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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur Fr Sep 04 2015, 21:09

„In Ordnung“, meinte Randolph zu Melinda etwas geistesabwesend. Er vertraute Melly in soweit, dass sie auf sich selbst aufpassen konnte. Schließlich war sie eine erwachsene Frau. Er konnte ihr nichts vorschreiben, er war er nicht ihr Vater. Dennoch drehte Randolph für einen kurzen Augenblick seinen Kopf zu ihr, der an diesem Tag wieder einmal schwer auf seinem Hals zu lasten schien.
Seine grauen, analytischen Augen konnten noch ihren Rücken erfassen. Das blonde Haar fiel ihr bis zur Hüfte des schwarzen Kleides herab. Dann war sie auch schon verschwunden. Der Doktor konnte nur noch das Klacken ihrer Absätze hören.
Ein wenig Sorgen bereitete es ihm dennoch, dass sie alleine dort hinausgehen wollte. Was, wenn die Polizei sie erwischen würde? Oder ähnliche Gestalten, wie die Beiden aus der Lagerhalle? Aber vermutlich machte er sich nur übertriebene Sorgen. Melinda würde schon vorsichtig sein. Sie würde heil zurückkehren.
Noch während die klackenden Geräusche verstummten, machte sich Randolph an die Arbeit. Norlys Nörgeln schenkte er nicht sonderlich viel Beachtung. Der Mann benötigte eindeutig Schlaf. Deswegen konnte man es ihm vermutlich nicht übel nehmen, wenn er er ein wenig gereizt wirkte. Randolph nahm sich stumm der einzelnen Wunden an und legte seinem Patienten abschließend den versprochenen Hüftverband an.
„Das wird ausreichen.“, Randolphs kalter Blick richtete sich nun wieder direkt auf seinen Patienten. „Gesund macht sie das selbstverständlich nicht. Schonen sie ihre Wunden und nehmen sie sich ein paar Stunden Schlaf. Das wird ihnen gut tun. Sollte etwas Wichtiges geschehen, werde ich sie informieren.“
Die Augen des Doktors richteten sich auf den Schreibtisch, wo noch sein Arztkoffer ruhte. Daneben hatte sich Charles‘ Kleidung gestapelt. Randolph griff sich seinen Koffer, klappte ihn zu und verschloss ihn. Als er sich zum Gehen wandte, entdeckte er aber noch etwas. Es war nichts, was einem unmittelbar ins Auge fiel, aber dem trainierten Auge des Doktors fielen solche unscheinbar wirkenden Details durchaus auf.
Auf dem Haufen Kleidung hatte Norly auch seine Weste deponiert. Und dort war nun eine leichte Ausbeulung zu sehen. Natürlich…aber mit Norly jetzt darüber zu reden, war vielleicht nicht unbedingt der günstigste Moment. Abgesehen davon zeigt sich der Gute ohnehin immer wenig gesprächig, was seine Pläne und Privatangelegenheiten anging.
Der Doktor packte den Koffer mit der Rechten, humpelte aus dem Zimmer und schloss hinter sich die Tür. Dann bemühte er sich noch ein wenig den Gang entlang.
Auch hier gab es Fenster. Der Doktor richtete seinen Blick nach draußen und konnte erkennen, wie Melinda das weite Gelände vor der Fabrik überquerte. Er fragte sich, was sie wohl vorhatte. Ein Spaziergang war sonst nicht unbedingt das, was zu ihren Vorlieben zählte. Aber er hatte sich um eigene Angelegenheiten zu kümmern.
Das Notizbuch ging ihm nicht aus dem Sinn. Was war wohl alles auf diesem Zettel gestanden, den Alans Handlanger angeschleppt hatten? Es wäre nützlich. Das fiel dem Doktor dabei sofort ein. Es wäre absolut nützlich, wenn er weiterhin mit Mister Crowne verhandeln wollte. Nur zu gut, erinnerte er sich noch an ihr Gespräch. „Jedwede Information, die Sie für uns beschaffen können, wird Gold wert sein. Mr. Norlys Gedanken, Pläne, vielleicht sogar Schriftstücke – alles, was uns dabei unterstützt, seine Handlungen besser nachzuvollziehen.“
Randolph hatte diese Worte nicht verdrängt. Nur hatte er bisher keine Zeit gehabt darüber nachzudenken. Jetzt hatten sie hingegen gerade eine kurze Verschnaufpause. Zeit, einige Dinge zu überdenken.
Hatte sich etwas geändert, bezüglich seines Handels mit Crowne? Nein. Randolph wollte nach wie vor herausfinden, was Norly vorhatte. Es war wichtig. Nicht nur für ihn. Für Melinda, Wright, vielleicht ganz London. Er teilte nicht Crownes Meinung, dass Charles hinter den Attentaten steckte. Aber von einer Revolution hatte er bereits zuvor gesprochen gehabt. Und das könnte in einem Blutbad für die Londoner Bevölkerung enden. So viel war sicher.
„Er ist ein kühl berechnender Mensch mit doch eher fragwürdigen Ambitionen, zumal sein labiler Geisteszustand und die Tatsache uns Kopfschmerzen bereitet, dass er in jüngster Vergangenheit mit gefährlichen chemischen Substanzen hantiert hat und auch versucht hat, an Sprengstoff zu gelangen.“
Randolph dachte angestrengt nach. Im Augenblick wusste er, wo er eventuell Informationen erhalten könnte.
In gewisser Hinsicht wäre es Verrat. Er stahl diese Informationen von Norly. Andererseits…der Doktor war es Leid im Dunkeln zu tappen. Lange genug war er diesem Mann blind gefolgt, hatte ihm Melindas und sein Leben anvertraut. Bisher hatte sich ihr Anführer nicht als die zuverlässigste Person erwiesen.
Jetzt hätte er die Chance zum Zuschlagen. Und sie wäre vielleicht einmalig. Norly hatte ewig nicht mehr geschlafen. Er würde vor sich hin dämmern und nichts bemerken. Ganz sicher. Er hatte es schon damals nicht bemerkt, als Randolph ihm den Revolver entwendet hatte. Charles Norly schlief wie ein Stein. Und jetzt war dieser Stein auch noch extrem übermüdet.
Er könnte einfach ins Innere schleichen, sich das Ding besorgen und es anschließend wieder dort verstauen. So wie Norly wirkte, würde er auf jeden Fall einige Stunden schlafen. Das sollte mehr als nur genug Zeit darstellen, zu untersuchen, was er wirklich plante. Falls er solche Informationen in seinem Notizbuch gesammelt hatte. Immerhin die Liste befand sich darin, das wusste der Doktor. Ein interessantes Detail, ganz für sich stehend.
Randolph Tremaine überdachte noch ein letztes Mal die Situation. Wie groß war die Chance, dass er Erfolg haben würde? Sehr groß, schätzte der Doktor. Und er verlor dadurch nichts. Er könnte das Buch immer noch platzieren, wo er es entnommen hatte und keiner würde etwas bemerken. Der einzige Unterschied war, dass er mehr wissen würde.
Der Doktor fasste einen Entschluss. Tut mir wirklich Leid, Norly, mein Freund. Aber wärest du nicht so ein elender Geheimniskrämer müsste ich deinen Zustand jetzt nicht so schamlos ausnutzen.
So leise, wie möglich schlurfte er den Gang zurück in Richtung Tür und lauschte, ob er schon Schlafgeräusche Norlys vernehmen konnte.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Umbra Di Sep 08 2015, 21:01

Noch bevor Gilbert Maura eine Antwort auf ihre irritiert wirkenden Fragen geben konnte, meldete Oxley sich zu Wort, der sich nun am Fuß der Treppe zeigte:
„Seien Sie auf der Hut, Sir“, ermahnte er Gilbert eindringlich, „diese Dame ist nicht so schwächlich, wie Sie es Ihnen gerade glauben machen will.“[1]
Mit gerunzelter Stirn und zusammengezogenen, buschig-weißen Augenbrauen blickte der in die Jahre gekommene Butler zu den beiden hinauf. Dass ihm die Situation überhaupt nicht behagte und an seiner Toleranzgrenze kratzte, war ihm an seinem missmutigen Tonfall deutlich anzuhören.
„Haben Sie einen Moment lang darüber nachgedacht, dass es vielleicht doch keine allzu schlechte Idee war, sie zu betäuben?“, fragte Oxley Gilbert. Zuvor hatte er dessen Geschichte kommentarlos hingenommen, aber da nun Maura nicht mehr bewusstlos war, war die Sache eine andere.
„Ich heiße solche Methoden nicht gut“, fügte der alte Mann deutlich machend an, „verstehen Sie das nicht falsch, aber nun haben Sie hier eine Zeugin, die momentan sicher nicht gut auf Sie zu sprechen ist, eine Kutsche, die noch darauf wartet, weggeschafft zu werden, bevor sie Aufmerksamkeit erregt… und mich haben Sie auch noch in diese Angelegenheit hineingeritten – gegen meinen Willen, wenn ich das noch einmal betonen darf.“
Oxley wechselte einen finsteren Blick zwischen den beiden.
„Also warum beenden Sie nicht Ihre Scharade, Madam, und kommen die Treppe hinunter? Und Ihnen, Sir, würde ich raten, nicht zu viel auszuplaudern. Momentan scheinen Sie mir derjenige zu sein, der unüberlegt handelt. Was haben Sie gedacht – dass die Dame Ihnen nun dankbar ist?“
Nach einem mürrischen Schnauben wandte sich der alte Butler wieder an Maura, wobei er nun aber einen offiziellen Ton anschlug:
„Ich distanziere mich deutlich von den Taten dieses Mannes, Madam, und ich werde auch nicht zulassen, dass er Sie hier festhält. Aber mit Sicherheit ist der Herr der Gentleman, der er zu sein behauptet, und bringt Sie nun Heim, nicht wahr?“
Auffordernd schaute er Gilbert an.

[1] Oxley hat Mauras Bluff durchschaut.



Charles nickte zustimmend, als Dr. Tremaine ihm nach der Behandlung vorschlug, sich zu schonen und einige Stunden zu schlafen. Eine ausgezeichnete Idee – die Charles schon lang zuvor gehabt hatte. Seitdem er sich die Nacht neben dem angeschossenen Arthur um die Ohren geschlagen hatte, hatte er das Bedürfnis, die Augen zu schließen und sich auszuruhen. Nun war ein passender Zeitpunkt. Viel länger, spürte Charles, sollte er das auch nicht mehr hinauszögern. Er durchlebte Hoch- und Tiefphasen, der Müdigkeit, aber sie zerrte an seiner Willens- und Körperkraft. Momentan schwirrten wieder zu viele Gedanken in seinem Kopf herum… Gedanken, Sorgen und Ängste. Wenn Charles sich ausgeruht hatte, würde er wieder klar denken können, da war er sich sicher.
Sehr zuvorkommend vom Doktor, dass dieser anbot, ihn zu informieren, sollte etwas Wichtiges geschehen. Auch war es sehr zuvorkommend, dass der Arzt den Raum verließ, um ihm die Verlegenheit zu ersparen, sich auch noch in Gesellschaft wieder anziehen zu müssen. Charles trat an seine ablegte Kleidung heran und schlüpfte wieder in sie hinein. Ausnahmsweise verzichtete er auf penible Ordentlichkeit – bald, zum Schlafen, würde er zumindest die knitteranfälligen Stücke wieder ablegen. Er wollte nur nicht halbnackt durchs Haus stapfen. Außerdem benötigte er möglichst freie Hände, befürchtete er. Ohne dass er sich am Treppengeländer festhalten konnte, würde der Aufstieg in sein ehemaliges Büro nur umso anstrengender werden.
Vielleicht würde es dem Albtraumgehalt seiner Schlafphase zuträglich sein, sie dort oben zu verbringen, aber im aktuellen Zimmer sahen weder das Sofa, noch die Etagenbetten akzeptabel für seine Ansprüche aus. Ein Schlaf war wenig erholsam, wenn er sich beim Aufwachen wie gerädert fühlte. Charles hoffte darauf, dass seine Couch noch dort stand, wo er sie zurückgelassen hatte. Dass er auf ihr bequem lag, wusste er. Um das herauszufinden, musste er hinauf in die dritte und oberste Etage… Der Gedanke war wenig erfreulich, aber Charles würde es wohl überleben.
Als Charles den Raum verließ, stieß er überraschenderweise auf Dr. Tremaine.
„Oh, verzeihen Sie, ich wollte Sie nicht warten lassen“, murmelte Charles, der annahm, dass der Doktor darauf wartete, wieder eingelassen zu werden.
„Das Zimmer gehört ganz Ihnen. Sie sollten sich und Ihrem Bein ebenfalls Ruhe gönnen, Doktor“, meinte er und gedachte den Doktor auch an dessen eigenen Zustand zu erinnern.
„Wenn Sie selbst irgendetwas benötigen – auch medizinische Versorgung – wenden Sie sich ruhig an die Herrin des Hauses.“
Charles klopfte Randolph wohlwollend auf die Schulter, bevor er sich den verteufelten Treppenstufen zuwandte. Kurz zögerte er und schöpfte gedanklich noch einmal Kraft. Dann begann er den Aufstieg.
Zu viele Stufen später hatte Charles das Ende der Treppe erreicht und musste erst verschnaufen, bevor er erschöpft die letzten Schritte schlurfend hinter sich brachte. Er durchquerte das Vorzimmer, in dem zu Zeiten, als in der Norman Mill noch Garn hergestellt wurde, noch sein Sekretär gesessen hatte. Es war weniger abgenutzt als alles, was Charles bisher vom Gebäude gesehen hatte, also hatte er Hoffnung, dass sein eigenes Büro noch unangetastet war. Allerdings fiel ihm beim Blick auf die Tür sofort auf, dass dieser Wunsch sich wohl nicht erfüllen würde: Sie war mit Gewalt aufgebrochen worden. Am Rahmen waren Hebelspuren und das Schloss war unbrauchbar verbogen. Mürrisch schlurfte Charles weiter und schob die Tür hinter sich wieder zu. Den Versuch, abzuschließen, konnte er sich sparen. Hier musste die Polizei gewütet haben. Eigentlich war alles an seinem Platz (sogar, Gott sei Dank, die Couch!), aber, wie auch bei sich zuhause, fehlten alle Bücher und Ordner in den Regalen. Wahrscheinlich auch in allen Kommoden und Schränken. Vermutlich hatte man auch hier alles nach Akten durchstöbert, die man gegen ihn würde verwenden können.
Charles war zu müde, um sich darüber aufzuregen. Auch war er zu müde, sich an dem Staub zu stören. Er legte Jackett, Krawatte und seinen linken Handschuh ab und legte sie ordentlich auf seinen alten, massigen Tropenholzschreibtisch. Seinen Mantel nahm er mit zur Couch – damit würde er sich zudecken. Bevor er es sich allerdings bequem machte, nahm er die Kugeln aus seinem Revolver und steckte diesen erst dann wieder in seinen Hosenbund zurück – er hatte dazugelernt. Sein Messer löste er vom Gürtel und platzierte es unter dem Kissen, auf das er anschließend seinen Kopf bettete. In einem Haus voller Diebe hinter einer nicht verschließbaren Tür zu schlafen, machte ihm eigentlich weniger Sorgen. Er vertraute Lloyd und darauf, dass Lloyd auch seine Kinder und Leute im Griff hatte. Vielleicht führte Rosie aber etwas im Schilde… Charles konnte das nicht mit Sicherheit ausschließen. Besser war es, vorbereitet zu sein.
Die Couch war zum Glück lang genug, dass er ausgestreckt auf dem Rücken liegen konnte. Charles streifte seine Schuhe ab und kuschelte sich unter seinen Mantel. Jetzt, in aller Stille, hörte er die Zahnräder seiner Prothese, wenn er seinen linken Arm bewegte – und auch das Ticken seiner Taschenuhr. Charles griff in seine Westentasche und zog die Uhr hervor. In seiner hohlen Faust hörte sich das Ticken lauter, aber auch ferner an. Er empfand das gleichmäßig wiederkehrende Geräusch, wie immer, als sehr beruhigend. Sein Herzschlag passte sich an… wurde langsamer… Charles‘ Lider fielen zu und er schlief sofort ein.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Thorgrimm Do Sep 10 2015, 00:07

Mit so einer Entwicklung hatte Gilbert nicht gerechnet. Wenn Ms. Thomson ihre Schwäche wirklich nur vorspielte, dann hatte er die Frau vielleicht doch falsch eingeschätzt. Das sie ziemlich gerissen war, hatte er schon im Lagerhaus mitgekriegt aber das sie selbst jetzt noch so eine Show machte und ihn damit zum Narren hielt, machte Gilbert wirklich wütend. Er zweifelte nicht daran, dass Oxley ihn in dieser Angelegenheit anlog. Was glaubte diese alte Schachtel eigentlich, wer sie war? Das Oxley jetzt auch noch anfing, sich zu beschweren und schlecht über ihn zu reden, schürte nur die Wut des Malers. Ihm wäre es auch viel lieber, nicht hier zu sein. Er könnte jetzt irgendwo in einer netten Bar sitzen, sich einen Gin genehmigen und seinen ruhigen und wohl verdienten Urlaub genießen. Oder er könnte sich endlich wieder der Malerei widmen und in die ruhige Welt der Ölfarben abtauchen. Stattdessen hatte er die letzten Stunden mit ein paar verrückten Kriminellen verbracht, eine Kutsche geklaut und diese Frau gerettet, die ihn dann auch noch von vorne bis hinten verarschte.
Das Wasserglas in Gilberts Hand fing an zu zittern und verteilte Wasser auf den Holzdielen. Nur schwer konnte der Maler seine Gefühle kontrollieren. Am liebsten hätte er das Wasserglas einfach auf den Boden geworfen oder noch besser: In das faltige Gesicht dieser undankbaren Gestalt vor ihm.
Unterdrückte Wut war in den nächsten Worten Gilberts zu hören: "Nein... ich hatte nicht geglaubt, dass mir Ms. Thomson dankbar dafür wäre, dass ich die Gefahr in Kauf genommen habe, mit einer gestohlenen Kutsche entdeckt zu werden, um sie aus den Händen dieser Irren zu befreien. Womit ich aber auch nicht gerechnet habe, ist so verarscht zu werden." Er stellte das Glas auf den Boden und richtete den abgenutzten Anzug, um sich etwas zu beruhigen. "Wissen Sie..." wandte er sich an Oxley. "Vielleicht hätte ich sie wirklich einfach in der Kutsche liegen lassen und mich alleine auf den Weg machen sollen. Ich wollte sie wirklich nicht in diese Sache mit hineinziehen aber sie haben Unrecht. In dem Moment, in dem sie Norly geholfen haben, waren sie bereits tiefer in dieser ganzen Sache drin, als ich sie hätte da reinbringen können. Versuchen sie nicht die Schuld auf jemand anderes abzuwälzen." Langsam aber sicher bekam Gilbert seine Fassung wieder. "Ich hatte nie vor, Ms. Thomson hier festzuhalten. Genau so wenig hatte ich vor lange hier zu bleiben aber leider befinden sich noch meine Reisetaschen hier im Haus und deshalb musste ich wohl oder übel zurückkommen, um meinen Besitz zu holen. Ich werde die Koffer jetzt an mich nehmen und anschließend mit der Kutsche verschwinden. Ms. Thomson findet den Weg sicherlich alleine nach Hause." Mit diesen Worten machte sich Gilbert daran, in sein Zimmer zu verschwinden und seine Koffer zu holen.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Leo Do Sep 10 2015, 15:38

Als Wright seinen Wutanfall bekam, war Maura endgültig verwirrt. Ihre Fassade bröckelte von dem Moment an, in dem sich der weißhaarige Mann einmischte; sie runzelte die Stirn und versuchte, Wrights Worten zu folgen, was ihr jedoch nicht vollständig gelang. Der junge Mann wirkte mit einem Mal sehr verletzlich. Er schien gekränkt, aber Maura fragte sich ernsthaft, weshalb – wenn er tatsächlich schuld an dieser ganzen Misere war, musste er dann nicht auch mit den Konsequenzen leben?
Sofort schämte sie sich für den Gedanken. Wright sah wirklich mitgenommen aus; vermutlich war er sich der Konsequenzen seines Handelns gar nicht bewusst gewesen. Sie überlegte, ob er vielleicht seinerseits gerade nur schauspielerte, doch Wright schien ihr nicht der Typ für so etwas zu sein.
Doch auch, wenn er nicht log – die Geschichte, die Maura sich aus seinen Worten zusammenreimte, war schwer zu glauben.
Wright verschwand, offensichtlich aufgebracht, und Maura blieb ziemlich verloren am Treppengeländer stehen, die Arme verschränkt, als ob sie fröstelte, den Blick zu Boden gewandt.
Was sollte sie jetzt tun? Sie musste davon ausgehen, dass der junge Mann die Wahrheit gesagt hatte – wo immer sie waren, sie und Wright waren allein, abgesehen von dem Alten. Norly war nicht hier, der Doktor und die Frau auch nicht. Sie entspannte sich unmerklich bei dem Gedanken. Vorerst war sie wohl mehr oder weniger in Sicherheit.
Sollte sie dann nicht einfach verschwinden, so lange sie noch konnte? Was immer hier auch passierte, es war gefährlich. Ganz gleich, ob es nun Norly war oder jemand anderes, sie geriet definitiv in den Dunstkreis eines mehrfachen Mörders, und sie hatte (wie vermutlich ganz Großbritannien) ausführlich über Scarfaces Brutalität gehört und gelesen. Wo immer sie sich da hineinbegeben hatte, als sie heute Morgen nach den Attentätern gesucht hatte, es war, als hätte man einen ihrer Romane aus dem Buch gerissen und direkt vor ihrer Nase ausgebreitet – mit ihr als einer der handelnden Hauptfiguren.
Und Hauptfiguren gingen nicht einfach nach Hause, wenn ihnen etwas so aufregendes widerfuhr.
Als sie den Kopf wieder hob, hatte sich ein leises Lächeln auf ihre Lippen geschlichen. Das Bild ihres Sohnes tauchte in ihren Gedanken auf, doch sie wischte es beiseite wie ein lästiges Insekt. Ja, sie war Mutter, sie hatte Verantwortung. Doch sie hatte auch ihr eigenes Leben, und das würde sie für keinen anderen Menschen dieser Welt einfach aufgeben. Ihr Sohn war erwachsen, er konnte allein für sich sorgen, und sie war es auch. Sie traf ihre eigenen Entscheidungen. Und das hier war eine Chance, wie man sie nur einmal im Leben erhielt.
Sie, Maura Thomson, würde den Dingen auf den Grund gehen. Sie würde ihnen ihre Maske herunterreißen, so wie der alte Mann es eben erst mit ihrer Maske getan hatte.
Und dazu brauchte sie Wright.
Ihr Blick schweifte zu der Tür, hinter der der junge Mann gerade erst verschwunden war. Er wusste mehr als sie über diese Vorkommnisse, er kannte Norly schon länger als sie, und doch schien er ihm nicht so treu ergeben wie ein Hund, der ihm ständig am Rockzipfel hing, sonst wäre er jetzt nicht hier.
Sie würdigte den Alten keines Blickes, während sie zu der Tür schritt. Wright war wütend auf sie, das war nicht zu übersehen gewesen. Er tat ihr unwillkürlich leid. Der arme Mann hatte gewirkt, als sei er mit seinen Nerven endgültig am Ende.
Warum machte sie Menschen ständig wütend?
Sie zögerte noch ein paar Sekunden, dann klopfte sie dreimal. „Mr Wright?“ Ihre Stimme war viel sanfter als sonst; sie stellte sich vor, wie sie mit William gesprochen hatte, als er noch jung gewesen war. „Mr Wright, könnte ich … eine Weile allein mit ihnen sprechen?
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur Mi Sep 16 2015, 15:37

Randolphs Augen weiteten sich ein wenig, als ihm plötzlich die Tür direkt vor seiner Nase aufschwang und ihm ein übermüdeter Charles Norly entgegen schlurfte. Glücklicherweise schien er in keinster Weise misstrauisch zu werden, sondern wandelte recht gleichgültig an ihm vorbei.
„Keine Ursache…“, murmelte er etwas zu spät, während er den Abgang des Mannes über die Treppe beobachtete. Scheiße. Um kein Aufsehen zu erregen, tat Randolph erstmal, wie ihm gesagt wurde und schlüpfte in das Zimmer hinein.
Hier gab es nicht mehr viel zu holen. Das war die erwartete, aber nicht desto trotz ernüchternde Feststellung. Norly hatte seine gesamte Habe, oder zumindest, alles was er an seinem Leib trug mit die Treppe hinauf geschleppt. Hier erwarteten den Doktor nur noch ein paar Etagenbetten, der verwaiste Schreibtisch und eine abgewetzte Coach. Eigentlich ein paar akzeptable Schlafgelegenheiten, sollte man meinen. Aber dem Herrn schien das wohl zu verkommen zu sein. Randolphs Augenbrauen senkten sich, als ein mürrischer Ausdruck auf seinem Gesicht Platz fand. Wäre er in Norlys Zustand gewesen, hätte er nicht solange überlegt, wo genau er nun schlafen würde. Allerdings hatte der Doktor diesbezüglich vielleicht auch weniger hohe Standards.
Es half nicht. Eine Treppe hatte er schon geschafft, wenn auch mit Hilfe. Das Ganze würde hart werden, keine Frage, aber er würde es schaffen. Die Frage war dann nur, wie er das gestohlene Gut, wieder zurückbringen sollte, wenn er damit verschwand. Auf keinen Fall würde er zweimal die Treppe hinauflaufen.
Also gut, an die Arbeit. Randolph schob die Tür wieder auf und lauschte. Von Norly war nichts mehr zu hören. Gut. Er humpelte auf den Gang hinaus, zog an der Klinke und ließ die Schlossfalle langsam einrasten. Auch wenn es Charles vermutlich sofort nachdem er sich niedergelassen hatte, ins Reich der Träume katapultiert hatte und er daraus nun erstmal nicht mehr aufwachen würde, so war es doch von Vorteil leise zu bleiben. Es war besser, wenn niemand von seiner Operation Wind bekommen würde. Und vollkommen sicher, dass Norly nicht doch hellhörig werden konnte, war er sich auch nicht. Vollkommen sicher konnte man wohl nie sein.
Bis zum Treppenabsatz habe ich es immerhin schon mal geschafft, dachte der Arzt finster, als er vor dem Aufstieg noch einmal inne hielt. Jetzt hatte er nicht mal Melinda an seiner Seite. Sollte er umfallen, sollte er sein Gewicht nicht mehr stützen können…würde es kompliziert werden. Weiter wollte sich Randolph gar nicht auf den Gedankengang einlassen. Das würde ihn nur davon abhalten tatsächlich seiner vielleicht einmaligen Chance nachzugehen, mehr über Norly, mehr über das, was er nun eigentlich plante, herauszufinden.
Im Grunde ging es nicht um Mister Crowne. Im Grunde ging es darum, dass Randolph sich selbst Gewissheit verschaffen wollte. Norly war kein Serienmörder. Zu diesem Schluss war er gekommen. Aber was war er dann? Wenn er vorhatte London in Schutt und Asche zu zerlegen, dann war sich Randolph nicht sicher, ob er auf der richtigen Seite des Schlachtfelds stand, ganz gleich, was die Morde betraf, was man Norly anhängen wollte oder nicht.
Es brachte nichts noch länger zu zögern. Randolphs bleiche, knochige Hand krallte sich um das Treppengeländer. Er hatte seinen Entschluss getroffen. Jedes Innehalten war nur noch Zeitverschwendung. Rechtes Bein nach oben und vorne. Scheiße. Fast knickte er weg. Es war wirklich eine verdammt beschissene Situation, jedes Mal wenn er das durchschossene Bein belasten musste. Es war als würde man mit einer kaputten Maschine arbeiten. Die Scharniere griffen einfach nicht mehr ineinander.
Mit vor Schmerz und Zorn zusammengepressten Zähnen zwang er sich ruhig zu bleiben und den Fuß langsam auf dem Holz abzusetzen. Dann war das linke Bein dran, welches deutlich leichter zu händeln war. Zweite Stufe. Und er war jetzt schon am Schwitzen. Das konnte heiter werden. Er griff nun auch mit der zweiten Hand nach dem Geländer. Das hätte er vorher schon tun sollen. So sah die ganze Angelegenheit zwar noch erbärmlicher und abstruser aus, aber er konnte mehr Gewicht durch die Kraft seiner Arme stemmen. Wenn er jetzt noch stark ausgeprägte Muskeln hätte, wäre die Sache viel einfacher. Aber der Doktor würde seinen Körperbau als allenfalls durchschnittlich einschätzen.
Zähneknirschend brachte er die zweite Stufe hinter sich. Jede Einzelne würde eine Qual werden. Das stand fest. Auch wenn es wahrscheinlich gar nicht so lange dauerte, Randolph kam dieser Aufstieg jetzt schon ewig vor. Nummer 3, Nummer 4. Er schaffte es. Natürlich schaffte er es. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, so hatte ihn schon sein Vater immer gerne belehrt. Die Frage war viel mehr, wie er es schaffte.
Im Augenblick kämpfte sich Randolph wie eine Maschine voran. Aber wie eine Maschine mit Defekt. Und dieser Defekt würde nie einfacher zu händeln sein. Ganz und gar nicht. Man mochte nun vielleicht meinen, dass er irgendwann die perfekte Technik heraus hatte. Wie er am Besten damit umgehen konnte. Und ja, zu einem gewissen Grad stimmte das vielleicht. Aber dennoch half selbst die beste Technik nichts, wenn die Maschine immer weiter überstrapaziert wurde. Und das war gerade der Fall. Sein Körper, seine Maschine, war für Treppen nicht geschaffen. Man konnte mit Recht behaupten, dass sie im Augenblick seinen Erzfeind darstellten. Nicht Stirling, der ihm das Ganze eingebrockt hatte, nicht sein beschissenes Leben, seine beschissene Vergangenheit, mit der er Tag für Tag konfrontiert wurde. Nein, jetzt gerade, gab es wohl nichts, was ihm verhasster wäre.
Doch womöglich war diese Einschätzung zu gutgläubig. Es konnte immer schlimmer kommen. Das hatte die Vergangenheit gezeigt. Aber so bin ich eben, dachte Randolph höhnisch, während er die fünfte Stufe bezwang. Ein ewiger Optimist.
Hatte Norly nicht eben noch gesagt das er sich schonen sollte? Das alles war doch irgendwie ein kranker Witz. Er war selbst Schuld. Wenn er wollte, könnte er das Ganze immer noch abbrechen und sich ausruhen. Er musste sich diese Qual nicht antun. Aber Randolph hatte sich ein Ziel gesetzt. Er konnte jetzt nicht einfach nachgeben. Es war wichtig. Wichtig herauszufinden, was Sache war. Und noch eine Stufe.
Zähneknirschend stützte Randolph seinen Körper auf das Geländer. Sein Kopf glühte rot. Endlich etwas Farbe. Meine Mitmenschen brauchen sich nicht mehr fürchten, dass sie es mit einer Leiche zu tun haben. Er keuchte. Irgendwie brachte es nichts, sich alles schönzureden. Das machte diese Kacke nicht wenig erträglich. Es widerte ihn eher noch an.
Wie sieht es mit Pessimismus aus? Er hievte sich ein weiteres Mal empor. Stirling ist an all dem hier Schuld. Er hat mir die verfluchte Kugel durchs Bein gejagt. Wegen ihm ist der Ire tot. Und seine beiden Handlanger…ich habe keine Ahnung, was Norlys Foltermeister mit den Beiden vorhat. Damals im Treppenhaus der Mauneys. Ich hätte ihm einfach das Skalpell in seine pochende Halsschlagader rammen sollen. Die Gelegenheit hatte ich.
Damit hätte er der Menschheit vermutlich mehr geholfen, als mit dieser Weltverbessererscheiße, die ihm Crowne serviert hatte. Natürlich hatte sich das Ganze gut angehört. Vermutlich hatte er geglaubt, so seine Missetaten wieder gut machen zu können.
Randolph bezwang die zehne Stufe. War das lächerlich? Dieses Benehmen? Nun, was war denn die Alternative? Sich sofort die Kugel zu geben? Nein, wenn man es rein logisch betrachtete…theoretisch konnte er noch jemandem helfen. Vielleicht nicht der Menschheit, vielleicht nicht London, aber zumindest Melinda. Er konnte hier Unterstützung abliefern. Medizinische, nicht Mörderische. Und genau deshalb ist es wichtig jetzt herauszufinden, ob ich diese Unterstützung dem richtigen Mann gewähre!
Natürlich konnte er auch wieder alles schlimmer machen. Dieser Gedanke kam Randolph bei der zwölften Stufe. Aber was sollte es? Seine Seele war verloren. Wie viel schwärzer konnte sie schon noch werden? Nachdem dieser ganze Mist vorbei war und er Melinda in Sicherheit wusste, würde er sich sowieso den Strick geben. Metaphorisch gesehen, selbstverständlich. Der Strick wäre nicht unbedingt sein Stil. Es gab schönere Todesarten.
Darüber konnte er sich ja jetzt Gedanken machen, während des Aufstiegs. Er brauchte im Grunde nur irgendetwas, das ihn von dem ganzen Schmerz ablenkte, das war klar. Also…was stand denn zur Option aus?
Vierzehnte Stufe. Bald wäre es geschafft. Er war schon über der Hälfte. Todesarten…klassisch wäre natürlich eine Kugel. Zu Hause, bei sich in der Praxis, dürfte nur noch irgendwo das Gewehr seines Vaters herumliegen. Das wollte er sich nicht in den Mund reinschieben. Aber mit O’Sullivans Revolver, den er sich schnappen konnte…das wäre eine andere Sache. Ein gut in der Hand liegendes Schießeisen. Er könnte es sich gegen die Schläfe pressen und dem ganzen ein Ende setzen. Innerhalb eines Herzschlags. Ein schönes, abpruptes, endgültiges Ende. Das Abtöten allen Denkens innerhalb einer Sekunde. Randolph würde nicht mehr viel Schmerzen haben.
Als der Doktor die sechzehnte Stufe erreichte, begann sein Bein zu protestieren. Mit vor Stress blutunterlaufenen Augen blickte Randolph seinen Körper hinab. Scheiße. Irgendwie konnte er es nicht mehr so gut belasten, es zitterte ein wenig. Na, komm schon. Nur noch ein paar Stufen.
Mit sichtlicher Mühe zerrte er sich ein Stück weiter aufwärts.
Die Erschöpfung schlug nun immer härter auf ihn herein. Das Wichtigste war jetzt nicht die Nerven zu verlieren. Er musste kontrolliert bleiben. Wenn er nun etwas Dummes tat, herumtrampelte, laut ächzte, zusammenstürzte, dann würde sein Plan scheitern. Oder zumindest vielleicht scheitern. Dieses Risiko wollte er nicht eingehen. Nicht nach all der Anstrengung, die ihn hierhin gebracht hatte.
Keine Zeit für eine Pause, hämmerte er sich in sein Hirn ein. Pause konnte er später machen. Wann auch immer „später“ war. Er stemmte sich ein weiteres Mal hoch. Dann waren es nur noch zwei Stufen. Randolph schloss die Augen, während er sich empor kämpfte. Das fiel zwar unter die Rubrik „Dummes tun“, aber er fühlte sich so fertig, dass er diesem Instinkt einfach nachgab.
Dann war er endlich angekommen. Im zweiten Stock.

Ein erleichtertes Grinsen trat auf Randolphs schweißüberströmtes Gesicht. Zusammen mit seinen funkelnden, blutunterlaufenen Augen, sah er wohl aus, wie ein Irrer. Das machte nichts. Niemand konnte ihn hier sehen. Die anderen waren unten und Norly gönnte sich hier irgendwo eine Mütze voll Schlaf. Du dachtest wohl, das packt mein Körper nicht, was, Scarred Charlie? Du hast dich mit dem Falschen angelegt, mein Freund. Der Doktor nimmt dich jetzt ein wenig unter die Lupe…
Er fühlte fast schon Schadenfreude in sich aufsteigen. Deswegen machte er es nicht.
Randolphs Grinsen verschwand wieder, als sein Verstand wieder ein wenig zu funktionieren begann und das Glücksgefühl verdrängte. Ich mache das hier nicht, um Norly eins auszuwischen oder ihn zu verärgen. Das was ich hier tue, dient einzig und allein dem Zweck der Recherche. Es ist nichts Persönliches. Und jetzt sollte ich mich zusammenreißen. Wenn ich ihn bestehlen will, darf ich mir keine leichtsinnigen Fehler erlauben.
Randolph machte sich an die Arbeit. Der zweite Stock hatte viele Zimmer. Und er konnte nicht ahnen, in welchem davon Norly untergebracht war. Er musste routiniert und leise vorgehen. Leise die Klinken herunter drücken, hinein spähen und die Türen lautlos wieder verschließen.
Und so begann er sich nun auch vorzuarbeiten. Hier, auf ebenem Grund bereitete das bei Weitem nicht so viele Probleme. Er hatte sich bereits daran gewöhnt, auf diese Art und Weise herumzuhumpeln. Treppen waren eine Sache für sich und er hoffte, dass der nächste dieser Höllentrips noch in weiter Zukunft lag.
Die ersten Türen waren schnell abgehandelt. Hinter keiner von ihnen verbarg sich Norly. Bei einigen Zimmern konnte man es schon ahnen. Auf ein paar Türgriffen hatte sich schon Staub angesammelt. Diese Klinken sahen nicht so aus, als hätte sie in letzter Zeit schon jemand benutzt.
Anfangs war Randolph bei der Durchsuchung noch etwas euphorisch, hatte er doch gerade eine schwere Hürde hinter sich gebracht. Doch als er die Hälfte der Zimmer durch hatte, kamen ihm erste Bedenken. Was wenn sich Norly in einem Zimmer eingeschlossen hatte? Zuzutrauen wäre es ihm. Oder wenn er gar noch weiter hinaufgelaufen war, in den dritten Stock? Das war zwar nicht wahrscheinlich, aber ausschließen konnte er es nicht.
Darüber hatte sich der Doktor, wenn er ehrlich zu sich war, keine Gedanken gemacht. Vielleicht zu wenige. Er hatte über seinen Entschluss ja nicht lange nachdenken wollen, bevor er am Ende zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
Dieser Missmut begann mehr und mehr an ihm zu nagen, je weiter er vorankam. Schließlich hatte er nur noch ein paar Zimmer vor sich. Oh nein. Bitte nicht. Resigniert atmete Randolph aus. Er zwickte sich mit Zeigefinger und Daumen in die Nasenwurzel. Ruhig bleiben. Noch besteht eine Chance. Falls ich ihn nicht finde, oder er sich eingeschlossen hat, überlege ich mir, wie ich weiter vorgehe.
Es waren noch drei Zimmer.
Genau genommen, noch zwei Zimmer. Zwei Chancen.
Oder auch nur noch ein Zimmer. Randolph verharrte vor der Tür. Sollte er wieder anfangen zu beten? Der Doktor schob den Gedanken angewidert zur Seite und drückte die Klinke herunter. Der entscheidende Moment ist gekommen, dachte er finster. Dann spähte er ins Innere.
Dieser Bastard! Dieser Scheißbastard! Warum musste dieses Arschloch in den verdammten dritten Stock hinauflaufen, wie ein Bekloppter? Konnte sich der Kerl nicht einfach in irgendein Bett schmeißen und glücklich und zufrieden einschlafen? Was lief denn falsch mit dem Mann? War er paranoid? Wusste er, was der Doktor vorhatte und wollte ihn quälen? Wollte er sich selbst quälen?
Randolph durchschoss das unbändige Verlangen der Tür einen heftigen Hieb zu verpassen. Das Holz würde krachend gegen die vermutlich schon bröckelige Hauswand knallen und dann würde der Putz herunterregnen. Seine Hand würde bluten, als hätte jemand mit einem Hammer darauf gedroschen, aber das war ihm gleichgültig. Das einzige was den Doktor zurückhielt, war sein Plan.
Runterkommen, Randolph, befahl er sich, während er leise schnaufend vor der vermaledeiten, letzten Tür stand. Ich sollte zurück zur Treppe gehen und dann nachdenken, was zu tun ist.
Er wandte sich ab. Was für ein beschissener Tag. Es konnte wirklich nicht mehr beschissener kommen. Erst der Ire und die alte Schachtel, jetzt das. Herrlich. Absolut herrlich!
Er erreichte den Treppenfuß und ließ sich erschöpft auf der ersten Stufe nieder. Dann rieb sich der Arzt die überanstrengten Augen. Er hatte nun genau zwei Möglichkeiten. Wobei die Frage war, ob sich die eine Möglichkeit überhaupt stellte.
Erstens: Er konnte von hier verschwinden. Zu Bowen und seiner Frau gehen und etwas essen. Dort hätte er seine Ruhe, könnte vielleicht in einer ruhigen Konversation ein bisschen mehr herausfinden. Dafür müsste er zwei Treppen hinabsteigen. Nicht das Angenehmste, aber das war in Ordnung. Treppen hinabzusteigen war noch nie das Problem gewesen.
Zweitens: Er stieg hinauf in den dritten Stock, in der Hoffnung, das Norly sein Zimmer nicht abgeschlossen hatte. Das würde vor allem eines bedeuten: Schmerzen. Noch mehr, noch viel mehr, als bei dem Aufstieg zur zweiten Etage. Aber die Schmerzen waren nicht das Entscheidende. Das Entscheidende war, ob er überhaupt, in seiner jetzigen physischen Verfassung in der Lage war, dort hinauf zu steigen. Ob er es überhaupt schaffen würde.
Kann ich das? Randolph stierte die Stufen hinauf. Man kann doch alles schaffen, wenn man nur fest genug daran glaubt. Was für eine erbärmliche Lüge. Als Kind hatte er sie wohl noch geglaubt. Also, was? Aufgeben…?
Randolph wollte nicht aufgeben, wollte sich nicht zurückziehen, wie ein Hund mit eingezogenem Schwanz davonlaufen. Andererseits wollte er auch keine weiteren Schmerzen. Aber vielleicht war es sinnvoll, wenn er, was diese Entscheidung betraf, sich nicht danach richtete, was ihm gefiel.
Vielleicht sollte er eine rationale Entscheidung treffen. Wie standen die Karten? Charles Norly war mehr oder weniger ausgeschaltet, wenn Randolphs Vermutung stimmte. Das bedeutete, dass es jetzt möglich wäre ihn zu bestehlen. Eine wahrscheinlich einmalige Chance. Und er wusste, dass Nachforschungen im Augenblick seine wichtigste Aufgabe waren. Sei es, was die Morde betrifft, oder Norlys Pläne. Derzeit wussten sie von kaum etwas, obwohl er Charles nun schon ein paar Tage gefolgt war.
Es war wichtig, zweifelsohne. Und deshalb musste er es zumindest versuchen. Wenn die Tür von Norly verschlossen war, konnte er nichts tun. Er war kein Einbrecher und selbst wenn er die Tür irgendwie aufbekommen würde, würde er dabei vermutlich einen Höllen-Lärm verursachen. Dann musste er kapitulieren. Aber im Augenblick konnte er nicht wissen, ob das der Fall war.
Logisch gesehen, gab es also für ihn genau einen Punkt, der ihn vom Aufstieg abhalten konnte. Nämlich die Tatsache, dass er es nicht schaffen würde. Und darüber sollte er sich nun Gedanken machen.
Wie viel? Wie viel würde er in seinem jetzigen Zustand auf jeden Fall erreichen können? Zehn Stufen? Er hatte sich nun zumindest ein wenig erholen können. Zehn Stufen waren auf jeden Fall drin. Dann würde es richtig hart werden. Die Phase, in der er beim letzten Aufstieg, völlig fertig und am Ende war, würde viel früher einsetzen. Randolph würde keine Hilfe haben. Weder Melinda, noch ein Gehstock würden ihm zur Seite stehen. Sein einziger Verbündeter, das Treppengeländer.
Er schloss die Augen. Scheiße…
Wenn er es nicht tun würde, würde er es sich später zum Vorwurf machen. Das wusste er. Und der Aufstieg in die zweite Etage wäre vollkommen unsinnig gewesen. Aber das war schon wieder kein rationales Denken.
Aber so einfach war die Angelegenheit nicht. Die korrekte Antwort auf die Frage „Wie viel?“ war: Er wusste es nicht. Er wusste nicht, ob er nochmal dieselbe Anzahl an Stufen schaffen würde, oder nicht. Man konnte nicht alles berechnen. Er konnte nur versuchen es abzuschätzen.
Verdammt. Ich ziehe es durch.

Der Doktor richtete sich auf. Es bestand zumindest eine Chance, dass sein Plan gelingen konnte. Er erinnerte sich an seine letzten Pläne. Der Jüngste davon, der Besuch bei den Mauneys. Das war ganz allein sein Plan gewesen. Er war gescheitert. Wie auch bei den anderen davor. Diesesmal musste es gelingen. Er konnte nicht einfach abbrechen. Er musste es versuchen.
Ohne noch länger zu zögern, setzte er seinen Fuß auf die erste Stufe.
Sofort hatte der Schmerz ihn wieder. Randolph fand, mittlerweile routiniert, sofort in seine alte Technik zurück. Seine Hände krallten sich in das Treppengeländer. Dann ging es aufwärts.
Bei dieser Treppe wollte er es schneller bewältigen, als bei der vorherigen. Ob das etwas brachte, war fraglich. Er arbeitete sich schnell vor. Eins. Zwei. Drei. Bei Vier keuchte er schon und schwitzte wie eine Dampflock.
Sein Tempo war nicht wirklich schnell. Nur schnell für seine Verhältnisse. Für einen Außenstehenden musste Randolphs Aufstieg unglaublich träge aussehen. Doch er wurde noch langsamer. Bereits nach der fünften Stufe, gelang es Randolph nicht mehr seine angestrebte Geschwindigkeit beizubehalten. Nach der sechsten Stufe, begann sein Bein erneut zu zittern. Verfluchte Scheiße. Warum denn jetzt schon?
Er spannte seine Muskeln an und hievte sich ein weiteres Stück aufwärts. Sein Unterschenkelknochen protestierte heftig. Randolph überkam die Vermutung, dass er irgendwann unter dem Druck einfach kreischend einbrechen und in tausend Splitter zerbersten würde.
Bis dahin war es hoffentlich noch ein wenig. Sonst würde er sich schnell in einer äußerst unangenehmen Lage wiederfinden. Wenn er erst einmal auf der Treppe zusammenklappte, war er sich nicht sicher, ob er wieder von selbst auf die Beine finden würde. Im schlimmsten Fall würde er bis zum Treppenabsatz herab rollen und sich an irgendeiner Mauer den Schädel anschlagen.
Stufe Nummer Acht war geschafft. Schon beinahe die Hälfte. Nicht unbedingt ein Gedanke, der ihm Kraft gab. Er fühlte sich bereits jetzt am Ende seiner Kräfte. Bis zu diesem Punkt hätte es noch vier, fünf Stufen hin sein sollen. Dieses lästige Bein. Wenn er jetzt nur normal laufen könnte. Dann würde Norly verdammt alt aussehen.
Das wird er immer noch. Ich kriege das hin.
Randolph belastete sein verletztes Bein, verlagerte das Gewicht so gut es ging auf das Geländer und zog den rechten Fuß nach oben. Und nachziehen. Der Schmerz hämmerte in seinem Körper. Ein Impuls, der den Defekt anzeigte. Etwas völlig Normales eigentlich. Dumm nur, dass dieser Impuls ihn mehr zerstören, als ihm helfen würde.
Vielleicht sollte er sich das Bein einfach abschneiden. Auf eine Prothese konnte man sich zumindest gut stützen. Abbinden und mit der Säge drüber. Natürlich war das keine ernste Überlegung von Randolph, aber mit solchen Gedankenspielen konnte er sich ruhig und entschlossen halten. Worüber konnte er noch nachdenken?
Er hatte das Todesarten-Segment noch nicht abgeschlossen. Auf geht’s. Mit zusammengebissenen Zähnen mühte er sich auf Stufe 10 hinauf. Vor seinen Augen begann die Luft ein wenig zu schimmern. Das musste die Erschöpfung sein. Fall über das Treppengeländer? Nein, das würde er nicht so schön finden. Wenn er sich schon von etwas Herunterstürzen würde, dann sollte es etwas im Freien, an der frischen Luft sein. Und es musste natürlich sichergestellt sein, dass er auch wirklich starb. Auf keinen Fall wollte er sich selbst noch mehr verkrüppeln, als er nun ohnehin schon war.
Ächzend erklomm er Stufe 11. Über Gift hatte er auch schon einmal nachgedacht. Er könnte denselben Weg wählen, den er auch für seinen Vater gewählt hatte. Vielleicht schmerzhafter, als eine Kugel, aber er könnte nachempfinden, was Edmure in seinen letzten Augenblicken empfunden hatte. Wiedergutmachen würde das seine Tat nicht, aber zumindest wäre dann Gleiches mit Gleichem vergolten. Es würde sich irgendwie richtig anfühlen.
Und Stufe Nummer 12. Randolph griff hart zu und belastete vorsichtig das linke Bein. Dann merkte er, wie es sich unter dem Druck nach vorne schob und…Scheiße! Mit einem Krachen fiel er der Länge nach auf die Treppe. Sein Bein begann vor Schmerz zu brüllen und instinktiv begann Randolph seinen Körper zu drehen, sodass er auf dem Rücken liegen konnte. Mist. Verfluchte Scheiße. Wenn Norly davon wach geworden war…
Er stierte an sich herab. Wunderbar. Wie sollte er das nun am intelligentesten machen? Erstmal sollte er es in eine sitzende Position schaffen, dann würde alles einfacher werden. Er musste es nur schaffen seinen Körper ein klein wenig hochzustemmen. Eigentlich kein Problem, hätte er seine Arme nicht vorher schon viel zu lange überlastet. Mittlerweile fühlten sie sich fast taub an.
Na, komm, das packst du. Mit knirschenden Zähnen stemmte er sich empor. Für einen Augenblick sah es so aus, als würde er es nicht schaffen. Seine Arme zitterten heftig unter dem Gewicht. Doch dann schaffte er auch noch das letzte Stück.
Wäre schön gewesen, wenn es damit nun getan werden. Er musste immer noch aufstehen. Randolphs graue Augen wanderten zum Treppengeländer hinauf. Verflucht. Er würde scheitern. Im Augenblick war er nicht stark genug dafür. Und selbst wenn er es schaffte, spätestens zwei Stufen weiter würde er wieder zusammenbrechen.
Der Doktor schluckte seinen bitteren Speichel herunter. Sollte er aufhören?
Ich könnte auch einfach eine Pause machen. Das würde Zeit kosten. Wertvolle Zeit. Randolph erwartete nicht, dass Norly in den nächsten Stunden aufwachen würde, aber es gab andere Probleme, um die man sich kümmern musste. Eigentlich hatte er vorgehabt nach der Polizei Ausschau zu halten. Jede Minute, die er verschwendete, war eine Minute, in der er ihre Sicherheit hier drinnen aufgab. Außerdem brauchte er selbst wohl auch dringend etwas Ruhe. Norly hatte damit schon Recht. Er würde auch in nächster Zeit bestimmt viel durch die Gegend stolpern müssen. Und höchstwahrscheinlich standen ihm auch noch weitere Kutschenfahrten bevor.
Aber so konnte er nicht weitermachen. Er würde es nicht bis nach oben schaffen. Also erst mal eine Pause. Bis sich seine Glieder ein wenig beruhigt hatten. Dann würde er noch einmal seine Kraft in einen letzten Versuch investieren.
Randolph schloss die Augen und bemühte sich langsam und ruhig ein-und auszuatmen. Zeit sich zu erholen. Dämlich wäre es nur, wenn er nun vor Erschöpfung mitten auf der Treppe einschlafen würde. Tatsächlich fühlte er in sich das Verlangen einfach wegzudämmern. Schwachsinn, das willst du doch gar nicht, Randolph. Alpträume sind das Letzte, was du jetzt gebrauchen kannst.
Der Gedanke half ein wenig.
Immerhin war bis jetzt niemand aufgetaucht. Entweder hatte Norly seinen Unfall nicht gehört oder er war einfach sofort wieder eingepennt, nachdem es bei dem einen Geräusch geblieben war, das ihn höchstenfalls kurz irritiert hatte. So weit, so gut. Dennoch durfte er sich keine weiteren Fehler mehr erlauben, wenn er Erfolg haben wollte.
Randolph dachte über Melinda nach, die wohl immer noch außerhalb der Fabrik unterwegs war. Wäre sie mit seinem Plan einverstanden gewesen? Hätte sie ihm geholfen, die Informationen von Charles zu beschaffen? Oder hätte sie es als Verrat angesehen? Der Doktor wusste es nicht. Mit ihr wäre es auf jeden Fall leichter gewesen. Aber jetzt hatte er gar nicht die Option, um sie um Hilfe zu bitten, also spielte es keine Rolle.
Was war wohl mit den anderen? Wright und der alten Schachtel? Wright war es zu viel geworden. Das stand fest. Schon in der Lagerhalle war er mehr als nur fertig mit den Nerven gewesen. Nur mit Mühe und Not hatten sie ihn wieder halbwegs funktionstüchtig machen können. Als er die bewusstlose, alte Frau gesehen hatte, war er wohl endgültig ausgerastet und hatte die Flucht ergriffen. Vollkommen verübeln konnte man es ihm wohl nicht.
Er hatte von Anfang an davon abgeraten den Kerl mitzunehmen, aber Melinda hatte sich durchsetzen müssen. Er war auch dagegen gewesen, den Iren mitzunehmen. Und er hatte auch nicht gewollt, dass Charles ominöser Begleiter ihn erschoss. Sie waren zu viert gewesen! Da musste es doch möglich sein den Kerl auszuschalten, ohne dass man ihn erschoss!
Andererseits: Konnte man es dem Namenlosen vorwerfen? Er hatte nur sein Leben, das des Doktors retten wollen. Vielleicht hatte sich die ganze Situation auch einfach nur extrem ungünstig entwickelt.
Randolph rastete noch ein wenig, doch dann, nach etwa einer halben Stunde, fühlte er sich in der Lage weiterzumachen. Sein Körper verlangte immer noch nach Pause, aber er glaubte es nun schaffen zu können. Er griff sich das Treppengeländer und zog sich aufwärts. Dann wandte er sich den kommenden acht Stufen zu.
Euch kriege ich auch noch tot. Glaubt ihr, ich habe Schiss, ihre erbärmlichen Bastarde?
Randolph kämpfte sich vor. Die ersten Stufen gelangen ihm wieder einigermaßen gut, auch wenn sich die Erschöpfung seines Körpers schnell zeigte. Er versuchte nicht übermäßig schnell vorzugehen, aber zumindest ein konstantes Tempo aufrechterhalten zu können. Fünfzehn, Sechzehn. Bald hatte er es geschafft. Nur noch drei Stufen.
Randolph schwitzte und sein Bein protestierte mit jedem Schritt, den er tat, mehr. Doch irgendwie gelang es ihm die letzte Stufe zu bewältigen und er konnte leise schnaufend am Treppenende innehalten.
So blieb er etwa eine Minute lang stehen. Mit gesenkten Rücken und geschlossenen Augen. Das musste als Erholung reichen. Es ging weiter.
Als er das erste Zimmer betrat, begann er plötzlich ein leises Ticken zu hören. Was ist das? Misstrauisch blickte er sich um. Hier war nichts zu sehen, das Geräusch musste aus dem Hinterraum kommen. War das Charles?
Leise schurfte er heran. Die Tür war nicht wirklich zu, sie war nur angelehnt. Der Grund dafür war offensichtlich. Das Schloss war äußerst verbogen und auch ansonsten zeigte das Holz Spuren von Gewaltanwendung auf. Hier hatte sich jemand Zutritt verschafft. Es musste sich um einen Privatraum von Norly handeln.
Randolph drückte vorsichtig die Tür auf. Da lag er. Hatte sich auf seiner Coach hingefläzt. Die Coach zwei Stockwerke tiefer hatte wohl tatsächlich seinen Ansprüchen nicht genügt.
Einige seiner Kleidungsstücke hatte er auf dem Schriebtisch deponiert. Doch die Weste, wie konnte es auch anders sein, trug er direkt bei sich. Er schien sie als Decke zu benutzen. Woher das Ticken nun kam, konnte er immer noch nicht genau sagen. Es kam aus Norlys Richtung. Vielleicht eine kleine Uhr, die er bei sich trug. Dann wollen wir mal.
Plötzlich kam ihm die Angelegenheit nicht mehr so todsicher vor. Was wenn der Kerl plötzlich aufwachen würde? Das wird er nicht. Norly schläft wie ein Stein. Das haben wir schon festgestellt. Und jetzt erst recht.
Das mulmige Gefühl blieb trotzdem zurück. Vorsichtig schlurfte er in Richtung des schlafenden Mannes. Jetzt, wo er friedlich dahin dämmerte, sah er fast aus wie ein Engel. Und der Doktor würde ihn nun bestehlen.
Scheiß dich nicht ein, maßregelte sich Randolph selbst. Er würde das jetzt durchziehen. Norly würde nicht aufwachen….und wenn er es würde…dann musste er improvisieren. Jetzt, kurz vor dem Ziel, noch lange nachzudenken, erschien ihm nicht unbedingt sinnvoll.
Er tastete sich noch weiter vor, bis er direkt über dem Schlafenden aufragte. Randolphs Blick wanderte finster über die Gestalt unter ihm. Wo war das Buch? Dann entdeckte er die Ausbeulung in der Weste. Jetzt ist chirurgische Präzision gefragt. Möglichst langsam und ruhig ließ er seine Finger in der Westentasche verschwinden.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Thorgrimm Fr Sep 18 2015, 02:56

Auch wenn sich Gilbert langsam beruhigt und wieder gefangen hatte, war er noch immer wütend. Nicht nur auf dieses verlogene, alte Stück oder auf Oxley, der versucht hatte, den Grund für seine Probleme mit dem Namen Gilbert zu benennen. Nein. Er war vor allem wütend auf sich selbst. Wie hatte er sich nur wieder in so eine Situation bringen können, nach dem, was schon alles in den vergangenen Jahren schief gelaufen war? Anscheinend hatte er ein seltenes und wirklich unbrauchbares Talent dafür, sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen, obwohl er das natürlich nicht wollte. Es war wohl nicht genug, dass er schon ein kaputter Mann war, der nur durch Psychopharmaka überhaupt funktionierte - nein er musste sich auch noch in Situationen begeben, die in Mord und Totschlag, Diebstahl und - wenn man es denn so auslegen wollte - Entführung endeten.
Gilbert seufzte, setzte sich auf das Bett im Zimmer und strich sich Schnurrbart und Haare glatt. Was sollte er jetzt nur tun? Er war zwar wütend aber wollte Ms. Thomson trotzt ihres netten Schauspiels nicht wirklich alleine hier lassen. Er wusste nicht genau, wie sehr Oxley zu Norly hielt und diesen unterstützte. Würde der alte Butler zulassen, dass er bzw. Thomson einfach verschwinden würden? Oder würde er es als seine Pflicht ansehen, sie aufzuhalten und so lange im Haus zu behalten, bis Norly über sie richten sollte? Der alte Butler konnte bestimmt gut mit der Büchse umgehen, mit der er sie empfangen hatte. In so einem Fall würde es natürlich besser sein, wenn er und Thomson zusammenarbeiteten.
Am liebsten wäre es Gilbert aber natürlich, wenn Oxley sie beide einfach gehen lassen würde. Er war des Kämpfens Leid und wollte keine Auseinandersetzung mehr. Er war mit seinen Nerven am Ende. Ruhe. Genau das brauchte er jetzt. Ein Glas Gin und ein warmes Bett, in dem er sich etwas ausruhen konnte nach diesen langen Stunden. Wieder Energie tanken und sich dann endlich um das kümmern, weshalb er überhaupt hergekommen war. Beides gab es hier aber zumindest das Bett konnte er jetzt nicht benutzen. Einen Schluck Gin konnte er sich durchaus genehmigen. Es war eine Überlegung wert aber er verschob diese auf später.
Sein Blick fiel auf das Bild am Fenster. Wenn er jetzt gehen würde, dann müsste er das Bild hierlassen. Die Ölfarben waren noch nicht getrocknet und so konnte er es nicht transportieren. Langsam ging er auf sein Werk zu und betrachtete es. Ein regnerisches Waldstück im Lichte der Sonne. Er konnte sich kaum noch daran erinnern, wann er das Bild gemalt hatte aber der Sonnenstand ließ einen Mittag vermuten. Es überraschte ihn nicht, dass er sich nicht an die Stunden der Arbeit, die in dem Gemälde steckten, erinnern konnte. Alkohol und Opium hatten ihm sicherlich die Erinnerung an diese Zeit genommen aber das Ergebnis war es durchaus wert, weitergemalt zu werden. Zumindest hatte er daran gedacht, sich die Uhrzeit und das Wetter zu notieren, wie er an dem Notizblock auf dem Nachttischchen sehen konnte. Schade, dass er dieses Gemälde wohl nie zu Ende malen würde. Zumindest hatten Oxley und Norly dann etwas, das sie an ihn erinnerte.
Plötzlich klopfte es an der Tür und die Stimme von Ms. Thomson ertönte. Sanft und zögerlich. Was sollte sie denn jetzt von ihm? Noch mehr Lügengeschichten auftischen? Einen Moment lang überlegte der Maler, einfach nicht zu antworten und sie vor der Tür stehen zu lassen aber schließlich seufzte er hörbar und antwortete ihr. "Was wollen Sie?" Er hatte sich zwar wieder etwas beruhigt aber das änderte nichts daran, dass er eigentlich keine Lust hatte mit der Frau zu reden, was diese auch hören konnte.
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Beitrag von Leo Fr Sep 18 2015, 23:37

Mauras Euphorie schmolz ein wenig, als sie Wrights Stimme vernahm. Was für eine Mimose. Es klang, als sei er immer noch beleidigt – und das nur, weil sie sich ein wenig kränklicher gestellt hatte, als sie war? Herrgott nochmal, das Gespräch würde wohl nicht so leicht werden, wie sie gedacht hatte.
Sie öffnete die Tür so vorsichtig, als erwarte sie einen Massenmörder auf der anderen Seite. Wright stand mitten im Zimmer und sah aus, als würde er genau dort hingehören. In seinen feinen Kleidern und mit seiner sorgfältigen Frisur passte er so perfekt ins Bild, dass Maura sich einen Moment fragte, ob sie sich vielleicht auch in seinem Haus befanden. Er betrachtete ein Bild in der Nähe des Fensters, eine erst halb vollendete Landschaftsmalerei. Maura sah einen Moment hin und dann gleich wieder weg. In gewisser Weise war sie zwar selbst Künstlerin, doch mit Bildern und Skulpturen hatte sie nie viel anfangen können. Ihre eigene Kunst war nicht schön. Im Gegenteil. Ihre Romane hatten schon immer einen Hang zum Düsteren und Dreckigen. Vielleicht entsprach das auch mehr ihrem Naturell …
Dass das Bild mehr Wrights Naturell entsprach, daran zweifelte sie nicht. Nach dem, was sie bisher wusste, konnte sie zumindest eines sagen: Der Mann schien eine echte Lusche zu sein.
Maura schloss die Tür so sacht, dass sie beinahe geräuschlos ins Schloss glitt. Sie machte einen Schritt vor und faltete die Hände vor dem Rock.
Mr Wright, es tut mir aufrichtig leid, sollte mein Verhalten Sie verletzt haben.“ Wie sie es hasste. Bedeutungsloses Höflichkeitsgeplänkel, und dazu noch glatt gelogen. Es tat ihr nicht leid, was sie getan hatte, und dass Wright derart überreagierte fand sie einfach lächerlich. Manchmal dachte sie, dass sie als Kind der Unterschicht besser dran gewesen wäre. Da hätte sie sich zumindest dieses sinnlose Gerede sparen können.
Doch ich bitte Sie, dass Sie mir und meiner Lage ein wenig Verständnis entgegenbringen.“ Sie versuchte, ihre Stimme sanft klingen zu lassen, so, wie sie sonst nur mit William sprach. Wright war nicht ihr Sohn, dazu war er auch viel zu alt, doch wenn sie sein Vertrauen gewinnen wollte war wohl ein wenig Frieden angebracht. „Wissen Sie, das letzte, an das ich mich erinnere ist, dass Norly und seine … Helfer mich in der Kutsche betäubt haben. Nun wache ich hier auf, in einem fremden Bett, in einem mir unbekannten Haus, und Sie erzählen mir, Norly sei nicht hier. Das … verwirrt mich.“ Ihr lag noch eine ganz andere Bezeichnung auf der Zunge, doch sie hielt sich zurück. „Daher möchte ich Sie bitten, mir zu erklären, was seit meinem unfreiwilligen Schläfchen vorgefallen ist. Ich verspreche Ihnen, dass ich Sie nicht unterbrechen oder vorzeitig verurteilen werde.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Umbra Sa Sep 19 2015, 18:37

Charles schlummerte tief und fest. Randolphs Hoffnungen schienen sich zu erfüllen, denn der schlafende Mann zeigte keine Anzeichen dafür, dass er etwas von dem Diebstahl ahnte oder bemerkte, der ihm gerade widerfuhr. Charles‘ Atmung blieb flach und ruhig, während Randolph seine Hand vorsichtig in dessen Westentasche schob und nach dem Buch griff, dessen Ledereinband er sogleich ertastet hatte. Dabei merkte der Doktor, dass er sich nicht übermäßig geschickt anstellte – seine Hand zitterte etwas vor Anspannung und Erschöpfung –, jedoch hatte er das Glück, dass Charles selbst das nicht weckte. Die Übermüdung, zusammen mit der körperlichen Angeschlagenheit, forderte ihren Tribut. Charles schlief wirklich wie ein Stein.
Randolph konnte das Buch aus der Tasche ziehen, ohne dass Charles auch nur zuckte. Wäre er auf Norlys Tod aus und nicht auf dessen Notizen, hätte er höchstwahrscheinlich ebenfalls einen Erfolg verbuchen können. Aber das hatte Randolph ja schon vor ein paar Tagen gemerkt, als er Charles im Schlaf den Revolver abgenommen hatte. Eine verdächtige Ausbeulung des Mantels, mit dem Charles sich zugedeckt hatte, ließ vermuten, dass er die Waffe auch nun im Hosenbund trug.
Der kritischste Augenblick von Randolphs dreistem Diebstahl war überstanden, aber er wollte nun nicht leichtsinnig werden, indem er zu lange hier und mit dem Buch in der Hand verweilte. Begleitet von dem gleichmäßigen Ticken, schlich Randolph zur Tür zurück und zog sie behutsam in ihre ursprüngliche Position, nachdem er hindurchgeschlüpft war. Er befand sich wieder im Vorraum von Charles‘ Unterkunft. Dieses Zimmer sah, im Vergleich zu dieser, deutlich heruntergekommener aus. King und seine Familie schienen nicht unbedingt gut auf den Zustand des Hauses achtzugeben. Staub sammelte sich auf zersplitterten Möbeln, die sich vor einer schon zerfetzten Tapete in einer Ecke stapelten. Einige Bilder hingen, ebenso vergessen, an den Wänden. Eins von ihnen war weniger mitgenommen als die anderes, obwohl es älter zu sein schien. Es handelte sich um ein Portrait eines Mannes mit grauem, lichten Haar und buschigen Koteletten, dem man mit Fantasie Ähnlichkeit zu Charles zuschreiben konnte.
Direkt vor dem Gemälde entdeckte auch einen intakten Schreibtisch mitsamt Stuhl, der dem Raum zugewandt war und dazu einlud, sich hier und sofort seine Beute näher anzusehen.



Während Maura darauf wartete, dass Mr. Wright auf ihre Worte einging, in der Hoffnung, eine Erklärung zu erhalten, blieb es im unteren Stockwerk nicht ruhig. Das Haus war hellhörig genug, dass man selbst durch die geschlossene Tür ein dreimaliges lautes Pochen und kurz darauf eine männliche Stimme wahrnahm, die sich zwar nicht um Heimlichkeit bemühte, aber trotzdem nur schwer zu verstehen war.[1] Während Maura nicht mehr als das Dröhnen der Stimme wahrnahm, verstand Gilbert nicht nur die Worte, sondern erkannte auch den Sprecher.
„Ich muss mit Charles reden. Sofort“, verlangte der Mann, dessen Stimme Gilbert eindeutig ihrem Begleiter am Morgen zuordnete. Der Mann, der sie alle zum Lagerhaus geführt und den Iren erschossen hatte. Er klang gehetzt und ungeduldig.
„Er ist nicht hier, Sir“, antwortete Oxley, im Gegensatz dazu gefasst, doch den Schrittgeräuschen zu Folge, die auch Maura wahrnahm, marschierte sein Gegenüber einfach an ihm vorbei ins Haus hinein. Allerdings schien er nicht allein zu sein. Die Geräusche gehörten zu mehr als zwei Füßen.
„Da vorn“, hörte Gilbert Charles‘ namenlosen Bekannten sagen. Und wenig später, unterdessen weitere Schrittgeräusche von geschäftigem Treiben im Erdgeschoss zeugten: „Man sieht die Kutsche von der Straße aus.“
„Oh, das ist Mr. Wrights Werk“, antwortete Oxley. „Er kam damit her und brachte eine bewusstlose Dame mit. Inzwischen ist sie wach. Gut, dass Sie hier sind. Die beiden machen mir Ärger.“
„Und Charles?“
Die Stimmen änderten ihre Lautstärke ein wenig. Auch Oxley und sein Gesprächspartner liefen im Haus umher.
„Unten beim Amerikaner, denke ich“, äußerte der Butler, „… Stimmt es, dass Sie diesen Iren erschossen haben?“
„Ich hatte keine Wahl.“

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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Elli Mo Sep 21 2015, 15:39

Während die Kutsche wieder in die Richtung fuhr, aus der Melinda gekommen war, betrachtet sie aus dem Fenster hinaus Manchester. Die Stadt war London gar nicht so unähnlich. Nur vielleicht nicht ganz so verdreckt. London schien vor Schmutz nur so zu starren. Wehmütig dachte die Hure dort an ihre vertrauten Gassen und Personen. Sie musste an Bone denken, wie er ihr immer fröhlich durchs Gesicht leckte, wenn sie auf ihn traf. Der Hund der aussah, als wäre er soeben aus der Hölle aufgestiegen und tief in einem Inneren ein verschmuster Welpe geblieben war – sofern man die richtige Person dafür war. Sie befand dass es an der Zeit war, wieder nach London zurück zu kehren.
Das findest du ständig! Dann mach es doch auch mal. In den Zug kommst du schon rein. Hier ist es…so…sauber. Richtig unheimlich.
Ein warmes wohliges Gefühl hatte von ihr Besitz ergriffen, nachdem sie dafür gesorgt hatte, das die Familie Stead nun zwei Personen weniger zählte. Vielleicht waren sie auch die letzten gewesen und Melinda hatte soeben den Stammbaum abgebrannt. Sie würden vergessen werden. Früher oder später. Keine Enkel die einmal den Geschichten von Oma Jo lauschen würden. Oder damit zu Tode gelangweilt werden würden. Sie war sich sicher der Menschheit damit einen Gefallen getan zu haben.
Sie lächelte bei dem Gedanken daran, wie das Licht in den Augen erloschen war. Leider hatte sie das nur bei Johanna richtig sehen können. Das war aber auch das oberste Ziel gewesen, musste sie zugeben. Ein berauschender Moment, dieses Nervbalg den letzten Atemzug machen zu sehen.
Zufrieden lehnte sie sich in das abgenutzte Polster der Kutsche und ließ die kleine Gardine die Sicht auf die Straße wieder verschleiern.
Ihre Gedanken wanderten zu Alan. Hach, hätte sie bloß die gleiche Gelegenheit wie bei Jo. Sie überdachte die Todesmöglichkeiten. Sollte sie Alan sehen, würde sie nicht zögern ebenfalls dafür zu sorgen, das Licht in seinen Augen brechen zu sehen. Vielleicht musste sie schnell handeln. Erschossen hatte sie so gesehen noch niemandem mit ihrer Wristgun. Das wäre mal etwas Neues. Vielleicht würde sie aber auch viel Zeit haben. Als sie sich nach einer Operation ein paar Stunden bei Randy ausgeruht hatte, hatte sie vor lauter Langweile in einem seiner medizinischen Bücher geblättert. Da sie fast nicht lesen konnte, interessierte sie der Text kaum, selbst wenn sie in der Lage gewesen wäre den Worten den richtigen Klang zu verleihen, würde sie sie vermutlich denn nicht verstehen. War das Buch überhaupt in Englisch geschrieben gewesen? Ob Randolph wohl noch andere Sprachen beherrschte?! Sie musste ihn bei Gelegenheit fragen. Die Zeichnungen waren dafür umso interessanter gewesen. Spannend und abstoßend zugleich, was sich so im Körper tummelte. Eine Zeichnung hatte sich besonders eingeprägt. Ein Mann hatte kopfüber gehangen und das Blut war aus vielen kleinen Schnitten aus dem Körper gelaufen. Das wäre auch eine nette Idee – wenn auch ein riesen Schweinerei. Aber sie musste es ja nicht aufputzen. Ob das Buch einen medizinischen Hintergrund hatte? Vielleicht konnte man bei solchen Verletzungen noch gerettet werden. Das wäre dann scheiße.
Sie verwarf den Gedanken wieder. Momentan reichte ihr die Klärung der Verhältnisse mit Familie Stead. Vorerst.
Wieder ein gutes Stück vor dem eigentlich Ziel verließ sie die Kutsche. Erzählte dem Kutscher, dass ihre Eltern und sie alsbald in die USA auswandern würden und Manchester leider eine Familie Richston weniger haben würde. Der Kutscher nickte interessiert und erzählte, dass sein Bruder ausgewandert war und er sich überlegte es ihm gleich zu tun. Ihre Lüge hatte einwandfrei funktioniert.
Aus einer Seitengasse heraus, sah sie das der Kutscher wieder Kundschaft hatte und weg fuhr. Melinda trat auf die Straße und ging selbstsicher das Stück zur Fabrik zurück.
Was sollte sie nun mit sich anfangen?
Wollte sich die Maus nicht hinlegen?
Ah perfekt! Charles hatte ausgesehen als hätte er wochenlang nicht geschlafen. Das würde sich anbieten. Sich einfach dazu legen und selbst etwas Ruhe zu finden. Sie betrat die Fabrik und wusste nicht recht wohin mit sich. Sicherlich hatten einige Augen ihre Ankunft wieder bemerkt. Wo sollte sie nun nach Norly suchen? Nun – sie würde ihn schon finden. So streifte sie etwas planlos durch die Fabrik mit dem angrenzenden Büro- und Wohngebäude. Zwar fand sie nicht Charles, aber dafür den King.
Melinda fand Lloyd Bowen – oder King Reynard, wie er es zu bevorzugen schien – in einem Zimmer, der vielleicht einmal als Aufenthaltsraum für Gäste oder Angestellte dieses alten Verwaltungsgebäudes gedient hatte. Es war großzügig geschnitten und die Wände waren mit Möbeln zugestellt, auf denen sich einmal mehr, einmal weniger eingestaubter Krimskrams türmte, der hier äußerst deplatziert wirkte. Tatsächlich war es solcherlei Tand, den sich die Reichen, wenn auch nicht in dieser Menge, gern zur Dekoration hinstellten: Vasen, hässliche Porzellanviecher, Modellschiffe, Waffen, aber auch leere Bilderrahmen, die sicherlich Eigenwert besaßen, Spieluhren, Wanduhren, Standuhren…
Inmitten des großen Raumes stand einsam ein massiver Schreibtisch, an dem es sich der Tätowierte bequem gemacht hatte: Er kippelte mit dem gepolsterten Stuhl (die einzige Sitzgelegenheit hier), mit seinen Schuhen leger auf dem Tisch und beschäftigte sich offenbar mit einem Apfel, den er immer wieder in die Luft warf und dann wieder auffing. Offenbar waren ihm die Messer ausgegangen: Einige steckten in einer Holzplatte mit aufgemalter Zielscheibe an der Wand.
Als er Melinda bemerkte, legte er breit lächelnd das Stück Obst beiseite. Auf dem Schreibtisch herrschte überraschenderweise Ordnung. Außer Schreibzeug, einem Schlagring – und dem Apfel – befanden sich nur Reynards Füße auf der Platte.
„Da bist du ja wieder, Kleines“, begrüßte er sie äußerst selbstzufrieden, ohne sich die Mühe zu machen, aufzustehen. „Gefällt es dir in Manchester?“
Die Hure zuckte mit den Schultern. “Viel gesehen habe ich bisher nicht von Manchester. Den Bahnhof, ein paar Wohnhäuser und eben dieses Gebäude hier. Es gibt nettere, aber auch weitaus schlimmere Orte.“ Ihre Blicke wanderten über die Tätowierungen. “Aber das brauche ich dir ja nicht zu sagen. Städte spucken alles Mögliche aus. Gelegenheiten, Geld, Möglichkeiten…und eben auch so was wie uns.“
Immer wieder blieben ihre Blicke an dem ein oder anderen Bild auf der Haut hängen. “Wo finde ich Norly?“
Als Melinda nach Charles fragte, grinste King Reynard unverschämt.
„So ist das also“, stellte er schelmisch fest. „Du gehörst nicht zum Doc, sondern zu Charles. Da hat sich der alte Pirat aber eine entzückende Gossenperle geangelt, nicht wahr?“
Er lachte.
“Ich gehöre zu niemandem. Man kennt sich eben.“ Weiter wollte sie nicht darauf eingehen. Es reichte als Information. Fand sie. Den King schien die Antwort erstmal nicht zu stören. Unverblümt sprach er weiter.
„Nun, wenn ich raten müsste, findest du ihn sicher ganz oben. Dort hat der Herr früher residiert und über seine fleißigen Untertanen gerichtet. Ich gebe mich mit diesem Thron hier zufrieden“, meinte er, kippelnd, und verschränkte die Arme vor der Brust.
“In der Tat. Deine Zurückhaltung ist bemerkenswert.“ mehr als eine hochgezogene Augenbraue hatte sie gerade nicht für ihn übrig. Gerade wollte sie sich um gehen wenden, als er noch einmal etwas zu sagen hatte.
„Lass dich unterwegs nicht von den Spinnen beißen“, fügte er noch zwinkernd hinzu. „Oder willst du nicht doch lieber bei mir bleiben? Ich könnte dir erzählen, was es mit der Taschenuhr auf sich hat.“
Das veranlasst nun doch noch einen Halt der Hure. “Taschenuhr?“
King Reynard grinste erneut.
„Oh ja“, bestätigte er Melindas Nachfrage. „Du hast mich doch gefragt, was ich hierfür“, er hielt ihr das Taschenuhrtattoo entgegen, „anstellen musste. Das ist eigentlich eine nette Geschichte. Eine kurze – keine Sorge, ich rede nicht so viel wie dein narbiger Bekannter“, betonte er provokant. Nun nahm er die Füße vom Tisch und sprang von seinem Stuhl auf. Galant trat er hinter diesen und bot ihn Melinda an.
„Setz dich.“
Melinda fand die Angelegenheit äußerst spannend. Solche Dinge konnten durch aus von Nutzen sein. Das stand fest. In der Tat nahm sie Platz, nicht ohne das viel zu weit oben geschlossene Kleid, fast schon automatisch, etwas nach unten zu zupfen. “Ich habe das Gefühl, dass du dafür ne Gegenleistung willst, was? So läuft das nun mal auf der Straße. Lass‘ hören, King.
„Mmh, eigentlich nicht“, tat Lloyd Bowen unschuldig und trat um den Tisch herum. „Ich kann mich auch ohne jegliche Hintergedanken mit jemandem wie dir unterhalten, Püppchen.“
Sein Grinsen wandelte sich in eine nachdenkliche Miene.
„Aber wenn du mir schon etwas anbieten möchtest, nehme ich das gern an“, meinte er schulterzuckend. „Charles und ich kennen uns schon einige Jahre. Freundlicherweise darf die Norman Mill nutzen, solange er sie nicht braucht... Ich frage mich allerdings, ob er sich selbst im Griff hat. Das Chaos in London in letzter Zeit lässt anderes vermuten. Er neigt schon immer dazu, unüberlegt zu handeln. Gib auf ihn Acht, Kleine und halte ihn zurück, wenn er wieder einmal dabei ist, sein Grab noch tiefer zu schaufeln – und gute Menschen wie Rosies Vater mit ins Unheil zu ziehen. Vielleicht bist du ja die nächste, wenn du nicht aufpasst. Charles braucht ab und zu einen sanften Stoß in die richtige Richtung – oder eine Ohrfeige. In manchen Belangen ist er ein Kind im Körper eines Erwachsenen.“
Melinda ließ das Gespräch auf sich wirken. Es stimmt, dass Reynard, offenbar nicht so große Reden schwang, wie es Charles zu tun pflegte. Auf den Punkt kam er aber ebenso wenig wie sein ehemaliger Chef. Dennoch ließ sie sich zu einem Nicken hinreißen. Sie sorgte sich um das Wohl von Charles. Ohne jede Frage. Das er keine wirkliche Gegenleistung erwartete, außer darauf ein Auge auf Charles zu haben überraschte sie.
Vielleicht liegt es daran, dass man dir gerade nicht wirklich ansieht, was du bist.
Sie wiegte den Kopf von rechts nach links und langsam wieder zurück. Sie hatte bereits auf ihn aufgepasst. Sie fand es war an der Zeit das zu erwähnen. “Keine Sorge, dass mache ich bereits. Wir waren bereits in einer Situation in der er zwar ohne mich nicht gesteckt hätte, aber so ist er eben der alte Gentleman, aber die er ohne mich wahrscheinlich nicht überlebt hätte.“ Das sie gerade wieder zurückgekommen war, nachdem sie zwei Menschen ermordet hatte, erschien ihr etwas paradox. Fast musste sie sich ein Lachen verkneifen.
“Nun. Da hast du meinen Teil des Deals. Nun will ich meine Info.“ sie deutete auf die Uhr.
„Ein Deal ist ein Deal“, stimmte der Mann mit dem amerikanischen Akzent und dem auffälligen Äußeren zu.
„Vor…“, er schnaubte lachend, „nun, vielen Jahren, stahl ich einem reichen Gentleman seine Taschenuhr. Für mich ging es nicht um dieses Ding, obwohl es sicher wertvoll war, sondern darum, mich zu beweisen. Mein Boss nahm sie mir nicht ab, so wie sonst alle Dinge, die ich ihm brachte, sondern er erlaubte mir, sie zu behalten – denn sie war meine erste. Sie wurde mein Glücksbringer, aber eines Tages setzte ich sie beim Kartenspiel ein, was ich sofort danach bereuen durfte. Man legt seinen Glücksbringer nicht ab, nicht wahr?“
Bowen lächelte, diesmal mit einer Spur Bitterkeit.
„Das nahm ich mir zu Herzen. Seitdem trage ich ein Bild meiner Uhr auf der Haut, denn so habe ich sie immer bei mir und meine Haut werde ich sicher nicht verwetten.“
Ein wenig enttäuscht war Melinda. Da hatte sie nun wesentlich mehr erwartet. So unrecht hatte er nicht. Einen Glücksbringer sollte man bei sich tragen. Ungünstig wenn man keinen hatte. Charles trug ebenfalls eine Uhr bei sich. Ob sie die gleiche Funktion erfüllte? Oder einfach nur so wie die meisten ein unbedeutendes Schmuckstück um die Uhrzeit im Auge zu behalten? Ob die Uhr die Charles trug, jemand anderem gehört hatte?
Sie stand auf und strich sich das Kleid gerade. “Danke für die Information. In der Tat hatte ich gedacht es steckt mehr dahinter.“
Reynard hob kritisch eine Augenbraue. „Mehr?“, entgegnete er, offenbar amüsiert. „Für mich ist bedeutet es genug, das reicht mir. Eine Anekdote aus meinem Leben: Nicht mehr, aber auch nicht weniger.“
Sie dachte darüber nach. Erst wollte sie noch etwas sagen, aber schwieg dann lieber. Sie stammten vielleicht doch aus anderen Schichten. Krebste der King in der Gosse, war sie wohl mit dem Unrat darin zu vergleichen. Es war aber auch möglich, dass es in Amerika einfach alles anders lief und die Bilder eine andere Sprache sprachen, wie sie es hier tun würden.
Sie nickte ihm zum Dank und zur Verabschiedung zu, warf einen letzten missbilligenden Blick auf die Schuhe auf dem Tisch und verließ den Raum.
Gemächlich machte sie sich auf den Weg. Sie hatte Zeit und trotz des wenigen Alkohols keine Unruhe in sich. Der Mord, oder besser gesagt die Hilfe zum Mord, so genau musste man das ja nicht sehen.  Das schien ihre wirkliche Droge zu sein. Alles andere war nur billiger Ersatz. Nichts konnte ihr derzeit solch eine tiefe Befriedigung verschaffen. Sie schlenderte die Treppen hinauf und lauschte so gut es ging, ob sie etwas hörte und tatsächlich meinte sie hinter einer Tür etwas zu hören. Sanft stieß sie die Tür auf, da sie nicht wusste ob Charles dahinter steckte, dachte sie es wäre besser nachzufragen. Im Zweifelsfall konnte sie immer noch sagen sie habe sich verlaufen. “Hallo?“ fragte sie sanft, bevor sie den Raum betrat.


Zuletzt von Elli am Di Sep 22 2015, 10:53 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Leo Mo Sep 21 2015, 17:24

Maura hatte noch nicht geendet, als sie neben ihrer eigenen Stimme noch eine weitere vernahm. Sie war nur undeutlich zu hören, als spräche jemand durch ein geschlossenes Fenster, doch sie schien männlich und kam Maura seltsam bekannt vor. Sie reckte den Hals zurück in Richtung Tür. Ihre Hand tastete blind nach dem Türgriff, fand ihn und zog die Tür sachte auf, um keine zusätzlichen Geräusche zu verursachen.
Sofort waren die Stimmen deutlicher zu hören. Nun nahm sie die Stimme des alten Mannes wahr, der ihre Täuschung durchschaut hatte. Untermalt wurde sie von Schrittgeräuschen, bei denen Maura misstrauisch zum Treppenabsatz schielte, doch niemand kam hinauf.
Wirklich unwohl wurde ihr, als sie hörte, wie sich das Gespräch ihr und Wright zuwandte.
Gut, dass Sie hier sind. Sie machen mir Ärger. Maura schnaubte. Der Mann hatte es noch gar nicht erlebt, wie es war, wenn sie Ärger machte. Gut klang das trotzdem nicht. Gut, dass Sie hier sind. Sie schob die Augenbrauen zusammen. Warum war es gut? Wollte der Alte, dass die anderen sich um sie ‚kümmerten‘? Den Ärger eindämmten? Maura fand es ihrerseits ganz und gar nicht gut, dass die Männer hier waren – erst recht nicht, als sie hörte, um wen es sich handelte. Sofort wusste sie wieder, wem die bekannte Stimme gehörte, als hätte jemand in ihrem Kopf einen Schalter umgelegt. Norlys Freund, der Mörder des Iren. Der Mann, der mit seiner Pistole auf mehrere Meter Entfernung fremde Herzen traf, als hätten sie eine aufgemalte Zielscheibe.
Mauras eigenes Herz schlug schneller, als wolle es sich gewaltsam zu Wort melden. Ihre Finger fuhren nervös über den Türgriff, den sie noch immer in der Hand hielt. Etwas in ihr rief, dieses Gebäude sofort zu verlassen. Sie waren im ersten Stock, das Fenster kam also nicht in Frage. Also mussten sie die Treppe runter … und da waren Norlys Freunde.
Sie saßen in der Falle.
Unsinn. Wahrscheinlich überreagierte sie nur. Bestimmt würden die Männer ihnen gar nichts tun, schließlich waren sie auch nicht wegen ihnen hier. Es klang auch nicht so, als wollten sie sofort wieder gehen, aber der Schütze schien sich ohnehin eher für Norly zu interessieren, als für sie und Wright. Warum sich also Sorgen machen? Doch das ungute Gefühl in ihrer Brust ließ sich durch diese Gedanken nicht bekämpfen, es saß weiter unter ihrer Kehle wie ein lästiger Hustenreiz.
Eines stand fest – das Gespräch mit Wright war soeben verschoben worden.
So leise wie möglich verließ Maura das Zimmer wieder und machte ein paar Schritte in Richtung Treppengeländer, wobei sie jedoch darauf achtete, nicht zu nah heranzugehen, aus Sorge, jemand von unten könnte sie bemerken. Trotzdem musste sie wissen, wie das Gespräch weiter verlief …
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Beitrag von Thorgrimm Di Sep 22 2015, 04:09

Es gab einiges, mit dem Gilbert in den letzten Stunden nicht gerechnet hatte und das sich Ms. Thomson bei ihm entschuldigte, gehörte sicherlich dazu. Allerdings war sich der Maler langsam nicht mehr sicher, ob er der Frau überhaupt noch trauen und sie ernst nehmen konnte. Seiner Erfahrung nach tat sie einfach alles, um sich irgendwie einen Vorteil zu verschaffen. Das war schon im Lagerhaus so gewesen und auch noch vor wenigen Sekunden auf der Treppe. Wieso also nicht auch in diesem Moment? Das er die alte Frau unterschätzt hatte, wusste er ja bereits. Vielleicht war es an der Zeit, sie anders zu behandeln und ihr Alter erst einmal zweitrangig zu behandeln. Vor ihm stand keine hilflose alte Schachtel, sondern eine Frau, die sich zu verteidigen wusste und manipulieren konnte.
Er nahm ihre Entschuldigung in diesem Moment nicht besonders ernst aber das hieß nicht, dass er sie nicht zumindest etwas verstehen konnte. Eigentlich hatte sie sogar Recht. Was hätte er an ihrer Stelle getan? 'Das ... verwirrt mich.' So hätte Gilbert das nicht ausgedrückt. Er hätte wohl Angst um sein Leben gehabt und da konnte man es jemandem auch nicht verübeln, zu lügen und zu schauspielern. Er musste zugeben, dass er ihr vielleicht ein bisschen mehr Verständnis hätte entgegen bringen können.
Aus irgendeinem Grund hatte er einfach die Nerven verloren. Die vergangenen Stunden hatten sich wohl stärker auf seine Psyche ausgewirkt, als er zugeben wollte. Er brauchte wirklich einige Stunden Ruhe und Schlaf, um sich wieder zu fangen.
Gerade als er ihr antworten wollte, klopfte es unten an der Tür. Wenn Gilbert die Stimme richtig deutete, dann war Norlys Freund im unteren Stockwerk. Es war derjenige, der auf den Iren geschossen hatte und sich um die Leichen kümmern wollte. Er klang gehetzt und ungeduldig. Das konnte nur bedeuten, dass irgendetwas nicht ganz nach Plan verlaufen war und er jetzt Hilfe brauchte. Außerdem schien er nicht allein zu sein aber da Oxley nicht besonders besorgt klang, musste es sich bei den anderen Personen um weitere Freunde des Hauses handeln.
Was Gilbert allerdings überhaupt nicht gefiel, war, dass Oxley von Ärger sprach. Was genau wollte der Butler damit sagen? Wollte er, dass sich Norlys Freund auch um Ms. Thomson und ihn kümmerte? Das konnte sich Gilbert eigentlich nicht wirklich vorstellen. Norly und die Personen, die er um sich scharrte, schienen zwar allgemein gefährlich zu sein aber nicht vollkommen verrückt und irre. Er bezweifelte, dass Norlys Freund sie erschießen würde. Gefangen nehmen vielleicht, da sie eine Gefahr darstellten aber wirklich umbringen? Daran glaubte Gilbert zumindest jetzt noch nicht.
Anscheinend hatte auch Ms. Thomson das Gespräch gehört. Ohne ein Wort zu ihm zu sagen, wandte sie sich ab und schlich zurück zur Treppe. Ausgesprochen nett von ihr, einfach davon auszugehen, dass er wusste, was vor sich ging. Allerdings musste er zugeben, dass ihre Vorgehensweise nicht direkt schlecht war. Er musste hören, wie das Gespräch weiter verlief, um dann eine Entscheidung treffen zu können, ob er fliehen musste oder nicht. Er hatte keine Lust, noch lange hierzubleiben und festgehalten zu werden, bis sie der Meinung waren, dass von ihm keine Gefahr ausging. Außerdem war es immer noch fraglich, ob sie ihm abkaufen würden, dass er mit seinem Wissen nicht zur Polizei gehen würde. Gilbert schlich zur Tür und hörte dem Gespräch weiter zu.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur Fr Sep 25 2015, 19:31

Erleichtert stieß Randolph die angehaltene Atemluft durch die Nase aus. Er platzierte das Notizbuch vor sich auf dem Schreibtisch, zog den Stuhl zurück und ließ sich darauf nieder. Erst dann schwand die Anspannung aus seinem Körper.
Natürlich hatte er nun nicht unbedingt die günstigste Position, falls Charles überraschenderweise aufwachen sollte, aber das war unwahrscheinlich. Außerdem würde er das Buch vielleicht schnell wieder bei ihm loswerden müssen und dann war es besser in der Nähe zu bleiben.
Der Doktor rieb sich die rot getränkten Augen mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, dann machte er sich an die Arbeit und öffnete behutsam das Buch. Gleich hinter dem Einband fielen ihm einige Dokumente in die Hände.
Interessant, kommentierte er das Ganze gedanklich. Es war wahrscheinlich sinnvoll chronologisch vorzugehen, also würde er sich dies hier zuerst ansehen, bevor er sich dem eigentlichen Inhalt des Notizbuches zuwandte.
Zuerst war der Brief an der Reihe. Könnte von Taylor stammen. Was hatte Charles noch gesagt? „Das hier ist bereits der zweite Umschlag heute.“ Genau so war es gewesen. Wenn Randolphs Theorie also stimmte, müsste der Inhalt dieser Nachricht genauso aussehen, wie der, den er damals erhalten hatte. Nämlich so, dass keiner vorhanden war. Er hatte ein leeres Blatt Papier bekommen. Beziehungsweise Charles. Im Grunde hätte er nur als Überbringer fungieren sollen.
Randolph öffnete den Umschlag und zog den Brief daraus hervor.
Und…es stand etwas darauf. Misstrauisch betrachtete er die Nachricht. Wie? Was sollte das denn heißen? Was sollte es überhaupt bedeuten? War es ein Ort? Oder ein Name? Oder einfach nur eine verschlüsselte Botschaft, ein Anagramm für irgendetwas anderes? Randolph bemühte sich die Buchstaben umzustellen. Stone…nein, das machte keinen Sinn. Er verstaute das Papier wieder im Umschlag. Damit konnte er sich später beschäftigen.
Interessant war aber die Frage, ob die Nachricht wirklich von Taylor stammte. Laut Norly war die andere Botschaft ebenfalls vollkommen leer gewesen. Vielleicht war er aber auch angelogen worden. Er wall allgemein nicht die Sorte Mensch, die sich anderen anvertraute. Deshalb hatte er ihn ja auch bestohlen.
Weiter ging es. Der nächste Gegenstand schien eine Art Reisepass zu sein. Richard Francis Welton. Hmm…stand hier irgendetwas Interessantes? Indien-Reise…FRS…Randolph legte den Pass wieder zurück. Er fragte sich zwar, wie Norly daran gekommen war, aber das half ihm nun nicht unmittelbar weiter.
Blieb noch eine Sache übrig. Es war Rakers Zettel. Hauptsächlich eine Ansammlung von Adressen. Randolph überprüfte das Ganze. Da war das Waisenhaus. Und dann…interessant. Das könnte sich auf jeden Fall noch als nützliche Information herausstellen. Er überlegte einen kurzen Augenblick. Dann ließ er die Notizen in seiner Manteltasche verschwinden. Sich das Ganze abzuschreiben, wäre mühselige Arbeit gewesen. Norly würde den Verlust vermutlich nicht mal bemerkten. Und wenn er es tat, würde er nie glauben, dass der Zettel gestohlen wurde. Wer würde schon nur diese Notizen mitnehmen, wenn man die Chance hatte, sein ganzes Buch zu klauen. Er würde glauben, dass er ihn irgendwo verloren hatte. Vielleicht in der Lagerhalle.
Jetzt zum wichtigsten Teil: Dem Buch.
Auf der ersten Seite erwartete ihn gleich ein kryptischer Satz. Scheinbar mochte Norly Mysterien:

Hell Is Empty, and All the Devils Are Here

Aha. Und wer waren die Teufel? Hill und sein Gefolge, etwa? Randolph wusste nicht, was er damit anfangen sollte. Vermutlich hatte es keine größere Bedeutung. Er war jetzt gespannt, wie es weiterging. Vorsichtig, aber gespannt, blätterte er um.
Was…war das? Seine grauen Augen verengten sich. Was zur Hölle? Okay, das hier waren Lagepläne, aber….und das hier? Randolph überprüfte den Text. Zeile für Zeile. Dann blätterte er kopfschüttelnd weiter.
Aha. Das hier kam ihm nun bekannt vor. Randolph rieb sich das Kinn. Aber was genau hatte es mit den Markierungen auf sich. Waren das Orte an denen Harris…?
Der Doktor kam nicht dazu den Gedanken zu vollenden, denn dann erspähte er die Notizen. Und schlagartig begann Zorn in ihm anzuschwelen. Das ist nicht sein Ernst! Das ist nicht sein verdammter Ernst. Randolph atmete tief durch. Er…er würde das überprüfen müssen. Keine vorschnellen Urteile. Aber wenn seine Vermutung stimmte…dieser Perverse…
Mit Missmut betrachtete er eine weitere Liste. Tja, ich wüsste nicht, was das sonst darstellen sollte. Vielleicht sollte ich mich mal mit Melinda unterhalten.
Er blätterte weiter. Nutzlos. Nutzlos. Was zur Hölle? Was hatte das hier denn im Notizbuch verloren?  Randolph musterte die Liste, doch es erschloss sich ihm nicht, ob sich dahinter irgendeine Symbolik steckte. Weiter…er begann schneller zu blättern. Hmm…das hier war eindeutig Französisch. Leider beherrschte der Doktor die Sprache kaum. Er konnte damit nichts anfangen. Nutzlos. Noch eine nutzlose Seite. Er arbeitete sich relativ schnell durch.
Etwa 30 der 100 Seiten waren beschrieben. Auf der letzten dieser beschriebenen Seite stockte er. Arzt? Cleopatra? Was bei allen Höllen…hunden? Er kratzte sich am Kopf. Dann hörte der Chirurg plötzlich Geräusche von draußen, die näher kamen.
Hastig ließ er das Notizbuch im Mantel verschwinden. Wer auch immer das ist, kommt bestimmt nicht hier rein. Ganz sicher nicht. Die Tür schwang auf.
Scheiße…“Hallo…“, begrüßte er Melinda. Die Stirn des Doktors legte sich in Falten. „Charles schläft, falls du ihn suchst.“ Er bemühte sich nicht zu laut zu sprechen. Was sollte er nun tun? Irgendwie musste er ihr erklären, warum er hier war. Wobei sie ja nicht wusste, wo er Charles behandelt hatte. Vielleicht wusste sie ja nicht, wie schwer es war, mit einem kaputten Bein…
Nein. Randolph musste sie einweihen. Er rieb sich die Stirn. „Würdest du bitte mal kurz mitkommen. Wir müssen etwas miteinander besprechen. Nicht hier drinnen.“
Er erhob sich und humpelte in Richtung Tür. „Komm mit.“
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Beitrag von Elli Mo Sep 28 2015, 11:52

Die Geräusche waren vielversprechend gewesen. Leise aber nicht definierbar - Melinda hatte darauf gehofft, dass Charles sich vielleicht gerade fertig machte um sich hinzulegen oder etwas in der Art. Das nun plötzlich Randy in dem Raum stand, verwirrt sie maßgeblich.
Sie blieb stehen, als der Doc, dass Wort an sie richtete. Charles schlief also und zwar ganz in der Nähe, darauf konnte sie zumindest schließen, da ihr Gegenüber die Stimme senkte. Sie war ja nicht blöd. Was sollte dieses Theater hier?
"Ich suche ihn allerdings. Warum zur Hölle bist du hier? Wachst du über seinen Schlaf?" Die Situation kam ihr mehr als befremdlich vor, Randolph sah...ertappt?...aus. Sie war sich nicht sicher, wie sie ihn einordnen sollte, diesen Geschichtsausdruck, welchen sie gerade sah. Erst wollte sie einfach an Randy vorbei gehen um in das Zimmer, welches ein Stück weiter hintergelegen war zu gelangen, wartete jedoch ab, was er zu sagen hatte.
Mhm. Er will etwas besprechen. Interessant.
Melinda zog die Augenbrauen hoch - hier stimmte wirklich etwas nicht. Wie war Randy überhaupt hier hochgekommen? Sie hatte ihn fast in den ersten Stock zerren müssen und nun saß er im dritten StocK? Er roch furchtbar verschwitzt, dass ließ sich nicht von der Hand weisen. Was war bloß geschehen, als sie ihren Ausflug gemacht hatte?
Sie war eindeutig nicht die Einzige, die hier etwas zu verbergen hatte. Nur, dass bei ihr wohl niemand Verdacht schöpfen würden. Warum auch? Ein kleiner Ausflug - keine Zeuge. Super gelaufen.
Du schweifst ab! Konzentrier dich gefälligst!
Sie blickte Randolph herausfordernd an, trat aber wieder aus der Türe heraus. "Nun?"
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur Mi Sep 30 2015, 08:36

„Still!“, zischte Randolph leise und machte eine zurückhaltende Geste. Für einen Augenblick fixierte er mit seinen Augen, die hinter ihm liegende Tür.
Noch schien Charles zu schlafen. Bis auf das Ticken der Taschenuhr konnte der Doktor nach wie vor nichts aus dem benachbarten Raum hören. Soweit so gut. Er schielte zu Melinda zurück. Waum blickte sie ihn so an? Falten legten sich auf seine Stirn. Früher war ihr Verhältnis einfacher gewesen. So würde es nie wieder werden. Das erkannte er, wenn er sie nun anblickte. Zu viel war mittlerweile geschehen, zu viel stand mittlerweile zwischen ihnen. Randolph konnte nur versuchen sein Bestes zu geben.
Er humpelte an ihr vorbei, durch die Tür hinaus auf den Flur. Und schon wieder musste er sein Bein belasten! Ja, es war kein Treppenaufstieg, aber dennoch…er hätte jetzt genauso gut noch an Charles‘ Schreibtisch sitzen können. Warum musste er nur immer so viel Pech haben? Melinda war zum ungünstigsten Zeitpunkt aufgekreuzt. Weshalb sie wohl gekommen war? Ist doch klar, Randolph. Sie wollte zu ihm, das ist doch offensichtlich.
Der Arzt humpelte etwas weiter in den Gang hinein. Besser etwas Abstand zu Norly zu halten. Das war genau das, was er gewollt hat. Nachdem er sie wochenlang beschattet hat, dieser Perverse.
Wie war das denn mit den anderen Listen gewesen? Mit Alan hatte er sich beschäftigt, ja. Aber von Melinda war er offenkundig bessessen gewesen. Er hatte bei ihr doppelt so viel Namen gefunden, wie bei jedem anderen.
Randolph fand endlich ein passendes Zimmer. Vielleicht wurden hier früher Verwaltungsaufgaben geregelt. Der Raum wurde von einem Schreibtisch und einigen Schränken dominiert. Der Putz an den Wänden war nicht mehr der Beste und sah so aus, als sollte man sich wirklich bald mal darum kümmern. Aber darum sollten sich der King und seine Frau Sorgen machen. Oder auch nicht. Ihm konnte das jedenfalls herzlich egal sein.
Mürrisch umrundete der Doktor den Schreibtisch und ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder. Er wartete bis Melinda ihm gefolgt war und bot ihr dann den Stuhl auf der gegenüberliegenden Seite an: „Setz dich…“
Der Doktor überlegte, wie er nun anfangen sollte. Keine Möglichkeit kam ihm schön vor. Er wollte das hier nicht machen, das war ihm anzusehen. Vielleicht hätte er Melinda eingeweiht, aber definitiv nicht so. Nun musste er sich vor ihr rechtfertigen, warum er sich hier oben in Norlys Nähe aufhielt.
Sollte er sie doch anlügen? Nein, das war keine Option. Ihm fiel keine gute Lüge ein und vermutlich hätte sie es ohnehin durchschaut. Es war Zeit reinen Tisch zu machen. Er würde Melly mit der Sachlage konfrontieren und sie konnte sich entscheiden. Die Konsequenzen würde, so oder so, er tragen.
„Also schön“, ging er die Sache an. „Du wirst dich fragen, warum ich hier oben bin. Direkt vor dem Raum, in dem Norly schläft.“
Der Doktor nahm Blickkontakt mit ihr auf. Er sah dieselben hellblauen Augen, die er nun schon seit über zehn Jahren kannte. „Eine berechtigte Frage. Ich will ehrlich zu dir sein. Norly wäre mit dem, was ich hier getan habe wahrscheinlich nicht einverstanden. Sehr wahrscheinlich sogar. Die Entscheidung, ob du ihm von meinem Besuch erzählen willst, überlasse ich dir.“
Er griff mit den dünnen, bleichen Fingern in seinen Mantel hinein und zog nun das Notizbuch hervor. Einen Moment lang strich er über den dunklen Einband, dann legte er Norlys Aufzeichnungen vor sich auf das helle Eschenholz des Tisches.
„Ich wollte Nachforschungen anstellen. Schon seit geraumer Zeit frage ich mich, was Norly vorhat. Er selbst war diesbezüglich leider alles andere als mitteilsam. Norly meint zwar immer, er habe alles im Griff und alles geplant, aber ich verlasse mich nicht mehr darauf. Dass er den Iren mitgeschleppt hat, der ihn beinahe umgebracht hätte, zeigt etwas anderes.“
Besser würde er es nicht erklären können. Er versuchte auf den Punkt zu kommen: „Deshalb wollte ich herausfinden, wo seine Interessen liegen. Ich bin die zwei Treppen ins dritte Stockwerk hinauf gehumpelt. Und dann habe ich ihn bestohlen.“
Randolph fühlt sich unbehaglich. So, als würde er im Augenblick nicht hinter einem Tisch, sondern hinter der Bank für Angeklagte in einem Gerichtssaal sitzen. Und nun würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als Melindas Urteil abzuwarten.


Zuletzt von Darnamur am Mi Sep 30 2015, 17:09 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Elli Mi Sep 30 2015, 10:08

Wäre es möglich gewesen, hätte Melinda ihre Augenbrauen noch weiter nach oben gezogen. Er ermahnte sie still zu sein. Mhm. Was spielte der Doc hier? Verstecken?
Ihr blieb erst mal nicht anderes ürbig, als ihm zu folgen, auch wenn sie einen sehnsüchtigen Blick auf die Tür warf, hinter der Charles offenbar schlief. Auch wenn es still war, hatte sie ersteinmal keine Bedenken, dass Randy Norly etwas angetan haben könnte. Denn dann müsste er sich nicht so verhalten. Das würde keinen Sinn machen. Also folgte sie ihm, gespannt was er zu sagen hatte.
Melinda nahm Platz, sie wollte nicht stehen wenn er saß - nicht dass er sich genötigt fühlen würden aufzustehen und seine Schmerzen im Bein sich noch verschlimmern würden.
Sie blickte auf das Buch, welches ihr Gegenüber aus der Jackentasche zauberte. Warum waren alle so scharf darauf? Alan hat es doch auch versucht zu klauen. Dunkel erinnerte sie sich an ein Gespräch in der Küche im Waisenhaus in London.
Die dreckige Ratte bedurfte es auch noch einem Besuch.
Das Randolph gestohlen hatte, schockierte Melinda nun nicht wirklich. Wenn sie bloß daran dachte was und wieviel sie schon hatte mitgehen lassen, da war Randy vermutlich ein Waisenkind gegen.
Dennoch machte sich Unmut in ihr breit. "Herrgott, was habt ihr bloß alle mit diesem Notizbuch?" für die Hure selbst war es nicht interessant. Zu anstrengend würde es sein die Worte zu entziffern und zu verstehen.
"Was hast du nun so Dramatisches darin gefunden?"
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur Do Okt 01 2015, 16:48

„Ihr alle?“, fragte Randolph argwöhnisch nach. Wer außer ihm sollte denn noch Interesse an dem Notizbuch haben? Seine Augen zogen sich misstrauisch zusammen. Zumindest konnte er froh sein, dass sich Melinda nicht vollkommen entsetzt von seinem Diebstahl zeigte. Das war schon mal ein gutes Zeichen.
Dann schlug er das Buch auf. „Ich zeige dir alles, was ich gefunden habe“, meinte er zu Melinda. „Einiges ergibt für mich nicht wirklich Sinn. Anderes hat er verschlüsselt. Es ist keine optimale Informationsquelle, zumal Norly es auch nicht unterlassen hat, Nonsens, wie seine Einkaufslisten für Nahrungsmittel darin zu notieren. Aber beginnen wir von vorne.“
Randolph versenkte seine Hand ein weiteres Mal im Inneren seines Mantels und brachte den Zettel von Donny und Billy ans Tageslicht, den Norly den Beiden in der Lagerhalle abgenommen hatte.
„Die Liste der Kerle, die Alan angeheuert hat“, erläuterte er. „Hier sind einige der Adressen aufgelistet, wo sich Norly aufgehalten hat. Ich selbst kann sie leider nicht gut zuordnen. Vielleicht sagt dir ja diejenige in Soho etwas. Also…“
Er faltete den Zettel auf und las dann nacheinander die einzelnen Orte vor, an denen sich Charles herumgetrieben hatte: „Es beginnt bei Maybrick Manor, dann die 20 Archer Street, Soho[1], die 1 Osborn Street in Whitechapel…es folgt eine Adresse, die ich auch in seinem falschen Reisepass gefunden habe…den, mit dem er sich als Professor Welton ausgegeben hat…47 Manchestersquare, Marylebone. Und dann schließlich noch der Bahnhof. Aber es geht noch weiter.“
Der Doktor knickte die erste Hälfte des Papiers um und wandte sich dann den Daten im unteren Abschnitt zu: „Hier finden sich nun die Adressen aus Manchester. Ich bezweifle, dass sie dir viel sagen. Meine Vermutung ist, dass es sich um die Adressen seiner Kameraden handelt, die er in der Nacht angeschleppt hat. Aber der Reihe nach.“
Er seufzte und ratterte dann die einzelnen Orte herunter: „Der Bahnhof, an dem wir den Zug verließen, Polizeiwache, 8 Jackman Road, Salford…wenn du dich erinnerst: Das war das Haus, wo wir Johanna zu ihrer Mutter zurückgebracht haben. Und hier beginnen nun, die mir unbekannten Adressen. Letterman Pawn Office, Triangle Street…also irgendein Pfandleihhaus, 91 Saxon Low Road, 12 Hickman Square und schließlich der Brother's Arms Pub in der Victoria Street.“
Randolph verstaute den Zettel wieder sorgfältig. Dann ging er die übrigen Materialen durch.
„Hmm…auf das hier muss ich nicht ins Detail gehen. Unwichtiger Kram. Hier wäre noch der besagte Reisepass.“ Er warf ihn zu Melinda hinüber. „Falls er dich interessiert.“[2]
Auf den Brief wollte er nicht näher eingehen. Der Doktor hatte noch etwas vor und je weniger Melinda davon ahnte und je weniger sie wusste, desto besser. Und dann war da noch der Schlüssel. Randolph nahm ihn heraus und drehte ihn im Licht: „Damit hat es wohl auch noch irgendetwas auf sich…aber im Augenblick habe ich noch keine Ahnung, wofür er sein könnte. Vielleicht komme ich noch darauf.“
Er legte alles wieder zurück an die vorgesehene Stelle, bis auf den Zettel der beiden Kleingauner, den er weiterhin in seinem Mantel verwahrte. „Nun zum Inhalt des Buches…“
Er schlug die Notizen auf, ignorierte den kryptischen Satz auf der ersten Seite und fuhr dann mit den folgenden Informationen fort: „Das Notizbuch ist wirklich chaotisch. Hier finden sich einige Listen, technische Zeichnungen, Fließtexte, dann wieder Karten und Gebäudegrundrisse. Es ist relativ komplex. An den Rändern finden sich hingegen oftmals Kreuze, Zahlen und merkwürdige Symbole, bei denen ich keine Ahnung habe, was sie bedeuten könnten.“
Randolph vermutete, dass es mit ihnen nichts Großartiges auf sich hatte. Vielleicht sollten sie auch nur einen potentiellen Dieb verwirren: „Die Listen sind da schon interessanter. Ich vermute sie beschreiben Personen. Hier ist zum Beispiel eine. Die Listen sind immer zweigespalten. Die erste Hälfte enthält Namen von Personen. Die Zweite übrige Informationen. Auch hier ist das zum Beispiel der Fall. Als Personen werden Sorkin aufgelistet und eine gewisse Judith. Letzterer Name sagt mir nichts. Es folgen folgende Begriffe:

Waffen
Sprengstoff
Tingloves


Insgesamt nur eine von mehreren Listen. Hinter einer anderen vermute ich beispielsweise Alan:

Grisham
Abraham
Glock
Simmons
Mortuaire


Das sind die gelisteten Personen. Und dann folgen die Zusatzinformationen:

Eltern
Kunst
Revolution
Alkohol
Alkohol


Randolph rieb sich die Stirn. Dann drehte er das Buch so, dass auch Melinda hinein blicken konnte. Eine Karte wurde gezeigt, die ein Viertel von Soho darstellte. Einige Markierungen waren darauf angebracht worden.
„Das hier“, begann der Doktor. „Ist die einzige der Karten, die ich identifizieren konnte. Vielleicht kommt sie dir ja auch bekannt vor.“ Er deutete mit einem bleichen Finger auf eine markierte Stelle: „Hier ist dein Haus. Der Rest der Markierungen ist auf verschiedene Lokale in der Umgebung platziert.“
Er musste nicht näher darauf eingehen. Melinda wusste sicherlich, welche Lokale gemeint waren und was sie dort tat. Der Doktor massierte seine Nasenwurzel.
„Und hier…neben der Karte. Auf dieser Liste stehen die Informationen zu dir.“ Selbst wenn Melinda nicht lesen konnte, würde sie erkennen können, dass ihre Liste an Personen deutlich größer war, als die von Alan oder auch sämtlichen anderen Listen, die insgesamt alle eher kleiner gehalten waren.
Randolph räusperte sich: „Hier…finden sich folgende Namen: Hill. Portley. Winters. Pryce. Henderson. Saxon. Lounder. Fox. Alberts. Towner. Nun...das waren die Personen.“
Er versuchte unverzüglich zur zweiten Liste über zu gehen: „Und hier stehen noch andere Informationen: Gin. Katzen. Laudanum. Absinth. Fisch. Weintrauben.“




[1] Gassenwissen gegen +1 für Informationen. Je höher der Wurf, desto mehr Input^^

[2] Ich sende dir eine Pn
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Umbra Do Okt 01 2015, 21:44

Maura und Gilbert konnten von ihrer Position aus zwar nicht sehen, was vor sich ging, aber sie konnten es erahnen. Wie viele Personen sich im Erdgeschoss aufhielten, war jedoch schwer zu schätzen. Vielleicht hatte Charles‘ namenloser Bekannter zwei weitere Männer mitgebracht. Vielleicht auch nur einen. Oder aber drei. Jedenfalls liefen mehrere von ihnen aufgeregt herum. Ihre Schuhe machten eindeutige Schrittgeräusche auf dem Dielenboden.
„Und was ist mit…“, setzte Oxley an, aber sein Gesprächspartner fuhr ihm ungeduldig über den Mund:
„Ja ja, darum kümmere ich mich gleich“, murrte der Mann. „Eins nach dem Anderen. Wir beeilen uns ja schon.“
Von unten war ein heiserer, schmerzerfüllter Aufschrei zu hören.
„Vorsicht!“, zischte der Namenslose scharf. „Sorgt dafür, dass er leise ist.“
Dann schien er sich wieder an Oxley zu wenden: „Ich nehme auch die Kutsche mit.“
„Gut“, erwiderte der Butler knapp.
„Und Sie beseitigen alle Spuren, wenn wir fort sind.“
„Das hatte ich vor.“
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Beitrag von Elli Fr Okt 02 2015, 14:59

”Offenbar erfreut sich das Buch großer Beliebtheit. Du bist jedenfalls nicht der Erste und Einzige der das Teil in die Finger bekommen wollte. Ich glaube allerdings du bist der Erste, dem es erfolgreich gelungen ist. Sofern ich das einschätzen kann.“ Sie dachte darüber nach. Nein, Alan war es mit Sicherheit nicht gelungen, dass Buch an sich zu nehmen. Da wüsste sie sicherlich davon. “War mir gar nicht bewusst, dass du solch eine diebische Ader hast…und dabei soviel Geschick, dass Norly es nicht bemerkt. Woebi der ja vermutlich schläft wie ein Murmeltier. Oder hast du nachgeholfen? Hat bei Alan damals auch ganz gut geklappt.“ Sie lachte bei der Erinnerung an Alan wie er nackt und gefesselt auf dem Bett gelegen hatte. Schade, dass niemand erkannt hatte, welche Leistung sie da vollbracht hatte.
Tz. Undankbares Gesindel.
Sie konzentrierte sich jedoch auf die Worte, die Randy zu sagen hatte und warf dann und wann einen Blick auf die Notizen und Zeichnungen die Randy überblätterte. Während all den Sachen die er sagte, schafft sie es ihren Gesichtsausdruck nicht zu verändern. Auch wenn dann und wann die Pulsfrequenz ihres Herzen schneller schlug. Nachdem er geendet hatte, blieb sie einen Augenblick ruhig sitzen und starrte auf die Buchstaben auf dem Papier vor ihr.
“Gut. Machen wir das der Reihe nach, ja? Zuerst die Adressen die du ansprichst. Die Adresse in Soho kenne ich in der Tat. Ich war dort mit Norly selbst und mit Johanna. Das war kurz bevor wir zu dir kamen, glaube ich.“
Sie traute ihrem Gedächtnis nicht. Zu viel Alkohol und Laudanum hatten in der Zwischenzeit den Weg durch ihre Blutbahn gefunden. Sie versuchte sich genau zu erinnern. So ein paar Notizen waren nicht schlecht. Reiche Püppchen, die hinter ihren Rücken von ihren Männern mit Frauen wie Melinda betrogen wurden, führten manchmal Tagebuch und schrieben unnützes Zeug auf. Das hier von Charles konnte doch etwas in der Art sein – nur, so schien es, mit nützlichen Informationen.
Sie zuckte die Schultern und verschwieg, dass es sich um die Wohnung von Norly selbst gehandelt hatte. Das musste Randolph nicht wissen. “Whitechapel sagt mir auch was. Natürlich tut es das. Du hast eben schon angemerkt, dass ich mich dort auskenne.“ Ihr Blick ließ nun endlich von den Buchstaben ab und wanderte zu Randolph hinüber um wieder Blickkontakt aufzunehmen. “Wir wollten uns dort ursprünglich zu....sagen wir einer Lagebesprechnung treffen. Daraus wurde jedoch so nichts.“
Sie griff nach dem Reiseplan und blätterte darin, sie wollte abgelenkt aussehen, wenn sie auf die Adressen aus Manchester zu sprechen kam.  “Du hast Recht. Zu den Adressen in Manchester kann ich nichts sagen. Ich bin schließlich das erste Mal außerhalb von dem Drecksloch London. Keine Ahnung wo hier der Bahnhof oder Familie Stead zu finden sind.“ sie zuckte gekonnt erneut mit den Schultern. Sie lachte und hörte selbst, wie schief es klang. Randolph würden den Mord an den Steads sicherlich nicht gut heißen. Zeugen konnte sie nicht gebrauchen, also versuchte sie alles zu umschiffen.
Ablenken. ABLENKEN!
“Hast du das Bild hier gesehen.“ Sie blickte Randy an und lachte wieder. Diesmal klang es echt. “Da sieht er noch sehr jung aus.“ Sie lächelte und klappte den Pass wieder zu. “Unter falschem Namen reisen kann ich nicht schlecht bewerten. Das haben wir auch getan um nach Manchester zu gelangen und ich stelle mich auch nur den wenigstens mit meinem richtigen Namen vor.“
Dann verstummte sie jedoch wieder und blickte auf die Karte, die Randolph ihr gezeigt hatte.
Sie musste etwas dazu sagen, dass war klar. Zu den Namen fiel ihr eine Menge ein, doch das würde sie zu Charles sagen. Nicht zu Randolph.
“Ich weiß nicht, ob Norly dir erzählt hat, wie er auf den urspünglichen Trupp gekommen ist. Er hat uns ausgesucht. Er brauchte Personen mit gewissen Kenntnissen und Fähigkeiten. Ist doch nur natürlich, dass er sich ein Bild über uns gemacht hat.
Sie musste den Schein wahren, so tun, als würde es ihr nichts ausmachen, was ihr alter Freund ihr eben vorgelesen hatte. Gin. Katzen. Laudanum. Absinth. Fisch. Weintrauben. Scheiße.
Sie rieb sich müde durch das Gesicht und atmete tief ein. “Ich meine, hey, das ist doch normal. Wenn man mit jemandem zusammen arbeitet, braucht man schone in paar Infos über denjenigen. Ist das in anderen Berufen nicht so? Man geht zum Chef, stellt sich vor. Hallo, Termaine mein Name. Ledig. Kinderlos. Arzt. Das ist doch völlig normal." tat sie den Fund ab.
“Auch wenn ich zugeben muss, dass Charles nicht besonders gut gewählt hat. Nur noch ich bin übrig, von seiner Auswahl. Ob er damit die richtige Wahl getroffen hat, wird sich noch zeigen…“ sagte sie noch etwas gedankenverloren.
“Warum ist dir das Teil so wichtig? Warum fragst du Norly nicht danach?“ sagte sie, während sie auf das Buch deutete und wünschte sich, nicht erfahren zu haben was darin stand. Etwas in ihr war zerbrochen. Nur wusste sie noch nicht was. Sie hoffte es war nicht ihr Vertrauen zu Charles gewesen, gerade war alles sehr durcheinander. Eben hatte sie noch so gute Laune gehabt und nun das.
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Beitrag von Darnamur Fr Okt 02 2015, 22:50

Alan. Natürlich war es Alan.
Ich möchte Ihnen ein Geschäft vorschlagen, Doktor. Ein Geschäft, das nicht zu Ihrem Schaden sein wird, oder zu dem von Miss Bolt und Ihren neuen Freunden…
Scheinbar waren sie einander doch ähnlicher, als es der Doktor angenommen hatte. Der Bastard musste denselben Gedankengang gehabt haben wie er, als er mit Mister Crowne Kontakt aufgenommen hatte. Das hatte Tremaine nicht vergessen. Er wunderte sich nun, den Zusammenhang nicht sofort erkannt zu haben. Vermutlich hatte Charles Recht gehabt: Randolph benötigte ebenfalls Schlaf und Ruhe.
Aber er war diszipliniert genug, um dies auf später aufzuschieben. Deshalb war es ihm vielleicht im Gegensatz zu dem Säufer gelungen an die Notizen heranzukommen.
Mr. Stirling hat sich in dieser Hinsicht als weniger nützlich erwiesen als erhofft…
„Nein…viel Geschick hat es nicht gebraucht, um ihn zu bestehlen“, meinte Randolph düster. Da es gerade eben erst geschehen war, stand ihm der Diebstahl noch überaus bildhaft im Gedächtnis. Seine Finger hatten vor Anstrengung sehr gezittert. Hätte Norly nicht vor sich hin gedämmert wie ein ertrunkener Walfisch, hätte er ihn bestimmt bemerkt. Doch damit war zu rechnen gewesen. Norly hatte die letzte Nacht kein Auge zu getan und auch der heutige Morgen und die Auseinandersetzung in der Lagerhalle mussten äußerst kräftezehrend gewesen sein. Bestimmt war auch ihm der Aufstieg in den dritten Stock nicht unbedingt leicht gefallen.
„Und ja, du hast es erfasst…“, Randolphs rechter Mundwinkel zuckte kurz nach oben. „Ich bin vom Ermorden von Menschen, zu ihrem Bestehlen übergegangen. Ich dachte mir, dass das sozialverträglicher ist.“ Bist du nun stolz auf mich, Vater?
Der Doktor rieb sich die Stirn mit der rechten Hand. Den Ellenbogen hatte er auf dem Schreibtisch abgestützt: „Verflucht…ich will doch eigentlich auch nicht in Charles‘ Privatleben schnüffeln. Mich interessiert auch nicht, wie viel und welches Obst er einkauft. Ich will nur nicht verarscht werden. Ich folge Norly nun schon einige Tage und weiß rein gar nichts darüber, was er vorhat. Dieses Teil hier…“
Der Doktor wischte das Notizbuch abfällig mit dem Handrücken zur Seite: „…hätte uns Klarheit verschaffen können.“
Frustration stellte sich bei ihm. Antworten. Das war es, was er sich erhofft hatte. Und er hatte erwartet dass diese Hoffnung nicht unbedingt unrealistisch war. Aber nein. Alles was er bekommen hatte, waren neue Fragen. Fragen, Fragen, Fragen. Als ob er nicht schon genug Probleme hatte.
Diese Scheiße stinkt zum Himmel.
„Norly ist ein sehr spezieller Mensch. Ich glaube es gefällt ihm sich mit Mysterien zu umgeben und andere im Dunkeln zu lassen. Er glaubt bestimmt auch daran, dass seine Pläne todsicher sind. Aber das ist nicht der Fall…“
Randolph hatte sich schon immer gewundert gehabt, dass Norly bislang immer mit einem blauen Auge davongekommen war. Und Crowne hatte seine Vermutungen bestätigt gehabt.
Lassen Sie es mich so ausdrücken: Hätten wir gewollt, dass er inhaftiert wird, hätten wir schon am Tag mit der treibenden Auseinandersetzung mit Chief Commissioner Hill dafür gesorgt.
Zu diesem Zeitpunkt, spätestens aber nachdem er sich mit O’Sullivan eingelassen hatte, hatte der Doktor eingesehen, dass sie diesem Mann nicht weiterhin blind folgen konnten.
„Das weiß ich mittlerweile. Und deshalb habe ich mich dazu entschlossen mir Informationen zu beschaffen. Freiwillig würde er mich nie aufklären, sondern nur zuschwafeln. Das kann er schließlich. Nur das dieses Ding hier…“ Er wies auf das Notizbuch. „…sich als größtenteils unnütz entpuppt hat.“
Resigniert seufzend lehnte sich der Arzt in seinem Stuhl zurück. Er würde nun erstmal ruhig bleiben und dem lauschen, was Melinda zu sagen hatte. Das mit den Adressen war durchaus interessant. Warum sie allerdings aus heiterem Himmel schief zu lachen begann, verstand er nicht ganz.
Der Doktor zog für einen Moment die Augenbrauen zusammen, doch Melinda beruhigte sich relativ schnell wieder und er hatte den merkwürdigen Augenblick schon wieder verdrängt.

Erneut wurde ihm von Melinda das Bild von Norly vor Augen geführt. Ja, er sah eindeutig um einiges jünger aus, als heute. Aber die Narbe hatte er damals schon gehabt. Vor Indien. Er fragte sich, was es damit wohl auf sich hatte. Nur ein weiteres Rätsel. Hatte er sich vielleicht mit jemandem duelliert? Die Wunde könnte von einem Degen stammen…
Dann kam sie auf die Namen zu sprechen. Randolph fühlte ein beklemmendes Gefühl in sich aufsteigen. Er hatte Melinda nicht damit konfrontieren wollen, aber hätte er es verschwiegen, wäre ihr kein guter Freund gewesen. Er atmete tief durch.
Doch ihre Reaktion überraschte ihn. Randolph blickte Melinda etwas perplex an. Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass sie das Ganze einfach so abtun würde. Als wäre es vollkommen normal. Denn das war es nicht. Es war alles andere als normal einen Menschen tagelang, wer weiß, vielleicht sogar wochenlang hinterher zu spionieren, in sein Privatleben einzudringen und zu versuchen seine Vorlieben herauszufinden.
Randolph ahnte, dass es sich bei den Meisten der gelisteten Männer um Freier handeln musste. Die meisten von diesen Gestalten, die Huren aufsuchten, was nicht mal wenige in der Londoner Mittelschicht waren, bevorzugten es eine gewisse Diskretion zu wahren. Norlys Ermittlungsarbeit musste in dieser Hinsicht erschreckend passioniert gewesen sein. Und Melinda schien das nicht zu erkennen.
Scheiße. Sie scheint tatsächlich verliebt zu sein…
Randolph wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Melinda war eine erwachsene Frau. Letztlich musste sie wissen, was zu tun war, aber…
„Ja, doch, natürlich.“, stimmte er ihren Ausführungen zu. Dass er selbst wenig überzeugt davon war, konnte man seinem Gesicht ablesen. Dieser Perverse. Er hat sie analysiert, dann hat er sie entführt und jetzt benutzt er sie für seine Gelüste. Jetzt hat er, was er wollte. Seine eigene, persönliche Hure.
Randolph versuchte sich die finsteren Gedanken nicht anmerken zu lassen, aber in seinem Kopf spielte sich bereits ein Szenario ab, in dem er zurück in Charles Zimmer schlich und ihm ein Skalpell durch den linken Augapfel rammte. „Vielleicht hast du Recht. Vielleicht hätte ich Norly noch eine Chance geben und mit ihm reden sollen. Das sollte ich wohl noch einmal tun.“
Ja, der Doktor würde mit ihm reden müssen. Irgendwann würde er es nicht mehr aufschieben können. Aber dann würde er nicht über das Notizbuch reden. Melly erzählt er davon nichts. Sie würde ihn nur davon abhalten. Und das wäre nicht zu ihrem Besten.
Randolph seufzte. Wieder einmal hatte sich die Lage verkompliziert.
„Willst du noch über den Rest des Buches Bescheid wissen? Es gibt hier und da noch ein paar Listen und Karten, aber den Großteil der Texte verstehe ich nicht. Teilweise sind sie in Französisch, in irgendeiner asiatischen Schrift oder anderweitig verschlüsselt geschrieben. Das Einzige, was noch erwähnenswert ist, ist die letzte Seite…“
Der Doktor schlug das Buch noch einmal auf und blätterte bis zur besagten Stelle vor. Melinda konnte darauf ein Netzwerk von Wörtern und Symbolen erkennen, die mit Linien und Pfeilen miteinander verbunden waren. „Das hier konnte ich zwar auch nicht entziffern, aber man kann an einigen Stellen Wörtern erkennen. Arzt, Ehefrau, Cleopatra, Whiskers, Höllenhund und Hexe. Was das nun aber zu bedeuten hat, weiß ich nicht genau. Es könnte sich um Personen handeln. Vielleicht bin ich mit dem Arzt gemeint.“
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Leo Mo Okt 05 2015, 19:27

Maura erschrak, als sie das Gespräch im Erdgeschoss weiter verfolgte, doch sie ließ sich nichts anmerken. Ihr Herz schlug so laut, dass sie Sorge hatte, es könnte auch durch ihre Brust hindurch zu hören sein.
Darum kümmerte er sich gleich? Worum? Um sie?
Rosige Aussichten. Wie es aussah, wenn dieser Mann sich ‚kümmerte‘, das hatte sie ja schon miterlebt – Peng! und ein Ire weniger.
Sie hätte gern über die Brüstung gesehen, um zu erkennen, wen die Männer mit sich schleppten, doch sie wagte es nicht. Zu groß war die Gefahr, entdeckt zu werden, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass bei dieser Aktion Zaungäste erwünscht waren. Und schon gar nicht sie. Norlys Freund kannte sie bereits, und zwar besser, als sie es sich gewünscht hätte. Warum nur hatte sie unbedingt die Kontrolle verlieren müssen, verdammte Scheiße!
Und deinen Sohn wirst du nie wieder sehen, Thomson …
Das würde sich erst noch herausstellen.
Sie sah sich auf dem Flur um, doch da war nur ein großes Fenster und Türen, eine Menge Türen. Wo die wohl alle hinführten? Eine zweite Treppe war nicht zu sehen, aber sie hatte nicht die Zeit, alle Räume nach einer abzusuchen, und außer einem Weg nach unten waren ihre Einfälle nicht sehr gut. Aus dem Fenster in den ersten Stock hangeln? Nicht in ihrem Alter. Oder aufs Dach? Nein, dazu standen die Gebäude in dieser Gegend nicht dicht genug aneinander. Und man würde sie von unten leicht sehen können.
Spring doch aus dem Fenster, Thomson. Erster Stock, das sind nur ein paar Meter. Brichste dir wahrscheinlich alle Knochen bei, aber besser als ne Kugel im Kopf, oder?
Eine ihrer Romanfiguren würde das überleben und sich höchstens die Nase blutig schlagen. Sie selbst bestimmt nicht. Genicke brachen leicht. Nein. Sie hatte eine bessere Idee.
Wright!“ Sie machte ein paar Schritte von der Brüstung weg und zischte in die Richtung, in der Norlys Vasall wohl noch immer stand. Sie sprach leise, trotzdem klang es noch verräterisch laut. „Sie kennen diese Stube hier besser. Gibt es einen Weg, wie wir ungesehen hier herauskommen? Einen Hinterausgang vielleicht?“ Die aufgesetzte Höflichkeit war gewichen und hatte einem drängenden Ton Platz gemacht, der auf eine sofortige Antwort pochte.
Ja, das war Maura Thomson. In dieser Stimme erkannte sie sich endlich wieder.
Sie hoffte inständig, dass der Mann seinen kindischen Zorn überwunden hatte und bereit war, ihr zu helfen. Hoffentlich verstand er den Ernst der Lage.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Elli Di Okt 06 2015, 10:28

“Sozialverträglicher.“ Melinda musste lachen, war das Thema auch noch so ernst. “Es scheint als hättest du deinen Humor, doch nicht komplett gemeinsam mit Lynett verloren.“ Sie fand, dass es an der Zeit für Randolph war, über diesen Verlust hinwegzukommen. Zu lange badete er nun in ihren Augen in seinem Selbstmitleid, weil die Hure nicht mehr Teil seines Lebens war. Irgendwann war jeder Schmerz, Verlust und vielleicht auch Wahnsinn überstanden.
"Du scheinst es abstrus zu finden, dass er uns beobachtete, bevor er uns auswählte und die Namen einiger meiner Kunden aufgeschrieben habe.“ Lapidar deutete sie wieder auf das Buch, auch wenn nun eine andere Seite aufgeschlagen war. “Ich bin nicht dumm, auch wenn ich das Dummchen wunderbar spielen kann. Du kennst vielleicht einige der Namen. Nicht nur deren Ansehen, sondern auch mein Leben sind in Gefahr wenn die geschäftlichen Beziehungen zu einem dieser Männer öffentlich wird. Weißt du wie viele Huren nicht mehr auftauchten, nachdem soetwas bekannt wurde? Man bezichtigt sie der Geisteskrankheit und Idiotie und wirft sie in eines dieser Gesundheitshäuser, oder wie die Dinger auch immer heißen. Dann nimmt man lange Metallstäbe und fuchtelt damit in ihrem Köpfen rum, bis sie nicht mehr wissen, wer sie sind und was sie mit wem getan habe. Du weißt sicher was ich meine. Keine Zeugen. Sollte dieses Buch in falsche Hände kommen, möchte ich nicht darüber nachdenken, was dann mit mir passiert.“ Sie zuckte mit den Schultern. Vielleicht wäre das Leben gar nicht so schlecht, wenn das größte Problem wäre, dass man einen Sabberfleck auf dem Kittel haben würde. Sie wollte jedoch nicht weiter darüber nachdenken, sondern hatte einen anderen Punkt gefunden, denn sie sogar recht amüsant fand, weshalb sie schief lächelte.
“Weißt du was ich recht komisch finde? Du beschwerst dich das Norly mich verfolgt hat und machst das gleiche bei ihm? Du müsstest mir da deine Moralvorstellungen mal etwas näher bringen, das verstehe ich nicht ganz.“ Belustigt zog sie eine Augenbraue in die Höhe. Norly hatte einige Informationen aufgeschrieben, die sie verunsicherten und erschraken. Abgesehen von den Namen, denn wenn es Charles gelungen war, diese in Erfahrung zu bringen, konnte das auch bei anderen funktionieren, waren es eher die kleinen Dinge auf der Liste. Fisch. Woher wusste er das bloß. Weintrauben.
Sie schüttelte den Kopf. Was ein Mist. Sie war viel zu unvorsichtig gewesen.
Mag es am Alkohol liegen?
Schließlich griff sie wieder zu dem Buch und warf einen Blick auf die Seite die Randolph ihr entgegen hielt. Sie runzelte die Stirn.
“Ich glaube das ist eine Art…sagen wir Tagebuch. In Kurzform. Ich glaube auch, dass du mit Arzt gemeint bist. Du warst damals meine einzige Hoffnung. Wie schon so oft. Manches verstehe ich davon auch nicht, aber ein paar Begriffe kann ich Begegnungen zuordnen. Denke ich.“
Sie blickte wieder zu Termaine hoch.
“Nun. Glaub mir, ich will sicher nicht den Moralapostel spielen, aber wie soll es weiter gehen? Du meintest du würdest mit Norly sprechen wollen. Guter Plan. Lass‘ uns gleich herüber gehen und mit ihm über das Buch reden.“ Sie beugte sie vor und lächelte Randolph an. Ihr Vorschlag war durchaus ernst gemeint gewesen. Die Unterhaltung würde sicherlich erheiternd. Oder aber Randy hatte ein Angebot für sie, welches sie umstimmen würde. Für den Moment.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Thorgrimm Do Okt 08 2015, 03:47

Das hört sich gar nicht gut an. Gilbert war zwar immer noch überzeugt, dass Norlys Freund sie nicht direkt umbringen würde aber zumindest würde er sich um sie kümmern - was auch immer das genau bedeutete. Auf jeden Fall würde er sie nicht so einfach gehen lassen und Gilbert hatte keine Lust, noch viel Zeit in diesem Haus zu verbringen. Sie mussten also wohl oder übel fliehen. Nur wie sollten sie das anstellen?
Interessant war allerdings auch, dass er einige Leute mitgebracht hatte und diese anwies, dafür zu sorgen, dass eine Person leise sein sollte. Gilbert musste nicht lange nachdenken um sich sicher zu sein, um wen es sich handelte. Im Lagerhaus hatte Norlys Freund schließlich versprochen, sich um die Leute zu kümmern. Vermutlich hatte er Hilfe geholt und dann entschieden, einen der Männer aus dem Lagerhaus hierher zu bringen. Wieso er sich dazu entschieden hatte, war Gilbert schleierhaft aber das war jetzt auch überhaupt nicht die Frage. 'Konzentrier dich, Gil!' mahnte er sich selbst.
Bevor sich der Maler noch weiter mit diesem Thema beschäftigen konnte, zischte ihm Thomson etwas zu. So wie sie klang, war sie ebenfalls zu dem Schluss gekommen, dass es eine ganz schlechte Idee war, im Haus zu bleiben. Nur leider konnte er ihr nicht helfen.
"Ich war selbst erst einmal hier und das nicht besonders lange. Ich kenne das Haus nicht besonders gut." Das entsprach sogar mehr oder weniger der Wahrheit. Er hatte hier zwar eine Nacht verbracht aber keine Zeit gehabt, sich im Haus umzusehen. Ihnen musste irgendein anderer Weg einfallen. "Wenn es einen zweiten Ausgang gibt, dann sicher unten und da würde ich jetzt nicht hingehen. Wir müssen wohl oder übel einen Weg finden, von hier oben aus zu verschwinden." Sie würden vermutlich aus einem der Fenster steigen müssen, was Gilbert wirklich nicht behagte. So wie es allerdings aussah, blieb ihnen kaum eine Wahl. Das untere Stockwerk mussten sie umgehen.
"Ich schlage vor, dass Sie sich die Fenster in den Zimmern da vorne ansehen und ich schaue mich in diesen Zimmern genauer um." flüsterte er schließlich zurück und zeigte dabei jeweils auf die eine und andere Seite des Hauses. Sie mussten einen Weg finden und wenn sie die Zimmer aufteilten, sparten sie zumindest etwas Zeit beim Suchen.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 10 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur Do Okt 08 2015, 23:09

Es scheint als hättest du deinen Humor, doch nicht komplett gemeinsam mit Lynette verloren.
Ja, fast hätte Randolph diesen Augenblick amüsant gefunden, wenn Melinda nur ihren Namen nicht erwähnt hätte. Lynette…er spürte wieder das Gefühl in sich, etwas auf ewig verloren zu haben. Und er war schuld daran.
Wie konnten Sie nur? Ich meine, Ihr eigener Vater. Der Mensch, der Ihnen das Leben geschenkt hat…
Er hatte das alles gestartet, er hatte alle ins Unglück gestürzt. Seinen Vater, seine Mutter, seine Geliebte, sich selbst. Wie sollte er sie vergessen? Wie sollte er seine Schuld, seine unendlich große Schuld, die auf seinen Schultern lastete, vergessen?
Er konnte sie doch nicht einfach begraben. Das würde er nicht schaffen. Ihm kam wieder dieser seltsame Traum in den Sinn, den er gehabt hatte. Mittlerweile war seine Erinnerung daran etwas undeutlich geworden. Er hatte seine Mutter, Lynette und Melinda begraben müssen. Alan war irgendwie darin vorgekommen. Er hatte sich mit Mr.C unterhalten.
Von ihrem Gespräch wusste er nichts mehr. Es gab nur einen einzigen Satz, der sich in seinen Schädel eingebrannt hatte: Tun sie es und befreien sie sich von sich selbst…
Nein! Der Doktor schob den Gedanken sofort beiseite. Das konnte er niemals tun. Allein wenn er daran dachte, spürte er Zorn in sich hochkochen. Er wollte nicht mehr darüber nachdenken. Schluss mit diesem Unsinn...
„Keiner außer mir wird dieses Buch in die Hände bekommen“, antwortete er Melinda, um seine Gedanken auf ein anderes Thema zu richten. Was er sagte war nicht völlig wahr. Er konnte es nicht ausschließen. Aber sollte er C. das Buch aushändigen, würde er zuvor alle Informationen über Melinda aus dem Werk heraus löschen. Das hatte er ohnehin vorgehabt. Sie hatte mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun und sie in Gefahr zu bringen war das Letzte, was er wollte. Es ging nur um Charles. Und darum, was er verbarg.
Es wäre nicht auszudenken, was mit Melinda geschehen würde, wenn die Sache aufflog. Schon damals bei der Hill-Affäre hatte er geglaubt, dass es übel für sie werden könnte. Doch sie hatte Glück gehabt. Randolph wollte nun nicht um ihr Leben pokern.
Du wirst das Ganze überstehen. Durch seine rot geränderten Augen musterte er Melinda müde und erschöpft. Selbst wenn ich sterbe. Selbst wenn Charles sterben muss.
Der Doktor konnte sich keine Welt vorstellen, in der Melly tot war. Er wollte sich auch gar nicht so eine Welt vorstellen. Eine Welt, in der er dann endgültig seine gesamte Familie in den Tod getrieben hatte. Grauen erfasste ihn bei dem bloßen Gedanken daran. Sein Blick verweilte auf Melinda. Nur werde ich sie nicht ewig beschützen können. Das wird sie auch gar nicht zulassen. So ist Melly nicht.
„Und du vergisst einen Unterschied. Ich verfolge Norly nicht. Ich versuche nur die Lage zu durchschauen, in die er uns alle gebracht hat. Was auch immer er vorhat, es ist absolut egoistisch von ihm uns in keinster Weise in seine Planungen einzuweihen, die uns alle ins Verderben reißen können. Im Augenblick ist er ein Mann, in einer verzweifelten Lage. Siehe dir nur diese Fabrik an. Was er alles verloren hat. Wie tief er gefallen ist. Verzweifelte Menschen neigen zu verzweifelten Taten. Und ich möchte nur, dass niemand von uns ihnen zum Opfer fällt, Charles eingeschlossen. Dieser Diebstahl ist nichts Persönliches.“
Er hoffte das Melinda das verstand. Und wenn sie es nicht verstand…er würde tun, was zum Besten der Gruppe war. Wie auch immer diese Entscheidung dann aussehen würde.
Zu ihren Erklärungen konnte er nicht viel sagen. Auch wenn sie meinte etwas zuordnen zu können, ganz verstehen tat Melinda das Ganze auch nicht, das war offensichtlich. Die Frage war, wer so etwas entziffern könnte. Diesen verdammten Code, diese verdammten Rätsel…
Charles würde es ihnen jedenfalls nicht offenbaren. Das stand fest.
„Wir reden mit ihm. Aber nicht jetzt“, meinte er zu Melinda. „Zuvor möchte ich herausfinden, was es mit dem Rest des Inhalts auf sich hat. Charles darf solange nichts erfahren.“
Er fixierte Melindas blaue Augen. Hoffentlich konnte er sich auf ihr Schweigen verlassen. In letzter Zeit war er ihr vielleicht nicht immer der beste Freud gewesen. Nein, das war eigentlich noch untertrieben. Er war ein miserabler Freund gewesen. Selbst bei sich zu Hause in der Praxis hatte er sie noch angeherrscht, dass er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Nur eine weitere seiner idiotischen Handlungen.
„Ich habe schon eine Idee, wie ich alles Nötige herausfinden werde. Alles was ich brauche ist ein wenig Zeit.“
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Beitrag von Elli Di Okt 13 2015, 11:22

Melinda lehnte sich wieder zurück und schnaubte. Sie blickte auf ihre Hand herunter und betrachtete ihre Nägel bevor sie ihren Blick wieder nach oben wand. "Ich denke wir sehen den Sachverhalt etwas anders. Du verfolgst Norly nicht, richtig. Aber du bist nicht besser als er. Du durchsuchst seine Sachen. Das habe nicht einmal ICH getan."
Oh. Oh. Oh. Meinst du das stimmt so? Ich bin mir da nicht so sicher.
Sie ließ ihren Blick durch den trostlosen Raum wandern, während sie über die Worte von Randolph nachdachte. "Aber ich glaube du brauchst mir nicht zu erzählen, wie es ist Dinge zu verlieren. Wir alle drei, du, Charles und ich haben unsere gesamten Leben verloren. Nicht wahr? Du hast es an dem Tag verloren an dem Lynett verschwand, Charles als man ihn zu Scarface machte und ich verlor meins am Tage meiner Geburt. Wir alle sind verzweifelt und zumindest sofern ich von mir sprechen kann, habe ich mich mit meinen Taten bisher nicht mit Ruhm bekleckert. Dennoch vertraust du mir. Komisch, oder?"
Im Grunde wusste sie nicht, warum Randy so misstrauisch war, oder sie es eben nicht. Sie vertraute so gut wie nichts und niemandem. Vielleicht irrte sie sich in Charles und es war große Vorsicht geboten. Sie sollte sich wirklich Gedanken darüber machen, wie es weiter gehen sollte. Sie benahm sich wie ein verliebtes Kind. So konnte das nicht weiter gehen.
Sie hatte den Diebstahl nicht begangen und war somit fein raus. Nun war es an ihr die Entscheidung zu treffen zu schweigen oder zu reden. Fiel sie damit Charles in den Rücken? Oder andersherum Randy, wenn sie etwas sagte. Eine Zwickmühle. Doch keine die man nicht im Zweifelsfall zu ihren Gunsten umkehren konnte .
"Du forderst mich also auf zu schweigen. Ich denke das könnte ich tun. Ich bin mir nur nicht ganz sicher warum genau ich das machen sollte. Hm. Lass' hören, was du vorhast. "
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Beitrag von Darnamur Sa Okt 17 2015, 13:12

Randolph klappte das Notizbuch zu und verstaute es wieder in seinem Mantel. Dieses Gespräch begann ihm immer weniger zu gefallen. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, Melinda einzuweihen. Er wollte ihr nicht von Mr. C erzählen. Das könnte sie wirklich in Gefahr bringen, wenn er sich in dem Kerl täuschte.
„Ich bin ja auch kein guter Mensch“, meinte er finster. „Etwas anderes habe ich nie behauptet. Ich versuche nur zu tun, was ich für sinnvoll halte“
Gab es überhaupt gute Menschen in dieser Welt? Vielleicht hielt sich Charles für einen. Vielleicht war er es sogar, zumindest besser als die Meisten. Trotzdem wollte er Rache, wollte er Blut fließen sehen. Und das könnte nicht zu seinen Gunsten enden.
„Wenn ich dir vertraue, ist das etwas anderes. Ich kenne dich seit du ein kleines Mädchen warst. Charles Norly kenne ich nun seit ein paar Tagen und er ist definitiv ein Mensch, der Geheimnisse um sich scharrt.“
Er dachte an seinen ersten Begegnungen mit Melinda. Ein kleines krankes Mädchen. Auffällig war schon damals die graue Strähne in ihrem Haar gewesen. Damals hätte er vielleicht noch etwas ausrichten können. Verhindern können, dass sie später ihren Körper für bare Münze verkaufen musste. Ein weiterer seiner Fehler…aber natürlich wäre sein Vater ohnehin nicht damit einverstanden gewesen.
Trotzdem hätte er ihr helfen sollen. Jetzt wusste er das. Melindas Krankheit, erzeugt durch diese scheußlichen Fabrikdämpfe, hatte er kurieren können, doch es war ihm nicht gelungen, ihre Symptome zu beseitigen.
„Ich brauche nur ein paar Tage Zeit um herauszufinden, was es mit dem Buch auf sich hat. Welchen Code auch immer Norly hierfür verwendet hat, das Ganze lässt sich bestimmt entschlüsseln, wenn ich mich ein wenig intensiver damit beschäftigen kann.“
Crowne wird bestimmt sorgfältig arbeiten.
Randolph stützte sich auf dem Schreibtisch ab und begann sich hochzustemmen. „Wenn du ihm Bescheid sagst, wird er mich bestimmt für den Rest meiner Existenz hassen und wir werden nie herausfinden, was es mit dem Inhalt auf sich hat. Dann war die gesamte Aktion nutzlos. Gib mir einfach noch ein, zwei Tage Zeit.“
Er erhob sich endgültig, begann den Schreibtisch zu umrunden und dann in Richtung Tür zu humpeln. Für ihn war dieses Thema nun erledigt.
„Ich gehe essen. Willst du auch etwas?“
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