber sie war genauso eine Hure, Gesindel, wie ich. Bei ihr hättest du soetwas natürlich nie geglaubt. Deine edle, fehlerhafte Lynette. Die Liebe deines Lebens, so grausam aus deiner warmen Umarmung gerissen. Fast schon Stoff für ein tragisches Gedicht. Aber wenn ich mir so ansehe, was aus dir geworden ist, ist es für Lynette besser, dass sie nun dort ist wo sie ist und nicht als Mrs. Dr. Termaine ihr Leben fristen muss."
Ihre Worte waren hart, ebenso wie es ihre Stimme geworden war. Sie hatte Randolph verloren, er glaubte irgendeinem Fremden, denn woher sollte er die Info sonst haben, statt sie auch nur zu fragen. Es schmerzte sie tief, doch das wollte sie sich nicht anmerken lassen.
Johanna war tot und das war auch verdammt gut so. So wie es schien würde auch bald Porter am Galgen baumeln. Zwei, nein, drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Es ging auch schlechter.
Verlust hatte man immer, dass es ausgerechnet der Doktor sein musste, war ein Tiefschlag. Im Grunde war er die einzige Person gewesen, die sie als Freund hätte bezeichnen können, doch sie hatte sich geirrt.
ICH hab es ja immer gesagt! IMMER! Auf mich hört ja niemand.
"Hast du mir noch etwas zu sagen oder kann ich dann in deinen Augen meinen nächsten Mord planen gehen?"
"Das lässt tief blicken mein lieber Randolph, dass du sobald du erzählt bekommst, ich hätte etwas getan, offenbar nicht mal einen Gedanken daran verschwendest, das anzuzweifeln. Es wundert mich aber auch nicht, wie nanntest du mich erst kürzlich so nett? Gesindel. Genau das bin ich für dich, nicht wahr? Eine Hure, der Abschaum der Gesellschaft, der Abfall Londons, der Dreck an der Schuhsohle des Empires. NIcht mehr und nicht weniger. Vielleicht mag ich dir tatsächlich mal etwas bedeutet haben, aber unsere Freundschaft scheint offensichtlich nur einseitiger Natur gewesen zu sein."
Dann nahm sie Abstand von ihm und ging einige Schritte fort, nachdem sie ebenso wie Randolph einen Blick aus dem Fenster geworfen hatte.
"Weißt du weshalb ich Norly im Gegensatz zu dir nicht für einen irren Mörder halte? Ich habe mir bisher immer beide Seiten einer Geschichte angehört. Du magst es kaum glauben, aber das mache ich, obwohl ich nur Gesindel bin. Vielleicht solltest du auch damit anfangen. Du sagtest mir einst wir seinen Freunde, doch Randolph ich sage dir eins, Freunde verdächtigen sich nicht, wenn sie eine Information von jemandem erhalten, denn sie vermutlich nicht einmal kennen."
Von ihrer Position aus, konnte sie noch immer aus dem Fenster sehen und verlor sich einen Augenblick in der Weite.
"Randolph, ich sage dir noch etwas: Lynett war genauso wie ich. Das wirst du nicht hören wollen, aber sie war genauso eine Hure, Gesindel, wie ich. Bei ihr hättest du soetwas natürlich nie geglaubt. Deine edle, fehlerhafte Lynette. Die Liebe deines Lebens, so grausam aus deiner warmen Umarmung gerissen. Fast schon Stoff für ein tragisches Gedicht. Aber wenn ich mir so ansehe, was aus dir geworden ist, ist es für Lynette besser, dass sie nun dort ist wo sie ist und nicht als Mrs. Dr. Termaine ihr Leben fristen muss."
Ihre Worte waren hart, ebenso wie es ihre Stimme geworden war. Sie hatte Randolph verloren, er glaubte irgendeinem Fremden, denn woher sollte er die Info sonst haben, statt sie auch nur zu fragen. Es schmerzte sie tief, doch das wollte sie sich nicht anmerken lassen.
Johanna war tot und das war auch verdammt gut so. So wie es schien würde auch bald Porter am Galgen baumeln. Zwei, nein, drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Es ging auch schlechter.
Verlust hatte man immer, dass es ausgerechnet der Doktor sein musste, war ein Tiefschlag. Im Grunde war er die einzige Person gewesen, die sie als Freund hätte bezeichnen können, doch sie hatte sich geirrt.
ICH hab es ja immer gesagt! IMMER! Auf mich hört ja niemand.
"Hast du mir noch etwas zu sagen oder kann ich dann in deinen Augen meinen nächsten Mord planen gehen?"
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Eine ganze Weile lang betrachtete Gilbert den Absinth und das dazugehörige Glas vor sich. Ein Schluck Alkohol würde ihm wohl gut tun aber Absinth pur zu trinken war überhaupt nicht seine Sache. In der Künstlerszene war es üblich, ihn mit Eiswasser zu vermischen, bevor man ihn trank. Meist wurden auch noch ein oder zwei Würfel Zucker dazugegeben aber darauf würde er wohl oder übel verzichten müssen. Wasser gab es sicherlich irgendwo im Raum. Der Maler stand wieder auf und stromerte etwas unruhig in dem Zimmer herum, bevor er eine Karaffe mit Wasser fand und sich an die Arbeit machte, den Absinth zu mischen. Das Ms. Thomson so seltsam ruhig geworden war, störte ihn nicht. Momentan schien jeder hier etwas in Gedanken zu sein und die ganze Situation zu verarbeiten. Gilbert würde dabei der Alkohol helfen. Das hatte er in der Vergangenheit schon öfters getan und so würde es auch jetzt sein. Laudanum wäre seine erste Wahl gewesen aber seine Flasche hatte er jetzt leider nicht griffbereit.
Während er also einen kleinen Schluck von dem gemischten Getränk nahm und den scharfen Alkohol seine Kehle hinunterlaufen ließ, stellte sich langsam etwas Ruhe ein. Norly und der Doktor redeten in einem anderen Raum, Ms. Thomson sagte kein Wort und auch Miss Benton machte keinen Aufstand. Endlich etwas Ruhe... allerdings nicht für lange. Keine fünf Minuten, nachdem sich Gilbert endlich hingesetzt und etwas Ruhe gefunden hatte, gab es wieder irgendwelche Probleme. Am liebsten hätte er gar nicht reagiert aber da sowohl Miss Benton - aufgrund eine sehr seltsame Anrede und Bitte des Doktors - den Raum verließ und auch Norly und Ms. Thomson aus den Räumen stürmten, konnte Gilbert nicht einfach so sitzen bleiben. Wie einfach wäre es nur gewesen, wenn er einfach sitzen bleiben und Absinth trinken könnte aber jetzt hatte er zugestimmt, zumindest bis morgen bei der Gruppe zu bleiben. Wenn Norly ihm helfen konnte, dann sollte Gilbert auch dafür sorgen, dass der Mann bei klarem Verstand war und seinen Vorschlag einhalten konnte.
Zugegeben war es ziemlich egoistisch von ihm, aus diesem Grund hinter Norly herzugehen aber weshalb sollte er es sonst tun? Aus Mitleid? Mitleid mit einem sehr wahrscheinlichen Serienmörder? Nein. Das war ab dieser Stelle überhaupt nicht angebracht.
Nachdem also Miss Benton zum Doktor gegangen und Ms. Thomson Norly hinterhergestürmt war, gönnte sich Gilbert einen letzten Schluck Absinth und machte sich mit dem brennenden Gefühl in der Kehle auf den Weg, Letzteren zu folgen. Er wusste nicht was genau zwischen Norly und dem Doktor vorgefallen war aber so eine Hals-über-Kopf-Aktion war niemals etwas gutes. Es war offensichtlich, dass Norly emotional stark aufgewühlt war. In solchen Situationen war es am Besten, wenn man nicht seinen Instinkten und ersten Ideen folgte. Sonst würde man Fehler machen. Gilbert sprach dabei aus Erfahrung. Schon oft hatte er solchen Gefühlen einfach nachgegeben ohne weiter darüber nachzudenken, was er eigentlich tat. Niemals hatte es gute Folgen gehabt.
Draußen traf der Maler auf die Beiden. Er war kein guter Sprinter aber er rannte trotzdem über den grauen Asphalt, versuchte Norly einzuholen und ihm dabei zuzureden.
"Warten sie, Mr. Norly. Ich weiß nicht was vorgefallen ist aber solche Impulsreaktionen haben nie ein gutes Ende. Kommen sie bitte zurück und versuchen sie sich etwas zu beruhigen. Sie sind verletzt und völlig entkräftet. Wenn sie jetzt eine große Aktion starten, wird das Folgen für sie haben." Schon jetzt war Gilbert aus der Puste und kam kaum hinterher. Seine Worte wurden immer wieder durch schnappartiges Ein- und Ausatmen unterbrochen. Ein großer Sportler war er nie gewesen. "Sie wollen doch ihren Namen reinwaschen." rief Gilbert ihm noch ein anderes Argument in der Hoffnung zu, dass der Mann doch noch einlenken und zurückkommen würde.
Während er also einen kleinen Schluck von dem gemischten Getränk nahm und den scharfen Alkohol seine Kehle hinunterlaufen ließ, stellte sich langsam etwas Ruhe ein. Norly und der Doktor redeten in einem anderen Raum, Ms. Thomson sagte kein Wort und auch Miss Benton machte keinen Aufstand. Endlich etwas Ruhe... allerdings nicht für lange. Keine fünf Minuten, nachdem sich Gilbert endlich hingesetzt und etwas Ruhe gefunden hatte, gab es wieder irgendwelche Probleme. Am liebsten hätte er gar nicht reagiert aber da sowohl Miss Benton - aufgrund eine sehr seltsame Anrede und Bitte des Doktors - den Raum verließ und auch Norly und Ms. Thomson aus den Räumen stürmten, konnte Gilbert nicht einfach so sitzen bleiben. Wie einfach wäre es nur gewesen, wenn er einfach sitzen bleiben und Absinth trinken könnte aber jetzt hatte er zugestimmt, zumindest bis morgen bei der Gruppe zu bleiben. Wenn Norly ihm helfen konnte, dann sollte Gilbert auch dafür sorgen, dass der Mann bei klarem Verstand war und seinen Vorschlag einhalten konnte.
Zugegeben war es ziemlich egoistisch von ihm, aus diesem Grund hinter Norly herzugehen aber weshalb sollte er es sonst tun? Aus Mitleid? Mitleid mit einem sehr wahrscheinlichen Serienmörder? Nein. Das war ab dieser Stelle überhaupt nicht angebracht.
Nachdem also Miss Benton zum Doktor gegangen und Ms. Thomson Norly hinterhergestürmt war, gönnte sich Gilbert einen letzten Schluck Absinth und machte sich mit dem brennenden Gefühl in der Kehle auf den Weg, Letzteren zu folgen. Er wusste nicht was genau zwischen Norly und dem Doktor vorgefallen war aber so eine Hals-über-Kopf-Aktion war niemals etwas gutes. Es war offensichtlich, dass Norly emotional stark aufgewühlt war. In solchen Situationen war es am Besten, wenn man nicht seinen Instinkten und ersten Ideen folgte. Sonst würde man Fehler machen. Gilbert sprach dabei aus Erfahrung. Schon oft hatte er solchen Gefühlen einfach nachgegeben ohne weiter darüber nachzudenken, was er eigentlich tat. Niemals hatte es gute Folgen gehabt.
Draußen traf der Maler auf die Beiden. Er war kein guter Sprinter aber er rannte trotzdem über den grauen Asphalt, versuchte Norly einzuholen und ihm dabei zuzureden.
"Warten sie, Mr. Norly. Ich weiß nicht was vorgefallen ist aber solche Impulsreaktionen haben nie ein gutes Ende. Kommen sie bitte zurück und versuchen sie sich etwas zu beruhigen. Sie sind verletzt und völlig entkräftet. Wenn sie jetzt eine große Aktion starten, wird das Folgen für sie haben." Schon jetzt war Gilbert aus der Puste und kam kaum hinterher. Seine Worte wurden immer wieder durch schnappartiges Ein- und Ausatmen unterbrochen. Ein großer Sportler war er nie gewesen. "Sie wollen doch ihren Namen reinwaschen." rief Gilbert ihm noch ein anderes Argument in der Hoffnung zu, dass der Mann doch noch einlenken und zurückkommen würde.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Charles musste wohl oder übel einsehen, dass er seinen Körper nicht so viel abverlangen konnte, wie er wollte. Diesen Ort schnellstmöglich hinter sich zu lassen, war daher nicht möglich, indem er rannte und rannte und rannte, bis er den Eindruck hatte, genug Abstand aufgebaut zu haben. Er konnte nicht rennen, nein, aber das bedeutete nicht, dass er es nicht auch anders schaffen würde. Eins musste Charles Mr. Wright, der sich ihm anscheinend auch an die Fersen geheftet hatte, lassen: Er selbst war wirklich verletzt und völlig entkräftet. Dennoch gedachte Charles nicht, sich davon aufhalten zu lassen.
Er musste erst einmal wieder zu Atem kommen. Brennend gierte sein bebender Brustkorb nach Luft. Also atmete Charles… und schleppte sich weiter voran. Nicht mehr rennend, eher sehr das Gegenteil davon, aber er blieb nicht stehen.
„Folgen, Folgen… Alles hat Folgen“, keuchte Charles mit sarkastisch-herablassender Düsternis in der Stimme. Doch da war auch Hoffnungslosigkeit. Verzweiflung.
Folgen wie die Scarface-Morde, nachdem er einem Impuls gefolgt und Hill zur Rede gestellt hatte. Man hatte ihn eine Falle gelockt.
Man hatte sie umgebracht… Johanna. Und Sofia. Ed. Und all die anderen. Nur, um was damit zu erreichen? Ihn zu vernichten? Ihn zu quälen?
„Mein Name… ist das Letzte… was mich nun interessiert“, schnaubte Charles, Gilbert widersprechend, mit dem Blick stur nach vorn gerichtet. Es verlangte ihm einiges an Selbstbeherrschung ab, Schritt für Schritt hinter sich zu bringen, und seinen Körper zu zwingen, nicht zu kollabieren. Er musste einfach weiteratmen und sich von der Verausgabung erholen.
Er hatte das Tor fast erreicht.
„Bleiben Sie hier“, befahl Charles seinen Verfolgern harsch. Hier waren sie sicher. Und er wollte seine Ruhe.
„Ich komme…“, versicherte er ihnen luftschnappend, „bestens allein zurecht… Und ich will“, betonte er mit ernstem Nachdruck und wurde lauter, „jetzt allein sein!“
Aber dann schüttelte er nur den Kopf, während er wieder mit den Tränen kämpfte.
„Lassen Sie mich einfach“, bat er kraftlos, während er weiterhumpelte.
Er musste erst einmal wieder zu Atem kommen. Brennend gierte sein bebender Brustkorb nach Luft. Also atmete Charles… und schleppte sich weiter voran. Nicht mehr rennend, eher sehr das Gegenteil davon, aber er blieb nicht stehen.
„Folgen, Folgen… Alles hat Folgen“, keuchte Charles mit sarkastisch-herablassender Düsternis in der Stimme. Doch da war auch Hoffnungslosigkeit. Verzweiflung.
Folgen wie die Scarface-Morde, nachdem er einem Impuls gefolgt und Hill zur Rede gestellt hatte. Man hatte ihn eine Falle gelockt.
Man hatte sie umgebracht… Johanna. Und Sofia. Ed. Und all die anderen. Nur, um was damit zu erreichen? Ihn zu vernichten? Ihn zu quälen?
„Mein Name… ist das Letzte… was mich nun interessiert“, schnaubte Charles, Gilbert widersprechend, mit dem Blick stur nach vorn gerichtet. Es verlangte ihm einiges an Selbstbeherrschung ab, Schritt für Schritt hinter sich zu bringen, und seinen Körper zu zwingen, nicht zu kollabieren. Er musste einfach weiteratmen und sich von der Verausgabung erholen.
Er hatte das Tor fast erreicht.
„Bleiben Sie hier“, befahl Charles seinen Verfolgern harsch. Hier waren sie sicher. Und er wollte seine Ruhe.
„Ich komme…“, versicherte er ihnen luftschnappend, „bestens allein zurecht… Und ich will“, betonte er mit ernstem Nachdruck und wurde lauter, „jetzt allein sein!“
Aber dann schüttelte er nur den Kopf, während er wieder mit den Tränen kämpfte.
„Lassen Sie mich einfach“, bat er kraftlos, während er weiterhumpelte.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Charles Norly war scheinbar mehr am Ende, als Maura gedacht hätte. Sie holte ihn problemlos ein, und mit ihm Schritt zu halten, während er weiterhumpelte, war auch nicht gerade eine Herausforderung. Um den armen Kerl nicht zu sehr zu belasten, hielt sie trotzdem zwei Schritt Abstand, aber sie wollte zumindest sehen, was er vorhatte – um ihn zur Not davon abhalten zu können.
Wright kam scheinbar auch hinter ihnen her, und er schien die Sache ähnlich zu sehen, wie sie selbst. Er hatte recht. Sinnlose Aktionen brachten jetzt niemandem etwas.
Als Norly jedoch behauptete, allein zurecht zu kommen, konnte Maura nicht anders; sie lachte laut auf. „Norly, ich bin nicht zu Ihnen zurückgekommen, damit Sie sich ins nächstbeste Grab stürzen, schon gar nicht in ein selbstgeschaufeltes! Schauen Sie sich doch einmal an – wenn Sie sich nicht bald eine Pause gönnen, werden Sie vollends zusammenbrechen! Sie sind auch nur ein Mensch, ob Sie das nun wahrhaben wollen oder nicht.“
Sie lief weiter hartnäckig hinter Norly her. Verfluchter Rock … warum trug sie eigentlich keine Hosen, wie die Männer, warum dieses … Ding? Irgendwann würde noch die Zeit kommen, in der auch anständige Frauen Hosen trugen, davon war sie überzeugt. „Nennen Sie mir einen guten Grund, warum ich Sie jetzt allein lassen sollte.“ Sie streckte den Arm aus und packte Norly an der Schulter. „Und rennen Sie verdammt nochmal nicht weg, wenn ich mit Ihnen rede!“
Wright kam scheinbar auch hinter ihnen her, und er schien die Sache ähnlich zu sehen, wie sie selbst. Er hatte recht. Sinnlose Aktionen brachten jetzt niemandem etwas.
Als Norly jedoch behauptete, allein zurecht zu kommen, konnte Maura nicht anders; sie lachte laut auf. „Norly, ich bin nicht zu Ihnen zurückgekommen, damit Sie sich ins nächstbeste Grab stürzen, schon gar nicht in ein selbstgeschaufeltes! Schauen Sie sich doch einmal an – wenn Sie sich nicht bald eine Pause gönnen, werden Sie vollends zusammenbrechen! Sie sind auch nur ein Mensch, ob Sie das nun wahrhaben wollen oder nicht.“
Sie lief weiter hartnäckig hinter Norly her. Verfluchter Rock … warum trug sie eigentlich keine Hosen, wie die Männer, warum dieses … Ding? Irgendwann würde noch die Zeit kommen, in der auch anständige Frauen Hosen trugen, davon war sie überzeugt. „Nennen Sie mir einen guten Grund, warum ich Sie jetzt allein lassen sollte.“ Sie streckte den Arm aus und packte Norly an der Schulter. „Und rennen Sie verdammt nochmal nicht weg, wenn ich mit Ihnen rede!“
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Charles machte sich taub für Mrs. Thomsons Worte. Er nahm sie natürlich trotzdem wahr. Sie mahlten wie zwei unnachgiebige Mühlsteine an seiner Geduld, die langsam zu Staub zerkrümelte und Wut freilegte. Dass er sich bedrängt fühlte, trug nur noch mehr dazu bei, dass er die Fabrik schnell hinter sich lassen wollte.
Allein. Nur allein.
Was war so schwer daran, das zu akzeptieren? Die Wunde war frisch und tief. Er fühlte sich leer. Und diese Leere würde nicht von nörgelnden Worten aufzufüllen sein. Charles brauchte Abstand von allem und jedem.
Er war erschöpft, aber das würde sich wieder geben, sobald er die Puste wiedererlangt hatte. Er brauchte Schlaf, das musste man ihm nicht sagen, aber wie sollte er nun zur Ruhe kommen?
Seine Tochter war tot. Kaltblütig ermordet. Zum Selbstmord gezwungen. Grausam, ehrlos, feige. Sie hatte in ihren letzten Momenten unvorstellbaren Terror erlebt und das nur, um ihren Vater zu verletzen. Erfolgreich. Leere beschrieb sein Inneres nicht wirklich. Es einen Sturm zu nennen, ein wirbelndes Gewitter aus Schmerz, Trauer, Bedauern, Schuld und Hass, war wirklich passender. Keine Leere, sondern eine Breite an Emotionen, die in ihm kochten, seitdem Dr. Tremaine ihm von der Gräueltat berichtet hatte. Das Hinausstürmen hatte daran nichts geändert. Es hatte die Aufgewühltheit nicht vermindert.
Und nun reizten Maura und Mr. Wright ihn. Sie mochten es gut meinen, doch das interessierte ihn nicht. Charles fühlte sich belästigt, wie ein in die Ecke gedrängtes, verletztes Tier. Und als solches blieb ihm nur, zu fauchen und mit den Zähnen zu fletschen, als Mrs. Thomson eindeutig zu weit ging und ihn festhielt. Sich ihm aufdrängte und einen guten Grund dafür verlangte, ihn allein zu lassen.
Tatsächlich kam Charles an dieser Stelle ihrer Aufforderung nach, nicht mehr wegzurennen. Er riss seine Schulter von ihren Klauen los, indem er zu ihr umwirbelte und mit eisernem Griff ihr Handgelenk packte.
„Behandeln Sie mich nicht wie ein Kleinkind, Lady“, knurrte er ihr warnend entgegen und blickte ihr dabei tief in die Augen. Er spürte etwas Finsteres in sich. Während er zwei schnelle Atemzüge nahm.
„Versuchen Sie nicht, mich aufzuhalten“, zischte er, „nicht jetzt…“
Nein, jetzt war der falsche Zeitpunkt, um sich ihm in den Weg zu stellen. Sie hatte nach einem guten Grund gefragt, ihn allein zu lassen.
„… Sonst schwöre ich Ihnen“, versprach er ihr deswegen schwer atmend, „werden Sie die Erste sein, die erfährt, wie viel Scarface wirklich in mir steckt.“
Er wusste selbst nicht, wohin das führen würde, wenn sie ihn dazu zwingen würde, seine Drohung auf die Probe zu stellen.
„Ist das Grund genug für Sie?“, blaffte er abschließend und ließ sie wieder los.
Gleichzeitig tat es ihm bereits leid, so reagiert zu haben. Aber er gedachte trotzdem nicht, sich abhalten zu lassen. Er hatte ein Ziel vor Augen. Also setzte er sich wieder schleppend in Bewegung.
„Ich habe nicht vor, mich umzubringen“, schnaufte er, „und ruhen kann ich immer noch… wenn ich wieder zurück bin.“
Charles hasste stets, sich wiederholen zu müssen, und erst recht lag es ihm fern, zu betteln, aber was blieb ihm anderes übrig? Spätestens, als er sich Maura und Gilbert zugewandt hatte, mussten sie gesehen haben, dass er weinte – was er eigentlich hatte vermeiden wollen.
„Ich bitte Sie inständig: Lassen Sie mich allein. Ich muss jetzt allein sein“, er fuhr sich mit den Händen über Stirn und Kopf, um sich die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Vielleicht war es auch eine der Gesten, die er unbewusst vollführte, wenn er um Fassung rang.
„Gehen. Den Kopf frei bekommen. Ich werde bald wieder hier sein.“
Allein. Nur allein.
Was war so schwer daran, das zu akzeptieren? Die Wunde war frisch und tief. Er fühlte sich leer. Und diese Leere würde nicht von nörgelnden Worten aufzufüllen sein. Charles brauchte Abstand von allem und jedem.
Er war erschöpft, aber das würde sich wieder geben, sobald er die Puste wiedererlangt hatte. Er brauchte Schlaf, das musste man ihm nicht sagen, aber wie sollte er nun zur Ruhe kommen?
Seine Tochter war tot. Kaltblütig ermordet. Zum Selbstmord gezwungen. Grausam, ehrlos, feige. Sie hatte in ihren letzten Momenten unvorstellbaren Terror erlebt und das nur, um ihren Vater zu verletzen. Erfolgreich. Leere beschrieb sein Inneres nicht wirklich. Es einen Sturm zu nennen, ein wirbelndes Gewitter aus Schmerz, Trauer, Bedauern, Schuld und Hass, war wirklich passender. Keine Leere, sondern eine Breite an Emotionen, die in ihm kochten, seitdem Dr. Tremaine ihm von der Gräueltat berichtet hatte. Das Hinausstürmen hatte daran nichts geändert. Es hatte die Aufgewühltheit nicht vermindert.
Und nun reizten Maura und Mr. Wright ihn. Sie mochten es gut meinen, doch das interessierte ihn nicht. Charles fühlte sich belästigt, wie ein in die Ecke gedrängtes, verletztes Tier. Und als solches blieb ihm nur, zu fauchen und mit den Zähnen zu fletschen, als Mrs. Thomson eindeutig zu weit ging und ihn festhielt. Sich ihm aufdrängte und einen guten Grund dafür verlangte, ihn allein zu lassen.
Tatsächlich kam Charles an dieser Stelle ihrer Aufforderung nach, nicht mehr wegzurennen. Er riss seine Schulter von ihren Klauen los, indem er zu ihr umwirbelte und mit eisernem Griff ihr Handgelenk packte.
„Behandeln Sie mich nicht wie ein Kleinkind, Lady“, knurrte er ihr warnend entgegen und blickte ihr dabei tief in die Augen. Er spürte etwas Finsteres in sich. Während er zwei schnelle Atemzüge nahm.
„Versuchen Sie nicht, mich aufzuhalten“, zischte er, „nicht jetzt…“
Nein, jetzt war der falsche Zeitpunkt, um sich ihm in den Weg zu stellen. Sie hatte nach einem guten Grund gefragt, ihn allein zu lassen.
„… Sonst schwöre ich Ihnen“, versprach er ihr deswegen schwer atmend, „werden Sie die Erste sein, die erfährt, wie viel Scarface wirklich in mir steckt.“
Er wusste selbst nicht, wohin das führen würde, wenn sie ihn dazu zwingen würde, seine Drohung auf die Probe zu stellen.
„Ist das Grund genug für Sie?“, blaffte er abschließend und ließ sie wieder los.
Gleichzeitig tat es ihm bereits leid, so reagiert zu haben. Aber er gedachte trotzdem nicht, sich abhalten zu lassen. Er hatte ein Ziel vor Augen. Also setzte er sich wieder schleppend in Bewegung.
„Ich habe nicht vor, mich umzubringen“, schnaufte er, „und ruhen kann ich immer noch… wenn ich wieder zurück bin.“
Charles hasste stets, sich wiederholen zu müssen, und erst recht lag es ihm fern, zu betteln, aber was blieb ihm anderes übrig? Spätestens, als er sich Maura und Gilbert zugewandt hatte, mussten sie gesehen haben, dass er weinte – was er eigentlich hatte vermeiden wollen.
„Ich bitte Sie inständig: Lassen Sie mich allein. Ich muss jetzt allein sein“, er fuhr sich mit den Händen über Stirn und Kopf, um sich die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Vielleicht war es auch eine der Gesten, die er unbewusst vollführte, wenn er um Fassung rang.
„Gehen. Den Kopf frei bekommen. Ich werde bald wieder hier sein.“
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
„Benehmen Sie sich nicht wie ein Kleinkind, und ich behandle sie nicht wie eines, Norly“, gab Maura trocken und völlig ironielos zurück. Was dieser Mann hier machte, war einfach dumm und naiv, da gab es nichts zu beschönigen. Seinen Körper auszubeuten, schön und gut, aber irgendwo war eine Grenze erreicht, und diese hatte Norly schon lange überschritten. Auch durch seine Drohung zeigte sie sich unbeeindruckt, zog nur eine Augenbraue in die Höhe. Hunde, die bellen, beißen nicht … Sie war sich fast sicher, dass Norly sich nur aufspielte. Eine ernsthafte Gefahr würde er ihr in diesem Zustand ohnehin nicht werden können. „Das sind Ihre Gründe, plumpe Gewalt? Ich bin enttäuscht. Von jemandem wie Ihnen hätte ich mehr erwartet.“, erwiderte sie, ohne auch nur zu blinzeln. Sie wehrte sich jedoch nicht, bis Charles ihr Handgelenk wieder losließ.
Als Norly jedoch weiterging, ließ sie sich dadurch nicht abwimmeln. Vermutlich war es keine allzu gute Idee, den Mann nun ewig zu verfolgen, aber sie hatte auch nicht vor, jetzt schon aufzugeben. Auf keinen Fall.
„Hören Sie, Norly, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich weiß nicht, wo Sie hinwollen, und scheinbar wollen Sie es mir auch nicht sagen. Das ist in Ordnung; ich werde Sie nicht hindern zu gehen. Aber in Ihrem Zustand wäre es töricht, allein zu gehen, ab Sie das nun wahrhaben wollen oder nicht. Also werde ich Sie begleiten. Wenn Sie wollen, können Sie ihren zweifellos rabenschwarzen Gedanken nachhängen, soviel Sie wollen, ich werde kein Wort sagen, nicht fragen, Sie nicht stören. Aber ich werde Sie jetzt nicht allein lassen.“
Als Norly jedoch weiterging, ließ sie sich dadurch nicht abwimmeln. Vermutlich war es keine allzu gute Idee, den Mann nun ewig zu verfolgen, aber sie hatte auch nicht vor, jetzt schon aufzugeben. Auf keinen Fall.
„Hören Sie, Norly, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich weiß nicht, wo Sie hinwollen, und scheinbar wollen Sie es mir auch nicht sagen. Das ist in Ordnung; ich werde Sie nicht hindern zu gehen. Aber in Ihrem Zustand wäre es töricht, allein zu gehen, ab Sie das nun wahrhaben wollen oder nicht. Also werde ich Sie begleiten. Wenn Sie wollen, können Sie ihren zweifellos rabenschwarzen Gedanken nachhängen, soviel Sie wollen, ich werde kein Wort sagen, nicht fragen, Sie nicht stören. Aber ich werde Sie jetzt nicht allein lassen.“
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Brummelnd stampfte Charles weiter vorwärts. Dieses Weibsbild war scheinbar eine Strafe Gottes für all die Sünden, die er jemals in seinem Leben verbrochen hatte. Alles, was er wollte, war, in Ruhe die Nachricht über den Tod seiner Tochter verdauen und trauern zu können. Die innerliche Zerrissenheit würde auf die Schnelle nicht zu flicken sein… nicht komplett. Charles ging düsteren Gedanken nach, die unter anderem auch dazu lockten, seinen Wunsch, allein zu sein, mit Gewalt durchzusetzen. Das, jedoch, würde er gegenüber einer Frau niemals tun. Mrs. Thomson schien darauf zu vertrauen.
Es wurmte Charles, dass er sie nicht eines Besseren belehren konnte, als sie ihm weiter folgte und schikanierte.
Diese Frau schien wenig Taktgefühl zu besitzen, wo man eigentlich doch sagte, dass es ihrem Geschlecht leichter fiel, sich in andere hineinzuversetzen. Viel deutlicher hätte Charles kaum zu verstehen geben können, dass er es wünschte, allein zu sein. Dass er sich gerade am liebsten verkriechen würde. Er bereute es, sich nicht einfach im Verwaltungsgebäude der Norman Mill ein Zimmer gesucht und sich darin eingeschlossen zu haben.
Andererseits hätte ihn das weniger weit gebracht als dieser Spaziergang.
Wenn er nun auch scheinbar mit Mrs. Thomsons Genörgel leben musste. Er sah ein, dass er derzeit nicht schnell genug sein konnte, um sie abzuhängen. Jedenfalls nicht, wenn sie an seinen Hacken kleben blieb.
„Womit“, schnaubte Charles voranhumpelnd (er durchschritt gerade das Tor zur Straße und wandte sich in Richtung Stadt), „habe ich mir die Ehre verdient, dass Sie mir unbedingt am Rockzipfel hängen wollen?“
Es war eine sarkastisch bis resignierend klingende, rhetorische Frage.
„Ich mag es nicht, beobachtet zu werden“, fuhr er, weiterhin noch schleunig atmend, fort.
Aber immerhin war stilles Beobachten, gekoppelt mit Zurückhaltung und Schweigen, besser als die aktuelle Situation.
„Diese Angelegenheit geht Sie nichts an“, brummte Charles missmutig.
„Doch tun Sie…“, er schnappte angestrengt nach Luft, „was auch immer Sie nicht bleibenlassen können. Stören Sie mich dabei nur nicht.“
Eine Schritte später murmelte er noch düster:
„Dann werden Sie eben nicht die Erste sein.“
Es wurmte Charles, dass er sie nicht eines Besseren belehren konnte, als sie ihm weiter folgte und schikanierte.
Diese Frau schien wenig Taktgefühl zu besitzen, wo man eigentlich doch sagte, dass es ihrem Geschlecht leichter fiel, sich in andere hineinzuversetzen. Viel deutlicher hätte Charles kaum zu verstehen geben können, dass er es wünschte, allein zu sein. Dass er sich gerade am liebsten verkriechen würde. Er bereute es, sich nicht einfach im Verwaltungsgebäude der Norman Mill ein Zimmer gesucht und sich darin eingeschlossen zu haben.
Andererseits hätte ihn das weniger weit gebracht als dieser Spaziergang.
Wenn er nun auch scheinbar mit Mrs. Thomsons Genörgel leben musste. Er sah ein, dass er derzeit nicht schnell genug sein konnte, um sie abzuhängen. Jedenfalls nicht, wenn sie an seinen Hacken kleben blieb.
„Womit“, schnaubte Charles voranhumpelnd (er durchschritt gerade das Tor zur Straße und wandte sich in Richtung Stadt), „habe ich mir die Ehre verdient, dass Sie mir unbedingt am Rockzipfel hängen wollen?“
Es war eine sarkastisch bis resignierend klingende, rhetorische Frage.
„Ich mag es nicht, beobachtet zu werden“, fuhr er, weiterhin noch schleunig atmend, fort.
Aber immerhin war stilles Beobachten, gekoppelt mit Zurückhaltung und Schweigen, besser als die aktuelle Situation.
„Diese Angelegenheit geht Sie nichts an“, brummte Charles missmutig.
„Doch tun Sie…“, er schnappte angestrengt nach Luft, „was auch immer Sie nicht bleibenlassen können. Stören Sie mich dabei nur nicht.“
Eine Schritte später murmelte er noch düster:
„Dann werden Sie eben nicht die Erste sein.“
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Mit beklommenem Gefühl beobachtete der Doktor wie sich Melinda keineswegs überrascht zeigte und sich das strahlende Lächeln in ihrem Gesicht nur weiter verbreitete. Dann traf ihn die Ohrfeige. Randolph wurde davon so überrascht, dass er nur noch blinzeln konnte, bevor er klatschend von der Hand erfasst wurde. Überrumpelt taumelte er einen Schritt rückwärts und musste sich an Krückstock und Fensterbrett festkrallen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Etwas Farbe begann ihm ins bleiche Antlitz zu schießen, während er Melinda leise durch die Nase schnaufend, musterte.
Seine Gedanken rasten, während Melinda auf ihn einzureden begann. Für einen kurzen Augenblick zog er in Erwägung sich geirrt zu haben. Doch alles was er bisher herausgefunden hatte und ihre Reaktion auf das Gesagte sprach entschieden dagegen.
Leiser Zorn begann sich in ihm zu regen. Er hatte Melinda niemals als Gesindel betrachtet, aber selbst diese selbstironische Bemerkung warf sie ihm nun vor und dabei blieb es nicht. Er hielte Norly für einen irren Mörder, er behandle Melinda schlecht und dann sprach sie wieder Lynette an. Warum? War das etwa ihre Definition von Freundschaft in dieser alten Wunde herumzustochern? Ihn ständig darauf anzusprechen? Er wusste nicht, was ihn mehr verletzte. Ihr Spott oder dass sie ihn weiterhin anlügte.
„Es wird keine weiteren Morde mehr geben“, meinte Randolph düster, während sich sein Blick in ihre Augen bohrte. „Da kannst du dir ganz sicher sein, meine Liebe“
Er würde dafür Sorge tragen. Was auch immer dafür zu tun war, dass sich die Geschehnisse im Hause der Steads nicht andernorts wiederholen würden.
„Warum denkst du, dass ich das Gespräch mit dir gesucht habe? Ich hätte natürlich auch erklären können, was ich noch so alles über den Tod der armen Johanna herausgefunden habe. Aber das habe ich nicht getan, weil ich wissen wollte, was du zu sagen hast.“
Der Doktor wies mit ausladender Geste auf Melinda, während sich seine Augen kritisch zusammenzwängten: „Bitte, erkläre mir deine Seite der Geschichte. Erkläre mir, warum Johanna in ihrem Abschiedsbrief schreibt nicht Charles Tochter zu sein. Erkläre mir, was du auf deinem Spaziergang durchs beschauliche Manchester getrieben hast und warum irgendein dahergelaufener Gossenpenner beim Haus der Steads ausgerechnet dein Aussehen beschreibt.“
Ein wenig Zorn funkelte in seinen Augen auf. Er hatte zumindest damit gerechnet, dass Melinda ihren Mord eingestehen würde. Stattdessen wurden ihm Beleidungen an den Hals geworfen. Er war es nicht, der diese Scheiße verursacht hatte. Er hatte nicht gewollt, dass es zu Toten kommt.
Seine Gedanken rasten, während Melinda auf ihn einzureden begann. Für einen kurzen Augenblick zog er in Erwägung sich geirrt zu haben. Doch alles was er bisher herausgefunden hatte und ihre Reaktion auf das Gesagte sprach entschieden dagegen.
Leiser Zorn begann sich in ihm zu regen. Er hatte Melinda niemals als Gesindel betrachtet, aber selbst diese selbstironische Bemerkung warf sie ihm nun vor und dabei blieb es nicht. Er hielte Norly für einen irren Mörder, er behandle Melinda schlecht und dann sprach sie wieder Lynette an. Warum? War das etwa ihre Definition von Freundschaft in dieser alten Wunde herumzustochern? Ihn ständig darauf anzusprechen? Er wusste nicht, was ihn mehr verletzte. Ihr Spott oder dass sie ihn weiterhin anlügte.
„Es wird keine weiteren Morde mehr geben“, meinte Randolph düster, während sich sein Blick in ihre Augen bohrte. „Da kannst du dir ganz sicher sein, meine Liebe“
Er würde dafür Sorge tragen. Was auch immer dafür zu tun war, dass sich die Geschehnisse im Hause der Steads nicht andernorts wiederholen würden.
„Warum denkst du, dass ich das Gespräch mit dir gesucht habe? Ich hätte natürlich auch erklären können, was ich noch so alles über den Tod der armen Johanna herausgefunden habe. Aber das habe ich nicht getan, weil ich wissen wollte, was du zu sagen hast.“
Der Doktor wies mit ausladender Geste auf Melinda, während sich seine Augen kritisch zusammenzwängten: „Bitte, erkläre mir deine Seite der Geschichte. Erkläre mir, warum Johanna in ihrem Abschiedsbrief schreibt nicht Charles Tochter zu sein. Erkläre mir, was du auf deinem Spaziergang durchs beschauliche Manchester getrieben hast und warum irgendein dahergelaufener Gossenpenner beim Haus der Steads ausgerechnet dein Aussehen beschreibt.“
Ein wenig Zorn funkelte in seinen Augen auf. Er hatte zumindest damit gerechnet, dass Melinda ihren Mord eingestehen würde. Stattdessen wurden ihm Beleidungen an den Hals geworfen. Er war es nicht, der diese Scheiße verursacht hatte. Er hatte nicht gewollt, dass es zu Toten kommt.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
"Ach Randolph, für dich ist es doch sowieso klar, dass ich es war....und wenn ich es tatsächlich gewesen sein sollte, werde ich mich sicherlich nicht von dir aufhalten lassen. Warum auch? Ich bin dir doch ohnehin keinen Pence wert. Das hast du gerade mit großer Deutlichkeit bewiesen!"
Es war als wäre etwas in ihr zerbrochen. Egal wie schlecht es früher in ihrem Leben gelaufen war, sie hatte immer das Gefühl gehabt zumindest ihm vertrauen zu können. Sich in seiner Gegenwart erholen zu können. Ihn vielleicht als Fels in der Brandung zu sehen. Doch der Fels war nur eine Ansammlung von Sand gewesen, die die Zeit langsam aber sicher abgetragen hatte. Da war nichts mehr woran sie sich in der Brandung klammern konnte. Sie war alleine. Ganz alleien. Fuck.
"Warum sie es schreibt? Keine Ahnung! Ich habe die verzogene Mistgöre nie verstanden. Aber vielleicht würdest du ja auch mal einen Augenblick daran denken, dass sie eben NICHT die Tochter ist. Eine große beschissene Lüge, auf die alle wie Blinde hereinfallen. Aber ich bin der schwarze Peter in dem Spiel. Natürlich, wer auch sonst wenn nicht die Hure!"
Ihre Stimme war laut geworden, sie konnte es noch immer nicht fassen, dass er sie sofort als schuldig ansah. Sie nicht einmal fragte, ob sie es gewesen sein könnte. Nein für ihn war es klar gewesen, dass sie es gewesen war.
...hätte er normal gefragt, ja sie hätte es ihm erzählt. Vor einigen Minuten, als sie sich noch der Phantasie hingegen hatte, ihm vertrauen zu können. Sie hätte ihm erzählt, was für eine Gefahr von Johanna ausgegangen war. Diesem pubertierenden Ding, dass sich einer Illusion hingab, oder aber mehr als bewusst gelogen hatte. Warum hätte Johanna sich sonst selbst aufgehangen? Aber das sah niemand. Nur das arme jammernde, weinende Mädchen. Sie hatte dieses ganze Unterfangen sicherer gemacht. Für alle von ihnen. Was war der Dank? VERRAT!
Sie schüttelte den Kopf. "Was ist bloß aus dir geworden, Termaine. Du glaubst einem dahergelaufenen Gossenpenner mehr als mir. Hast du mal einen Augenblick darüber nachgedacht, das ganz United Kingdom dabei ist Norly zu finden? Mal einen Augenblick daran gedacht, dass es genauso gut deine Beschreibung hätte sein können, die jemandem erzählt wird? Nein. Natürlich hast du das nicht."
Sie hatte sich bereits zur Tür gewandt, drehte sich aber doch wieder um. "Vergiss nicht wer von uns Beiden seinen Vater auf dem Gewissen hat. Oder aber in London, die arme Haushälterin, hm? Tja, Termaine wenn du sagst, du würdest dafür sorgen, dass es keine Toten mehr gibt, gebe ich dir den guten Rat: Fang bei dir selbst an."
Es war als wäre etwas in ihr zerbrochen. Egal wie schlecht es früher in ihrem Leben gelaufen war, sie hatte immer das Gefühl gehabt zumindest ihm vertrauen zu können. Sich in seiner Gegenwart erholen zu können. Ihn vielleicht als Fels in der Brandung zu sehen. Doch der Fels war nur eine Ansammlung von Sand gewesen, die die Zeit langsam aber sicher abgetragen hatte. Da war nichts mehr woran sie sich in der Brandung klammern konnte. Sie war alleine. Ganz alleien. Fuck.
"Warum sie es schreibt? Keine Ahnung! Ich habe die verzogene Mistgöre nie verstanden. Aber vielleicht würdest du ja auch mal einen Augenblick daran denken, dass sie eben NICHT die Tochter ist. Eine große beschissene Lüge, auf die alle wie Blinde hereinfallen. Aber ich bin der schwarze Peter in dem Spiel. Natürlich, wer auch sonst wenn nicht die Hure!"
Ihre Stimme war laut geworden, sie konnte es noch immer nicht fassen, dass er sie sofort als schuldig ansah. Sie nicht einmal fragte, ob sie es gewesen sein könnte. Nein für ihn war es klar gewesen, dass sie es gewesen war.
...hätte er normal gefragt, ja sie hätte es ihm erzählt. Vor einigen Minuten, als sie sich noch der Phantasie hingegen hatte, ihm vertrauen zu können. Sie hätte ihm erzählt, was für eine Gefahr von Johanna ausgegangen war. Diesem pubertierenden Ding, dass sich einer Illusion hingab, oder aber mehr als bewusst gelogen hatte. Warum hätte Johanna sich sonst selbst aufgehangen? Aber das sah niemand. Nur das arme jammernde, weinende Mädchen. Sie hatte dieses ganze Unterfangen sicherer gemacht. Für alle von ihnen. Was war der Dank? VERRAT!
Sie schüttelte den Kopf. "Was ist bloß aus dir geworden, Termaine. Du glaubst einem dahergelaufenen Gossenpenner mehr als mir. Hast du mal einen Augenblick darüber nachgedacht, das ganz United Kingdom dabei ist Norly zu finden? Mal einen Augenblick daran gedacht, dass es genauso gut deine Beschreibung hätte sein können, die jemandem erzählt wird? Nein. Natürlich hast du das nicht."
Sie hatte sich bereits zur Tür gewandt, drehte sich aber doch wieder um. "Vergiss nicht wer von uns Beiden seinen Vater auf dem Gewissen hat. Oder aber in London, die arme Haushälterin, hm? Tja, Termaine wenn du sagst, du würdest dafür sorgen, dass es keine Toten mehr gibt, gebe ich dir den guten Rat: Fang bei dir selbst an."
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
„Oh, wollen wir wieder die Huren-Karte ausspielen, ja?“, eröffnete Randolph boshaft.
„Was spielt es für eine Rolle, ob sie seine Tochter war, oder nicht? Johanna war Teil der Gruppe und ohne ihre Hilfe würde ich wohl immer noch in einem Verlies in London versauern.“
Er humpelte Richtung Tür, als Melinda bereits Anstalten machte, sich zum Gehen zu wenden. Es reichte ihm endgültig. Er hatte versucht vernünftig mit ihr zu reden, aber alles was er erntete waren Lügen, Vorwürfe und Beleidigungen, die sie ihm in die Fresse schmetterte.
„Aber du hast völlig recht. Ich glaube dir nichts, kein Wort. Ich würde es, natürlich. Wenn ich auch nur die leisesten Zweifel an dem hätte, was ich herausgefunden habe. Aber Johanna war dir immer nur ein Stein im Weg gewesen. Wie sagtest du so schön: Dreck an der Schuhsohle. Ein nerviges, kleines Balg, das ständig ihren Vater für sich brauchte. Von dem du ja so bessesen bist. Der Kerl, der dich wochenlang ausspioniert, belauscht und deine Tätigkeiten aufgezeichnet hat: Und dich dann entführt hat. Wie romantisch. Ja, er hat sich wirklich Mühe dabei gegeben, sich eine Hure zu suchen, die bereit ist, ihm jederzeit zur Verfügung zu stehen.“
Randolphs Augen brannten und sein Kopf schmerzte. Das Mädchen war umgebracht worden und das Einzige, was ihr einfiel war herumzukeifen. Es war Alan gewesen, der die Haushälterin getötet hatte, aber entweder hatte sie das verdrängt, weil es ihr genauso gleichgültig war wie Johannas Tod oder weil es sie nicht kümmerte, ob das, was sie ihm vorwarf, wirklich stimmte. Der Mord an seinem Vater war zweifelsohne eine Gräueltat gewesen, aber es war nicht so als wäre Randolph stolz auf das, was er getan hatte. Nur weil er einen Fehler begangen hatte, hieß das nicht, dass er jeden anderen Mord gutheißen würde.
„Du irrst dich vollkommen, wenn du meinst, niemand hätte deinen Ausflug zum Haus der Steads bemerkt. Aber das ist dir natürlich nicht bewusst. Du hast Glück für deine Taten nicht an den Galgen zu kommen. Ich wollte dir das klar machen, vernünftig mit dir reden, aber wie es aussieht ist bei dir jede Vernunft verloren.“
Seine Faust ballte sich.
„Wenn du mir nichts mehr wert wärst, dann ist mir kein Mensch in dieser beschissenen Welt mehr einen Pence wert. Das sollte dir klar sein. Ich habe keine anderen Kontakte mehr. Aber wenn du mich mit jedem deiner Worte anlügst, dann brauchst du von mir auch kein Vertrauen erwarten. Du kannst ruhig den Engel spielen, Melinda, aber wenn ich dir in irgendeiner Weise wichtig wäre, würdest du nicht Lynette in jedem unserer Gespräche erwähnen. Oder meinen toten Vater.“
Er hatte es auf die gute Weise versucht. Aber mit ihr war einfach nicht zu reden gewesen. Es war an der Zeit gewesen, dass er endlich seine Gedanken losgeworden war und ausgesprochen hatte, auch wenn jedes seiner Worte ein Dolchstoß in den eigenen Leib war.
Die letzten Worte spie er aus: „Du bist krank.“
„Was spielt es für eine Rolle, ob sie seine Tochter war, oder nicht? Johanna war Teil der Gruppe und ohne ihre Hilfe würde ich wohl immer noch in einem Verlies in London versauern.“
Er humpelte Richtung Tür, als Melinda bereits Anstalten machte, sich zum Gehen zu wenden. Es reichte ihm endgültig. Er hatte versucht vernünftig mit ihr zu reden, aber alles was er erntete waren Lügen, Vorwürfe und Beleidigungen, die sie ihm in die Fresse schmetterte.
„Aber du hast völlig recht. Ich glaube dir nichts, kein Wort. Ich würde es, natürlich. Wenn ich auch nur die leisesten Zweifel an dem hätte, was ich herausgefunden habe. Aber Johanna war dir immer nur ein Stein im Weg gewesen. Wie sagtest du so schön: Dreck an der Schuhsohle. Ein nerviges, kleines Balg, das ständig ihren Vater für sich brauchte. Von dem du ja so bessesen bist. Der Kerl, der dich wochenlang ausspioniert, belauscht und deine Tätigkeiten aufgezeichnet hat: Und dich dann entführt hat. Wie romantisch. Ja, er hat sich wirklich Mühe dabei gegeben, sich eine Hure zu suchen, die bereit ist, ihm jederzeit zur Verfügung zu stehen.“
Randolphs Augen brannten und sein Kopf schmerzte. Das Mädchen war umgebracht worden und das Einzige, was ihr einfiel war herumzukeifen. Es war Alan gewesen, der die Haushälterin getötet hatte, aber entweder hatte sie das verdrängt, weil es ihr genauso gleichgültig war wie Johannas Tod oder weil es sie nicht kümmerte, ob das, was sie ihm vorwarf, wirklich stimmte. Der Mord an seinem Vater war zweifelsohne eine Gräueltat gewesen, aber es war nicht so als wäre Randolph stolz auf das, was er getan hatte. Nur weil er einen Fehler begangen hatte, hieß das nicht, dass er jeden anderen Mord gutheißen würde.
„Du irrst dich vollkommen, wenn du meinst, niemand hätte deinen Ausflug zum Haus der Steads bemerkt. Aber das ist dir natürlich nicht bewusst. Du hast Glück für deine Taten nicht an den Galgen zu kommen. Ich wollte dir das klar machen, vernünftig mit dir reden, aber wie es aussieht ist bei dir jede Vernunft verloren.“
Seine Faust ballte sich.
„Wenn du mir nichts mehr wert wärst, dann ist mir kein Mensch in dieser beschissenen Welt mehr einen Pence wert. Das sollte dir klar sein. Ich habe keine anderen Kontakte mehr. Aber wenn du mich mit jedem deiner Worte anlügst, dann brauchst du von mir auch kein Vertrauen erwarten. Du kannst ruhig den Engel spielen, Melinda, aber wenn ich dir in irgendeiner Weise wichtig wäre, würdest du nicht Lynette in jedem unserer Gespräche erwähnen. Oder meinen toten Vater.“
Er hatte es auf die gute Weise versucht. Aber mit ihr war einfach nicht zu reden gewesen. Es war an der Zeit gewesen, dass er endlich seine Gedanken losgeworden war und ausgesprochen hatte, auch wenn jedes seiner Worte ein Dolchstoß in den eigenen Leib war.
Die letzten Worte spie er aus: „Du bist krank.“
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Es war nur jahrelangem Training zu verdanken dass sie nicht in Tränen ausbrach. Welcher Freier bezahlte immerhin für ein heulendes Mädchen, während er es vögelte? Richtig. Keiner. Sie spürte jedoch die Hitze die sich in ihrem Kopf ausbreitete. Waren denn wirklich alles so dumm und sahen nicht was hier passierte.
Melinda hatte nicht nur aus Eigennutz gehandelt, sondern auch im Sinne der Gruppe gehandelt. Aber das sah eben niemand.
Was war ihr verschissenen Leben schon noch wert? Von so vielen Männern körperlich benutzt, wie es Frauen seelisch getan hatte. Wenn sie ehrlich zu sich wahr, hatte sie nicht einmal mehr einen einzigen Grund zu leben. Warum machte sie diese Scheiße eigentlich mit? Alles völlig sinnfrei. Wieder reichte es nur zu einem Kopfschütteln.
"Ich spiele keine Karte aus. Ich bin nun mal nichts anderes. Eine Hure. Eine verschissene Hure, der man sofort jeden Mord zutraut. Du hast mich nicht einmal gefragt ob ich es gewesen sein könnte. Du hast sofort gesagt, dass ich es war. Aber du bist natürlich der leidtragende, weil ich Lynette angesprochen habe oder deinen Vater."
Noch mehr war zerbrochen, als sie überhaupt gedacht hatte und ihre Gedanken kreisten einzig und alleine um das Laudanum, was sie für kurze Zeit vergessen lassen würde. Wie sehr sie sich gerade danach sehnte, konnte sie kaum festmachen. Diese Verlangen. Dieses allgegenwärtige Verlangen alles zu vergessen, sich selbst zu vergessen und einfach nicht mehr zu sein.
"Weißt du was? Ich wünschte mir ich würde am Galgen hängen. Aber wenn ich eines Tages hänge, werden die Personen die dafür verantwortlich sind, das hoffentlich irgendwann bemerken."
Sie war nur ein schwaches Ding, dass sich durchs Leben schlug und immer wieder auf die Fresse flog mit dem was sie tat oder nicht tat. Sie hatte sich mit Sicherheit ein anderes Leben gewünscht. Nichts mehr als das. Aber es war ihr nicht vergönnt gewesen. Sie spürte wie sich ihr Hals zuschnürte.
"Ich könnte ohnehin sagen, was ich wollte, niemand würde meinen Worten Glauben schenken. Das hast du mir gerade mit aller Macht bewiesen." Nun starrte sie aus dem Fenster heraus, in dem sie eben Charles hatte davon eilen sehen.
"Johanna war eine Gefahr. Aber das sieht natürlich niemand so. Würde sie nun nicht dort hängen, würde ich nun dort hängen...und wäre Charles nicht gewesen, würdest du noch im Knast sitzen. Wäre es nach Johanna gegangen, würdest du noch einsitzen."
Dann musste sie jedoch lachen, als sie den Türgriff mit ihrer Rechten packte und aufzog. "Krank? Ach ehrlich? Sag mir wer von uns das nicht ist." Dann öffnete sie die Tür endgültig und verließ den Raum. In ihrem Kopf gab es nur einen Gedanken.
"Ich willll Laudanum. Eine riesen Packung Laudanum. Lass uns einen drauf machen. Nehm am besten soviel, dass weder du noch ich je wieder aufwachen. Das klingt nach einem Plan. Yiha! Howdy Cowboy. Wir haben hier nichts mehr verloren. Wirf so viel ein wie es geht und lass uns so aufhören, wie wir begonnen haben. Zusammen.
Zuletzt von Elli am Do Jun 30 2016, 20:10 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Trotz all der Worte, die Norly und Ms. Thomson miteinander ausgetauscht hatten, wusste Gilbert immer noch nicht, was genau passiert war. Vielleicht war es auch besser so. Fakt war nur, dass der Mann völlig am Ende war und das sowohl körperlich, als auch psychisch. Das er trotzdem vorhatte, seinen Plan - wie auch immer dieser aussah - zu Ende zu führen, war irgendwie bewundernswert aber in seinem Zustand auch ziemlich dumm. Gil ertappte sich dabei, Mitleid für Norly zu entwickeln. Das gefiel dem Maler überhaupt nicht, schließlich war es nicht unwahrscheinlich, dass Norly in Wirklichkeit Scarface war und mit einem Serienmörder wollte er einfach kein Mitleid haben. Das es sich bei diesen Mördern auch nur um - zugegebenermaßen fehlgeleitete und sehr kranke - Menschen handelte, war ihm klar aber das änderte nichts an der Sache.
Am liebsten würde er Norly ja seinen Willen lassen und einfach wieder gehen aber das würde er nicht tun - egal wie sehr beide Seiten sich das wünschten. Wenn Norly jetzt allein blieb, dann würde er nicht nur sich selbst zerstören, sondern vielleicht auch noch jemand anderen. Wer konnte schon ahnen, was in diesem verwirrten Gehirn gerade vor sich ging und welche Pläne geschmiedet wurden. Es musste noch nicht einmal aus purer Bosheit passieren, sondern aus Trauer und Verzweiflung. Er konnte Norly ja sowieso nicht aufhalten. Wenn überhaupt, dann musste er handgreiflich werden und ihn so lange festhalten, bis er aufgab aber das wollte er nun wirklich nicht tun. Noch nicht.
Gilbert wusste genau, wovon er redete. Er hatte so etwas schon oft in seinem Leben durchgemacht. Doch statt jemand anderen zu bestrafen, hatte er sich immer wieder selbst bestraft und Blut vergossen. Lediglich das Medikament, das er jeden Morgen einnahm, hinderte ihn daran, so weiterzumachen. Wie sollte er Norly in dieser Situation helfen, wenn er eine ähnliche selbst auch nicht überwunden hatte? Er war nie über den Mord an seinem Vater hinweggekommen. Statt diese Sache zu verarbeiten, hatte er sie mithilfe von Chemie, Drogen und Alkohol aus seinem Leben verbannt.
Trotzdem folgte auch Gilbert dem verzweifelten Mann vor sich. Ms. Thomson redete weiter auf ihn ein aber zumindest schien er ihre Anwesenheit zu dulden. Gil folgte den beiden ohne ein weiteres Wort zu sagen. Solange er Norly im Blick hatte und ihn im entsprechenden Moment an einem Fehler hindern konnte, war er zufrieden. Er wollte ihn nicht weiterquälen.
Am liebsten würde er Norly ja seinen Willen lassen und einfach wieder gehen aber das würde er nicht tun - egal wie sehr beide Seiten sich das wünschten. Wenn Norly jetzt allein blieb, dann würde er nicht nur sich selbst zerstören, sondern vielleicht auch noch jemand anderen. Wer konnte schon ahnen, was in diesem verwirrten Gehirn gerade vor sich ging und welche Pläne geschmiedet wurden. Es musste noch nicht einmal aus purer Bosheit passieren, sondern aus Trauer und Verzweiflung. Er konnte Norly ja sowieso nicht aufhalten. Wenn überhaupt, dann musste er handgreiflich werden und ihn so lange festhalten, bis er aufgab aber das wollte er nun wirklich nicht tun. Noch nicht.
Gilbert wusste genau, wovon er redete. Er hatte so etwas schon oft in seinem Leben durchgemacht. Doch statt jemand anderen zu bestrafen, hatte er sich immer wieder selbst bestraft und Blut vergossen. Lediglich das Medikament, das er jeden Morgen einnahm, hinderte ihn daran, so weiterzumachen. Wie sollte er Norly in dieser Situation helfen, wenn er eine ähnliche selbst auch nicht überwunden hatte? Er war nie über den Mord an seinem Vater hinweggekommen. Statt diese Sache zu verarbeiten, hatte er sie mithilfe von Chemie, Drogen und Alkohol aus seinem Leben verbannt.
Trotzdem folgte auch Gilbert dem verzweifelten Mann vor sich. Ms. Thomson redete weiter auf ihn ein aber zumindest schien er ihre Anwesenheit zu dulden. Gil folgte den beiden ohne ein weiteres Wort zu sagen. Solange er Norly im Blick hatte und ihn im entsprechenden Moment an einem Fehler hindern konnte, war er zufrieden. Er wollte ihn nicht weiterquälen.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Charles fand sich damit ab, sowohl Mrs. Thomson, als auch Mr. Wright nicht auf sanfte Weise loszuwerden. Es fiel ihm zwar nicht leicht, beide zu ignorieren, da sie ihm das konstante Gefühl vermittelten, beobachtet zu werden, aber immerhin ließen sie ihn (sicherlich nur vorerst) seinen Gedanken nachgehen, ohne ihn durch weiteres Geschwätz darin zu unterbrechen. Ob diese Gedanken wirklich rabenschwarz waren, so wie Mrs. Thomson meinte, konstatiert zu haben, vermochte er selbst nicht genau zu sagen. Trauer war schwarz und düster, aber vermischt mit Hass, Verzweiflung und dem Drang, das alles auf die Welt loszulassen…Diesem Sturm, der in ihm tobte, würde er eher eine aufgewühlt wabernde Blutröte zuordnen.
Aber es gab weit Wichtigeres zu tun, als seinen Gefühlen einen Namen oder eine Farbe zu geben. Sie waren da und verlangten, besänftigt zu werden. Sie verlangten nach der Wahrheit.
Humpelnd stapfte Charles voran und schleppte sich auf der ungepflegten Straße entlang, die von der außerhalb gelegenen Norman Mill mitten durch eine Ansiedlung von Industrien führte. Gefühlt dauerte es eine Ewigkeit, bis er zwischen Lagerhallen, Fabrikgebäuden und verrußten Ziegelmauern hervortrat, die gefüllt war vom metallischen Hall der Maschinen und der unzähligen Ameisen, die dort für einen Hungerlohn taten, was von ihnen verlangt wurde, und Anzeichen von Zivilisation entdeckte.
Charles hielt eine Kutsche an, die seinen Weg kreuzte, wobei er allerdings darauf achtete, dass der Kutscher von seinem Antlitz höchstens seine narbenlose Wange zu Gesicht bekam, drückte dem Mann ein paar Münzen in die Hand und knurrte ihm kalt „Salford“ zu, bevor vor Schmerz die Zähne zusammenbiss, als er sich in den Wagen hievte.
Es war eine Erleichterung, sich setzen zu können. Eine Verschnaufpause hatte er gerade nötig. Diesen kleinen Raum nur für sich haben, wäre noch erleichternder gewesen. Während der Fahrt suchte Charles den Blick aus dem Fenster oder starrte auf seine sich immer wieder zu Fäusten ballenden Hände auf seinem Schoß, statt sich mit seinen aufgezwungenen Begleitern zu beschäftigen. Es war ihm äußerst unangenehm, nicht allein zu sein, denn die Gedanken, die ihn verfolgten, trieben ihm immer mal wieder Tränen in die Augen und er musste um Fassung ringen. Es war ihm zuwider, sich schwach zeigen zu müssen. Andererseits war er zu aufgewühlt, um eine andere Fassade aufsetzen und aufrechterhalten zu können.
Trotz alledem drohte die Erschöpfung, ihn zu übermannen. Er erwischte sich mehrmals dabei, dass seine Sinne drohten, sich zu verflüchtigten, oder sogar dabei, einzunicken. Doch schlussendlich hielt sein Wille und das Geruckel der Kutsche, die sich ihren Weg über matschige oder gepflasterte Wege suchte, ihn wach.
Insgesamt waren sie über eine Stunde unterwegs, bevor die Kutsche Salford erreicht hatte. Dieser Stadtteil lag nahe dem Herzens Manchesters – ganz im Gegenteil zu Charles‘ eher ländlich gelegenem Elternhaus, und besonders im Gegenteil zur Norman Mill in den äußersten Ausläufern des Ortes Wigan, der sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Industrieansiedlung verkommen war.
Als Charles mit seinen Begleitern die Kutsche verließ, hatte er das Erschöpfungstief, das ihn aufgrund seiner körperlichen Verausgabung ereilt gehabt hatte, genügend überwunden. Er sah sich in der Umgebung um und stellte fest, dass man sie wohl an einer der Hauptstraßen des Ortes abgesetzt hatte.
Charles kannte sich hier nicht unbedingt aus, auch wenn er erst gestern noch Johanna besucht hatte. Zumindest hatte er es versucht. Er verstand immer noch nicht, warum sie ihn abgewiesen hatte… und warum sie es auf diese Weise getan hatte. Kaum war er aus der Gefangenschaft freigekommen, hatte er sie aufsuchen wollen, um sich angemessen von ihr zu verabschieden. Ihr zuzusichern, sie fortzubringen, sie und ihre Mutter, bis Gras über die Scarface-Sache gewachsen war und keine Gefahr mehr für sie bestehen würde. Doch soweit, ihr dies alles erzählen zu können, war er gar nicht gekommen. Johanna hatte ihn nur von ihm verlangt, zu verschwinden, bevor sie laut um Hilfe schreien würde. Er verstand das nicht. Hatte ihre Mutter ihr das eingeredet?
Seine letzte Begegnung mit seiner Tochter war eine der Sachen, die ihm keine Ruhe ließen. Er bereute zutiefst, wie all dies abgelaufen war, wenn anders würde Johanna gewiss noch leben, allerdings konnte leider nichts davon ungeschehen machen.
Von Trauer zerrüttet, besann sich Charles aufs Jetzt. Ihm fiel auf, dass sich die Polizeistation Salfords zufällig in Sichtnähe befand. Äußerst praktisch – somit musste er nicht danach suchen. Ohne ein Wort zu verlieren, setzte er sich in Bewegung und hielt darauf zu.
Ob Johanna sich irgendwo hier befand? Bleich und kalt auf einem Autopsietisch, mit dunklem Würgemal an ihrem schmalen Hals? Und daneben ihre Mutter mit aufgeschlitzter Kehle?
Diese Bilder versetzten Charles ein Stich ins Herz und säten weitere Wut in den fruchtbaren Nährboden, den dieses Loch in seinem Inneren bot.
Charles ging mit gesenktem Blick und hochgeschlagenem Mantelkragen die Straße entlang. Die meisten Passanten würdigten ihm keine Aufmerksamkeit – höchsten diejenigen, denen er zu nah kam. Man wich ihm aus. So, wie er aussah, war das kein Wunder. Aber das war ihm momentan ganz recht, denn so würde ihn niemand besonders aufmerksam beäugen.
Sein erster Weg führte Charles an der Polizeistation vorbei. Er kundschaftete die Lage aus. Bestimmt hielten sich im Gebäude um die zehn Polizisten auf. Hier draußen war niemand in Uniform zu sehen. Nur Passanten, die ihren Geschäften nachgingen oder umherflanierten oder sich im Café an der Ecke einen schönen Nachmittag gönnten.
Wie gern würde Charles so sorglos sein.
Neben dem Polizeigebäude führte eine kleine Seitengasse von der Hauptstraße ab und endete wohl in einem scheinbar menschenleeren Hinterhof, von dem noch weitere Gassen abgingen. Darauf hatte er gehofft.
Er blieb seitlich der Polizeistation stehen. An dieser Stelle brach Charles sein Schweigen. Er wandte sich Maura und Gilbert zu.
„Wenn Sie nun schon einmal hier sind, können Sie sich auch nützlich machen“, hatte er beschlossen.
„Stehen Sie Schmiere… hier und dort drüben“, er nickte in Richtung der anderen Straßenseite, gegenüber des Polizeigebäudes.
„Unauffällig, bitte sehr“, fügte er hinzu.
„Wenn sich ein Polizist nähert oder Sie entdeckt und misstrauisch wird, pfeifen Sie, machen Sie Lärm – irgendwas, das mich vorwarnt. Suchen Sie dann einfach ohne mich das Weite. Im Zweifelsfall treffen wir uns am Ausgangspunkt dieses Ausflugs wieder.“
Charles wandte sich der Gasse zu, die zum Hinterhof führte. Das Erdgeschoss des Präsidiums war etwas erhöht. Ein Polizist, der zufällig nach draußen blickte, würde ihn nicht sehen können, solange er sich an der Mauer hielt.
„Ich bin in Kürze wieder bei Ihnen. Jemand schuldet mir Antworten.“
Ohne Reaktionen abzuwarten zu wollen, ging er los.
Aber es gab weit Wichtigeres zu tun, als seinen Gefühlen einen Namen oder eine Farbe zu geben. Sie waren da und verlangten, besänftigt zu werden. Sie verlangten nach der Wahrheit.
Humpelnd stapfte Charles voran und schleppte sich auf der ungepflegten Straße entlang, die von der außerhalb gelegenen Norman Mill mitten durch eine Ansiedlung von Industrien führte. Gefühlt dauerte es eine Ewigkeit, bis er zwischen Lagerhallen, Fabrikgebäuden und verrußten Ziegelmauern hervortrat, die gefüllt war vom metallischen Hall der Maschinen und der unzähligen Ameisen, die dort für einen Hungerlohn taten, was von ihnen verlangt wurde, und Anzeichen von Zivilisation entdeckte.
Charles hielt eine Kutsche an, die seinen Weg kreuzte, wobei er allerdings darauf achtete, dass der Kutscher von seinem Antlitz höchstens seine narbenlose Wange zu Gesicht bekam, drückte dem Mann ein paar Münzen in die Hand und knurrte ihm kalt „Salford“ zu, bevor vor Schmerz die Zähne zusammenbiss, als er sich in den Wagen hievte.
Es war eine Erleichterung, sich setzen zu können. Eine Verschnaufpause hatte er gerade nötig. Diesen kleinen Raum nur für sich haben, wäre noch erleichternder gewesen. Während der Fahrt suchte Charles den Blick aus dem Fenster oder starrte auf seine sich immer wieder zu Fäusten ballenden Hände auf seinem Schoß, statt sich mit seinen aufgezwungenen Begleitern zu beschäftigen. Es war ihm äußerst unangenehm, nicht allein zu sein, denn die Gedanken, die ihn verfolgten, trieben ihm immer mal wieder Tränen in die Augen und er musste um Fassung ringen. Es war ihm zuwider, sich schwach zeigen zu müssen. Andererseits war er zu aufgewühlt, um eine andere Fassade aufsetzen und aufrechterhalten zu können.
Trotz alledem drohte die Erschöpfung, ihn zu übermannen. Er erwischte sich mehrmals dabei, dass seine Sinne drohten, sich zu verflüchtigten, oder sogar dabei, einzunicken. Doch schlussendlich hielt sein Wille und das Geruckel der Kutsche, die sich ihren Weg über matschige oder gepflasterte Wege suchte, ihn wach.
Insgesamt waren sie über eine Stunde unterwegs, bevor die Kutsche Salford erreicht hatte. Dieser Stadtteil lag nahe dem Herzens Manchesters – ganz im Gegenteil zu Charles‘ eher ländlich gelegenem Elternhaus, und besonders im Gegenteil zur Norman Mill in den äußersten Ausläufern des Ortes Wigan, der sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Industrieansiedlung verkommen war.
Als Charles mit seinen Begleitern die Kutsche verließ, hatte er das Erschöpfungstief, das ihn aufgrund seiner körperlichen Verausgabung ereilt gehabt hatte, genügend überwunden. Er sah sich in der Umgebung um und stellte fest, dass man sie wohl an einer der Hauptstraßen des Ortes abgesetzt hatte.
Charles kannte sich hier nicht unbedingt aus, auch wenn er erst gestern noch Johanna besucht hatte. Zumindest hatte er es versucht. Er verstand immer noch nicht, warum sie ihn abgewiesen hatte… und warum sie es auf diese Weise getan hatte. Kaum war er aus der Gefangenschaft freigekommen, hatte er sie aufsuchen wollen, um sich angemessen von ihr zu verabschieden. Ihr zuzusichern, sie fortzubringen, sie und ihre Mutter, bis Gras über die Scarface-Sache gewachsen war und keine Gefahr mehr für sie bestehen würde. Doch soweit, ihr dies alles erzählen zu können, war er gar nicht gekommen. Johanna hatte ihn nur von ihm verlangt, zu verschwinden, bevor sie laut um Hilfe schreien würde. Er verstand das nicht. Hatte ihre Mutter ihr das eingeredet?
Seine letzte Begegnung mit seiner Tochter war eine der Sachen, die ihm keine Ruhe ließen. Er bereute zutiefst, wie all dies abgelaufen war, wenn anders würde Johanna gewiss noch leben, allerdings konnte leider nichts davon ungeschehen machen.
Von Trauer zerrüttet, besann sich Charles aufs Jetzt. Ihm fiel auf, dass sich die Polizeistation Salfords zufällig in Sichtnähe befand. Äußerst praktisch – somit musste er nicht danach suchen. Ohne ein Wort zu verlieren, setzte er sich in Bewegung und hielt darauf zu.
Ob Johanna sich irgendwo hier befand? Bleich und kalt auf einem Autopsietisch, mit dunklem Würgemal an ihrem schmalen Hals? Und daneben ihre Mutter mit aufgeschlitzter Kehle?
Diese Bilder versetzten Charles ein Stich ins Herz und säten weitere Wut in den fruchtbaren Nährboden, den dieses Loch in seinem Inneren bot.
Charles ging mit gesenktem Blick und hochgeschlagenem Mantelkragen die Straße entlang. Die meisten Passanten würdigten ihm keine Aufmerksamkeit – höchsten diejenigen, denen er zu nah kam. Man wich ihm aus. So, wie er aussah, war das kein Wunder. Aber das war ihm momentan ganz recht, denn so würde ihn niemand besonders aufmerksam beäugen.
Sein erster Weg führte Charles an der Polizeistation vorbei. Er kundschaftete die Lage aus. Bestimmt hielten sich im Gebäude um die zehn Polizisten auf. Hier draußen war niemand in Uniform zu sehen. Nur Passanten, die ihren Geschäften nachgingen oder umherflanierten oder sich im Café an der Ecke einen schönen Nachmittag gönnten.
Wie gern würde Charles so sorglos sein.
Neben dem Polizeigebäude führte eine kleine Seitengasse von der Hauptstraße ab und endete wohl in einem scheinbar menschenleeren Hinterhof, von dem noch weitere Gassen abgingen. Darauf hatte er gehofft.
Er blieb seitlich der Polizeistation stehen. An dieser Stelle brach Charles sein Schweigen. Er wandte sich Maura und Gilbert zu.
„Wenn Sie nun schon einmal hier sind, können Sie sich auch nützlich machen“, hatte er beschlossen.
„Stehen Sie Schmiere… hier und dort drüben“, er nickte in Richtung der anderen Straßenseite, gegenüber des Polizeigebäudes.
„Unauffällig, bitte sehr“, fügte er hinzu.
„Wenn sich ein Polizist nähert oder Sie entdeckt und misstrauisch wird, pfeifen Sie, machen Sie Lärm – irgendwas, das mich vorwarnt. Suchen Sie dann einfach ohne mich das Weite. Im Zweifelsfall treffen wir uns am Ausgangspunkt dieses Ausflugs wieder.“
Charles wandte sich der Gasse zu, die zum Hinterhof führte. Das Erdgeschoss des Präsidiums war etwas erhöht. Ein Polizist, der zufällig nach draußen blickte, würde ihn nicht sehen können, solange er sich an der Mauer hielt.
„Ich bin in Kürze wieder bei Ihnen. Jemand schuldet mir Antworten.“
Ohne Reaktionen abzuwarten zu wollen, ging er los.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Melinda schien einfach nicht zu verstehen. Oder nicht verstehen zu wollen. Er hörte sich schweigend an, was sie zu sagen hatte. Immerhin deutete sie dieses Mal zumindest an, es getan zu haben. Johanna, eine Gefahr? Das hatte er nie in Erwägung gezogen. Allerdings war sie auch immer nur ein nichtssagendes, kleines Mädchen gewesen, das sie obendrein nun ohnehin aus ihrer Gruppe entfernt hatten. Selbst wenn sie eine Bedrohung gewesen wäre, wären sie sie spätestens hier in Manchester losgeworden oder hätten einen anderen Weg einschlagen können, als sie kaltblütig umzubringen. Und Randolph glaubte nicht, dass sie eine Bedrohung war.
Melinda hingegen…vielleicht gaukelte es ihr Verstand tatsächlich vor. Vielleicht war sie eine Bedrohung für sie selbst gewesen, ihre Beziehung zu Charles Norly.
Krank? Ach ehrlich? Sag mir wer von uns das nicht ist.
Krank. Randolph verharrte mit klopfendem Herzen im Zimmer stehen, während Melinda mit klackenden Absätzen im Flur verschwand.
Ich wünschte mir ich würde am Galgen hängen.
Der Doktor blickte mit leeren Augen in die verlassene Türöffnung. Er sah Melinda am Galgen baumeln. Er sah Johanna baumeln. Melinda. Melinda. Sie waren alle krank, das stimmte. Er war krank. Ein kranker Arzt. Er fühlte sich kalt und hilflos. Absolut hilflos. Man konnte einen zerstörten Geist nicht reparieren. Er selbst hatte oft genug über den eigenen Tod nachgedacht. Aber das hatte er nicht für Melinda gewollt, nicht für sie.
Du bist ein elender Heuchler, Randolph Tremaine. Elendiger, beschissener Engländer. Du hättest sie da rausholen können, aber du hast es nicht getan.
Wieder traten ihm Tränen in die Augen. Er fühlte sich so schwach, wie seit Jahren nicht mehr. Als er sich die Treppe hinauf geschleift hatte, mit seinem kaputten Bein, hatte er sich nicht so schwach gefühlt. Er konnte physischen Schmerz ertragen. Aber jetzt brach alles zusammen. Dabei hatte er gedacht, dass er den Tiefpunkt seines Lebens bereits lange erreicht hatte.
Er lachte leise und verzweifelt, während seine Gesichtsmuskeln zuckten. Er hatte vollends versagt. Er hatte alles zerstört. Ein leises Schwindelgefühl begann den Doktor zu erfassen und er taumelte zum Küchentisch hinüber, um sich irgendwo festhalten zu können. Sein Sichtfeld verschwamm unter Tränen, die sein bleiches Gesicht hinabliefen.
Nein...nein…nein…
Er konnte die Geschehnisse der Vergangenheit nicht geradegebiegen, er konnte einen defekten Mechanismus nicht mehr reparieren. Niemals wieder. Wie sollte er Melinda von irgendetwas überzeugen? Sie war nicht bereit dazu. Und sie hatte eigentlich Recht. Er hatte keine Berechtigung dazu. Seinen Vater, seine Mutter, Melinda. Er hatte alle getötet. Mit etwas Glück ging es Lynette besser, dort wo sie nun war. Ihm war speiübel.
Die Hand tastete zum Gürtel.
Sechs Kugeln in der Trommel. Ein schwarzer Raum, ein Stuhl und Bowens Absinth.
Er würde nicht mehr denken. Und das war gut. Er wollte es nicht mehr. Er wollte ein Ende.
Aber nicht für sie. Seine knochige Hand vergrub sich in seinem Gesicht. Er rieb sich die Feuchtigkeit aus den Augen. Es war ein sinnloser Gedanke. Wenn Melinda es wollte, konnte er sie nicht aufhalten. Aber auch anders würde es kein gutes Ende nehmen. Sie war zu weit gegangen, sie würde zugrunde gehen, früher oder später. Sie hatte Charles Tochter dazu gebracht sich vor den Augen ihrer Mutter aufzuhängen, verdammt.
Er schüttelte stumm den Kopf, auch wenn es niemand sehen würde. Er wusste selbst nicht genau, warum er es tat. Vielleicht, weil er es immer einfach noch nicht fassen konnte und das auch äußerlich zeigen musste. Er wusste nicht mehr, was zu tun war. Ja, was gab es noch zu tun? Melinda zu helfen. Es würde nichts nutzen, sie hatte sich zuweit distanziert. Charles zu helfen? Wie konnte er ihm helfen, wenn er ihn bestahl und ihm den Mörder seiner Tochter verheimlichte? Scarface finden? Was sollte er tun? Er konnte eigentlich nicht mal über den Kerl richten. Wenn er Melinda ihre Morde durchgehen ließ, wie sollte er dann über diesen Fremden richten…
Wieder sah Randolph zum Fenster uns sah Charles vom Gelände verschwinden, bedrängt von Maura Thomson und Mr. Wright. Was tun?
Er schlurfte träge in den Gang hinaus und blieb dann auf dem Flur stehen. Er wusste nicht, wohin er gehen sollte. Melinda, er sollte versuchen noch einmal mit ihr zu sprechen. Er würde ihre Meinung, ihren Geist nicht ändern können, aber er konnte noch einmal mit ihr reden.
Er humpelte ein paar Schritte. Seine grauen Augen schweiften durch den trostlosen Gang, tasteten über das Treppengeländer, dass Charles Norly zuvor noch hinabgestürmt war.
„Melinda“, rief er leise. Sie waren hier oben alleine, vermutete er zumindest. Er konnte sie wohl bei ihrem richtigen Namen rufen. Er humpelte noch einmal ein paar Schritte, während er sich umsah. „Bist du hier? Es tut mir Leid, ich habe mich nicht fair dir gegenüber verhalten…“
Melinda hingegen…vielleicht gaukelte es ihr Verstand tatsächlich vor. Vielleicht war sie eine Bedrohung für sie selbst gewesen, ihre Beziehung zu Charles Norly.
Krank? Ach ehrlich? Sag mir wer von uns das nicht ist.
Krank. Randolph verharrte mit klopfendem Herzen im Zimmer stehen, während Melinda mit klackenden Absätzen im Flur verschwand.
Ich wünschte mir ich würde am Galgen hängen.
Der Doktor blickte mit leeren Augen in die verlassene Türöffnung. Er sah Melinda am Galgen baumeln. Er sah Johanna baumeln. Melinda. Melinda. Sie waren alle krank, das stimmte. Er war krank. Ein kranker Arzt. Er fühlte sich kalt und hilflos. Absolut hilflos. Man konnte einen zerstörten Geist nicht reparieren. Er selbst hatte oft genug über den eigenen Tod nachgedacht. Aber das hatte er nicht für Melinda gewollt, nicht für sie.
Du bist ein elender Heuchler, Randolph Tremaine. Elendiger, beschissener Engländer. Du hättest sie da rausholen können, aber du hast es nicht getan.
Wieder traten ihm Tränen in die Augen. Er fühlte sich so schwach, wie seit Jahren nicht mehr. Als er sich die Treppe hinauf geschleift hatte, mit seinem kaputten Bein, hatte er sich nicht so schwach gefühlt. Er konnte physischen Schmerz ertragen. Aber jetzt brach alles zusammen. Dabei hatte er gedacht, dass er den Tiefpunkt seines Lebens bereits lange erreicht hatte.
Er lachte leise und verzweifelt, während seine Gesichtsmuskeln zuckten. Er hatte vollends versagt. Er hatte alles zerstört. Ein leises Schwindelgefühl begann den Doktor zu erfassen und er taumelte zum Küchentisch hinüber, um sich irgendwo festhalten zu können. Sein Sichtfeld verschwamm unter Tränen, die sein bleiches Gesicht hinabliefen.
Nein...nein…nein…
Er konnte die Geschehnisse der Vergangenheit nicht geradegebiegen, er konnte einen defekten Mechanismus nicht mehr reparieren. Niemals wieder. Wie sollte er Melinda von irgendetwas überzeugen? Sie war nicht bereit dazu. Und sie hatte eigentlich Recht. Er hatte keine Berechtigung dazu. Seinen Vater, seine Mutter, Melinda. Er hatte alle getötet. Mit etwas Glück ging es Lynette besser, dort wo sie nun war. Ihm war speiübel.
Die Hand tastete zum Gürtel.
Sechs Kugeln in der Trommel. Ein schwarzer Raum, ein Stuhl und Bowens Absinth.
Er würde nicht mehr denken. Und das war gut. Er wollte es nicht mehr. Er wollte ein Ende.
Aber nicht für sie. Seine knochige Hand vergrub sich in seinem Gesicht. Er rieb sich die Feuchtigkeit aus den Augen. Es war ein sinnloser Gedanke. Wenn Melinda es wollte, konnte er sie nicht aufhalten. Aber auch anders würde es kein gutes Ende nehmen. Sie war zu weit gegangen, sie würde zugrunde gehen, früher oder später. Sie hatte Charles Tochter dazu gebracht sich vor den Augen ihrer Mutter aufzuhängen, verdammt.
Er schüttelte stumm den Kopf, auch wenn es niemand sehen würde. Er wusste selbst nicht genau, warum er es tat. Vielleicht, weil er es immer einfach noch nicht fassen konnte und das auch äußerlich zeigen musste. Er wusste nicht mehr, was zu tun war. Ja, was gab es noch zu tun? Melinda zu helfen. Es würde nichts nutzen, sie hatte sich zuweit distanziert. Charles zu helfen? Wie konnte er ihm helfen, wenn er ihn bestahl und ihm den Mörder seiner Tochter verheimlichte? Scarface finden? Was sollte er tun? Er konnte eigentlich nicht mal über den Kerl richten. Wenn er Melinda ihre Morde durchgehen ließ, wie sollte er dann über diesen Fremden richten…
Wieder sah Randolph zum Fenster uns sah Charles vom Gelände verschwinden, bedrängt von Maura Thomson und Mr. Wright. Was tun?
Er schlurfte träge in den Gang hinaus und blieb dann auf dem Flur stehen. Er wusste nicht, wohin er gehen sollte. Melinda, er sollte versuchen noch einmal mit ihr zu sprechen. Er würde ihre Meinung, ihren Geist nicht ändern können, aber er konnte noch einmal mit ihr reden.
Er humpelte ein paar Schritte. Seine grauen Augen schweiften durch den trostlosen Gang, tasteten über das Treppengeländer, dass Charles Norly zuvor noch hinabgestürmt war.
„Melinda“, rief er leise. Sie waren hier oben alleine, vermutete er zumindest. Er konnte sie wohl bei ihrem richtigen Namen rufen. Er humpelte noch einmal ein paar Schritte, während er sich umsah. „Bist du hier? Es tut mir Leid, ich habe mich nicht fair dir gegenüber verhalten…“
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Es war als hätte sich eine große schwere Decke auf sie gelegt. Nicht, dass sie bisher sonderlich viel Freude im Leben gehabt hätte, aber es schien, als würde ein Fluch auf ihr liegen, seit sie in Manchester angekommen waren. Alles hatte sich gekehrt und noch schlimmer dargestellt, als es für sie vorstellbar gewesen war. Doch nun musste sie sich mit den Tatsachen konfrontiert sehen. Sie musste wirklich, wirklich dringend etwas tun und momentan viel ihr nur ein, auch wenn es schon ein alter Hut war, dass sie sofort aus dieser verschissenen Stadt wegmusste. Sie brauchte irgendetwas als Stütze und selbst wenn es nur London sein würde. Da Randolph ihr nun auch den Rücken gekehrt hatte, war der Sachverhalt klar: Sie würde hier irgendwo einen Kerl finden, diesen sich auf ihr Vergnügen lassen und mit dem Geld nach London abhauen. Charles würde sie irgendwie eine Nachricht hinterlassen. Am besten durch den King, der schien immerhin etwas vernüftigt zu sein. Und wenn sie London ankommen würde, würde sie es endlich beenden. Die ganze Farce, die sich ihr Leben nannte.
Als sie sich auf den Weg zu dem Zimmer machte, in dem sie zuvor dem Absinth zugesprochen hatte, kam sie selbigem vorbei, den sie bei Wright zurück gelassen hatte. Sie griff nach dem Glas, in dem noch ein wenig der grünen Flüssigkeit war und kippte es mit einem Zug herunter.
WASSER? Da ist Wasser drin! Was für ein Banause!
Sie verzog angewidert das Gesicht und ergriff die Flasche, die zumindest noch viertel voll war. Das musste erst einmal reichen.
Was ne Scheiße so wenig! Moaaaah!
Als sie gerade in dem Zimmer angekommen war und sich erschöpft auf dem Sofa niederließ, was zur Folge hatte das eine kleine Staubwolke um sie herum aufwirbelte und sie Niesen musste, hörte sie ihren Namen. Leise, aber da war der Ruf nach ihr gewesen.
Sieht so als, als hätten die Geister die du riefst, dich doch noch nicht ganz verlassen.
Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Es hatte funktioniert, als sie nicht mehr daran geglaubt hatte. Bevor sie aufstand, setze sie wieder ihre gleichgültige Miene auf und ging wieder zur Tür, welche sie vorhin leicht hinter sich zugezogen hatte. Sie öffnete sie und erblickte den Rücken von Termaine. Als sie ihn so von hinten sah, dachte sie kurz, dass er mindestens 30 Jahre älter wirkte, als er war. Das Leben war auch zu ihm ein Arschloch gewesen. Ohne Zweifel.
Sie atmete tief durch, da sie nicht wusste, welche Stürme der Ungerechtigkeit ihr eventuell noch bevorstehen würden. Doch er klang gerade fast schon versöhnlich.
Doch das musste ja nichts heißen, wieviele Männer hatten sie schon geschlagen, sie danach liebevoll in den Arm genommen, sich entschuldigt um nur minuten später wieder die Hand oder Faust auf ihren Körper krachen zu lassen? Sie konnte es nicht mehr zählen. Man sah in ihr die Hure mit der man eben alles machen konnte. Vielleicht würde Randolph nun auch ihre Seele so behandlen?
Ach Gottchen, die arme, arme Seele. Was ist denn mit dir los? Hör auf rumzuheulen. Ist ja peinlich. Das passt nicht zu dir. Himmel!
Sie räusperte sich. "Ich bin hier hinter dir." Sie lehnte sich in den Türrahmen.
Als sie sich auf den Weg zu dem Zimmer machte, in dem sie zuvor dem Absinth zugesprochen hatte, kam sie selbigem vorbei, den sie bei Wright zurück gelassen hatte. Sie griff nach dem Glas, in dem noch ein wenig der grünen Flüssigkeit war und kippte es mit einem Zug herunter.
WASSER? Da ist Wasser drin! Was für ein Banause!
Sie verzog angewidert das Gesicht und ergriff die Flasche, die zumindest noch viertel voll war. Das musste erst einmal reichen.
Was ne Scheiße so wenig! Moaaaah!
Als sie gerade in dem Zimmer angekommen war und sich erschöpft auf dem Sofa niederließ, was zur Folge hatte das eine kleine Staubwolke um sie herum aufwirbelte und sie Niesen musste, hörte sie ihren Namen. Leise, aber da war der Ruf nach ihr gewesen.
Sieht so als, als hätten die Geister die du riefst, dich doch noch nicht ganz verlassen.
Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Es hatte funktioniert, als sie nicht mehr daran geglaubt hatte. Bevor sie aufstand, setze sie wieder ihre gleichgültige Miene auf und ging wieder zur Tür, welche sie vorhin leicht hinter sich zugezogen hatte. Sie öffnete sie und erblickte den Rücken von Termaine. Als sie ihn so von hinten sah, dachte sie kurz, dass er mindestens 30 Jahre älter wirkte, als er war. Das Leben war auch zu ihm ein Arschloch gewesen. Ohne Zweifel.
Sie atmete tief durch, da sie nicht wusste, welche Stürme der Ungerechtigkeit ihr eventuell noch bevorstehen würden. Doch er klang gerade fast schon versöhnlich.
Doch das musste ja nichts heißen, wieviele Männer hatten sie schon geschlagen, sie danach liebevoll in den Arm genommen, sich entschuldigt um nur minuten später wieder die Hand oder Faust auf ihren Körper krachen zu lassen? Sie konnte es nicht mehr zählen. Man sah in ihr die Hure mit der man eben alles machen konnte. Vielleicht würde Randolph nun auch ihre Seele so behandlen?
Ach Gottchen, die arme, arme Seele. Was ist denn mit dir los? Hör auf rumzuheulen. Ist ja peinlich. Das passt nicht zu dir. Himmel!
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Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Maura mochte keine langen Kutschfahrten. Sie konnte Pferde nicht gut leiden, nachdem sie in ihrer Kindheit mal eines abgeworfen hatte, und das ewige Geruckel schlug ihr jedes Mal auf den Magen. Lieber ging sie zu Fuß, da hatte man Ruhe und Zeit für sich selbst. Die hatte sie als Ehefrau nur selten gehabt. Heute dagegen hatte sie mehr Zeit als nötig war – und wo hatte es sie hingebracht? Direkt in die Hände eines vermeintlichen Massenmörders. Freiwillig … wenn das die radikalen Änderungen waren, die sie sich vor wenigen Wochen versprochen hatte, war sie nicht mehr sicher, ob das eine gute Idee gewesen war. Ohne Frage war es ein gefährlicher Tanz, auf den sie sich da eingelassen hatte. Wenn auch verdammt inspirierend.
Eine Weile ging noch alles gut, das war immer so, doch nachdem sie eine halbe Stunde unterwegs waren, spürte Maura das vertraute Gefühl in ihrem Magen. Sie versuchte, sich ihr Unbehagen nicht anmerken zu lassen, aber sie fühlte die Bleichheit um ihre Nase förmlich, also drehte sie den Kopf lieber zur Seite und tat die restliche Zeit der Fahrt so, als würde sie schlafen – wobei sie jedoch wachsam blieb, selbstverständlich. Nicht, dass Norly wieder auf dumme Ideen mit seinem Chloroform kam. Die Hand, die sie in ihrer Manteltasche verborgen hielt, war vorsorglich zur Faust geballt.
Es dauerte noch einige Zeit, bis sie endlich ankamen, und Maura dankte Gott, als die Kutsche endlich anhielt. Sie setzte sich auf, schnaufte tief durch und versuchte, jetzt noch nicht an die Rückfahrt zu denken. Beim Aussteigen ließ sie den Männern den Vortritt, holte ihr Notizbuch heraus und machte im Dimmerlicht der Kutsche noch ein paar rasche Aufzeichnungen, bevor sie schließlich ausstieg und dem Drang widerstand, den Boden zu ihren Füßen zu küssen.
Salford also. Was wollte Norly hier? Maura wusste nicht viel über Salford, sie war noch nie dort gewesen – aus gutem Grund, denn hier lebte und arbeitete hauptsächlich das Proletariat. In Manchester selbst war der Ort verschrien als schmutziges Industrieviertel, in dessen Gassen kaum zwei Menschen nebeneinander stehen könnten.
Jemand wie Norly dürfte an einem solchen Ort eigentlich wenig verloren haben. Trotzdem waren sie nun hier. Warum?
Maura beschloss, ihr Versprechen vorerst nicht zu brechen und weiter zu schweigen; es würde sich ja zeigen, wohin Norly genau unterwegs war, sie würde ihn nicht aus den Augen lassen. Als er sich auf den Weg zu einem der Gebäude machte, folgte sie ihm kurzerhand mit etwas Abstand und war froh, dass ihr Gesicht nicht so auffällig war wie das seine (und vor allem nicht so bekannt). Aufrecht und ernst ging sie die Straße hinunter, Norly stets im Augenwinkel. Scheinbar hielt dieser Wahnsinnige genau auf ein Gebäude zu, das Maura als Polizeistation erkannte. Was in drei Gottes Namen wollte Norly dort, mitten in der sprichwörtlichen Höhle des Löwen?!
Einen Moment lang überlegte sie, ob sie ihn nicht lieber aufhalten sollte. Der aufgewühlte Norly von vorhin hatte nicht so gewirkt, als hätte er einen Plan. Ob er jetzt einen hatte? Oder würde das hier in einer ähnlich wahnwitzigen Geschichte enden wie der Vorfall mit dem Chief Commisioner in London? Die Sache hatte in allen Zeitungen gestanden, kein Wunder – direkt im Anschluss waren schließlich die ersten Scarface-Morde begangen worden.
So unauffällig, doch zugleich auch so schnell wie möglich, folgte sie Norly bis vor den Eingang des Innenhofs. Er schien auf sie zu warten, immerhin, allerdings hatte sie nun eine gefährliche Ahnung, was Norly vorhatte, und das gefiel ihr kein bisschen. In eine Polizeistation ungesehen rein und wieder raus kommen? Einfach würde das nicht.
„Wie Sie meinen.“ Überzeugt klang sie nicht gerade. „Ich nehme an, Sie sind sich des Risikos bewusst, deshalb spare ich mir den Versuch, Sie aufzuhalten. Aber seien Sie vorsichtig!“ Damit trat sie einen Schritt zurück und sah auffordernd zu Mr Wright. Irgendjemand musste hier draußen bleiben, sonst würde es ein Unglück geben, dessen war sie sich bewusst, also würde sie zähneknirschend diesen Job übernehmen. Genauso gefährlich wäre es aber, wenn sie Norly nun alleinließen – hoffentlich sah Wright das genauso. Charles Norly in diesem Zustand allein dort hinein zu schicken? Das grenzte fast schon an Selbstmord. Wenn Wright sich dagegen bereiterklären würde, die Stimme der Vernunft zu spielen, hätten sie vielleicht eine reelle Chance, das Ganze unbeschadet zu überstehen.
Eine Weile ging noch alles gut, das war immer so, doch nachdem sie eine halbe Stunde unterwegs waren, spürte Maura das vertraute Gefühl in ihrem Magen. Sie versuchte, sich ihr Unbehagen nicht anmerken zu lassen, aber sie fühlte die Bleichheit um ihre Nase förmlich, also drehte sie den Kopf lieber zur Seite und tat die restliche Zeit der Fahrt so, als würde sie schlafen – wobei sie jedoch wachsam blieb, selbstverständlich. Nicht, dass Norly wieder auf dumme Ideen mit seinem Chloroform kam. Die Hand, die sie in ihrer Manteltasche verborgen hielt, war vorsorglich zur Faust geballt.
Es dauerte noch einige Zeit, bis sie endlich ankamen, und Maura dankte Gott, als die Kutsche endlich anhielt. Sie setzte sich auf, schnaufte tief durch und versuchte, jetzt noch nicht an die Rückfahrt zu denken. Beim Aussteigen ließ sie den Männern den Vortritt, holte ihr Notizbuch heraus und machte im Dimmerlicht der Kutsche noch ein paar rasche Aufzeichnungen, bevor sie schließlich ausstieg und dem Drang widerstand, den Boden zu ihren Füßen zu küssen.
Salford also. Was wollte Norly hier? Maura wusste nicht viel über Salford, sie war noch nie dort gewesen – aus gutem Grund, denn hier lebte und arbeitete hauptsächlich das Proletariat. In Manchester selbst war der Ort verschrien als schmutziges Industrieviertel, in dessen Gassen kaum zwei Menschen nebeneinander stehen könnten.
Jemand wie Norly dürfte an einem solchen Ort eigentlich wenig verloren haben. Trotzdem waren sie nun hier. Warum?
Maura beschloss, ihr Versprechen vorerst nicht zu brechen und weiter zu schweigen; es würde sich ja zeigen, wohin Norly genau unterwegs war, sie würde ihn nicht aus den Augen lassen. Als er sich auf den Weg zu einem der Gebäude machte, folgte sie ihm kurzerhand mit etwas Abstand und war froh, dass ihr Gesicht nicht so auffällig war wie das seine (und vor allem nicht so bekannt). Aufrecht und ernst ging sie die Straße hinunter, Norly stets im Augenwinkel. Scheinbar hielt dieser Wahnsinnige genau auf ein Gebäude zu, das Maura als Polizeistation erkannte. Was in drei Gottes Namen wollte Norly dort, mitten in der sprichwörtlichen Höhle des Löwen?!
Einen Moment lang überlegte sie, ob sie ihn nicht lieber aufhalten sollte. Der aufgewühlte Norly von vorhin hatte nicht so gewirkt, als hätte er einen Plan. Ob er jetzt einen hatte? Oder würde das hier in einer ähnlich wahnwitzigen Geschichte enden wie der Vorfall mit dem Chief Commisioner in London? Die Sache hatte in allen Zeitungen gestanden, kein Wunder – direkt im Anschluss waren schließlich die ersten Scarface-Morde begangen worden.
So unauffällig, doch zugleich auch so schnell wie möglich, folgte sie Norly bis vor den Eingang des Innenhofs. Er schien auf sie zu warten, immerhin, allerdings hatte sie nun eine gefährliche Ahnung, was Norly vorhatte, und das gefiel ihr kein bisschen. In eine Polizeistation ungesehen rein und wieder raus kommen? Einfach würde das nicht.
„Wie Sie meinen.“ Überzeugt klang sie nicht gerade. „Ich nehme an, Sie sind sich des Risikos bewusst, deshalb spare ich mir den Versuch, Sie aufzuhalten. Aber seien Sie vorsichtig!“ Damit trat sie einen Schritt zurück und sah auffordernd zu Mr Wright. Irgendjemand musste hier draußen bleiben, sonst würde es ein Unglück geben, dessen war sie sich bewusst, also würde sie zähneknirschend diesen Job übernehmen. Genauso gefährlich wäre es aber, wenn sie Norly nun alleinließen – hoffentlich sah Wright das genauso. Charles Norly in diesem Zustand allein dort hinein zu schicken? Das grenzte fast schon an Selbstmord. Wenn Wright sich dagegen bereiterklären würde, die Stimme der Vernunft zu spielen, hätten sie vielleicht eine reelle Chance, das Ganze unbeschadet zu überstehen.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Charles gab einen Brummlaut von sich, als Maura sich skeptisch zeigte. Das war ihm im Grunde egal.
„Bleiben Sie einfach hier“, murmelte er, statt auf ihre Ermahnung einzugehen. Natürlich war es ein Risiko für ihn, hier zu sein, aber es war jedes Mal ein Risiko für ihn, vor die Tür zu gehen und sich anderen Menschen zu zeigen. Doch dieses Mal war er besonders bereit, dieses Risiko einzugehen. Wie er gerade schon geäußert hatte: Jemand schuldete ihm Antworten. Charles hoffte darauf, diesen jemand genau hier anzutreffen. Diese Wache hier musste zuständig für die Aufklärung der Vorfälle im Hause Stead sein, da war er sich sicher.
Charles merkte, dass sein Blut mit jedem Schritt vorwärts mehr in Wallungen geriet. Der gefährliche Gefühlssturm tobte immer wilder, je näher er seinem Ziel kam. Dennoch forderte Charles sich selbst auf, beherrscht zu bleiben. Selbstbeherrschung war der Schlüssel zum Erfolg. Leicht würde das Gespräch, das hoffentlich zustande kommen würde, nicht werden, dessen war er sich bewusst. Selbstbeherrschung würde nun wichtig sein.
Zügig, aber mit Bedacht, schritt Charles durch die schmale Gasse am Polizeigebäude entlang. Er war sich bewusst, dass er nicht allzu viel Lärm machen durfte, bevor er das bekommen hatte, was er wollte. Ein Stückweit von der Hauptstraße entfernt, entdeckte Charles das erste Gitter auf Kellerniveau der Wache. Die Öffnung, die es versperrte, reichte ihm bis kurz über die Knie. Charles stützte sich mit der Hand im Mauerwerk ab und bückte sich, um hineinspähen zu können. Eine leere Zelle. Er ging weiter, nahm sich das nächste Gitterfenster vor. Irgendein Säufer, der seinen Rausch ausschlief… in einer Pfütze eigenen Urins. Charles rümpfte die Nase und setzte seinen Weg fort.
Die Anspannung stieg weiter und weiter. Es war Glück, dass es überhaupt die Möglichkeit gab, von der Straße aus an die Zellen zu gelangen. Charles glaubte noch nicht einmal, dass alle Zellen ein solches Fenster zu dieser Gasse besaßen… oder zum Hinterhof, den er inzwischen erreicht hatte. Zunächst kundschaftete Charles diesen genau aus, bevor er entschied, dass er ihn betreten konnte, solange er sich weiterhin nah an der Mauer der Polizeistation hielt. Also bog er um die Ecke. Auch hier waren Zellenfenster. Allerdings nicht mehr viele.
In Charles begann sich bereits Unsicherheit zu regen, als er sich erneut mit der Hand an den feuchten, kalten Ziegeln Halt suchte, um seinen müden, schmerzenden Knochen die Arbeit ein wenig zu erleichtern, aber als er zwischen den dicken Metallstäben hindurch eine ihm bekannt vorkommende Gestalt ausmachen konnte, war jeder Zweifel wie weggeblasen. Auf einer Pritsche kauernd, das Gesicht in den Händen vergraben, im spärlichen Licht, umgeben von beschmierten Wänden und einer schweren, beschlagenen Holztür.
„Porter“, knurrte Charles aus tiefer Kehle. Er hatte ihn gefunden.
Wie gern würde er dem Impuls, direkt zu ihm herabzuspringen und ihm die verkommene Seele aus dem Leib zu prügeln, folgen können.
So nah, und doch außer Reichweite seiner Fäuste.
Unterdessen zuckte der Zelleninsasse wie ein aufgeschrecktes Reh zusammen und stand mit einem Mal auf den Beinen. Er kniff die Augen zusammen, als hatte er Schwierigkeiten, gegen das Licht ein Gesicht zu der Stimme zu erkennen, die seinen Namen geäußert hatte.
„Mr. … Mr. Norly?“, fragte Porter ungläubig.
Charles’ Gedanken rasten. Wut brandete wuchtvoll gegen den Damm seiner Selbstbeherrschung, Hass verlangte Vergeltung, Übelkeit schnürte ihm die Kehle zu, und die Bilder, die Dr. Tremaine ihm von den letzten Momenten seiner Tochter und ihrer Mutter gezeichnet hatte, waren bleischwerer Kummer.
„Ich“, schnaufte Charles, gezwungen beherrscht und äußerst düster, „finde dich überall… wenn ich will.“
„Anscheinend ist jemand ins Innere des Hauses eingedrungen“, hörte Charles die Stimme des Doktors sagen. Jedes einzelne Wort hatte sich in seinen Schädel eingebrannt. Und jedes einzelne war voller Erschütterung gewesen, aber dennoch bedacht vorsichtig gewählt worden.
„Verdächtigt wird der junge Jonathan Porter. Ich persönlich… ich denke nicht, dass er es war. Ich konnte den Mann einige Zeit kennenlernen. Er ist bestimmt nicht der Mörder.“
Charles schiss auf Tremaines Meinung.
„Sie hat dir vertraut, nicht wahr?“, fragte Charles mit gesenkter Lautstärke, aber triefend vor Verachtung. Seine Ohren kochten. Er spürte, wie heiße Tränen an seinen Augäpfeln hinaufkrochen und ihm erneut die Sicht verschleierten. „Sie hat dir die Tür geöffnet“, fuhr Charles bebend fort. „Dich hineingebeten. Und dann hast du…“
Ein dicker Kloß im Hals hinderte ihn daran, weiterzusprechen. Blinzeln half ihm einigermaßen, wieder ein klares Bild vor Augen zu haben.
Porter sah aus wie ein Häufchen Elend, aber beeindruckte Charles wenig. Genauso wenig wie das vehemente Kopfschütteln.
„Nein, nein…“, beteuerte diese widerliche Kakerlake weinerlich und raufte sich die Haare. Schien um Fassung zu ringen. „Gott, nein.“
Charles spürte, wie diese Scharade ihn nur noch wütender machte.
„Wer hat dich dazu angestiftet?“, zischte er ins Zellenloch hinab. „Spuck‘s aus!“
„Niemand“, behauptete Porter, nicht aus der Rolle fallend. „Ehrlich! Ich bin unschuldig.“
„Spar dir das!“, grollte Charles ebenso unnachgiebig. „Den Namen!“, verlangte er. „Wer war es?“
Porter trat ein wenig auf ihn zu, selbst mit Tränen in den Augen. „Bitte, hören Sie“, versuchte er, an Charles‘ Mitgefühl zu appellieren, „wenn es stimmt, dass Sie nicht Scarface sind… dann müssen gerade Sie doch wissen, wie vorschnell man verurteilt werden kann!“
Charles schnaubte wütend. „Ich“, keuchte er, zitternd vor Zorn, „muss gar nichts, du niederträchtiger Mistkerl!“
Wie konnte dieser Wurm es wagen?
Er richtete sich ruckartig auf. Das Gesicht dieses Widerlings, dieses hinterhältigen Schweinehunds sehen zu müssen, brachte sein Inneres an den Rand des Zerreißens.
Selbstbeherrschung.
Mahnend hallte dieses Wort, irgendwo in den sturmverhüllten Tiefen seines Hinterkopfs.
„Du hast sie kaltblütig umgebracht“, brachte Charles verzweifelt hervor. Und da brach sie wieder hervor, die Wut.
„Du hast sie umgebracht!“, zischte er zähnefletschend. „Mörder... Kranker Bastard!“
Charles beugte sich wieder zum Gitter hinab und schlug mit geballter Faust gegen die Steine der Einfassung. Er spürte den Aufprall als kurzes Zerren im Inneren seines linken Armes. Seine rechte Hand hatte sich wie von selbst unter seinen Mantelsaum geschoben und nach kühlem Eisen gesucht. Sie hatte es gefunden. Und nun klickte es, als Charles den Hahn seiner Beauty spannte und er ihren Lauf auf den Schädel Porters richtete.
„Sag mir, wer!“, blaffte Charles knurrend. Der Abzug gab schon leicht nach. Welch Genugtuung es sein würde, das Hirn dieses rückgratlosen Feiglings überall dort unten zu verteilen.
Doch erst brauchte Charles eine Antwort.
„Bleiben Sie einfach hier“, murmelte er, statt auf ihre Ermahnung einzugehen. Natürlich war es ein Risiko für ihn, hier zu sein, aber es war jedes Mal ein Risiko für ihn, vor die Tür zu gehen und sich anderen Menschen zu zeigen. Doch dieses Mal war er besonders bereit, dieses Risiko einzugehen. Wie er gerade schon geäußert hatte: Jemand schuldete ihm Antworten. Charles hoffte darauf, diesen jemand genau hier anzutreffen. Diese Wache hier musste zuständig für die Aufklärung der Vorfälle im Hause Stead sein, da war er sich sicher.
Charles merkte, dass sein Blut mit jedem Schritt vorwärts mehr in Wallungen geriet. Der gefährliche Gefühlssturm tobte immer wilder, je näher er seinem Ziel kam. Dennoch forderte Charles sich selbst auf, beherrscht zu bleiben. Selbstbeherrschung war der Schlüssel zum Erfolg. Leicht würde das Gespräch, das hoffentlich zustande kommen würde, nicht werden, dessen war er sich bewusst. Selbstbeherrschung würde nun wichtig sein.
Zügig, aber mit Bedacht, schritt Charles durch die schmale Gasse am Polizeigebäude entlang. Er war sich bewusst, dass er nicht allzu viel Lärm machen durfte, bevor er das bekommen hatte, was er wollte. Ein Stückweit von der Hauptstraße entfernt, entdeckte Charles das erste Gitter auf Kellerniveau der Wache. Die Öffnung, die es versperrte, reichte ihm bis kurz über die Knie. Charles stützte sich mit der Hand im Mauerwerk ab und bückte sich, um hineinspähen zu können. Eine leere Zelle. Er ging weiter, nahm sich das nächste Gitterfenster vor. Irgendein Säufer, der seinen Rausch ausschlief… in einer Pfütze eigenen Urins. Charles rümpfte die Nase und setzte seinen Weg fort.
Die Anspannung stieg weiter und weiter. Es war Glück, dass es überhaupt die Möglichkeit gab, von der Straße aus an die Zellen zu gelangen. Charles glaubte noch nicht einmal, dass alle Zellen ein solches Fenster zu dieser Gasse besaßen… oder zum Hinterhof, den er inzwischen erreicht hatte. Zunächst kundschaftete Charles diesen genau aus, bevor er entschied, dass er ihn betreten konnte, solange er sich weiterhin nah an der Mauer der Polizeistation hielt. Also bog er um die Ecke. Auch hier waren Zellenfenster. Allerdings nicht mehr viele.
In Charles begann sich bereits Unsicherheit zu regen, als er sich erneut mit der Hand an den feuchten, kalten Ziegeln Halt suchte, um seinen müden, schmerzenden Knochen die Arbeit ein wenig zu erleichtern, aber als er zwischen den dicken Metallstäben hindurch eine ihm bekannt vorkommende Gestalt ausmachen konnte, war jeder Zweifel wie weggeblasen. Auf einer Pritsche kauernd, das Gesicht in den Händen vergraben, im spärlichen Licht, umgeben von beschmierten Wänden und einer schweren, beschlagenen Holztür.
„Porter“, knurrte Charles aus tiefer Kehle. Er hatte ihn gefunden.
Wie gern würde er dem Impuls, direkt zu ihm herabzuspringen und ihm die verkommene Seele aus dem Leib zu prügeln, folgen können.
So nah, und doch außer Reichweite seiner Fäuste.
Unterdessen zuckte der Zelleninsasse wie ein aufgeschrecktes Reh zusammen und stand mit einem Mal auf den Beinen. Er kniff die Augen zusammen, als hatte er Schwierigkeiten, gegen das Licht ein Gesicht zu der Stimme zu erkennen, die seinen Namen geäußert hatte.
„Mr. … Mr. Norly?“, fragte Porter ungläubig.
Charles’ Gedanken rasten. Wut brandete wuchtvoll gegen den Damm seiner Selbstbeherrschung, Hass verlangte Vergeltung, Übelkeit schnürte ihm die Kehle zu, und die Bilder, die Dr. Tremaine ihm von den letzten Momenten seiner Tochter und ihrer Mutter gezeichnet hatte, waren bleischwerer Kummer.
„Ich“, schnaufte Charles, gezwungen beherrscht und äußerst düster, „finde dich überall… wenn ich will.“
„Anscheinend ist jemand ins Innere des Hauses eingedrungen“, hörte Charles die Stimme des Doktors sagen. Jedes einzelne Wort hatte sich in seinen Schädel eingebrannt. Und jedes einzelne war voller Erschütterung gewesen, aber dennoch bedacht vorsichtig gewählt worden.
„Verdächtigt wird der junge Jonathan Porter. Ich persönlich… ich denke nicht, dass er es war. Ich konnte den Mann einige Zeit kennenlernen. Er ist bestimmt nicht der Mörder.“
Charles schiss auf Tremaines Meinung.
„Sie hat dir vertraut, nicht wahr?“, fragte Charles mit gesenkter Lautstärke, aber triefend vor Verachtung. Seine Ohren kochten. Er spürte, wie heiße Tränen an seinen Augäpfeln hinaufkrochen und ihm erneut die Sicht verschleierten. „Sie hat dir die Tür geöffnet“, fuhr Charles bebend fort. „Dich hineingebeten. Und dann hast du…“
Ein dicker Kloß im Hals hinderte ihn daran, weiterzusprechen. Blinzeln half ihm einigermaßen, wieder ein klares Bild vor Augen zu haben.
Porter sah aus wie ein Häufchen Elend, aber beeindruckte Charles wenig. Genauso wenig wie das vehemente Kopfschütteln.
„Nein, nein…“, beteuerte diese widerliche Kakerlake weinerlich und raufte sich die Haare. Schien um Fassung zu ringen. „Gott, nein.“
Charles spürte, wie diese Scharade ihn nur noch wütender machte.
„Wer hat dich dazu angestiftet?“, zischte er ins Zellenloch hinab. „Spuck‘s aus!“
„Niemand“, behauptete Porter, nicht aus der Rolle fallend. „Ehrlich! Ich bin unschuldig.“
„Spar dir das!“, grollte Charles ebenso unnachgiebig. „Den Namen!“, verlangte er. „Wer war es?“
Porter trat ein wenig auf ihn zu, selbst mit Tränen in den Augen. „Bitte, hören Sie“, versuchte er, an Charles‘ Mitgefühl zu appellieren, „wenn es stimmt, dass Sie nicht Scarface sind… dann müssen gerade Sie doch wissen, wie vorschnell man verurteilt werden kann!“
Charles schnaubte wütend. „Ich“, keuchte er, zitternd vor Zorn, „muss gar nichts, du niederträchtiger Mistkerl!“
Wie konnte dieser Wurm es wagen?
Er richtete sich ruckartig auf. Das Gesicht dieses Widerlings, dieses hinterhältigen Schweinehunds sehen zu müssen, brachte sein Inneres an den Rand des Zerreißens.
Selbstbeherrschung.
Mahnend hallte dieses Wort, irgendwo in den sturmverhüllten Tiefen seines Hinterkopfs.
„Du hast sie kaltblütig umgebracht“, brachte Charles verzweifelt hervor. Und da brach sie wieder hervor, die Wut.
„Du hast sie umgebracht!“, zischte er zähnefletschend. „Mörder... Kranker Bastard!“
Charles beugte sich wieder zum Gitter hinab und schlug mit geballter Faust gegen die Steine der Einfassung. Er spürte den Aufprall als kurzes Zerren im Inneren seines linken Armes. Seine rechte Hand hatte sich wie von selbst unter seinen Mantelsaum geschoben und nach kühlem Eisen gesucht. Sie hatte es gefunden. Und nun klickte es, als Charles den Hahn seiner Beauty spannte und er ihren Lauf auf den Schädel Porters richtete.
„Sag mir, wer!“, blaffte Charles knurrend. Der Abzug gab schon leicht nach. Welch Genugtuung es sein würde, das Hirn dieses rückgratlosen Feiglings überall dort unten zu verteilen.
Doch erst brauchte Charles eine Antwort.
Umbra- Tiefseemonster
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Der Schädel des Doktors war wie leergefegt. In stetigem Rhythmus spürte er seinen eigenen Puls, dessen Pochen in ihm Kopfschmerzen und Übelkeit hervorriefen. Er stierte über den Rand des Treppengeländers in die Tiefe, wo sich die Stufen systematisch zu einem Abwärts-Pfad formierten. Nichts regte sich. Ihm war so übel. Und dieses dumpfe Gefühl im Schädel, als würde er in Alkoholdunst ersticken. Und dabei immer wieder dieses Pochen, dass sich ihm wie ein Tinitus in den Schädel grub und seine zähflüssigen Gedanken, noch mehr ins Stocken brachte. Sein Verstand war gerade alles andere als klar, dass war ihm unterschwellig bewusst. Aber er wusste auch nicht, wie er etwas an diesem Zustand ändern sollte.
Seine aufgerissenen, blutunterlaufenen Augen stierten verschwommen in die Tiefe, bis die Stufen in wirren Mustern miteinander verschmolzen, sich in Kreisen vor seinen Augen zu drehen begannen und sich wanden wie riesige, hölzerne Schlangen. Er blinzelte, um das Trugbild zu verscheuchen.
Ein knappes Keuchen entrang sich seine Kehle. Seine Finger tasteten über das Geländer. Hinter sich vernahm er nun ihre Stimme. Sie war da. Ja. Er drehte sich langsam um, sich weiterhin am Geländer abstützend. Der Dielenboden schwankte zu seinen Füßen, als wäre er an Bord eines kenternden Schiffes. Früher wollte ich Seefahrer werden, schoss es ihm unvermittelt in den Sinn. Ein Gedanke, der nun mal gar nicht zur aktuellen Situation passte. Es musste dieses Pochen sein, das ihn verwirrte. War das überhaupt sein Puls? Sein ganzer Schädel dröhnte davon, wie unter Trommelschlägen. Seine geweiteten Augen fielen auf Melinda.
Wie sie dort stand, einfach lieblich. Wie könnte er ihr auch nur ein Haar krümmen? Sein Blick streifte gedankenverloren über ihr blondes Haar. Wie als sie noch ein kleines Mädchen war. Das war immer noch die gleiche Person. Sie hatte sich verändert, aber er war sich sicher, dass dieses Mädchen noch irgendwo in ihr war. Er musste ihr helfen, musste es versuchen, musste sie beschützen…
Aber sie hatte Johanna umgebracht. Er konnte das nicht zulassen. Zulassen…? Es war doch schon geschehen, sein Kopf war so schwammig. Randolph nickte dem Mädchen zu. Er blinzelte wieder. Was hatte Melinda eigentlich zu ihm gesagt? Seine bleiche Stirn legte sich in Falten, er humpelte an sie heran.
„Komm“, wisperte er. „Lass uns doch hineingehen“
Er neigte den Kopf in Richtung der Tür, durch die Melinda auf den Gang getreten war. Dort sah es gemütlich aus. Ein Sofa…ein gemütlicher Sessel. Dort sah es wirklich gemütlich aus. Der Boden schwankte, als er loshumpelte. Er brauchte wohl mal ein Glas Wasser. Randolph zuckte den Bruchteil einer Sekunde zusammen, als beinahe sein Stock am Holzboden abglitt. Er fing sich aber wieder, begann ins Innere zu humpeln und ließ sich in dem Sessel nieder. Verdammt, sein Schädel pochte wie die Hölle.
„Es tut mir Leid, was ich vorhin gesagt habe“, murmelte er vor sich hin und rieb sich geistesabwesend den Kopf. „Wir sollten zusammen halten…“
Seine Hände vergruben sich in den Manteltaschen, während er durchschnaufte und versuchte wieder einigermaßen zu Sinnen zu kommen. Da knisterte plötzlich etwas unter seinen bleichen Fingern. Mit gerunzelter Stirn zog er einen säuberlich zusammengefalteten Zettel aus dem Inneren hervor.
Als er ihn öffnete, stach ihm ganz oben auf der Notiz eine angenehm lesbare, elegant kalligraphierte Schrift entgegen.
Ich hoffe, dieses Selbstbekenntnis ist Ihnen für den Anfang eine Hilfe.
Was zur Hölle…
Seine aufgerissenen, blutunterlaufenen Augen stierten verschwommen in die Tiefe, bis die Stufen in wirren Mustern miteinander verschmolzen, sich in Kreisen vor seinen Augen zu drehen begannen und sich wanden wie riesige, hölzerne Schlangen. Er blinzelte, um das Trugbild zu verscheuchen.
Ein knappes Keuchen entrang sich seine Kehle. Seine Finger tasteten über das Geländer. Hinter sich vernahm er nun ihre Stimme. Sie war da. Ja. Er drehte sich langsam um, sich weiterhin am Geländer abstützend. Der Dielenboden schwankte zu seinen Füßen, als wäre er an Bord eines kenternden Schiffes. Früher wollte ich Seefahrer werden, schoss es ihm unvermittelt in den Sinn. Ein Gedanke, der nun mal gar nicht zur aktuellen Situation passte. Es musste dieses Pochen sein, das ihn verwirrte. War das überhaupt sein Puls? Sein ganzer Schädel dröhnte davon, wie unter Trommelschlägen. Seine geweiteten Augen fielen auf Melinda.
Wie sie dort stand, einfach lieblich. Wie könnte er ihr auch nur ein Haar krümmen? Sein Blick streifte gedankenverloren über ihr blondes Haar. Wie als sie noch ein kleines Mädchen war. Das war immer noch die gleiche Person. Sie hatte sich verändert, aber er war sich sicher, dass dieses Mädchen noch irgendwo in ihr war. Er musste ihr helfen, musste es versuchen, musste sie beschützen…
Aber sie hatte Johanna umgebracht. Er konnte das nicht zulassen. Zulassen…? Es war doch schon geschehen, sein Kopf war so schwammig. Randolph nickte dem Mädchen zu. Er blinzelte wieder. Was hatte Melinda eigentlich zu ihm gesagt? Seine bleiche Stirn legte sich in Falten, er humpelte an sie heran.
„Komm“, wisperte er. „Lass uns doch hineingehen“
Er neigte den Kopf in Richtung der Tür, durch die Melinda auf den Gang getreten war. Dort sah es gemütlich aus. Ein Sofa…ein gemütlicher Sessel. Dort sah es wirklich gemütlich aus. Der Boden schwankte, als er loshumpelte. Er brauchte wohl mal ein Glas Wasser. Randolph zuckte den Bruchteil einer Sekunde zusammen, als beinahe sein Stock am Holzboden abglitt. Er fing sich aber wieder, begann ins Innere zu humpeln und ließ sich in dem Sessel nieder. Verdammt, sein Schädel pochte wie die Hölle.
„Es tut mir Leid, was ich vorhin gesagt habe“, murmelte er vor sich hin und rieb sich geistesabwesend den Kopf. „Wir sollten zusammen halten…“
Seine Hände vergruben sich in den Manteltaschen, während er durchschnaufte und versuchte wieder einigermaßen zu Sinnen zu kommen. Da knisterte plötzlich etwas unter seinen bleichen Fingern. Mit gerunzelter Stirn zog er einen säuberlich zusammengefalteten Zettel aus dem Inneren hervor.
Als er ihn öffnete, stach ihm ganz oben auf der Notiz eine angenehm lesbare, elegant kalligraphierte Schrift entgegen.
Ich hoffe, dieses Selbstbekenntnis ist Ihnen für den Anfang eine Hilfe.
Was zur Hölle…
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Randolph schien nicht ganz auf der Höhe zu sein. Er wirkte fahrig und machte den Anschein als würde er gleich aus den Schuhen kippen. Besorgt beobachtete sie ihn, wie auf sie zu kam. Schwankend näherte er sich ihr. Es schien als sei er in Trance. Sie zog die Augenbrauen hoch, wie sie es fast immer zu tun pflegte.
Och Mensch! Jetzt hast du ihn kaputt gemacht! Toll! Er ist doch der Arzt. Hrmpf.
Sie wich ihm aus und ließ ihn in den Raum treten. Sie nahm keinen Bezug zu den Sachen, die er sagte, sondern wartete ab. Sie war froh, als er sich auf den Sessel setzte. Sie war sich sicher nicht in der körperlichen Lage zu sein den Arzt aufzuheben, sollte er nun auf den Boden sinken. Er fischte einen Zettel aus seiner Tasche und warf einen Blick darauf. Wieder schien er verwirrt.
"Was ist das?" fragte sie gerade heraus.
Dann dachte sie daran, dass egal wie sehr er sich in ihren Augen daneben benommen hatte, sie sich doch um ihn sorgte. "Brauchst du was zu trinken? Du siehst aus als würdest du gleich wegkippen..."
Och Mensch! Jetzt hast du ihn kaputt gemacht! Toll! Er ist doch der Arzt. Hrmpf.
Sie wich ihm aus und ließ ihn in den Raum treten. Sie nahm keinen Bezug zu den Sachen, die er sagte, sondern wartete ab. Sie war froh, als er sich auf den Sessel setzte. Sie war sich sicher nicht in der körperlichen Lage zu sein den Arzt aufzuheben, sollte er nun auf den Boden sinken. Er fischte einen Zettel aus seiner Tasche und warf einen Blick darauf. Wieder schien er verwirrt.
"Was ist das?" fragte sie gerade heraus.
Dann dachte sie daran, dass egal wie sehr er sich in ihren Augen daneben benommen hatte, sie sich doch um ihn sorgte. "Brauchst du was zu trinken? Du siehst aus als würdest du gleich wegkippen..."
Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Porter wich schlagartig die Farbe aus dem zuvor geröteten Gesicht, als er sich Charles‘ Waffe gegenübersah. Er schluckte ängstlich, hob im Versuch, zu beschwichtigen, die Hände.
„Scheiße…“, keuchte er zunächst, als er nach dem Schreck wieder daran dachte, zu atmen, und begann zu (weiterhin weinerlich) stammeln: „N-Nein, ich bitte Sie, ich… ich weiß nichts. Erschießen Sie mich nicht.“
Dieses Gebettel widerte Charles an.
„Denkst du, das beeindruckt mich?“, presste er bebend zwischen den Zähnen hervor. „Denkst du, ich glaube dir auch nur ein Wort?“
Die Provokationen Porters, diese Dreistigkeit, anzunehmen, dass Charles so dumm war, ihm diese Lügen abzukaufen, waren mehr, als Charles in diesem Moment tolerieren konnte. Dennoch musste er sich zusammenreißen und gewisse Impulse unterdrücken. Er wusste schließlich immer noch nicht, was ihn er verlangte, zu erfahren. Und Charles wiederholte sich schon unter anderen Umständen äußerst ungern.
Sehr ungeduldig fragte er erneut: „Wer hat dich auf Johanna und mich angesetzt?“
Charles musste es einfach wissen. Porter war nicht der einzige, mit dem er abzurechnen gedachte. Allerdings brauchte er dazu einen Anhaltspunkt.
„Sieh dich nur an“, spottete Charles nun, denn der Bursche brauchte wohl einen Wink mit dem Zaunpfahl, „du sitzt hier, alleingelassen, und bist der Sündenbock für jemanden, der sich zu fein war, um es selbst zu erledigen. Dein Leben liegt in meinen Händen. Hilf dir selbst.“
Porter schüttelte mit dem Kopf. „Ich kann Ihnen keinen Namen nennen.“
Charles knurrte.
„Du bist mir schon in London gefolgt, nicht wahr?“, griff er nun wieder mit Fragen an. Plötzlich fiel ihm etwas ein, woran er bisher nicht gedacht hatte: „Zusammen mit Wright? Gehört er zu dir?“
Neue dunkle Gedanken regten sich in Charles. Doch Porter schien von der Erwähnung Wrights wirklich überrascht zu sein.
„Wright?“, wiederholte Porter irritiert und schüttelte wieder, diesmal heftig, den Kopf. „Nein… Den kenne ich doch gar nicht!“, beteuerte der Widerling – wenigstens das glaubte Charles ihm. „Wir haben uns im Zug unterhalten, um uns die Fahrt zu vertreiben. Wir traten gerade auf den Bahnsteig, als ich Johanna entdeckte… und bei ihr Sie, Mr. Norly…“
Porter schniefte hörbar, die Tränen liefen ihm übers Gesicht. „Ich hab sie gefunden und mehr nicht, ich schwöre es ihnen. Da kam auch schon die Polizei. Das ist ein Missverständnis! Ich weiß nicht, wie Sie auf so eine Idee kommen. Ich würde doch nie… Ich bin kein Auftragsmörder!“
Charles blickte dem verlogenen Bastard mit eisiger Härte entgegen. Diese Mistfliege war wirklich kein überzeugender Lügner.
„Sehr geschickt, dich zu nehmen“, meinte Charles dann, leicht nickend, den Ablauf nachvollziehend. Abscheu lag in seiner Stimme. „Einen Bekannten, den sie mag. Mir die Polizei auf den Hals zu hetzen, um sie von mir zu trennen. Denn du brauchtest Abgeschiedenheit.“
„Das stimmt nicht, nein“, beteuerte Porter sofort. „Ich dachte, sie sei in Gefahr, als ich sie bei Ihnen gesehen habe. Schließlich kenne ich die Geschichten… Bitte, Sie müssen mir glauben!“, flehte er. „Das war Zufall und kein Komplott gegen Sie. Helfen Sie mir hier heraus.“
Charles ignorierte das. „Sie vor mir umzubringen, wäre witzlos gewesen“, fuhr er einfach fort. Selbstbeherrschung. Seine Worte waren ruhig und kontrolliert. „Nicht kaltblütig genug. Du wolltest, dass sie leidet, um es für mich umso schmerzvoller zu gestalten. Nur musstest du erst abwarten, auch die anderen loswerden. Das ging wie von selbst, schließlich brachten sie sie heim. Dass ihre Mutter dort war, war eher ein Bonus.“
Charles atmete tief ein. Die brodelnde Wut wollte mehr denn je nach draußen. Also ließ er es endlich zu.
„Zeigen wir Scarface die Familie“, blaffte er, schnell lauter werden, sodass er Porter an dieser Stelle bereits anbrüllte, „die er nie hatte, und entreißen wir sie ihm wieder mit größtmöglicher, kranker Brutalität! Sein Leben liegt noch nicht genug in Scherben! Zertrampeln wir die einzelnen Bruchstücke noch zu Staub!“
Charles drückte ab. Es klickte, als der Abzug durchgedrückt wurde, der Hahn nach vorn schnellte und die Revolvertrommel sich um eine Kammer nach rechts drehte.
Porters Herz rutschte ihm sichtbar in die Hose. Doch er war geistesgegenwärtig genug, nach wenigen vergangenen Sekunden auf Charles zuzuhuschen, in den toten Winkel direkt unter dem Gitterfenster. Offenbar schmiss er sich dort zu Boden und kauerte sich an die Wand.
„Hilfe!“, rief Porter keuchend. „Hilfe! Scarface ist hier! Hinten im Hof!“
Charles stand unterdessen auf, selbst schwer atmend.
„Hilfe! Er will mich erschießen!“
Knurrend spuckte Charles aus. „Feigling.“
Meinte er Porter oder sich selbst?
Charles ergriff die Flucht und ließ dabei seinen Revolver in der Manteltasche verschwinden. Er selbst musste erst einmal Abstand zwischen sich und diese Polizeistation bringen und dann untertauchen.
Mrs. Thomson und Mr. Wright würden ohne ihn zurückfinden.
„Scheiße…“, keuchte er zunächst, als er nach dem Schreck wieder daran dachte, zu atmen, und begann zu (weiterhin weinerlich) stammeln: „N-Nein, ich bitte Sie, ich… ich weiß nichts. Erschießen Sie mich nicht.“
Dieses Gebettel widerte Charles an.
„Denkst du, das beeindruckt mich?“, presste er bebend zwischen den Zähnen hervor. „Denkst du, ich glaube dir auch nur ein Wort?“
Die Provokationen Porters, diese Dreistigkeit, anzunehmen, dass Charles so dumm war, ihm diese Lügen abzukaufen, waren mehr, als Charles in diesem Moment tolerieren konnte. Dennoch musste er sich zusammenreißen und gewisse Impulse unterdrücken. Er wusste schließlich immer noch nicht, was ihn er verlangte, zu erfahren. Und Charles wiederholte sich schon unter anderen Umständen äußerst ungern.
Sehr ungeduldig fragte er erneut: „Wer hat dich auf Johanna und mich angesetzt?“
Charles musste es einfach wissen. Porter war nicht der einzige, mit dem er abzurechnen gedachte. Allerdings brauchte er dazu einen Anhaltspunkt.
„Sieh dich nur an“, spottete Charles nun, denn der Bursche brauchte wohl einen Wink mit dem Zaunpfahl, „du sitzt hier, alleingelassen, und bist der Sündenbock für jemanden, der sich zu fein war, um es selbst zu erledigen. Dein Leben liegt in meinen Händen. Hilf dir selbst.“
Porter schüttelte mit dem Kopf. „Ich kann Ihnen keinen Namen nennen.“
Charles knurrte.
„Du bist mir schon in London gefolgt, nicht wahr?“, griff er nun wieder mit Fragen an. Plötzlich fiel ihm etwas ein, woran er bisher nicht gedacht hatte: „Zusammen mit Wright? Gehört er zu dir?“
Neue dunkle Gedanken regten sich in Charles. Doch Porter schien von der Erwähnung Wrights wirklich überrascht zu sein.
„Wright?“, wiederholte Porter irritiert und schüttelte wieder, diesmal heftig, den Kopf. „Nein… Den kenne ich doch gar nicht!“, beteuerte der Widerling – wenigstens das glaubte Charles ihm. „Wir haben uns im Zug unterhalten, um uns die Fahrt zu vertreiben. Wir traten gerade auf den Bahnsteig, als ich Johanna entdeckte… und bei ihr Sie, Mr. Norly…“
Porter schniefte hörbar, die Tränen liefen ihm übers Gesicht. „Ich hab sie gefunden und mehr nicht, ich schwöre es ihnen. Da kam auch schon die Polizei. Das ist ein Missverständnis! Ich weiß nicht, wie Sie auf so eine Idee kommen. Ich würde doch nie… Ich bin kein Auftragsmörder!“
Charles blickte dem verlogenen Bastard mit eisiger Härte entgegen. Diese Mistfliege war wirklich kein überzeugender Lügner.
„Sehr geschickt, dich zu nehmen“, meinte Charles dann, leicht nickend, den Ablauf nachvollziehend. Abscheu lag in seiner Stimme. „Einen Bekannten, den sie mag. Mir die Polizei auf den Hals zu hetzen, um sie von mir zu trennen. Denn du brauchtest Abgeschiedenheit.“
„Das stimmt nicht, nein“, beteuerte Porter sofort. „Ich dachte, sie sei in Gefahr, als ich sie bei Ihnen gesehen habe. Schließlich kenne ich die Geschichten… Bitte, Sie müssen mir glauben!“, flehte er. „Das war Zufall und kein Komplott gegen Sie. Helfen Sie mir hier heraus.“
Charles ignorierte das. „Sie vor mir umzubringen, wäre witzlos gewesen“, fuhr er einfach fort. Selbstbeherrschung. Seine Worte waren ruhig und kontrolliert. „Nicht kaltblütig genug. Du wolltest, dass sie leidet, um es für mich umso schmerzvoller zu gestalten. Nur musstest du erst abwarten, auch die anderen loswerden. Das ging wie von selbst, schließlich brachten sie sie heim. Dass ihre Mutter dort war, war eher ein Bonus.“
Charles atmete tief ein. Die brodelnde Wut wollte mehr denn je nach draußen. Also ließ er es endlich zu.
„Zeigen wir Scarface die Familie“, blaffte er, schnell lauter werden, sodass er Porter an dieser Stelle bereits anbrüllte, „die er nie hatte, und entreißen wir sie ihm wieder mit größtmöglicher, kranker Brutalität! Sein Leben liegt noch nicht genug in Scherben! Zertrampeln wir die einzelnen Bruchstücke noch zu Staub!“
Charles drückte ab. Es klickte, als der Abzug durchgedrückt wurde, der Hahn nach vorn schnellte und die Revolvertrommel sich um eine Kammer nach rechts drehte.
Porters Herz rutschte ihm sichtbar in die Hose. Doch er war geistesgegenwärtig genug, nach wenigen vergangenen Sekunden auf Charles zuzuhuschen, in den toten Winkel direkt unter dem Gitterfenster. Offenbar schmiss er sich dort zu Boden und kauerte sich an die Wand.
„Hilfe!“, rief Porter keuchend. „Hilfe! Scarface ist hier! Hinten im Hof!“
Charles stand unterdessen auf, selbst schwer atmend.
„Hilfe! Er will mich erschießen!“
Knurrend spuckte Charles aus. „Feigling.“
Meinte er Porter oder sich selbst?
Charles ergriff die Flucht und ließ dabei seinen Revolver in der Manteltasche verschwinden. Er selbst musste erst einmal Abstand zwischen sich und diese Polizeistation bringen und dann untertauchen.
Mrs. Thomson und Mr. Wright würden ohne ihn zurückfinden.
Umbra- Tiefseemonster
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Ich hoffe, dieses Selbstbekenntnis ist Ihnen für den Anfang eine Hilfe.
Seine grauen Augen schweiften über Tabelle und Zeilen. Es war keine lange Nachricht.
Was zur Hölle…sein Kopf schmerzte ohnehin schon grauenhaft und war taub wie ein Pflasterstein. Es konnte nie einfach sein. Nie konnte es einfach sein. Es konnte nie einfach sein. Er rieb sich die Stirn und steckte den Zettel wieder in die nachtschwarze Verborgenheit seiner Manteltasche.
„Eine Notiz“, murmelte Randolph wahrheitsgemäß, aber ohne näher darauf eingehen zu wollen. Es war unsinnig Melinda noch tiefer in die Angelegenheit hineinzuziehen als ohnehin schon. Und jetzt war zudem kein wirklich günstiger Zeitpunkt für die Offenbarung. Er rieb sich mit den Fingern über die zerklüftete Stirn: „Wasser wäre nicht schlecht.“
Dann blieb er wieder im Sessel sitzen, starrte in den Raum, blickte in Melindas Richtung. Was sollte er noch sagen? Es würde zu nichts führen, den Mord wieder anzusprechen. Sie hatte es getan und es war nicht wieder rückgängig zu machen.
Er räusperte sich. Immer noch kam ihm alles verschwommen und nicht real vor: „Ich hoffe Charles macht keinen Unsinn. Er ist ziemlich ausgerastet vorher. Ich hatte befürchtet, er stürzt sich gleich aus dem Fenster.“
Seine grauen Augen schweiften über Tabelle und Zeilen. Es war keine lange Nachricht.
Was zur Hölle…sein Kopf schmerzte ohnehin schon grauenhaft und war taub wie ein Pflasterstein. Es konnte nie einfach sein. Nie konnte es einfach sein. Es konnte nie einfach sein. Er rieb sich die Stirn und steckte den Zettel wieder in die nachtschwarze Verborgenheit seiner Manteltasche.
„Eine Notiz“, murmelte Randolph wahrheitsgemäß, aber ohne näher darauf eingehen zu wollen. Es war unsinnig Melinda noch tiefer in die Angelegenheit hineinzuziehen als ohnehin schon. Und jetzt war zudem kein wirklich günstiger Zeitpunkt für die Offenbarung. Er rieb sich mit den Fingern über die zerklüftete Stirn: „Wasser wäre nicht schlecht.“
Dann blieb er wieder im Sessel sitzen, starrte in den Raum, blickte in Melindas Richtung. Was sollte er noch sagen? Es würde zu nichts führen, den Mord wieder anzusprechen. Sie hatte es getan und es war nicht wieder rückgängig zu machen.
Er räusperte sich. Immer noch kam ihm alles verschwommen und nicht real vor: „Ich hoffe Charles macht keinen Unsinn. Er ist ziemlich ausgerastet vorher. Ich hatte befürchtet, er stürzt sich gleich aus dem Fenster.“
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Melinda ging nach dem kurzen Gespräch Wasser holen. Sie überlegte etwas Laudanum im Wasser aufzulösen, Randolph machte ihr den Anschein, als sei er sehr erschöpft.
Sie reichte ihm das Glas, nachdem sie den Raum wieder betreten hatte. "ich hoffe du hast es ihm etwas schonender beigebracht, als das Gespräch zwischen uns verlief." In ihrer Stimme war jedoch kein Gram zu entnehmen. Sie war im Grunde einfach nur müde und enttäuscht.
Ob er Charles gesagt hatte, dass er sie verdächtigte? Verdammt, dass wäre wirklich eine miese Sache.
Oh...da kommt mir ein super Gedanke. Du könntest Randy so richtig schön in die Scheiße reiten. Such Charles und tröste den armen, armen Kerl. Dabei erwähnst du am besten das Randy tatsächlich dich in Verdacht hatte. Dich zartes Püppchen. Ein Witz! ...und dann, ja und dann wenn Charles zweifeln sollte, hast du immernoch in der Hinterhand dass der Doc das Buch geklaut hat. Hahahahahaha! Das ist genial! Stell dir das vor, das Randy dir das nun vorwirft, kannst du super gegen ihn verwenden! Klasse!
Doch wollte Melinda das gegen Randolph verwenden? Eins war klar: Im Grunde kam erst einmal sie, dann alle anderen. Würde sich die Schlinge um ihren Hals zu sehr zu ziehen, dann wüsste sie welche Karten sie spielen könnte. Doch ihre innere Stimme hatte Recht gehabt, sie konnte es gleich jetzt erwähnen und Randolph damit jeglichen Wind aus den Segeln nehmen. Sie musste Charles finden.
"Du solltest dich ausruhen. Ich werde nach ihm suchen gehen." Sie nickte entschlossen und ging aus dem Zimmer. Rasch suchte sie ihren Mantel und suchte dann Rosie. Sie war sich sicher, dass sie wissen würde, wo sie ihn zu suchen hatten.
"Rosie, Rosie! Bitte ich brauche Hilfe. Es gab eine schlechte Nachricht für Charles und er ist einfach davon geeilt. Bitte ich muss ihn suchen, wo kann ihn finden? Wo wird er hingehen? Rosie bitte! Tränen sammelten sich in ihreb Augen. Ebenso wie sie gelernt hatte nicht zu weinen, konnte sie es auf Kommando tun. Nun musste Rosie nur noch wissen, wo sie suchen könnte...
Sie reichte ihm das Glas, nachdem sie den Raum wieder betreten hatte. "ich hoffe du hast es ihm etwas schonender beigebracht, als das Gespräch zwischen uns verlief." In ihrer Stimme war jedoch kein Gram zu entnehmen. Sie war im Grunde einfach nur müde und enttäuscht.
Ob er Charles gesagt hatte, dass er sie verdächtigte? Verdammt, dass wäre wirklich eine miese Sache.
Oh...da kommt mir ein super Gedanke. Du könntest Randy so richtig schön in die Scheiße reiten. Such Charles und tröste den armen, armen Kerl. Dabei erwähnst du am besten das Randy tatsächlich dich in Verdacht hatte. Dich zartes Püppchen. Ein Witz! ...und dann, ja und dann wenn Charles zweifeln sollte, hast du immernoch in der Hinterhand dass der Doc das Buch geklaut hat. Hahahahahaha! Das ist genial! Stell dir das vor, das Randy dir das nun vorwirft, kannst du super gegen ihn verwenden! Klasse!
Doch wollte Melinda das gegen Randolph verwenden? Eins war klar: Im Grunde kam erst einmal sie, dann alle anderen. Würde sich die Schlinge um ihren Hals zu sehr zu ziehen, dann wüsste sie welche Karten sie spielen könnte. Doch ihre innere Stimme hatte Recht gehabt, sie konnte es gleich jetzt erwähnen und Randolph damit jeglichen Wind aus den Segeln nehmen. Sie musste Charles finden.
"Du solltest dich ausruhen. Ich werde nach ihm suchen gehen." Sie nickte entschlossen und ging aus dem Zimmer. Rasch suchte sie ihren Mantel und suchte dann Rosie. Sie war sich sicher, dass sie wissen würde, wo sie ihn zu suchen hatten.
"Rosie, Rosie! Bitte ich brauche Hilfe. Es gab eine schlechte Nachricht für Charles und er ist einfach davon geeilt. Bitte ich muss ihn suchen, wo kann ihn finden? Wo wird er hingehen? Rosie bitte! Tränen sammelten sich in ihreb Augen. Ebenso wie sie gelernt hatte nicht zu weinen, konnte sie es auf Kommando tun. Nun musste Rosie nur noch wissen, wo sie suchen könnte...
Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Maura tat, wie ihr geheißen; die Arme verschränkt, lehnte sie sich unweit des Innenhofeingangs gegen die Mauer und versuchte, nicht zu sehr aufzufallen. Ihr Blick durchstreifte die graue Menge auf der Straße, beinahe in der Furcht, eines der Polizistengesichter von vorhin zu erblicken, doch dann erinnerte sie sich, wo sie war, und entspannte sich wieder. Norlys Haus war weit weg von hier, der Scotland Yard würden sicher nicht hier auftauchen. Es sei denn, sie hatten einen Verräter unter sich … sie schielte zu Wright, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Unsinn. Dafür fehlte dem Mann einfach der Schneid. Und auf Norlys Nähe schien er auch nicht sehr erpicht zu sein.
Ihre Gedanken machten die seltsamsten Sprünge, während sie so dastand; häufig zu ihrem Haus und ihrem Sohn, dann wieder kehrte sie innerlich zu der Flucht von Vormittag zurück. Das alles hier war schon jetzt ein größeres Abenteuer, als sie es sich hätte ausmalen wollen – können schon, das war immerhin ihr Beruf, aber sie hätte sich nie selbst als Protagonistin ausgewählt. Sie pulte mit den Fingern nach einem Stück Rührei, das sich zwischen ihren Zähnen verfangen hatte, bis sie sich erinnerte, dass sie jeder sehen konnte. Damen stocherten sich nicht zwischen den Zähnen herum. Warum auch immer. War dieses Frühstück wirklich erst ein paar Stunden her …? Der verkohlte Geschmack hatte ihre Zunge noch immer nicht richtig verlassen. Ob William sich schon fragte, wo sie abgeblieben war? Schließlich hatte er sie heute Morgen nicht angetroffen … Ihr Brustkorb fühlte sich schwerer an, während sie an ihn dachte. In so vielem war er wie sein Vater, und in so vielem glich er doch ihr selbst.
Die Mauer in ihrem Rücken war kühl, sie zog ihren Mantel enger um den Körper. Es war ohnehin ungewöhnlich kalt für März, fast so, als wage sich der Frühling nicht recht hervor, den Kampf gegen seinen winterlichen Bruder aufzunehmen. William. Warum bemerkte man immer nur dann, wie sehr man Menschen liebte, wenn sie nicht da waren? Doch sie ahnte es – wäre William nun hier gewesen, sie hätten doch nur wieder über irgendeine Belanglosigkeit gestritten. Aber er hätte ja Norly ohnehin niemals gefunden, genauso wenig wie die ganzen anderen Trottel aus der Victoria Street, die lieber schlafen gingen, wenn die angebliche Polizei in ihrer Straße schoss, statt die Augen aufzumachen. Sie war die einzige gewesen …
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als jemand lauthals um Hilfe schrie. Verfluchte Scheiße! Das kam aus dem Hinterhof! Was hatte Norly jetzt schon wieder angestellt?! Scheinbar durfte man diesen Mann wirklich keine Sekunde aus den Augen lassen. Sofort löste sie sich von der Mauer und spähte um die Ecke. Zu spät – alles war schon voller Polizisten, doch sie wirkten, als suchten sie jemanden. Hatten sie Norly erwischt? Vermutlich nicht … aber wo war er hin?
„Wright, kommen Sie, schnell!“, zischte Maura, dann mischte sie sich unter die Menschenmenge der Straße. Natürlich hielt sie weiter Ausschau; zum Glück war sie recht großgewachsen und konnte so, wenn sie sich etwas streckte, über die meisten Menschen hinwegsehen. Weiter vorne … war er das? Natürlich war ihr bewusst, dass Norly nicht würde auffallen wollen. Vermutlich hatte er seinen Kragen hochgeschlagen, damit niemand die Narbe sah. Und der Mann dort … das musste er sein. Bei Gott, wie gern hätte sie ihm jetzt gehörig den Kopf gewaschen.
Es war nicht sehr schwer, sich unauffällig durch die Menschen zu drücken; hier und da überholte sie einen Passanten, dann war sie auch schon direkt hinter dem Mann, und ihre Vermutung bestätigte sich: Das war eindeutig Charles Norly. Doch sie versuchte, ihn nicht anzustarren, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Stattdessen ließ sie ihren Blick über die Menge schweifen, beobachtete Norly nur aus dem Augenwinkel, um seine Laufroute ebenso einschlagen zu können. Ob er sie bemerkte, war ihr gleichgültig, so langsam sollte er sich ohnehin bewusst sein, dass er sie so schnell nicht loswurde.
Ihre Gedanken machten die seltsamsten Sprünge, während sie so dastand; häufig zu ihrem Haus und ihrem Sohn, dann wieder kehrte sie innerlich zu der Flucht von Vormittag zurück. Das alles hier war schon jetzt ein größeres Abenteuer, als sie es sich hätte ausmalen wollen – können schon, das war immerhin ihr Beruf, aber sie hätte sich nie selbst als Protagonistin ausgewählt. Sie pulte mit den Fingern nach einem Stück Rührei, das sich zwischen ihren Zähnen verfangen hatte, bis sie sich erinnerte, dass sie jeder sehen konnte. Damen stocherten sich nicht zwischen den Zähnen herum. Warum auch immer. War dieses Frühstück wirklich erst ein paar Stunden her …? Der verkohlte Geschmack hatte ihre Zunge noch immer nicht richtig verlassen. Ob William sich schon fragte, wo sie abgeblieben war? Schließlich hatte er sie heute Morgen nicht angetroffen … Ihr Brustkorb fühlte sich schwerer an, während sie an ihn dachte. In so vielem war er wie sein Vater, und in so vielem glich er doch ihr selbst.
Die Mauer in ihrem Rücken war kühl, sie zog ihren Mantel enger um den Körper. Es war ohnehin ungewöhnlich kalt für März, fast so, als wage sich der Frühling nicht recht hervor, den Kampf gegen seinen winterlichen Bruder aufzunehmen. William. Warum bemerkte man immer nur dann, wie sehr man Menschen liebte, wenn sie nicht da waren? Doch sie ahnte es – wäre William nun hier gewesen, sie hätten doch nur wieder über irgendeine Belanglosigkeit gestritten. Aber er hätte ja Norly ohnehin niemals gefunden, genauso wenig wie die ganzen anderen Trottel aus der Victoria Street, die lieber schlafen gingen, wenn die angebliche Polizei in ihrer Straße schoss, statt die Augen aufzumachen. Sie war die einzige gewesen …
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als jemand lauthals um Hilfe schrie. Verfluchte Scheiße! Das kam aus dem Hinterhof! Was hatte Norly jetzt schon wieder angestellt?! Scheinbar durfte man diesen Mann wirklich keine Sekunde aus den Augen lassen. Sofort löste sie sich von der Mauer und spähte um die Ecke. Zu spät – alles war schon voller Polizisten, doch sie wirkten, als suchten sie jemanden. Hatten sie Norly erwischt? Vermutlich nicht … aber wo war er hin?
„Wright, kommen Sie, schnell!“, zischte Maura, dann mischte sie sich unter die Menschenmenge der Straße. Natürlich hielt sie weiter Ausschau; zum Glück war sie recht großgewachsen und konnte so, wenn sie sich etwas streckte, über die meisten Menschen hinwegsehen. Weiter vorne … war er das? Natürlich war ihr bewusst, dass Norly nicht würde auffallen wollen. Vermutlich hatte er seinen Kragen hochgeschlagen, damit niemand die Narbe sah. Und der Mann dort … das musste er sein. Bei Gott, wie gern hätte sie ihm jetzt gehörig den Kopf gewaschen.
Es war nicht sehr schwer, sich unauffällig durch die Menschen zu drücken; hier und da überholte sie einen Passanten, dann war sie auch schon direkt hinter dem Mann, und ihre Vermutung bestätigte sich: Das war eindeutig Charles Norly. Doch sie versuchte, ihn nicht anzustarren, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Stattdessen ließ sie ihren Blick über die Menge schweifen, beobachtete Norly nur aus dem Augenwinkel, um seine Laufroute ebenso einschlagen zu können. Ob er sie bemerkte, war ihr gleichgültig, so langsam sollte er sich ohnehin bewusst sein, dass er sie so schnell nicht loswurde.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Randolph nahm das Glas entgegen. Der Inhalt wirkte klar und erfrischend. Er selbst fühlte sich alles andere als klar im Geist. Seine Augen versanken trübselig im Wasser, während er das Glas leicht anhob.
„Pass auf dich auf“, gab er mit staubtrockener Kehle von sich, während Melinda sich bereits wieder aus dem Raum entfernte. Das war es wohl schon wieder mit ihrem Gespräch. Und er hatte nichts erreicht. Seine Mundwinkel zuckten. Dann kippte er einen Schluck Flüssigkeit herunter und stellte das Glas auf einem kleinen Tisch vor sich ab. Er erreichte nichts. Trampelte auf der Stelle. Und die Welt um ihn herum zersplitterte erneut. Die Wunden waren nicht sichtbar, aber klafften tief. Melinda, Norly, Johanna. Zu Bruch gehende Existenzen.
Der Doktor griff sich an die Nasenwurzel wie er es so oft tat, wenn er sich klare, analytische Gedanken wünschte, versuchte in Ruhe über etwas nachzudenken, während sein Gemüt kochte.
Scheiße. Alles war scheiße. Ein simpler und nutzloser Gedanke, aber nichtsdestotrotz vollkommen wahr.
Sein Mund verzog sich zu einer Grimasse, kurz schielten seine grauen Augen zur Tür, dann zog er aus seinem Mantel das Notizbuch hervor und platzierte es neben dem Wasserglas auf dem Tisch.
Zeit für klare Gedanken. Zeit für die Wahrheit. Zeit die Farce zu beenden, die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen.
Randolph fischte mit finsterem Blick den Zettel erneut aus seiner Manteltasche und entfaltete das Papier. Mrs. Angeline Towers Notiz, die sie ihm wohl beim Verlassen des Hauses zugesteckt hatte.
Was hat das wohl zu bedeuten, meine Liebe? Angeline…
Er schnaubte, während seine Augen erneut über die Zeilen flogen. Noch wusste er nicht, was die einzelnen Puzzlestücke zu bedeuten hatten, die ihm zugeworfen wurden. Aber er wusste, dass er dafür sorgen würde, dass sein Deal mit Crowne sich nicht zu einer verdammt einseitigen Angelegenheit entwickeln würde. Dafür war er elendiger, dreckiger Engländer nicht Sklave genug.
Ich hoffe, dieses Selbstbekenntnis ist Ihnen für den Anfang eine Hilfe.
So begann die Nachricht. Selbstbekenntnis. Wovor wollte sie wohl ihr Gewissen reinigen? Er überflog den Code. Dazu gleich.
Zeilenkopf…Spaltenkopf…
Dann ging es weiter.
Verzeihen Sie mir, dass ich an dieser Stelle nicht mehr für Sie tun kann.
Randolph warf einen kurzen Blick auf das Wasserglas und genehmigte sich noch einen Schluck.
Ich gehe hiermit bereits ein Risiko ein. Ich heiße nicht gut, wie er mit Ihnen umspringt.
Seine Augen schweiften weiter zum letzten Satz.
Seine Finger trommelten auf der Tischplatte, während er überlegte. Er würde sich auf jeden Fall an den Ratschlag halten.
„Ich danke Ihnen“, meinte er halblaut, dann richtete er die Augen zurück auf die Tabelle.
Doppel-N zu S.
N-O zu C.
NR zu A.
„Wollen wir anfangen?“, knurrte er. „Sind wir also bereit?“
Er riss kurzerhand eine weitere Seite aus dem Notizbuch. Dieses mal eine Unbeschriebene. Dann machte er sich ans Werk. Randolphs bleiche Stirn hatte sich in Falten gelegt. Immerhin musste er sich nun nicht mehr über Melinda und Johanna den Kopf zerbrechen. Welch eine unverhofft glückliche Wendung der Ereignisse.
„Pass auf dich auf“, gab er mit staubtrockener Kehle von sich, während Melinda sich bereits wieder aus dem Raum entfernte. Das war es wohl schon wieder mit ihrem Gespräch. Und er hatte nichts erreicht. Seine Mundwinkel zuckten. Dann kippte er einen Schluck Flüssigkeit herunter und stellte das Glas auf einem kleinen Tisch vor sich ab. Er erreichte nichts. Trampelte auf der Stelle. Und die Welt um ihn herum zersplitterte erneut. Die Wunden waren nicht sichtbar, aber klafften tief. Melinda, Norly, Johanna. Zu Bruch gehende Existenzen.
Der Doktor griff sich an die Nasenwurzel wie er es so oft tat, wenn er sich klare, analytische Gedanken wünschte, versuchte in Ruhe über etwas nachzudenken, während sein Gemüt kochte.
Scheiße. Alles war scheiße. Ein simpler und nutzloser Gedanke, aber nichtsdestotrotz vollkommen wahr.
Sein Mund verzog sich zu einer Grimasse, kurz schielten seine grauen Augen zur Tür, dann zog er aus seinem Mantel das Notizbuch hervor und platzierte es neben dem Wasserglas auf dem Tisch.
Zeit für klare Gedanken. Zeit für die Wahrheit. Zeit die Farce zu beenden, die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen.
Randolph fischte mit finsterem Blick den Zettel erneut aus seiner Manteltasche und entfaltete das Papier. Mrs. Angeline Towers Notiz, die sie ihm wohl beim Verlassen des Hauses zugesteckt hatte.
Was hat das wohl zu bedeuten, meine Liebe? Angeline…
Er schnaubte, während seine Augen erneut über die Zeilen flogen. Noch wusste er nicht, was die einzelnen Puzzlestücke zu bedeuten hatten, die ihm zugeworfen wurden. Aber er wusste, dass er dafür sorgen würde, dass sein Deal mit Crowne sich nicht zu einer verdammt einseitigen Angelegenheit entwickeln würde. Dafür war er elendiger, dreckiger Engländer nicht Sklave genug.
Ich hoffe, dieses Selbstbekenntnis ist Ihnen für den Anfang eine Hilfe.
So begann die Nachricht. Selbstbekenntnis. Wovor wollte sie wohl ihr Gewissen reinigen? Er überflog den Code. Dazu gleich.
Zeilenkopf…Spaltenkopf…
Dann ging es weiter.
Verzeihen Sie mir, dass ich an dieser Stelle nicht mehr für Sie tun kann.
Randolph warf einen kurzen Blick auf das Wasserglas und genehmigte sich noch einen Schluck.
Ich gehe hiermit bereits ein Risiko ein. Ich heiße nicht gut, wie er mit Ihnen umspringt.
Seine Augen schweiften weiter zum letzten Satz.
Seine Finger trommelten auf der Tischplatte, während er überlegte. Er würde sich auf jeden Fall an den Ratschlag halten.
„Ich danke Ihnen“, meinte er halblaut, dann richtete er die Augen zurück auf die Tabelle.
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Darnamur- Jünger des Pinguins
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