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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
+2
Umbra
Sensemann
6 verfasser
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Maura rückte instinktiv ein Stück vom Fenster ab, als sie draußen Bewegung bemerkte. Angestrengt sah sie durch das Fenster nach draußen – und erblickte einen der Polizisten, die sie vorhin angesprochen hatten. Sie machte vorsichtshalber noch einen Schritt zurück, doch der Typ schien weder durch das Fenster kommen zu wollen, noch hatte er sie überhaupt entdeckt. Stattdessen machte er sich an der im Boden befindlichen Kohlenluke zu schaffen, scheinbar bestrebt, dort einzusteigen.
Maura runzelte die Stirn. Wollte der Typ ungesehen ins Haus eindringen? Tja, das war ihm schon mal nicht gelungen. Aber was jetzt? Sollte sie ihn stoppen? Allein? Nein, das war keine Option. Der Mann war bestimmt bewaffnet und um die zehn Jahre jünger als sie, und sie war nur eine einfache Schriftstellerin mit einem jämmerlichen Brotmesser. Was dann? Den Kellereingang versperren? Sie sah zu der Tür hinüber. Nein, dann würde er sofort wissen, dass er bemerkt worden war. Lieber ließ sie den Polizisten noch eine Weile im Dunkeln.
Vielleicht war es das Beste, ihre Information erst einmal mit den anderen zu teilen. Vielleicht konnte sie sich so sogar ein wenig Vertrauen seitens ihrer neuen Verbündeten einholen – es schien ihr keine schlechte Gelegenheit dazu.
Sie wartete sicherheitshalber, bis der Mann in eine andere Richtung sah, dann machte sie sich eiligen Schrittes auf, zurück zu Oxley, Wright und Norlys Kumpan, dessen Namen sie noch immer nicht wusste.
Doch als sie das Esszimmer verließ, stand dort nur Wright, einsam und vergessen. Von den anderen beiden Männern war keine Spur zu sehen.
„Mr. Wright? Wo sind Oxley und … der andere?“ Sie sprach zwar gedämpft, doch nicht leise. Hier, in der Mitte des Hauses, bestand wohl wenig Gefahr, außen gehört zu werden. „Es dürfte Sie alle drei interessieren, was ich beobachtet habe – einer der Polizisten verschafft sich gerade Zugang über den Kohlenkeller. Ich habe ihn zufällig draußen gesehen. Das könnte eine einmalige Chance sein!“
Maura runzelte die Stirn. Wollte der Typ ungesehen ins Haus eindringen? Tja, das war ihm schon mal nicht gelungen. Aber was jetzt? Sollte sie ihn stoppen? Allein? Nein, das war keine Option. Der Mann war bestimmt bewaffnet und um die zehn Jahre jünger als sie, und sie war nur eine einfache Schriftstellerin mit einem jämmerlichen Brotmesser. Was dann? Den Kellereingang versperren? Sie sah zu der Tür hinüber. Nein, dann würde er sofort wissen, dass er bemerkt worden war. Lieber ließ sie den Polizisten noch eine Weile im Dunkeln.
Vielleicht war es das Beste, ihre Information erst einmal mit den anderen zu teilen. Vielleicht konnte sie sich so sogar ein wenig Vertrauen seitens ihrer neuen Verbündeten einholen – es schien ihr keine schlechte Gelegenheit dazu.
Sie wartete sicherheitshalber, bis der Mann in eine andere Richtung sah, dann machte sie sich eiligen Schrittes auf, zurück zu Oxley, Wright und Norlys Kumpan, dessen Namen sie noch immer nicht wusste.
Doch als sie das Esszimmer verließ, stand dort nur Wright, einsam und vergessen. Von den anderen beiden Männern war keine Spur zu sehen.
„Mr. Wright? Wo sind Oxley und … der andere?“ Sie sprach zwar gedämpft, doch nicht leise. Hier, in der Mitte des Hauses, bestand wohl wenig Gefahr, außen gehört zu werden. „Es dürfte Sie alle drei interessieren, was ich beobachtet habe – einer der Polizisten verschafft sich gerade Zugang über den Kohlenkeller. Ich habe ihn zufällig draußen gesehen. Das könnte eine einmalige Chance sein!“
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
"Das habe ich auch nicht von Ihnen erwartet!" zischte Gilbert dem Mann wütend zu, als er sich daran machte, in das Nachbarzimmer zu laufen. Der Maler wollte diesem egoistischen, eingebildeten Idioten noch so einiges sagen aber er war einfach nicht dazu gekommen, auch nur ein Wort zu sagen. Jetzt musste Gilbert damit leben, seiner angestauten Wut keinerlei Ventil bieten zu können, durch welches er sich abregen konnte.
Für wen hielt der Mann sich überhaupt? Gilbert wollte nicht den Helden spielen und das er sich durch seine Neugierde in die Scheiße geritten hatte, war ihm schon lange klar gewesen. Man musste kein Genie sein, um das erkennen zu können. Alles was er wollte, war es, endlich Abschied nehmen zu können und alles hinter sich zu lassen. Kein "Möglicherweise-Serienkiller-Norly", keiner seiner verrückten Freunde und auch keine Ms. Thomson mehr. Er wollte nur noch seine Ruhe haben. Mehr nicht. War das etwas bereits zu viel verlangt?
Wieso sich der Mann sich auf einmal vor ihm rechtfertigen musste, verstand Gilbert sowieso nicht. Wenn dann musste sich Norlys Freund für seine Taten vor sich selbst verantworten. Vielleicht wurde Gilbert auch nur ausgenutzt, damit der Mann endlich mal seine miese Laune loswerden konnte. Vermutlich war das der Grund.
Was er zu Ms. Thomson sagte, mochte allerdings zumindest zum Teil stimmen. Die Frau war nicht ohne und verfolgte ihre eigenen Ziele. Gilbert bezweifelte zwar, dass sie gegen ihn aussagen würde aber eine Verbündete war sie auch nicht unbedingt. Sie war unberechenbar und egoistisch. Das war keine gute Voraussetzung für eine Zusammenarbeit. Zusätzlich durfte er jetzt ihren Fehler ausbaden. Vermutlich sollte er sich von Ms. Thomson so schnell es nur ging, wieder trennen. Jegliche Verbindung zu dieser ganzen Sache kappen und endlich in seinen wohl verdienten Urlaub gehen. Wenn er hier nun überhaupt noch rauskam... was zweifelhaft war.
Während Gilbert noch damit beschäftigt war, das Gespräch mit Norlys Freund zu verarbeiten und seine Wut herunterzuschlucken, betrat die Übeltäterin den Raum. Er versteckte seine Abneihgung gegenüber der Frau nicht mehr. Bisher hatte sie ihm nur Probleme gemacht. Vermutlich sollte er tatsächlich besser darüber nachdenken, was er tat. Ms. Thomson zu retten war die richtige Entscheidung gewesen aber sie hierher zu bringen, war es nicht gewesen.
"Haben sich in den Nachbarraum eingeschlossen und drehen jetzt ihr eigenes Ding, weil Sie so egoistisch waren und sich nicht an den Plan gehalten haben. Wo waren Sie überhaupt?" Zumindest hatte die Frau etwas wichtiges beobachten können. "Eine einmalige Chance für was? Zu verschwinden? Ich werde mich in keiner Weise wehren. Vor allem nicht gegen die Polizei." stellte er klar und wartete darauf, dass Ms. Thomson ihm erklärte, was genau sie vorhatte.
Für wen hielt der Mann sich überhaupt? Gilbert wollte nicht den Helden spielen und das er sich durch seine Neugierde in die Scheiße geritten hatte, war ihm schon lange klar gewesen. Man musste kein Genie sein, um das erkennen zu können. Alles was er wollte, war es, endlich Abschied nehmen zu können und alles hinter sich zu lassen. Kein "Möglicherweise-Serienkiller-Norly", keiner seiner verrückten Freunde und auch keine Ms. Thomson mehr. Er wollte nur noch seine Ruhe haben. Mehr nicht. War das etwas bereits zu viel verlangt?
Wieso sich der Mann sich auf einmal vor ihm rechtfertigen musste, verstand Gilbert sowieso nicht. Wenn dann musste sich Norlys Freund für seine Taten vor sich selbst verantworten. Vielleicht wurde Gilbert auch nur ausgenutzt, damit der Mann endlich mal seine miese Laune loswerden konnte. Vermutlich war das der Grund.
Was er zu Ms. Thomson sagte, mochte allerdings zumindest zum Teil stimmen. Die Frau war nicht ohne und verfolgte ihre eigenen Ziele. Gilbert bezweifelte zwar, dass sie gegen ihn aussagen würde aber eine Verbündete war sie auch nicht unbedingt. Sie war unberechenbar und egoistisch. Das war keine gute Voraussetzung für eine Zusammenarbeit. Zusätzlich durfte er jetzt ihren Fehler ausbaden. Vermutlich sollte er sich von Ms. Thomson so schnell es nur ging, wieder trennen. Jegliche Verbindung zu dieser ganzen Sache kappen und endlich in seinen wohl verdienten Urlaub gehen. Wenn er hier nun überhaupt noch rauskam... was zweifelhaft war.
Während Gilbert noch damit beschäftigt war, das Gespräch mit Norlys Freund zu verarbeiten und seine Wut herunterzuschlucken, betrat die Übeltäterin den Raum. Er versteckte seine Abneihgung gegenüber der Frau nicht mehr. Bisher hatte sie ihm nur Probleme gemacht. Vermutlich sollte er tatsächlich besser darüber nachdenken, was er tat. Ms. Thomson zu retten war die richtige Entscheidung gewesen aber sie hierher zu bringen, war es nicht gewesen.
"Haben sich in den Nachbarraum eingeschlossen und drehen jetzt ihr eigenes Ding, weil Sie so egoistisch waren und sich nicht an den Plan gehalten haben. Wo waren Sie überhaupt?" Zumindest hatte die Frau etwas wichtiges beobachten können. "Eine einmalige Chance für was? Zu verschwinden? Ich werde mich in keiner Weise wehren. Vor allem nicht gegen die Polizei." stellte er klar und wartete darauf, dass Ms. Thomson ihm erklärte, was genau sie vorhatte.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Melinda genoß die Zeit mit Charles, denn sie stand gerade im Mittelpunkt bei ihm. Ganz eindeutig. Aber das tat sie, so lange sie die Beine breit machte, im Grunde immer. Danach sah es immer etwas anders aus. Es ging immer darum, so schnell wie möglich zu verschwinden. Als Charles sich von ihr rollte und noch schnell atmend neben ihr lag, flogen ihre Gedanken bereits wieder, so ganz davon abwenden, dass sie eine Hure war, konnte sie eben nicht. Sie hatte gerade nicht wirklich ihren Beruf ausgeübt, oder vielleicht doch? Nur das sie diesmal keine Bezahlung bekam beziehungsweise einforderte.
Der Vorschlag von ihm, heute Abend auszugehen, stieß bei ihr nicht wirklich auf Begeisterung. Sie wusste nicht, wie sie das finden sollte, sie hatte ja auch noch nie gefeiert. Aber es zog sie so sehr nach London! Doch was sollte sie machen? Sie könnte abhauen - doch dann? Sollte sie Randolph zurücklassen? Würde er das nicht auch mit ihr machen? Es war schwierig. Sie wollte nicht weiter darauf eingehen, doch sie war Charles wohl eine Antwort schuldig.
"Das Angebot klingt verlockend. Aber ich denke, wir sollten lieber versuchen die Anderen wieder zufinden. Zum Ausgehen bleibt sicherlich noch ein anderes Mal Zeit." Sie lächelte bei diesen Worten, auch wenn es ihr nicht ganz leicht fiel.
Der Vorschlag von ihm, heute Abend auszugehen, stieß bei ihr nicht wirklich auf Begeisterung. Sie wusste nicht, wie sie das finden sollte, sie hatte ja auch noch nie gefeiert. Aber es zog sie so sehr nach London! Doch was sollte sie machen? Sie könnte abhauen - doch dann? Sollte sie Randolph zurücklassen? Würde er das nicht auch mit ihr machen? Es war schwierig. Sie wollte nicht weiter darauf eingehen, doch sie war Charles wohl eine Antwort schuldig.
"Das Angebot klingt verlockend. Aber ich denke, wir sollten lieber versuchen die Anderen wieder zufinden. Zum Ausgehen bleibt sicherlich noch ein anderes Mal Zeit." Sie lächelte bei diesen Worten, auch wenn es ihr nicht ganz leicht fiel.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Oh, bitte, nicht schon wieder … Maura verdrehte innerlich die Augen. War Wright jetzt etwa schon wieder beleidigt? Dieser Kerl war echt eine Mimose. Gleichzeitig verspürte sie aber so etwas wie Mitleid mit ihm. Mr. Wright war niemand, der für solche Situationen geschaffen war, und nach allem, was sie sich bisher über ihn zusammenreimen konnte, war er nicht unbedingt hier, weil er es wollte. Er war irgendwie in diese Geschehnisse hineingezogen worden, ohne es so recht zu wollen – genau wie sie selbst.
Und in seinem hilflosen Zorn erinnerte er sie unwillkürlich an ihren William.
Sie antwortete nicht auf Wrights Vorwürfe, zuckte nicht einmal mit der Wimper. Sie starrte ihn einfach nur an und versuchte, sich ein Bild von diesem Mann zu machen, der da vor ihr stand und offenbar nicht mehr wusste, wohin mit sich und seinem Zorn. Genau wie William in ihren nicht enden wollenden Streitgesprächen.
Nachdem Wright geendet hatte, war es noch ein paar Sekunden lang still. Dann fasste sich Maura ein Herz. Und tat etwas, was sie wirklich nicht oft tat.
„Mr. Wright, bitte hören sie mir zu.“ Ihre Stimme war eine gänzlich andere geworden, sanfter, aber noch immer eindringlich. „Wir haben nicht viel Zeit, deshalb werde ich mich kurzfassen, aber bitte unterbrechen sie mich nicht. Danach können sie sich ihr Urteil bilden. Ich weiß nicht, was Sie von mir denken, aber ich verstehe es, wenn Sie mir nicht vertrauen. Das ist nur natürlich, ich habe Ihnen genug Anlass dazu gegeben, und das bedauere ich. Sie wollen erfahren, wohin ich vorhin gegangen bin? In Ordnung, ich verrate es Ihnen, aber bitte erschrecken Sie nicht.“ Sie atmete tief durch – es war anstrengend, sich so offen zu geben. Anstrengend und ungewohnt. Pass bloß auf, dass du nicht zu viel ausplauderst, Thomson … Dann zog sie vorsichtig das Küchenmesser aus ihrem Mantel. Warum tat sie das?! Ob es wirklich die richtige Entscheidung war …? Nun war ihr Geheimnis kaum eine halbe Minute lang ein Geheimnis geblieben. „Ich weiß nicht, ob Sie Norlys Freund vertrauen. Ich tue es nicht. Ich habe gesehen, wie er den wahnsinnigen Iren erschossen hat. Ich habe … Angst vor ihm. Und deshalb habe ich mich bewaffnet. Nicht um ihn zu erstechen, Gott bewahre!“ Sie schob das Messer zurück und hob abwehrend die Hände. „Nur zur Selbstverteidigung. Ich wollte ihm nicht ausgeliefert sein, verstehen Sie?“ Komm zum Punkt, Maura … Sie redete schon viel zu lange. Womöglich war der Polizist längt im Keller angekommen. „Aber Ihnen, Mr. Wright … Ihnen vertraue ich. Sie sind kein schlechter Mensch. Und deshalb möchte ich, dass Sie und ich als Team agieren, wenigstens, um hier herauszukommen. Ich habe genauso Angst wie Sie, und ich bin nur eine ganz normale Bürgerin dieser Stadt. Sehen Sie – diese Situation führt mich ebenso an meine Grenzen, auch wenn ich es nicht zeige. Aber wenn wir jetzt nicht handeln, wird es zu spät dafür sein! Ich will Ihnen nichts Böses, und ich vertraue Ihnen – aber um ein Team zu sein, müssen Sie auch mir vertrauen.“
Maura verstummte. Es war ein seltsames Gefühl. Sie hatte Wright viel mehr erzählt, als sie eigentlich von sich hatte preisgeben wollen. So offen sprach sie sonst höchstens mit ihrem Sohn …
Sie wusste nicht, wo sie hinsehen sollte, also wandte sie sich von Wright ab. Große Worte waren ja schön und gut – aber gerettet hatten sie sie noch lange nicht. Was also sollten sie jetzt tun? Wright wollte sich nicht wehren – in Ordnung, das wollte sie im Grunde auch nicht. Was aber hatten Oxley und Norlys Freund vor? Auf ihrer Suche nach dem Speisezimmer hatte sie die Tür, hinter der die beiden verschwunden waren, kurz geöffnet und eine ganze Reihe von Fenstern erblickt. Wollten sie dort hinaus? Nach hinten? Keine schlechte Idee – vorausgesetzt, die Polizisten waren tatsächlich nur zu zweit gewesen. Dann war der Inspektor vermutlich vorn geblieben, und der andere war gerade im Kohlenkeller verschwunden.
Ob sie eine Flucht nach hinten wagen konnten?
Andererseits – hatten sie überhaupt eine Wahl?
Sie wandte sich wieder Wright zu, vermied es aber, ihm ins Gesicht zu sehen. Dann zeigte sie auf die Tür zum Hinterausgang. „Ich denke, wir sollten die Chance nutzen und die Flucht nach hinten antreten.“ Nun war ihre alte Stimme zurückgekehrt. Sie sprach noch leiser als zuvor, aus Sorge, einer der Polizisten könnte vielleicht doch etwas hören. „In diesem Raum habe ich vorhin eine Hintertür gesehen. Die sollten wir nehmen. Oder haben Sie einen anderen Vorschlag?“ Sonst hätte sie die Frage vielleicht spöttisch gestellt, nun jedoch war sie ernst gemeint. Geistesblitze konnten sie jetzt gerade gut gebrauchen.
Und in seinem hilflosen Zorn erinnerte er sie unwillkürlich an ihren William.
Sie antwortete nicht auf Wrights Vorwürfe, zuckte nicht einmal mit der Wimper. Sie starrte ihn einfach nur an und versuchte, sich ein Bild von diesem Mann zu machen, der da vor ihr stand und offenbar nicht mehr wusste, wohin mit sich und seinem Zorn. Genau wie William in ihren nicht enden wollenden Streitgesprächen.
Nachdem Wright geendet hatte, war es noch ein paar Sekunden lang still. Dann fasste sich Maura ein Herz. Und tat etwas, was sie wirklich nicht oft tat.
„Mr. Wright, bitte hören sie mir zu.“ Ihre Stimme war eine gänzlich andere geworden, sanfter, aber noch immer eindringlich. „Wir haben nicht viel Zeit, deshalb werde ich mich kurzfassen, aber bitte unterbrechen sie mich nicht. Danach können sie sich ihr Urteil bilden. Ich weiß nicht, was Sie von mir denken, aber ich verstehe es, wenn Sie mir nicht vertrauen. Das ist nur natürlich, ich habe Ihnen genug Anlass dazu gegeben, und das bedauere ich. Sie wollen erfahren, wohin ich vorhin gegangen bin? In Ordnung, ich verrate es Ihnen, aber bitte erschrecken Sie nicht.“ Sie atmete tief durch – es war anstrengend, sich so offen zu geben. Anstrengend und ungewohnt. Pass bloß auf, dass du nicht zu viel ausplauderst, Thomson … Dann zog sie vorsichtig das Küchenmesser aus ihrem Mantel. Warum tat sie das?! Ob es wirklich die richtige Entscheidung war …? Nun war ihr Geheimnis kaum eine halbe Minute lang ein Geheimnis geblieben. „Ich weiß nicht, ob Sie Norlys Freund vertrauen. Ich tue es nicht. Ich habe gesehen, wie er den wahnsinnigen Iren erschossen hat. Ich habe … Angst vor ihm. Und deshalb habe ich mich bewaffnet. Nicht um ihn zu erstechen, Gott bewahre!“ Sie schob das Messer zurück und hob abwehrend die Hände. „Nur zur Selbstverteidigung. Ich wollte ihm nicht ausgeliefert sein, verstehen Sie?“ Komm zum Punkt, Maura … Sie redete schon viel zu lange. Womöglich war der Polizist längt im Keller angekommen. „Aber Ihnen, Mr. Wright … Ihnen vertraue ich. Sie sind kein schlechter Mensch. Und deshalb möchte ich, dass Sie und ich als Team agieren, wenigstens, um hier herauszukommen. Ich habe genauso Angst wie Sie, und ich bin nur eine ganz normale Bürgerin dieser Stadt. Sehen Sie – diese Situation führt mich ebenso an meine Grenzen, auch wenn ich es nicht zeige. Aber wenn wir jetzt nicht handeln, wird es zu spät dafür sein! Ich will Ihnen nichts Böses, und ich vertraue Ihnen – aber um ein Team zu sein, müssen Sie auch mir vertrauen.“
Maura verstummte. Es war ein seltsames Gefühl. Sie hatte Wright viel mehr erzählt, als sie eigentlich von sich hatte preisgeben wollen. So offen sprach sie sonst höchstens mit ihrem Sohn …
Sie wusste nicht, wo sie hinsehen sollte, also wandte sie sich von Wright ab. Große Worte waren ja schön und gut – aber gerettet hatten sie sie noch lange nicht. Was also sollten sie jetzt tun? Wright wollte sich nicht wehren – in Ordnung, das wollte sie im Grunde auch nicht. Was aber hatten Oxley und Norlys Freund vor? Auf ihrer Suche nach dem Speisezimmer hatte sie die Tür, hinter der die beiden verschwunden waren, kurz geöffnet und eine ganze Reihe von Fenstern erblickt. Wollten sie dort hinaus? Nach hinten? Keine schlechte Idee – vorausgesetzt, die Polizisten waren tatsächlich nur zu zweit gewesen. Dann war der Inspektor vermutlich vorn geblieben, und der andere war gerade im Kohlenkeller verschwunden.
Ob sie eine Flucht nach hinten wagen konnten?
Andererseits – hatten sie überhaupt eine Wahl?
Sie wandte sich wieder Wright zu, vermied es aber, ihm ins Gesicht zu sehen. Dann zeigte sie auf die Tür zum Hinterausgang. „Ich denke, wir sollten die Chance nutzen und die Flucht nach hinten antreten.“ Nun war ihre alte Stimme zurückgekehrt. Sie sprach noch leiser als zuvor, aus Sorge, einer der Polizisten könnte vielleicht doch etwas hören. „In diesem Raum habe ich vorhin eine Hintertür gesehen. Die sollten wir nehmen. Oder haben Sie einen anderen Vorschlag?“ Sonst hätte sie die Frage vielleicht spöttisch gestellt, nun jedoch war sie ernst gemeint. Geistesblitze konnten sie jetzt gerade gut gebrauchen.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Langsam brachte diese Frau ihn wirklich dazu, seine Geduld zu verlieren und richtig wütend zu werden. Auf seine - zugegeben recht schlecht formulierten - Vorwürfe reagierte sie überhaupt nicht. Starrte und schwieg ihn nur an. Gerade als ihm das zu viel wurde und er etwas genauer werden wollte, fing Ms. Thomson an, eindringlich aber doch weitaus sanfter als vorher, auf ihn einzureden.
Auf ihre ersten Sätze nickte Gilbert nur. Natürlich vertraute er ihr nicht. Er hatte keine Ahnung, was sie wirklich in die Lagerhalle getrieben hatte. Was sie tatsächlich mit der ganzen Sache zu tun hatte und was sie plante. Er hatte bereits herausgefunden, dass sie eine gute Lügnerin war und sich wie eine Schauspielerin verstellen konnte, wenn sie denn wollte. Alles was sie ihm oder den anderen bisher erzählt hatte, konnte gelogen gewesen sein. Auch was sie ihm jetzt erzählte, mochte eine Lüge sein. Gilbert wollte Ms. Thomson allerdings vertrauen. Hoffentlich lieferte sie ihm einen guten Grund, dass auch zu tun. Er blieb vorsichtig.
Als sie dann das Messer aus ihrem Mantel zog, wich er unweigerlich einen Schritt zurück. Sie vertraute Norlys Freund also nicht... das tat er auch nicht. Der Angriff auf O'Sullivan war zu kaltblütig gewesen. Der Mann hatte zu schnell zur Waffe gegriffen. Vielleicht hatte er damit schlimmeres verhindern können aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er kaum eine Sekunde gezögert hatte, einen Mann umzubringen. Norlys Freund war definitiv gefährlich. Das Ms. Thomson allerdings nicht vorhatte, das Messer auch zu benutzen, das bezweifelte er wirklich. Sie hatte mehr oder weniger die Initiative ergriffen und die Scherbe im Lagerhaus benutzt. Gilbert war vielleicht zu neugierig und dachte nicht gut genug über die Folgen seiner Handlungen nach aber vergesslich war er nicht.
Was Thomson dann erklärte, ließ den Maler dann doch noch einmal nachdenken. Ob sie wirklich eine ganz normale Bürgerin dieser Stadt war und Angst hatte, bezweifelte er immer noch. Für jemanden, der Angst hatte, handelte sie viel zu offensiv. Die Geschichte im Lagerhaus war vermutlich erstunken und erlogen. Zumindest hatte sie aber damit Recht, dass sie hier schnell verschwinden und dafür zusammenarbeiten mussten. Zusammenarbeit erforderte immer gegenseitiges Vertrauen. Nun gut, dann wollte er es versuchen. So lange, bis sie in Sicherheit waren wollte er ihr vertrauen schenken. Hoffentlich wurde er nicht enttäuscht.
"In Ordnung. Ich will Ihnen vertrauen. Zumindest so lange, bis wir das alles überstanden haben." sagte er dann und sah sich nach der Tür zum Hinterausgang um. "Noch vor wenigen Minuten haben Sie gesagt, dass wir keine Chance haben, auf diesem Weg zu entkommen. Wir sind beide keine Sportler." Schließlich nickte er dann aber. "Wir scheinen aber keine Wahl zu haben. Der Polizei können wir uns zumindest nicht stellen." Er beugte sich etwas zu Ms. Thomson herüber. "Vielleicht haben wir Glück. Oxley und der Andere könnten die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich ziehen." meinte er dann noch flüsternd. "Wenn wir nur wüssten, was die Beiden vorhaben... Wenn sie die Aufmerksamkeit auf sich lenken, wegrennen und die beiden Polizisten sie verfolgen, dann könnten wir vielleicht durch die Vordertür entkommen." Gilbert zuckte mit den Achseln.
Auf ihre ersten Sätze nickte Gilbert nur. Natürlich vertraute er ihr nicht. Er hatte keine Ahnung, was sie wirklich in die Lagerhalle getrieben hatte. Was sie tatsächlich mit der ganzen Sache zu tun hatte und was sie plante. Er hatte bereits herausgefunden, dass sie eine gute Lügnerin war und sich wie eine Schauspielerin verstellen konnte, wenn sie denn wollte. Alles was sie ihm oder den anderen bisher erzählt hatte, konnte gelogen gewesen sein. Auch was sie ihm jetzt erzählte, mochte eine Lüge sein. Gilbert wollte Ms. Thomson allerdings vertrauen. Hoffentlich lieferte sie ihm einen guten Grund, dass auch zu tun. Er blieb vorsichtig.
Als sie dann das Messer aus ihrem Mantel zog, wich er unweigerlich einen Schritt zurück. Sie vertraute Norlys Freund also nicht... das tat er auch nicht. Der Angriff auf O'Sullivan war zu kaltblütig gewesen. Der Mann hatte zu schnell zur Waffe gegriffen. Vielleicht hatte er damit schlimmeres verhindern können aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er kaum eine Sekunde gezögert hatte, einen Mann umzubringen. Norlys Freund war definitiv gefährlich. Das Ms. Thomson allerdings nicht vorhatte, das Messer auch zu benutzen, das bezweifelte er wirklich. Sie hatte mehr oder weniger die Initiative ergriffen und die Scherbe im Lagerhaus benutzt. Gilbert war vielleicht zu neugierig und dachte nicht gut genug über die Folgen seiner Handlungen nach aber vergesslich war er nicht.
Was Thomson dann erklärte, ließ den Maler dann doch noch einmal nachdenken. Ob sie wirklich eine ganz normale Bürgerin dieser Stadt war und Angst hatte, bezweifelte er immer noch. Für jemanden, der Angst hatte, handelte sie viel zu offensiv. Die Geschichte im Lagerhaus war vermutlich erstunken und erlogen. Zumindest hatte sie aber damit Recht, dass sie hier schnell verschwinden und dafür zusammenarbeiten mussten. Zusammenarbeit erforderte immer gegenseitiges Vertrauen. Nun gut, dann wollte er es versuchen. So lange, bis sie in Sicherheit waren wollte er ihr vertrauen schenken. Hoffentlich wurde er nicht enttäuscht.
"In Ordnung. Ich will Ihnen vertrauen. Zumindest so lange, bis wir das alles überstanden haben." sagte er dann und sah sich nach der Tür zum Hinterausgang um. "Noch vor wenigen Minuten haben Sie gesagt, dass wir keine Chance haben, auf diesem Weg zu entkommen. Wir sind beide keine Sportler." Schließlich nickte er dann aber. "Wir scheinen aber keine Wahl zu haben. Der Polizei können wir uns zumindest nicht stellen." Er beugte sich etwas zu Ms. Thomson herüber. "Vielleicht haben wir Glück. Oxley und der Andere könnten die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich ziehen." meinte er dann noch flüsternd. "Wenn wir nur wüssten, was die Beiden vorhaben... Wenn sie die Aufmerksamkeit auf sich lenken, wegrennen und die beiden Polizisten sie verfolgen, dann könnten wir vielleicht durch die Vordertür entkommen." Gilbert zuckte mit den Achseln.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Lloyd Bowen lehnte sich an den Tisch, der ihm am nächsten war, und setzte sich auf die Kante der Platte, während Randolph redete. Dass der Chirurg erwähnte, dass die Straßen von Manchester, vor allem in gewissen Vierteln, unsicher sein konnten, brachte den Mann zu einem Grinsen, das durchaus zufrieden aussah.
Als jedoch die Sprache zurück auf den Boxkampf und Charles‘ Haltung dazu kam, wurde King Reynards Gesichtsausdruck skeptisch-amüsiert.
„Charles nannte die Kämpfe mal barbarisch“, antwortete er, „aber das hat ihn bisher nicht daran gehindert, seinen Anteil einzustreichen oder selbst hin und wieder zu wetten. Er schätzt sie also wert, würde ich sagen.“ Seine Zähne blitzten auf, als sich während dieser Worte wieder ein Grinsen in sein Antlitz schlich.
„Er ist ein Geschäftsmann, Doc“, meinte er, die tätowierten Arme vor der Brust verschränkend, mit einem Ton, der davon zeugte, dass er das Gesagte für selbstverständlich hielt, „genauso wie ich einer bin. Und wenn Sie sich heute Abend unser Spektakel ansehen wollen, dann müssen Sie ihn nicht um Erlaubnis bitten oder als Anstandsdame mitbringen. Das ist allein Ihre Entscheidung.“
Bowen ließ Randolph, scheinbar neugierig, nicht aus den Augen.
„Ich schätze, er wird sich ohnehin fernhalten wollen. Zu viel Publikum“, erklärte er, und ergänzte: „… für einen Mann seines Ansehens.“
In diesem Moment kehrte der Jugendliche namens Fish zurück und trat mit zwei großzügig gefüllten Gläsern, die milchig-grüne Flüssigkeit enthielten – mit Zuckerwasser versetzter Absinth, der trotz seiner Verdünntheit schon aus der Ferne scharf in der Nase biss –, an die beiden Männer heran.
King Reynard nahm sein Glas mit einem höflichen Danke entgegen, befasste sich allerdings nicht weiter mit dem Burschen, sondern redete weiter mit Randolph:
„Ich hoffe, Sie bestehen nicht auf das übliche Trinkritual der feinen Leute.“
Er hob seine „grüne Fee“ zu einem Prosit: „Gegen den Schmerz. Cheers!“
Dann trank er einen Schluck davon, ohne wegen des Brennens des Alkohols in seiner Kehle sein Gesicht zu verziehen, wie es andere gern taten. Noch immer betrachtete Bowen sein Gegenüber – nun dessen offensichtlich angeschlagenes Bein.
„Was haben Sie eigentlich in Charles‘ Schlepptau zu suchen?“, wollte er dann wissen.
„Ich erinnere mich nicht, dass er Sie schon einmal erwähnt hat“, meinte er und löste seinen Blick, wieder grinsend, von Randolphs Bein und schaute wieder in dessen Gesicht, „– oder die kleine Straßenlady, die ich vorhin fälschlicherweise erst Ihnen zugeordnet habe.“
Als jedoch die Sprache zurück auf den Boxkampf und Charles‘ Haltung dazu kam, wurde King Reynards Gesichtsausdruck skeptisch-amüsiert.
„Charles nannte die Kämpfe mal barbarisch“, antwortete er, „aber das hat ihn bisher nicht daran gehindert, seinen Anteil einzustreichen oder selbst hin und wieder zu wetten. Er schätzt sie also wert, würde ich sagen.“ Seine Zähne blitzten auf, als sich während dieser Worte wieder ein Grinsen in sein Antlitz schlich.
„Er ist ein Geschäftsmann, Doc“, meinte er, die tätowierten Arme vor der Brust verschränkend, mit einem Ton, der davon zeugte, dass er das Gesagte für selbstverständlich hielt, „genauso wie ich einer bin. Und wenn Sie sich heute Abend unser Spektakel ansehen wollen, dann müssen Sie ihn nicht um Erlaubnis bitten oder als Anstandsdame mitbringen. Das ist allein Ihre Entscheidung.“
Bowen ließ Randolph, scheinbar neugierig, nicht aus den Augen.
„Ich schätze, er wird sich ohnehin fernhalten wollen. Zu viel Publikum“, erklärte er, und ergänzte: „… für einen Mann seines Ansehens.“
In diesem Moment kehrte der Jugendliche namens Fish zurück und trat mit zwei großzügig gefüllten Gläsern, die milchig-grüne Flüssigkeit enthielten – mit Zuckerwasser versetzter Absinth, der trotz seiner Verdünntheit schon aus der Ferne scharf in der Nase biss –, an die beiden Männer heran.
King Reynard nahm sein Glas mit einem höflichen Danke entgegen, befasste sich allerdings nicht weiter mit dem Burschen, sondern redete weiter mit Randolph:
„Ich hoffe, Sie bestehen nicht auf das übliche Trinkritual der feinen Leute.“
Er hob seine „grüne Fee“ zu einem Prosit: „Gegen den Schmerz. Cheers!“
Dann trank er einen Schluck davon, ohne wegen des Brennens des Alkohols in seiner Kehle sein Gesicht zu verziehen, wie es andere gern taten. Noch immer betrachtete Bowen sein Gegenüber – nun dessen offensichtlich angeschlagenes Bein.
„Was haben Sie eigentlich in Charles‘ Schlepptau zu suchen?“, wollte er dann wissen.
„Ich erinnere mich nicht, dass er Sie schon einmal erwähnt hat“, meinte er und löste seinen Blick, wieder grinsend, von Randolphs Bein und schaute wieder in dessen Gesicht, „– oder die kleine Straßenlady, die ich vorhin fälschlicherweise erst Ihnen zugeordnet habe.“
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Missmutig beobachtete der Doktor wie Bowen es sich auf dem Tisch gemütlich machte, was ihm signalisierte, dass der Tätowierte auf eine längere Diskussion aus war. Eigentlich war Randolph eher auf etwas zu Essen aus. Müde schielte er kurz in Richtung Küche, aus der ihm immer noch wohlriechende Düfte entgegen stiegen. Aber nun gut, vielleicht würde er ja etwas Relevantes aus dem Kerl herausholen können.
Lloyd begann ihm tatsächlich ausführlich zu antworten, was der Doktor prinzipiell positiv sah. Damit war er als Informant schon wesentlich brauchbarer, als der junge David. Was er aber zu sagen hatte, machte ihm schnell klar, dass er seinen Plan, den er sich nun vage innerhalb einer Minute zusammenkonstruiert hatte, vergessen konnte. Wenn Charles hier nicht aufkreuzen würde, war er nicht brauchbar. Womit er ja eigentlich hätte rechnen können- warum sollte Norly so ein großer Freund von Boxkämpfen sein? Außerdem hatte er wohl zurzeit Besseres zu tun, als sich damit zu beschäftigen.
Leider bedeutete das, dass es ihm um einiges schwerer fallen würde, das Gelände unbeobachtet zu verlassen, um sich um Crownes Adressen zu kümmern und eventuell mehr über das Notizbuch herauszufinden. Nun gut, es würde sich sicherlich irgendwann eine Gelegenheit ergeben. Er musste es auch nicht unbedingt heute tun. Oder aber doch…wenn Melinda ihn nun verraten würde. Aber nein, das würde sie sicher nicht machen. Er hatte sie schließlich, um mehr Zeit geboten. Sie würde ihm nun nicht in den Rücken fallen.
Apropos…da fiel ihm etwas ein. Ein Hinweis im Notizbuch von Norly. Am Ende hatte er ja einzelne Namen, oder auch Begriffe aufgelistet. Arzt, Ehefrau…meinte er damit seine Verbündeten? Taylor, die Frau des Kings…? Für Bowen schien aber keine Entsprechung vorhanden zu sein. Boxer, Tätowierter oder etwas Ähnliches war dort nicht aufgezählt worden. Außer vielleicht…Höllenhund. Könnte damit ein Boxer gemeint sein? Vielleicht nicht der King selbst, aber jemand anderes?
„War ja zu warten“, urteilte er nach Bowens Worten. „Warum frage ich überhaupt? Nun denn, mal sehen, ob die Zeit es zulässt, heute Abend hier vorbei zu sehen.“
Der Doktor war nicht gut darin eine nachdenkliche Miene zu machen, er wirkte von Grund auf mürrisch und grübelnd. Randolph kratzte sich am Nacken und senkte seine Stimme ein wenig: „Wird denn eigentlich auch der legendäre Höllenhund heute Abend einen Auftritt haben? Ich habe schon viel über sein gewaltiges Kampfgeschick gehört. Dann müsste ich natürlich auftauchen!“
Fish eilte nun mit dem Drink heran. Das Getränk sah alles andere als genießbar aus. Und es roch auch so. Als Bowen trank, nippte er missmutig daran. Allein diese kleine Menge brannte schon ekelerregend. Randolphs Augenbrauen senkten sich noch ein wenig mehr. Wie konnte man so etwas nur freiwillig trinken?
„Mit Sicherheit nicht“, meinte er, als Bowen auf englische Trinkrituale zu sprechen begann. Damit kannte er sich im Grunde nicht wirklich aus und war sich nicht sicher, was der Tätowierte überhaupt ausdrücken wollte. Er war kein Säufer, er kannte sich mit dergleichen nicht aus. „Allerdings verträgt mein Körper Alkohol nicht besonders gut, muss ich gestehen. Ich werde es also lieber etwas ruhiger angehen.“
Nun, falls in dem Drink Gift oder ein Betäubungsmittel vorhanden gewesen war, war es nun ohnehin um ihn geschehen. Aber er wollte sich auf keinen Fall am helllichten Tag zusaufen. Randolph hatte vor seinen gesunden Geist aufrecht zu erhalten. Er würde nicht wie seine Mutter sabbernd in irgendeiner Ecke herumliegen.
Da kam er ihm ganz recht, dass Lloyd sein Bein musterte. „Warum gehen wir nicht hinein und setzen uns hin? Dann können wir uns weitaus entspannter unterhalten. Ich beantworte dann auch bereitwillig deine Fragen, mein Bester...“
Randolph bemühte sich um ein humorloses Lächeln und nickte Richtung Küche. Er hatte verdammten Hunger. Und in der Zwischenzeit könnte er sich überlegen, was er dem Kerl über Melinda und sich selbst erzählen wollte. Was das anbelangte, war es wohl besser sich vorsichtig zu verhalten. Auch die Verbindung zwischen Ihnen sollte er nicht zu offen darstellen. Denn im Zweifelsfall könnte alles, was er sagte, später gegen ihn verwendet werden….und dann wollte er nicht auch noch Melly in die Angelegenheit mit hinein ziehen.
Lloyd begann ihm tatsächlich ausführlich zu antworten, was der Doktor prinzipiell positiv sah. Damit war er als Informant schon wesentlich brauchbarer, als der junge David. Was er aber zu sagen hatte, machte ihm schnell klar, dass er seinen Plan, den er sich nun vage innerhalb einer Minute zusammenkonstruiert hatte, vergessen konnte. Wenn Charles hier nicht aufkreuzen würde, war er nicht brauchbar. Womit er ja eigentlich hätte rechnen können- warum sollte Norly so ein großer Freund von Boxkämpfen sein? Außerdem hatte er wohl zurzeit Besseres zu tun, als sich damit zu beschäftigen.
Leider bedeutete das, dass es ihm um einiges schwerer fallen würde, das Gelände unbeobachtet zu verlassen, um sich um Crownes Adressen zu kümmern und eventuell mehr über das Notizbuch herauszufinden. Nun gut, es würde sich sicherlich irgendwann eine Gelegenheit ergeben. Er musste es auch nicht unbedingt heute tun. Oder aber doch…wenn Melinda ihn nun verraten würde. Aber nein, das würde sie sicher nicht machen. Er hatte sie schließlich, um mehr Zeit geboten. Sie würde ihm nun nicht in den Rücken fallen.
Apropos…da fiel ihm etwas ein. Ein Hinweis im Notizbuch von Norly. Am Ende hatte er ja einzelne Namen, oder auch Begriffe aufgelistet. Arzt, Ehefrau…meinte er damit seine Verbündeten? Taylor, die Frau des Kings…? Für Bowen schien aber keine Entsprechung vorhanden zu sein. Boxer, Tätowierter oder etwas Ähnliches war dort nicht aufgezählt worden. Außer vielleicht…Höllenhund. Könnte damit ein Boxer gemeint sein? Vielleicht nicht der King selbst, aber jemand anderes?
„War ja zu warten“, urteilte er nach Bowens Worten. „Warum frage ich überhaupt? Nun denn, mal sehen, ob die Zeit es zulässt, heute Abend hier vorbei zu sehen.“
Der Doktor war nicht gut darin eine nachdenkliche Miene zu machen, er wirkte von Grund auf mürrisch und grübelnd. Randolph kratzte sich am Nacken und senkte seine Stimme ein wenig: „Wird denn eigentlich auch der legendäre Höllenhund heute Abend einen Auftritt haben? Ich habe schon viel über sein gewaltiges Kampfgeschick gehört. Dann müsste ich natürlich auftauchen!“
Fish eilte nun mit dem Drink heran. Das Getränk sah alles andere als genießbar aus. Und es roch auch so. Als Bowen trank, nippte er missmutig daran. Allein diese kleine Menge brannte schon ekelerregend. Randolphs Augenbrauen senkten sich noch ein wenig mehr. Wie konnte man so etwas nur freiwillig trinken?
„Mit Sicherheit nicht“, meinte er, als Bowen auf englische Trinkrituale zu sprechen begann. Damit kannte er sich im Grunde nicht wirklich aus und war sich nicht sicher, was der Tätowierte überhaupt ausdrücken wollte. Er war kein Säufer, er kannte sich mit dergleichen nicht aus. „Allerdings verträgt mein Körper Alkohol nicht besonders gut, muss ich gestehen. Ich werde es also lieber etwas ruhiger angehen.“
Nun, falls in dem Drink Gift oder ein Betäubungsmittel vorhanden gewesen war, war es nun ohnehin um ihn geschehen. Aber er wollte sich auf keinen Fall am helllichten Tag zusaufen. Randolph hatte vor seinen gesunden Geist aufrecht zu erhalten. Er würde nicht wie seine Mutter sabbernd in irgendeiner Ecke herumliegen.
Da kam er ihm ganz recht, dass Lloyd sein Bein musterte. „Warum gehen wir nicht hinein und setzen uns hin? Dann können wir uns weitaus entspannter unterhalten. Ich beantworte dann auch bereitwillig deine Fragen, mein Bester...“
Randolph bemühte sich um ein humorloses Lächeln und nickte Richtung Küche. Er hatte verdammten Hunger. Und in der Zwischenzeit könnte er sich überlegen, was er dem Kerl über Melinda und sich selbst erzählen wollte. Was das anbelangte, war es wohl besser sich vorsichtig zu verhalten. Auch die Verbindung zwischen Ihnen sollte er nicht zu offen darstellen. Denn im Zweifelsfall könnte alles, was er sagte, später gegen ihn verwendet werden….und dann wollte er nicht auch noch Melly in die Angelegenheit mit hinein ziehen.
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
„Oh“, antwortete Charles leise und noch immer außer Atem, als er begriff. Miss Bolt wollte nicht mit ihm ausgehen. Sie schob Bedenken vor und lächelte, doch das tat sie offenbar nur, um Höflichkeit zu zeigen. Er gab sich Mühe, nicht enttäuscht zu sein, doch es gelang ihm nicht.
„Dann ein anderes Mal“, sagte er dennoch – wenn auch mit wenig Hoffnung, dass es jemals dazu kommen würde.
Er hatte Melinda eine Freude machen und sich ebenso einen schönen Abend gönnen wollen, denn wenn schon nicht im albtraumverseuchten Schlaf, so fand gedachte er in der Ablenkung Erholung zu suchen. Das funktionierte meist. Einen freudigen Anlass wie eine Geburtstagsfeier damit zu verbinden, bot sich praktischer- und perfekterweise an. Die Erkenntnis, dass Melinda lieber andere Dinge vorzog, als mit Charles Zeit zu verbringen, schmerzte ihn. Bisher hatte sie sich nicht über seine Gesellschaft beschwert, doch die Zweisamkeit hatten sie bisher auch fast nur damit verbracht mit- oder nebeneinander zu schlafen. Vielleicht war das das Einzige, was sie sich von ihm versprach. Nicht, dass er die Intimität nicht genoss, doch er genoss, anscheinend im Gegensatz zu ihr, auch die Momente abseits davon, die er mit ihr verbrachte. War er ihr auf irgendeine Weise unangenehm? Er fühlte sich gerade zurückgewiesen. Und todmüde.
Die Anderen wiederfinden… „Eure Wünsche sind mir Befehl, Mylady.“
„Lloyd wird sicher nach Mr. Wright und Mrs. Thomson suchen lassen, wenn ich ihn darum bitte. Seine Leute finden sie sicher schneller als wir. Es gibt keinen Grund, uns Umstände zu machen“, fuhr Charles, nicht in Gedanken, recht lustlos fort. Eigentlich gefiel ihm die Idee, nun aufzustehen (zumindest hatte er Melindas Einwand so verstanden), recht wenig. Es war verlockend, wieder einzuschlafen. Nicht der Albträume wegen, sondern weil die Müdigkeit seine Knochen schwer sein ließ und ihn zudem wieder zu überwältigen drohte.
„Und der Doktor dürfte bisher nicht allzu weit gekommen sein, sollte er ebenfalls aufgebrochen sein“, ergänzte er mit einem leichten Lächeln, das er trotz der trüben Stimmung noch zustandebrachte. Doch kaum hatte er dies ausgesprochen, fand er seine Worte unangebracht.
„Verzeihen Sie“, murmelte er und gähnte, wobei er seine unechte Hand vor den Mund nahm.
„Wenn Sie es wünschen, werde ich Sie nach unten begleiten.“
Während Maura und Gilbert sich leise und wortreich austauschten, blieb unklar, was die beiden Polizisten vor dem Haus (oder bereits im Inneren des Hauses angekommen) trieben. Auch ob Oxley und Norlys Freund ihnen, wenn auch unbeabsichtigt, gute Karten zu spielen würden, war ungewiss. Allerdings waren die beiden im Nebenzimmer nicht so leise, dass man überhaupt nichts von ihnen hörte. Während nur Gilbert ein undefinierbares, dumpfes Geräusch von der anderen Seite der Tür wahrnahm, war auch für Maura gleichermaßen ein darauf folgender Fluch von Oxley aufzuschnappen (wenn die Wortwahl auch unverständlich blieb, war der Tonfall und der Klang der Aussprache unmissverständlich).
Harrys trockener Kommentar dazu war deutlicher zu verstehen: „Sie wollten es nicht anders.“
Danach kehrte wieder Stille ein.
King Reynard schien sich über Randolphs Versuch, einen Treffer mit dem Stichwort „Höllenhund“ zu landen, zu wundern, auch wenn er die wahre Intention dahinter nicht erkannte.
„Höllenhund?“, wiederholte er fragend und lachte.
„Sie meinen hoffentlich nicht sich selbst“, meinte er. „Aber einige nicht-legendäre Höllenhunde haben wir schon hier. Wenn Sie kommen, werden Sie es sehen. Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen!“
Dass der Arzt jedoch den Absinth skeptisch beäugte und sich lieber in die Küche begeben wollte, entging dem tätowierten Amerikaner nicht.
„Hier müssen Sie sich nicht zieren“, entgegnete er Randolphs Worten. „Trinken Sie aus. Absinth trinkt man ohnehin nicht, um es ruhiger angehen zu lassen. Mit einem vollen Magen dazu, wird es Ihr Körper, besonders Ihr Bein, danken.“
Er nickte in Richtung Küche und setzte sich wieder in Bewegung.
„Los, kommen Sie.“
Bowen führte Randolph am Ring vorbei durch einen vollkommen mit Holz ausgekleideten Gang. Bei dem Duft nach Essen, der ihnen entgegenströmte, brauchten sie eigentlich nur der Nase zu folgen. Es war nun fast Mittagszeit und Rosie war, deutlich wahrnehmbar, dabei, sich um die hungrigen Mäuler im Haus zu kümmern. Der King hatte bereits Einiges dazu erzählt. „Die Mädchen“, die er erwähnt hatte (drei etwas wild scheinende Dinger – geschätzt vielleicht sechs, acht und elf Jahre alt), erwarteten ihn und Randolph tatsächlich zusammen mit Rosie in dem großen Raum, der eher wie eine Art Speisesaal aufgebaut war, an dessen Wände man Küchenzeilen, Herde und Öfen platziert hatte. Die Luft hier war entsprechend warm und feucht, aber man wurde mit dem speicheltreibenden Duft von frischem Brot und den Speisen belohnt, die in großen Töpfen köchelten – überwiegend Eintopf, anscheinend. Ein riesiger Berg von Gemüseschalen an einem Ende des Tisches zeugte davon, dass die Vorbereitungen wohl länger gedauert haben mussten. Bowen wählte das andere Ende, in der Nähe der geöffneten, etwas frischluftversprechenden Fenster für sich und den Doc, wobei er Rosie im vorbeigehen ungeniert einen Kuss auf die Wange drückte, bevor er Randolph anbot, sich zu setzen und sich selbst niederließ. Sein noch nicht leeres Glas platzierte er vor sich. Das jüngste der Mädchen eilte ungefragt herbei und machte sich eifrig daran, für die beiden einzudecken.
Reynard lächelte ihr zu, was sie zufrieden zum Grinsen brachte, und wandte sich wieder Randolph zu.
„Nun, führen wir unser Gespräch fort. Sie wollten mir gerade von sich und der Kleinen erzählen“, erinnerte er daran.
„Dann ein anderes Mal“, sagte er dennoch – wenn auch mit wenig Hoffnung, dass es jemals dazu kommen würde.
Er hatte Melinda eine Freude machen und sich ebenso einen schönen Abend gönnen wollen, denn wenn schon nicht im albtraumverseuchten Schlaf, so fand gedachte er in der Ablenkung Erholung zu suchen. Das funktionierte meist. Einen freudigen Anlass wie eine Geburtstagsfeier damit zu verbinden, bot sich praktischer- und perfekterweise an. Die Erkenntnis, dass Melinda lieber andere Dinge vorzog, als mit Charles Zeit zu verbringen, schmerzte ihn. Bisher hatte sie sich nicht über seine Gesellschaft beschwert, doch die Zweisamkeit hatten sie bisher auch fast nur damit verbracht mit- oder nebeneinander zu schlafen. Vielleicht war das das Einzige, was sie sich von ihm versprach. Nicht, dass er die Intimität nicht genoss, doch er genoss, anscheinend im Gegensatz zu ihr, auch die Momente abseits davon, die er mit ihr verbrachte. War er ihr auf irgendeine Weise unangenehm? Er fühlte sich gerade zurückgewiesen. Und todmüde.
Die Anderen wiederfinden… „Eure Wünsche sind mir Befehl, Mylady.“
„Lloyd wird sicher nach Mr. Wright und Mrs. Thomson suchen lassen, wenn ich ihn darum bitte. Seine Leute finden sie sicher schneller als wir. Es gibt keinen Grund, uns Umstände zu machen“, fuhr Charles, nicht in Gedanken, recht lustlos fort. Eigentlich gefiel ihm die Idee, nun aufzustehen (zumindest hatte er Melindas Einwand so verstanden), recht wenig. Es war verlockend, wieder einzuschlafen. Nicht der Albträume wegen, sondern weil die Müdigkeit seine Knochen schwer sein ließ und ihn zudem wieder zu überwältigen drohte.
„Und der Doktor dürfte bisher nicht allzu weit gekommen sein, sollte er ebenfalls aufgebrochen sein“, ergänzte er mit einem leichten Lächeln, das er trotz der trüben Stimmung noch zustandebrachte. Doch kaum hatte er dies ausgesprochen, fand er seine Worte unangebracht.
„Verzeihen Sie“, murmelte er und gähnte, wobei er seine unechte Hand vor den Mund nahm.
„Wenn Sie es wünschen, werde ich Sie nach unten begleiten.“
Während Maura und Gilbert sich leise und wortreich austauschten, blieb unklar, was die beiden Polizisten vor dem Haus (oder bereits im Inneren des Hauses angekommen) trieben. Auch ob Oxley und Norlys Freund ihnen, wenn auch unbeabsichtigt, gute Karten zu spielen würden, war ungewiss. Allerdings waren die beiden im Nebenzimmer nicht so leise, dass man überhaupt nichts von ihnen hörte. Während nur Gilbert ein undefinierbares, dumpfes Geräusch von der anderen Seite der Tür wahrnahm, war auch für Maura gleichermaßen ein darauf folgender Fluch von Oxley aufzuschnappen (wenn die Wortwahl auch unverständlich blieb, war der Tonfall und der Klang der Aussprache unmissverständlich).
Harrys trockener Kommentar dazu war deutlicher zu verstehen: „Sie wollten es nicht anders.“
Danach kehrte wieder Stille ein.
King Reynard schien sich über Randolphs Versuch, einen Treffer mit dem Stichwort „Höllenhund“ zu landen, zu wundern, auch wenn er die wahre Intention dahinter nicht erkannte.
„Höllenhund?“, wiederholte er fragend und lachte.
„Sie meinen hoffentlich nicht sich selbst“, meinte er. „Aber einige nicht-legendäre Höllenhunde haben wir schon hier. Wenn Sie kommen, werden Sie es sehen. Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen!“
Dass der Arzt jedoch den Absinth skeptisch beäugte und sich lieber in die Küche begeben wollte, entging dem tätowierten Amerikaner nicht.
„Hier müssen Sie sich nicht zieren“, entgegnete er Randolphs Worten. „Trinken Sie aus. Absinth trinkt man ohnehin nicht, um es ruhiger angehen zu lassen. Mit einem vollen Magen dazu, wird es Ihr Körper, besonders Ihr Bein, danken.“
Er nickte in Richtung Küche und setzte sich wieder in Bewegung.
„Los, kommen Sie.“
Bowen führte Randolph am Ring vorbei durch einen vollkommen mit Holz ausgekleideten Gang. Bei dem Duft nach Essen, der ihnen entgegenströmte, brauchten sie eigentlich nur der Nase zu folgen. Es war nun fast Mittagszeit und Rosie war, deutlich wahrnehmbar, dabei, sich um die hungrigen Mäuler im Haus zu kümmern. Der King hatte bereits Einiges dazu erzählt. „Die Mädchen“, die er erwähnt hatte (drei etwas wild scheinende Dinger – geschätzt vielleicht sechs, acht und elf Jahre alt), erwarteten ihn und Randolph tatsächlich zusammen mit Rosie in dem großen Raum, der eher wie eine Art Speisesaal aufgebaut war, an dessen Wände man Küchenzeilen, Herde und Öfen platziert hatte. Die Luft hier war entsprechend warm und feucht, aber man wurde mit dem speicheltreibenden Duft von frischem Brot und den Speisen belohnt, die in großen Töpfen köchelten – überwiegend Eintopf, anscheinend. Ein riesiger Berg von Gemüseschalen an einem Ende des Tisches zeugte davon, dass die Vorbereitungen wohl länger gedauert haben mussten. Bowen wählte das andere Ende, in der Nähe der geöffneten, etwas frischluftversprechenden Fenster für sich und den Doc, wobei er Rosie im vorbeigehen ungeniert einen Kuss auf die Wange drückte, bevor er Randolph anbot, sich zu setzen und sich selbst niederließ. Sein noch nicht leeres Glas platzierte er vor sich. Das jüngste der Mädchen eilte ungefragt herbei und machte sich eifrig daran, für die beiden einzudecken.
Reynard lächelte ihr zu, was sie zufrieden zum Grinsen brachte, und wandte sich wieder Randolph zu.
„Nun, führen wir unser Gespräch fort. Sie wollten mir gerade von sich und der Kleinen erzählen“, erinnerte er daran.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
So, genug geredet.
Im Prinzip hatte Maura das erreicht, was sie mit ihrem Monolog hatte erreichen wollen. Wright stellte sich nicht mehr quer, sondern schien im Gegenteil kooperationswillig, er behauptete sogar ihr vertrauen zu wollen, was Maura ihm jedoch nicht einfach abkaufte. Sie hatte sich nicht gerade vertrauenswürdig verhalten, ein kleiner Monolog änderte daran wohl kaum etwas. Aber auf dem richtigen Weg befanden sie sich schon einmal.
Was aber definitiv der falsche Weg war, war hier stehen zu bleiben und zu diskutieren. Wenn sie hier erst Wurzeln schlugen, würde der Polizist sie in flagranti hier erwischen, und Maura war nicht sicher, ob ihre Redekunst für eine solche Situation ausreichte, um ungeschoren davonzukommen – und nicht Mr. Wright zu verpfeifen.
„Sie haben Recht – wir haben keine Wahl“, wiederholte sie trocken. „Also lassen Sie uns aufhören zu reden und hier verschwinden.“ Ohne Wrights Antwort abzuwarten, machte sie ein paar Schritte, bis sie vor der Tür stand, die – ihrer Erinnerung nach – zum Hinterausgang führte. Sie legte ihr Ohr an die Tür und lauschte ein paar Sekunden lang, doch niemand war zu hören, und als sie die Tür vorsichtig öffnete, sah sie, dass der Raum leer war.
Aus dem Nebenraum war die Stimme von Norlys freund zu hören, und Maura lauschte kurz, entschied dann aber, dass es nun Wichtigeres zu tun galt. Natürlich war es interessant, was der Mann da auf der anderen Seite tat – wer hatte etwas gewollt, Oxley? – doch sie entschied für sich, dass es nun Wichtigeres gab. Von hier wegzukommen, vor allen Dingen. Also wandte sie sich zu Mr. Wright um und winkte ihn stumm herbei, bevor sie den Raum betrat, der sie gleich – im besten Fall – in die Freiheit führen würde.
Oh, bitte, lass die gottverdammte Tür nicht abgeschlossen sein …
Im Prinzip hatte Maura das erreicht, was sie mit ihrem Monolog hatte erreichen wollen. Wright stellte sich nicht mehr quer, sondern schien im Gegenteil kooperationswillig, er behauptete sogar ihr vertrauen zu wollen, was Maura ihm jedoch nicht einfach abkaufte. Sie hatte sich nicht gerade vertrauenswürdig verhalten, ein kleiner Monolog änderte daran wohl kaum etwas. Aber auf dem richtigen Weg befanden sie sich schon einmal.
Was aber definitiv der falsche Weg war, war hier stehen zu bleiben und zu diskutieren. Wenn sie hier erst Wurzeln schlugen, würde der Polizist sie in flagranti hier erwischen, und Maura war nicht sicher, ob ihre Redekunst für eine solche Situation ausreichte, um ungeschoren davonzukommen – und nicht Mr. Wright zu verpfeifen.
„Sie haben Recht – wir haben keine Wahl“, wiederholte sie trocken. „Also lassen Sie uns aufhören zu reden und hier verschwinden.“ Ohne Wrights Antwort abzuwarten, machte sie ein paar Schritte, bis sie vor der Tür stand, die – ihrer Erinnerung nach – zum Hinterausgang führte. Sie legte ihr Ohr an die Tür und lauschte ein paar Sekunden lang, doch niemand war zu hören, und als sie die Tür vorsichtig öffnete, sah sie, dass der Raum leer war.
Aus dem Nebenraum war die Stimme von Norlys freund zu hören, und Maura lauschte kurz, entschied dann aber, dass es nun Wichtigeres zu tun galt. Natürlich war es interessant, was der Mann da auf der anderen Seite tat – wer hatte etwas gewollt, Oxley? – doch sie entschied für sich, dass es nun Wichtigeres gab. Von hier wegzukommen, vor allen Dingen. Also wandte sie sich zu Mr. Wright um und winkte ihn stumm herbei, bevor sie den Raum betrat, der sie gleich – im besten Fall – in die Freiheit führen würde.
Oh, bitte, lass die gottverdammte Tür nicht abgeschlossen sein …
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Melinda legte den Kopf schief. Ihre Idee, wieder die Gruppe zusammen zu führen, schien ihn nicht sonderlich zu gefallen. Was führte er bloß im Schilde? Seinen Gähnen war jedoch unmissverständlich. Sie zuckte mit den Schultern. "Ich würde es schön finden, einmal etwas normales zu machen. Ich bin im Grunde noch nie wirklich richtig ausgegangen. Ich dachte es nur, es sei sinnvoll die anderen zu finden. Vielleicht wäre es aber auch nicht verkehrt etwas zu Essen." Sie lächelte wieder.
"Wie sieht es aus? Lieber schlafen? Lieber essen?" Dann dachte sie kurz nach, hatte man etwas gegessen konnte man auch besser schlafen. "Ach, was soll es. Wir sollten etwas essen." Sie beugte sich vor und fasste ihn leicht unter dem Kinn. Sie hob es sanft an und küsste ihn sanft auf die Stirn.
Sie wartete bis er sich angezogen hatte und machte sich langsam mit ihm auf den Weg nach unten, auch wenn es so schien als sei er tüchtig eingeschnappt. Wollte er ihr Verhalten in den falschen Hals bekomen, dann sollte er dies eben tun.
Sie bedachte jedoch seine Verletzungen und schlenderte die Treppe eher, als dass sie sie ging.
Dennoch manifestierte sich in ihr der Gedanke, dass sie dringend nach London musste. Hatte Charles gegessen und würde sich wieder etwas zum schlafen hinlegen, würde sich wohl endlich die Gelegenheit bieten.
"Wie sieht es aus? Lieber schlafen? Lieber essen?" Dann dachte sie kurz nach, hatte man etwas gegessen konnte man auch besser schlafen. "Ach, was soll es. Wir sollten etwas essen." Sie beugte sich vor und fasste ihn leicht unter dem Kinn. Sie hob es sanft an und küsste ihn sanft auf die Stirn.
Sie wartete bis er sich angezogen hatte und machte sich langsam mit ihm auf den Weg nach unten, auch wenn es so schien als sei er tüchtig eingeschnappt. Wollte er ihr Verhalten in den falschen Hals bekomen, dann sollte er dies eben tun.
Sie bedachte jedoch seine Verletzungen und schlenderte die Treppe eher, als dass sie sie ging.
Dennoch manifestierte sich in ihr der Gedanke, dass sie dringend nach London musste. Hatte Charles gegessen und würde sich wieder etwas zum schlafen hinlegen, würde sich wohl endlich die Gelegenheit bieten.
Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
„Ich habe mich wohl im Namen geirrt…“
Nun gut. Es war zu erwarten gewesen, dass er aus dem King nichts zu Charles kryptischen Notizen herausbekommen würde. Er hatte es zumindest mal versucht.
Missmutig lauschte der Doktor dem, was Bowen über den Drink zu sagen hatte.
Trinken Sie aus. Absinth trinkt man ohnehin nicht, um es ruhiger angehen zu lassen. Mit einem vollen Magen dazu, wird es Ihr Körper, besonders Ihr Bein, danken.
Randolph dachte gar nicht daran das scheußliche, grüne Etwas seinen Hals hinunter zu kippen. Seine knochigen Finger schlossen sich um das Glas: „Gut. Wenn das so ist, sollte ich erst mal meinen Magen füllen.“
Zugegebenermaßen etwas erleichtert konnte er beobachten, wie sein Gesprächspartner seinen Arsch in Richtung Küche zu bewegen begann, auch wenn er es ihm übel nahm, dass er wegen der Platzwahl bis ans andere Saalende humpeln musste. Er ließ sich erschöpft auf einem Stuhl nieder, auch wenn er versuchte sich seine Niedergeschlagenheit nicht ansehen zu lassen. Die letzten Stunden hatten stark an seinem Körper und Geist gezehrt. Wie auch schon die letzten Tage allgemein. Alles war aus den Fugen geraten und er war von einer Hölle in die Nächste gehinkt. Eigentlich sollte er es Charles nun gleich tun und einfach schlafen. Die Gruppe, die ja nun nach dem Verschwinden von Alan und Johanna nur noch aus Charles, Melinda und ihm selbst bestand, würde schon ein paar Stunden ohne ihn klar kommen.
Aber andererseits: Diese Thomson und Wright konnten sie jederzeit verraten. Wright hatte gesehen, wo sie alle untergetaucht waren. Und ja, Bowen hatte gemeint das die Polizei sich von diesem Ort hier fernhielt…aber viel von seinen Männern, die ihn angeblich im Innenhof beinahe niedergestreckt hätten, hatte er noch nicht gesehen. Nur die Familie des Kings. So wie jetzt. Drei der Waisenmädchen, derer sich Reynard angenommen hatten, waren in der Küche beschäftigt und eilten eifrig durch die Gegend. Müde blickte Randolph das kleine Ding an, das den Tisch für sie herrichtete. Irgendwie erinnerte sie ihn an Melinda, als sie in dem Alter war.
Er hätte sie auch aufnehmen sollen, das war ihm nun klar. Nach dem Tod seines Vaters wäre das ja kein Problem mehr gewesen. Aber er war zu sehr in seinem Selbsthass und seinen Depressionen gefangen gewesen. Dann hätte er verhindern können, dass sie ihren Körper verkaufte. Er war genau so ein Bastard wie Stirling. Es war ein Wunder, dass Melinda ihn überhaupt noch als Freund betrachtet hatte, als sie in der Dunkelheit mit Norly bei ihm aufgekreuzt war.
Und jetzt wollte diese Gestalt über sie Beide Bescheid wissen. Ein Kerl, den er kaum kannte, dem er wenig vertraute und den er noch weniger mochte. Aber schön. Sein Haus, seine Küche. Randolph sollte wohl so etwas wie Dankbarkeit zeigen. Dann würde er ihm eben etwas erzählen. Während er immer noch verdammten Hunger hatte. Das Glas mit dem ekelerregenden, grünen Absinth stellte er vor sich auf dem Tisch ab.
„Tja, spannende Geschichte. Eines Nachts, kurz nachdem sie Hills Wohnung abgefackelt haben, sind die Beiden bei meiner Praxis auftaucht“, erklärte Randolph unwirsch. Seine Erzählweise war wie immer recht monoton und finster. „Es war schon nach Mitternacht und sie konnten wohl von Glück reden, dass ich tatsächlich geöffnet habe. Vielleicht der letzte, schwere Fehler meines vermaledeiten Lebens- das wird sich noch herausstellen. Jedenfalls hatte Charles im Laufe einer Auseinadersetzung eine Kopfwunde erlitten und ich flickte ihn wieder zusammen. Erstaunlicherweise wurde mir zunächst nicht klar, welchen Patienten ich da bediente. Vermutlich hatte es sich herumgesprochen, dass ich relativ isoliert lebe und abseits meiner Behandlungen nicht viel Kontakt zur Außenwelt habe.“
Randolph nippte an seiner grünen Fee, doch anstatt seine Kehle zu erfrischen, brannte die Flüssigkeit nur in seinem Rachen. Wunderbar. Absolut wunderbar.
„Erst im Laufe der Behandlung begann also ein gewisser Verdacht in mir aufzukeimen, dass es sich bei ihm um den berüchtigen Serienmörder Scarface handeln könnte…die Narbe fiel mir dann nach dem ich das Blut, das an seinem Schädel geklebt hat, entfernt hatte, natürlich auch auf. Ich bot seiner Begleitung und ihm Schlafplätze an, um mir dann Informationen einzuholen…um es abzukürzen: Ich habe herausgefunden das er Scarface ist, bin aber nicht zum Yard gerannt, weil er auf mich nicht wie ein blutrünstiger Psychopath gewirkt hat. Ich habe ihm eine Chance gegeben und ihn damit konfrontiert, wir sind ins Gespräch gekommen…und so hat sich alles ergeben. Ich will sie ja nun nicht mit unwichtigen Details langweilen…“
Wie zum Beispiel, dass er ihm seine Waffe gestohlen und ihn damit bedroht hatte, sie sich gegenseitig so lange laut anschrien, bis Melinda und Johanna zu ihnen stießen und er anschließend die Ermordung seines Vaters preisgab. Aber wie gesagt. Bowen wollte er damit nicht langweilen.
„Und was die Frau betrifft. Sie scheint wohl so eine Art…Gespielin von ihm zu sein. So ganz schlau bin ich aus dem Verhältnis auch noch nicht geworden.“
Es war wohl besser erst mal keine freundschaftlichen Beziehungen preiszugeben. Er hatte Melinda nun einfach als Fremde dargestellt. Das würde Reynard zwar vermutlich nicht zufriedenstellen, aber andererseits war es Randolph auch völlig gleichgültig, ob er seinen Gesprächspartner mit dieser Antwort zufriedenstellte.
Er wollte einfach nur sein Essen.
„Und wie war es bei Ihnen? Wie sind ihre Frau und sie mit Norly in Kontakt gekommen?“
Vielleicht ließ sich ja trotz allem noch etwas Sinnvolles aus dem Kerl herausholen. Das war jedenfalls angenehmer, als wenn er nun anfangen würde über seiner glorreichen Boxkämpfe zu palavern.
Nun gut. Es war zu erwarten gewesen, dass er aus dem King nichts zu Charles kryptischen Notizen herausbekommen würde. Er hatte es zumindest mal versucht.
Missmutig lauschte der Doktor dem, was Bowen über den Drink zu sagen hatte.
Trinken Sie aus. Absinth trinkt man ohnehin nicht, um es ruhiger angehen zu lassen. Mit einem vollen Magen dazu, wird es Ihr Körper, besonders Ihr Bein, danken.
Randolph dachte gar nicht daran das scheußliche, grüne Etwas seinen Hals hinunter zu kippen. Seine knochigen Finger schlossen sich um das Glas: „Gut. Wenn das so ist, sollte ich erst mal meinen Magen füllen.“
Zugegebenermaßen etwas erleichtert konnte er beobachten, wie sein Gesprächspartner seinen Arsch in Richtung Küche zu bewegen begann, auch wenn er es ihm übel nahm, dass er wegen der Platzwahl bis ans andere Saalende humpeln musste. Er ließ sich erschöpft auf einem Stuhl nieder, auch wenn er versuchte sich seine Niedergeschlagenheit nicht ansehen zu lassen. Die letzten Stunden hatten stark an seinem Körper und Geist gezehrt. Wie auch schon die letzten Tage allgemein. Alles war aus den Fugen geraten und er war von einer Hölle in die Nächste gehinkt. Eigentlich sollte er es Charles nun gleich tun und einfach schlafen. Die Gruppe, die ja nun nach dem Verschwinden von Alan und Johanna nur noch aus Charles, Melinda und ihm selbst bestand, würde schon ein paar Stunden ohne ihn klar kommen.
Aber andererseits: Diese Thomson und Wright konnten sie jederzeit verraten. Wright hatte gesehen, wo sie alle untergetaucht waren. Und ja, Bowen hatte gemeint das die Polizei sich von diesem Ort hier fernhielt…aber viel von seinen Männern, die ihn angeblich im Innenhof beinahe niedergestreckt hätten, hatte er noch nicht gesehen. Nur die Familie des Kings. So wie jetzt. Drei der Waisenmädchen, derer sich Reynard angenommen hatten, waren in der Küche beschäftigt und eilten eifrig durch die Gegend. Müde blickte Randolph das kleine Ding an, das den Tisch für sie herrichtete. Irgendwie erinnerte sie ihn an Melinda, als sie in dem Alter war.
Er hätte sie auch aufnehmen sollen, das war ihm nun klar. Nach dem Tod seines Vaters wäre das ja kein Problem mehr gewesen. Aber er war zu sehr in seinem Selbsthass und seinen Depressionen gefangen gewesen. Dann hätte er verhindern können, dass sie ihren Körper verkaufte. Er war genau so ein Bastard wie Stirling. Es war ein Wunder, dass Melinda ihn überhaupt noch als Freund betrachtet hatte, als sie in der Dunkelheit mit Norly bei ihm aufgekreuzt war.
Und jetzt wollte diese Gestalt über sie Beide Bescheid wissen. Ein Kerl, den er kaum kannte, dem er wenig vertraute und den er noch weniger mochte. Aber schön. Sein Haus, seine Küche. Randolph sollte wohl so etwas wie Dankbarkeit zeigen. Dann würde er ihm eben etwas erzählen. Während er immer noch verdammten Hunger hatte. Das Glas mit dem ekelerregenden, grünen Absinth stellte er vor sich auf dem Tisch ab.
„Tja, spannende Geschichte. Eines Nachts, kurz nachdem sie Hills Wohnung abgefackelt haben, sind die Beiden bei meiner Praxis auftaucht“, erklärte Randolph unwirsch. Seine Erzählweise war wie immer recht monoton und finster. „Es war schon nach Mitternacht und sie konnten wohl von Glück reden, dass ich tatsächlich geöffnet habe. Vielleicht der letzte, schwere Fehler meines vermaledeiten Lebens- das wird sich noch herausstellen. Jedenfalls hatte Charles im Laufe einer Auseinadersetzung eine Kopfwunde erlitten und ich flickte ihn wieder zusammen. Erstaunlicherweise wurde mir zunächst nicht klar, welchen Patienten ich da bediente. Vermutlich hatte es sich herumgesprochen, dass ich relativ isoliert lebe und abseits meiner Behandlungen nicht viel Kontakt zur Außenwelt habe.“
Randolph nippte an seiner grünen Fee, doch anstatt seine Kehle zu erfrischen, brannte die Flüssigkeit nur in seinem Rachen. Wunderbar. Absolut wunderbar.
„Erst im Laufe der Behandlung begann also ein gewisser Verdacht in mir aufzukeimen, dass es sich bei ihm um den berüchtigen Serienmörder Scarface handeln könnte…die Narbe fiel mir dann nach dem ich das Blut, das an seinem Schädel geklebt hat, entfernt hatte, natürlich auch auf. Ich bot seiner Begleitung und ihm Schlafplätze an, um mir dann Informationen einzuholen…um es abzukürzen: Ich habe herausgefunden das er Scarface ist, bin aber nicht zum Yard gerannt, weil er auf mich nicht wie ein blutrünstiger Psychopath gewirkt hat. Ich habe ihm eine Chance gegeben und ihn damit konfrontiert, wir sind ins Gespräch gekommen…und so hat sich alles ergeben. Ich will sie ja nun nicht mit unwichtigen Details langweilen…“
Wie zum Beispiel, dass er ihm seine Waffe gestohlen und ihn damit bedroht hatte, sie sich gegenseitig so lange laut anschrien, bis Melinda und Johanna zu ihnen stießen und er anschließend die Ermordung seines Vaters preisgab. Aber wie gesagt. Bowen wollte er damit nicht langweilen.
„Und was die Frau betrifft. Sie scheint wohl so eine Art…Gespielin von ihm zu sein. So ganz schlau bin ich aus dem Verhältnis auch noch nicht geworden.“
Es war wohl besser erst mal keine freundschaftlichen Beziehungen preiszugeben. Er hatte Melinda nun einfach als Fremde dargestellt. Das würde Reynard zwar vermutlich nicht zufriedenstellen, aber andererseits war es Randolph auch völlig gleichgültig, ob er seinen Gesprächspartner mit dieser Antwort zufriedenstellte.
Er wollte einfach nur sein Essen.
„Und wie war es bei Ihnen? Wie sind ihre Frau und sie mit Norly in Kontakt gekommen?“
Vielleicht ließ sich ja trotz allem noch etwas Sinnvolles aus dem Kerl herausholen. Das war jedenfalls angenehmer, als wenn er nun anfangen würde über seiner glorreichen Boxkämpfe zu palavern.
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Natürlich machte das Schicksal ihnen einen Strich durch die Rechnung. Die Tür war abgeschlossen. "Verdammt!" fluchte Gilbert. Er hatte kein Interesse daran, doch noch auf die Polizei zu treffen. Sie hatten kaum noch Zeit aber trotzdem machte sich der Maler daran, den Raum nach einem Schlüssel zu durchsuchen. Vielleicht gab es eine Art Haken oder eine kleine Schüssel, in der die Schlüssel aufbewahrt wurden. So war es zumindest gewesen, als er noch bei seinen Eltern gelebt hatte.
Währenddessen versuchte Gilbert fieberhaft, nach einem anderen Ausweg zu suchen. Das obere Stockwerk fiel komplett weg. Es war einfach zu gefährlich, dort durch die Fenster zu steigen und auf den Boden zu springen. Die Vordertür war auch keine Option - genauso wenig wie der Keller. Die Hintertür war abgeschlossen. Norlys Freund und Oxley wollten ihnen nicht helfen. Es musste doch eine Möglichkeit geben, aus diesem Haus zu fliehen! "Denk nach, Gil, denk nach!"
Und dann fiel es ihm ein. Wieso war er nicht schon vorher darauf gekommen? Oben konnten sie nicht aus den Fenstern steigen, weil es einfach zu hoch war aber hier im Erdgeschoss, würden sie aus den Fenstern steigen können. Sofort hörte Gilbert auf, nach einem Schlüssel zu suchen und wandte sich an seine - zumindest momentan - Verbündete.
"Ms. Thomson, die Fenster!" zischte er ihr leise zu. Er versuchte sich daran zu erinnern, welche Fenster die größten im Haus waren. Von dem, was er bisher gesehen hatte, waren es vermutlich die im Esszimmer. "Das Esszimmer! Kommen sie, schnell!" Sofort machte sich Gilbert auf den Weg in das nahegelegene Zimmer, um zu überprüfen, ob das große Fenster geöffnet werden konnte.
Währenddessen versuchte Gilbert fieberhaft, nach einem anderen Ausweg zu suchen. Das obere Stockwerk fiel komplett weg. Es war einfach zu gefährlich, dort durch die Fenster zu steigen und auf den Boden zu springen. Die Vordertür war auch keine Option - genauso wenig wie der Keller. Die Hintertür war abgeschlossen. Norlys Freund und Oxley wollten ihnen nicht helfen. Es musste doch eine Möglichkeit geben, aus diesem Haus zu fliehen! "Denk nach, Gil, denk nach!"
Und dann fiel es ihm ein. Wieso war er nicht schon vorher darauf gekommen? Oben konnten sie nicht aus den Fenstern steigen, weil es einfach zu hoch war aber hier im Erdgeschoss, würden sie aus den Fenstern steigen können. Sofort hörte Gilbert auf, nach einem Schlüssel zu suchen und wandte sich an seine - zumindest momentan - Verbündete.
"Ms. Thomson, die Fenster!" zischte er ihr leise zu. Er versuchte sich daran zu erinnern, welche Fenster die größten im Haus waren. Von dem, was er bisher gesehen hatte, waren es vermutlich die im Esszimmer. "Das Esszimmer! Kommen sie, schnell!" Sofort machte sich Gilbert auf den Weg in das nahegelegene Zimmer, um zu überprüfen, ob das große Fenster geöffnet werden konnte.
Thorgrimm- Anzahl der Beiträge : 2050
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Die Straße stank nach Abfall und Urin. Die Frau warf gehetzte Blicke in alle Richtungen. Ein Schuss. Das reichte, um zu wissen, dass sie noch da waren.
Die Gasse war menschenleer. Sie rannte weiter, durch Pfützen und Radfurchen, ohne ihre Umgebung zu sehen, ohne irgendetwas zu sehen; alles verschwand hinter einer Wand aus ängstlichen Tränen. Nur weiter, weg von ihnen. Ihren Mann hatten sie schon umgebracht. Sie wusste nicht, wieso.
Aber wenn sie sie erst hatten, würde sie die nächste sein.
Maura wusste nicht, warum ihr dieser Text gerade jetzt in den Sinn kam. Es war der Anfang einer ihrer Romane, und es war keine schöne Szene; vor allem, da sie hässlich endete. Eine Arbeiterin, deren Mann sich mit den falschen Leuten eingelassen hatte. Sie bezahlten beide mit dem Leben.
Vielleicht, weil sie in einer ähnlichen Situation war? Unschuldig gejagt (na ja … fast unschuldig), in einem Haus, das ihr kein Entkommen zusicherte. Und wenn die Polizisten sie in die Finger bekamen, war es vorbei, früher oder später. Womöglich würden sie sich sogar an sie erinnern, die arme ältliche Witwe, deren Mann so unerwartet gestorben war …
Angst kochte in ihr hoch, doch sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Bisher hatten sie eine Menge Pech gehabt. Die Hintertür war verschlossen, ein Schlüssel nicht in Sicht, und der Kohlenluken-Polizist würde jeden Moment hier auftauchen. Vielleicht war er auch schon da, hinter der Tür zur Küche, und wartete auf den richtigen Augenblick …
Jetzt nicht paranoid werden. Sie musste ruhig bleiben, ganz in Ruhe nachdenken …
Wright machte einen Vorschlag, und dieses Mal klang er viel besser, als im Obergeschoss. Das Esszimmer … sie hatte den Raum nur kurz gesehen, auf dem Weg zur Küche, doch das Fenster war ihr noch in Erinnerung. Breit und groß, wie ein Kirchenfenster, aber freundlicher hatte es den düsteren Raum trotzdem nicht gemacht. Erinnere dich … Groß, breit … konnte man sie öffnen? Ja … es waren Schiebefenster gewesen. Oder?
Nein, keine Zeit für Zweifel.
Sie nickte knapp, dann folgte sie Wright, ohne ein Wort zu sagen. Sie mussten endlich raus aus dieser unangenehmen Hütte.
Die Gasse war menschenleer. Sie rannte weiter, durch Pfützen und Radfurchen, ohne ihre Umgebung zu sehen, ohne irgendetwas zu sehen; alles verschwand hinter einer Wand aus ängstlichen Tränen. Nur weiter, weg von ihnen. Ihren Mann hatten sie schon umgebracht. Sie wusste nicht, wieso.
Aber wenn sie sie erst hatten, würde sie die nächste sein.
Maura wusste nicht, warum ihr dieser Text gerade jetzt in den Sinn kam. Es war der Anfang einer ihrer Romane, und es war keine schöne Szene; vor allem, da sie hässlich endete. Eine Arbeiterin, deren Mann sich mit den falschen Leuten eingelassen hatte. Sie bezahlten beide mit dem Leben.
Vielleicht, weil sie in einer ähnlichen Situation war? Unschuldig gejagt (na ja … fast unschuldig), in einem Haus, das ihr kein Entkommen zusicherte. Und wenn die Polizisten sie in die Finger bekamen, war es vorbei, früher oder später. Womöglich würden sie sich sogar an sie erinnern, die arme ältliche Witwe, deren Mann so unerwartet gestorben war …
Angst kochte in ihr hoch, doch sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Bisher hatten sie eine Menge Pech gehabt. Die Hintertür war verschlossen, ein Schlüssel nicht in Sicht, und der Kohlenluken-Polizist würde jeden Moment hier auftauchen. Vielleicht war er auch schon da, hinter der Tür zur Küche, und wartete auf den richtigen Augenblick …
Jetzt nicht paranoid werden. Sie musste ruhig bleiben, ganz in Ruhe nachdenken …
Wright machte einen Vorschlag, und dieses Mal klang er viel besser, als im Obergeschoss. Das Esszimmer … sie hatte den Raum nur kurz gesehen, auf dem Weg zur Küche, doch das Fenster war ihr noch in Erinnerung. Breit und groß, wie ein Kirchenfenster, aber freundlicher hatte es den düsteren Raum trotzdem nicht gemacht. Erinnere dich … Groß, breit … konnte man sie öffnen? Ja … es waren Schiebefenster gewesen. Oder?
Nein, keine Zeit für Zweifel.
Sie nickte knapp, dann folgte sie Wright, ohne ein Wort zu sagen. Sie mussten endlich raus aus dieser unangenehmen Hütte.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Charles fügte sich Melindas Entschluss, auch wenn es ihm schwerfiel, wieder auf die Beine zu kommen. Vielleicht war es wirklich nicht verkehrt, etwas zu sich zu nehmen. Bisher hatte er am heutigen Tag nichts gegessen… und am gestrigen auch nicht, soweit er sich recht erinnerte. Und an dem Tag davor? Er war sich nicht sicher. Allein das zeigte ihm, dass er nicht auf der Höhe war… nicht nur körperlich, sondern auch geistig – eine Erkenntnis, die seine Laune nicht gerade verbesserte. Beim Gedanken an Essen kam in ihm jedoch tatsächlich ein Hungergefühl auf. Er kannte es, dass er vergaß, zu essen, wenn er beschäftigt war; er kannte es auch, dass er vergaß, zu schlafen. Aber jedes Mal holte ihn Hunger und Schlafentzug irgendwann ein. Nun, da Melinda es zur Sprache gebracht hatte, quälte ihn beides gleichzeitig. Neben den übrigen Schmerzen.
Derart gebeutelt brauchte Charles relativ lang, um sich anzuziehen. Ihm war es unangenehm, dass Melinda ihn dabei beobachtete. Normalerweise stellte er sich nicht allzu ungeschickt an, weil er sich an seine Prothese gewöhnt hatte. Nun aber war ihm nicht nur die Erschöpfung nicht zuträglich, sondern der Schweiß, den er absonderte und bereits abgesondert hatte, machte die Kleidung klebrig und absolut ekelerregend. Blutflecken klebten natürlich ebenfalls immer noch daran.
Charles zwang sich trotzdem, hineinzuschlüpfen. Er hatte gerade keine Alternative. Am liebsten hätte er nun ein Bad genommen und sich frische Kleidung gesucht, bevor er irgendwas anderes angegangen wäre. Egal, ob es nun ein (eindeutig bevorzugter) Anzug oder eine Arbeiterkluft gewesen wäre: Hauptsache nicht nass, fleckig und miefend. Entsprechend unglücklicher, als er es ohnehin schon gewesen war, folgte er Melinda vorsichtig die Treppenstufen hinunter, nachdem er auch seine Waffen wieder an sich genommen hatte. Währenddessen versuchte er, zumindest den Schweiß von seinem Gesicht, Hals und Nacken mit einem Taschentuch aufzunehmen. Unten angekommen merkte er aber, dass dies vergebene Mühe gewesen war: Die Schmerzen und die Anstrengung des Abstiegs waren wieder schweißtreibend gewesen.
Charles wollte nicht mehr. Er hatte genug von der ganzen Situation. Manchester war, einmal wieder, die Hölle. Alles, was hätte schiefgehen können, war schiefgegangen. Die Polizei, Stirlings Doofdeppen, O’Sullivan, Mrs. Thomson, Gilbert Wright… Erinnerungen, Belastung, Albträume, Melinda. Er selbst fühlte sich wie in einem fremden, geistig überforderten, ruinierten Körper.
Am liebsten würde Charles fortrennen und nicht wiederkommen.
Stattdessen übernahm er aber nun die Führung, da seine Begleitung den Weg nicht kannte. Früher hatte es im Erdgeschoss und in der dritten Etage des Verwaltungsgebäudes jeweils eine kleine Küche gegeben – in der oberen hatte man schnell Tee oder Kaffee sowie Kleinigkeiten für den Boss und seine Gäste anrichten können. Lloyd Bowen und Rosie Tilling (die beiden waren nicht verheiratet), hatten sich teils in diesem Gebäude, teils aber auch in der alten Fabrik eingerichtet. Da sie mit den vielen Kindern, die ein- und ausgingen, und auch mit regelmäßigen, vielen Besuchern der Boxkämpfe, die Bowen hier veranstaltete, eine große Küche in besserer Lage benötigt hatten, hatten sie sie in die Fabrik verlegt.
Charles stapfte mit kleinen Schritten über den Hof und versuchte wieder einmal, nicht zu humpeln. Mehr denn je in den letzten Tagen spürte er jeden einzelnen Winkel seines Körpers. Gemeinsam zerrten die Muskeln an schwer anmutenden Knochen, als sie sich Charles‘ Willen beugten und ihn vorwärts schleppten.
Als er jedoch die Tür zum Barraum öffnete, der in der Halle zwischen hochgezogenen Holzwänden errichtet worden war, erfüllte ihn der Duft nach frischem Brot und Gekochten, der ihm entgegenströmte, mit neuer Kraft.
Sein Magen knurrte erwartungsvoll. Nur noch ein kleines Stück…
Charles hielt Melinda die Tür auf und folgte ihr ins Gebäude. Sicher war sie überrascht davon, in einem Pub zu stehen, auch wenn außer ihnen beiden niemand anwesend war, aber Charles beschloss, das nicht näher zu kommentieren. Auch kommentierte er nicht den Boxring, den man durch einen offenen Durchgang erspähen konnte. Dieser befand sich ebenfalls in einem mit Bretterwänden begrenzten Raum, in dessen Mitte man eine kleine Arena mit aufgestapelten Kisten, Sesseln und Stühlen als Zuschauerränge aufgebaut hatte, die den mit Sand ausgelegten Boden in ihrer Mitte kreisförmig umringten. Überall angekleisterte Plakate und Stoffbanner zeigten Fahndungsplakate und anstößige Bilder, und kündeten von Bier- und Schnapspreisen, Mindestwetteinsätzen, vom „Bruisers Brawl“ sowie von Reynard, dem „King of the Ring“.
Charles grüßte die beiden Halbwüchsigen, die sich dort aufhielten (Toby und Fish waren ihre Namen, soweit er sich erinnerte, im vorbeistapfen. Die Haut beider zierten Tätowierungen mit ähnlichen Motiven derer, die auch Lloyd Bowens Körper zierten. Beim jüngere von ihnen (Toby) erstreckten sie sich über die Fingerknöcheln und den Rücken der rechten Hand. Fish war schon an der Schwelle zum Mannesalter. Er besaß nicht nur Tätowierungen an beiden Händen, sondern auch am rechten Unterarm. Scheinbar teilten die beiden sich eine Flasche mit einem Inhalt, bei dem es sich sicher nicht um Wasser oder Saft handelte.
Charles ging das nichts an. Er wollte auch nicht wissen, was die Tattoos im Einzelnen für fragwürdige Errungenschaften symbolisierten. Er folgte dem verlockenden Geruch nach Rosies Kochkünsten und dem Gemurmel von Stimmen, das aus derselben Richtung kam.
King Reynard schien nichts gegen Randolphs Ausführungen einzuwenden zu haben. Zumindest unterbrach er die Erzählung seines Gesprächspartners nicht, sondern hörte mit nachdenklichem Gesichtsausdruck zu (aber auch Rosie schien mit einem Ohr bei ihnen zu sein), bis sich Randolph recht zurückhaltend über Melinda äußerte.
„Tja, entweder Charles wird auf seine alten Tage noch umtriebig“, entgegnete der Amerikaner daraufhin, „oder da steckt mehr dahinter. Sie ist jedenfalls nicht die feine Dame, als die sie sich verkleidet hat. Aber das haben Sie sicher selbst schon selbst gemerkt, bei ihrem losen Mundwerk.“
Anschließend hatte der Mann kein Problem damit, seinerseits zu beantworten, woher Rosie und er Charles kannten.
„Ich habe Charles drüben in Boston kennengelernt – meiner bescheidenen Heimat“, erklärte er grinsend.
„Er und sein Geschäftspartner haben nach einem Mann mit meinen Talenten gesucht, ich fand ihr Angebot interessant und schlug ein. Ich will Sie ja nun nicht mit unwichtigen Details langweilen“, griff er, sicher mit purer Absicht, Randolphs Wortwahl auf. Anscheinend wollte auch Bowen sich nicht in Details verlieren, die der Arzt nicht zu wissen brauche – oder die diesen, aus Bowens Sicht, nichts angingen.
„Sie fragen sich aber sicher, was mich hierherverschlagen hat, also will ich das Ihnen nicht vorenthalten. Keine Sorge, ich halte mich kurz“, ergänzte er sofort.
„Daheim war es schon seit Längerem etwas ungemütlich für mich, deswegen kam ich mit Charles nach London – wo er mich Ed, Rosies Vater vorstellte, der mir helfen wollte, hier auf der anderen Seite des großen Teichs Fuß zu fassen. Ich bezweifle, dass er damit meinte, mir auch sein Mädchen zu überlassen“, meinte er lachend und wich gekonnt einem fliegenden Geschirrtuch aus Rosies Richtung aus, das er wohl schon erwartet hatte. Die Mädchen kicherten.
„Na schön, er war damit einverstanden“, gab der King beschwichtigend zu, nur um sich dann vorzulehnen und Randolph verschmitzt grinsend zuzuraunen:
„Aber sie hat ihm auch nicht wirklich eine Wahl gelassen.“
Rosie stand plötzlich direkt neben ihnen und stellte ihnen mit Nachdruck Teller mit heißdampfendem, wohlriechendem Eintopf vor die Nasen. Neben dem Gemüse, hatte Rosie auch nicht an Fleisch gespart – wohl Rind, auch wenn das in diesen Tagen nicht günstig war. Eins der Mädchen brachte dazu einen Korb mit aufgeschnittenem Brot, das scheinbar gerade frisch aus dem Ofen kam.
„Benimm dich vor unserem Gast, Bowen“, ermahnte Rosie ihn mit humorvoller Strenge, bevor sie sich halb Randolph zuwendete.
„Ich kenne Charles schon lange“, erzählte sie.
„Ich war noch ein Kind, als Vater ihn das erste Mal mit ins Theater brachte. Ihn und seine Freunde.“ Eine gewisse Wehmut schwang in ihrer Stimme mit. Sie erklärte das nicht näher, sondern warf dem King einen kritischen Blick zu.
„Allesamt Gentlemen, im Gegensatz zu dir.“
Das brachte ihn nur dazu, noch breiter zu grinsen, als es sowieso schon gewesen war.
„Und trotzdem habe ich dein Herz gewonnen“, entgegnete er ihr, wandte sich dann aber wieder dem Doktor zu und begann nebenbei, zu essen, als sie sich wieder an den Herd zurückzog.
„Nun, das war auch schon fast die ganze Geschichte“, stieg er wieder in die Erzählung ein.
„Wir nutzen nun die Norman Mill, solange Charles keine Verwendung für sie hat. Etwas Besseres hätte uns nicht passieren können. Ich sage Ihnen, Doc: Manchester ist so viel entspannter als London. Erst war ich skeptisch, aber dieses Gelände hier ist ideal für uns und Charles tat uns gern den Gefallen, es uns zu überlassen. Besser, als wenn es brachliegen würde, sage ich. Sogar die Maschinen stehen noch hier. Wären wir nicht hergekommen, wäre alles hier ungenutzt vor die Hunde gegangen. Ihm war alles lieber, als alles an seine Neider zu verschachern, und so erfüllt es wenigstens noch einen Zweck.“
In diesem Moment trat jemand in die Tür.
„Stets zu Diensten“, kommentierte Charles den Teil des Gespräches, den er zufällig mitgehört hatte. Es war nicht viel gewesen, aber es hatte gereicht, um sich ein Bild von der Thematik zu machen. Tatsächlich wollte er nicht näher darauf eingehen. Dass Lloyd davon erzählte, gefiel Charles weniger. Er wollte lieber nicht in die Situation kommen, dass ihm jemand Fragen zur Fabrik oder auch zu finanziellen Angelegenheiten stellte (immerhin schätzte er, dass niemand anderer außer er auf den Gewinn, den der Verkauf oder die Verpachtung dieser Fabrik bringen würde, mit Freuden verzichten würde – Geschweige denn, dass es sich jemand leisten können würde, das Grundstück brachliegen zu lassen). Seine Laune war ohnehin schon schlecht genug. Dennoch munterte ihn die Aussicht auf etwas Essen ein wenig auf, auch wenn er sich sehr unwohl dabei fühlte, sich in seinem Zustand an einen Esstisch zu setzen. Selbst herumstehen mochte er nicht. Ekelhaft. Der Doktor sah zwar auch nicht wie frisch gebadet aus, aber das mochte Charles nicht als Vorwand nehmen, sich in seiner Haut wohler zu fühlen.
Dennoch versuchte er, nicht allzu kläglich auszusehen, als er die von den Herden und Öfen stark aufgeheizte Küche betrat, indem er sich um eine aufrechte Haltung bemühte.
„Das duftet wirklich wundervoll, junge Lady“, sprach er Rosie an und lächelte, in dem Versuch, etwas von seinem Charme zu versprühen. Er wusste, dass sie wütend auf ihn war. Sie war eine mitfühlende, herzliche Person, und dass sie darauf bestanden hatte, dass sie alle als ihre Gäste blieben, zeigte, dass sie ihr gutes Wesen, selbst in Trauer, nicht vergessen konnte – allerdings änderte das nichts daran, dass Charles sich die Schuld am Tod ihres Vaters gab und dass auch sie ihm die Schuld gab. Das er sah Argwohn in ihrem Blick. Vermutlich war sie sich nicht sicher, ob sie ihm den eigenhändigen Mord an Ed zutrauen sollte oder nicht. Charles wäre sich an ihrer Stelle selbst unsicher nach all den Vorkommnissen in London. Er war ihr eine Erklärung schuldig. Und dabei musste er vorsichtig vorgehen. Doch vielleicht ließ sich das auf eine Gelegenheit nach dem Essen verschieben. Das wäre erstrebenswert, fand auch Charles‘ Magen.
Rosie schien sich durch sein Lächeln und auch durch den Titel, den er ihr schon bei ihrem ersten Treffen gegeben hatte, nicht erweichen zu lassen.
„Wäre es angenehm, wenn wir uns zu euch gesellen und auch etwas zu uns nehmen?“, fuhr Charles fort. Bowen nickte nur, er war inzwischen damit beschäftigt, Eintopf in sich hineinzuschaufeln.
„Sicher. Setzt euch, esst euch satt“, sagte Rosie und blickte von Charles zu Melinda und wieder zu Charles. Ihr Blick schien musternd auf der verkrusteten Wunde an seiner Stirn zu ruhen, als er näher kam (etwas, was Charles nachdenklich stimmte).
Eins der Mädchen von den dreien, die anwesend waren, begann sofort, Besteck und Geschirr zu holen. Charles bot Melinda den Stuhl neben Randolph an, bevor er selbst neben Lloyd Platz nahm, und kurz darauf stand für alle Essen auf dem Tisch.
Charles entging natürlich nicht, dass die beiden anderen Herren es sich offenbar mit Absinth dazu gut gingen lassen, doch das ließ er unkommentiert.
Gilbert und Maura eilten vom Hintereingang zum Esszimmer. Es war unklar, wie viel Zeit ihnen noch blieb. Klar war nur, dass sie fliehen mussten, wenn sie den beiden Yard-Polizisten nicht begegnen wollten. Beide hatten sich richtig an das große Fenster im Esszimmer erinnert. Zweifelsfrei wäre genug Platz, um dadurch hinauszuklettern – und auf der anderen Seite befand sich der Kiesweg, der um das Haus herumführte, und dahinter grünes Gras in akzeptabler Tiefe. Zwar würde, wenn sie erst einmal draußen waren, das Fensterbrett etwa auf Augenhöhe der etwas größer als Gilbert gewachsenen Maura sein, aber die Gefahr, sich bei einem Sprung aus diesem Fenster das Genick zu brechen, war, vergleichsweise mit den Fenstern im ersten Stock, gering.
Gilberts Hände fassten den Griff des Schiebefensters, das sich tatsächlich bewegen ließ – jedoch schallte genau in diesem Moment, noch bevor Gilbert das Fenster komplett geöffnet hatte, eine laute, strenge Stimme durch das Haus:
„Kommen Sie sofort heraus, Madam!“, befahl jemand, zweifelsohne Inspektor Hayes, in einem Ton, der keine Zuwiderhandlung duldete. „Langsam, und ich will Ihre Hände sehen!“
Der Inspektor musste sich irgendwie Zutritt zum Haus verschafft haben, während sein Begleiter es ihm gleichgetan hatte. Vermutlich befand er sich im Eingangsbereich. Und vielleicht war der Kohlelukenbulle auch schon längst im Erdgeschoss.
Wäre dies noch nicht genug, machte nun auch noch Oxley von sich bemerkbar:
„Hilfe!“, rief er, schwächlich klingend, gerade so noch wahrnehmbar. „Sie haben mich überfallen!“
Wenn ihr aus dem Fenster klettern/springen wollt, würfelt bitte Athletik gegen +2. Wenn der eine dem anderen hilft, muss der Helfende Athletik gegen +0 würfeln und der Geholfene bekommt (bei erfolgreicher Hilfe) +1 auf den eigenen Athletikwurf. Bei Misserfolg der Hilfe entsteht kein Nachteil. Es gilt: Fällt das Gesamtergebnis eures Würfelwurfs (Würfel + Fertigkeitenwert) unter -2, wird es als -2 gewertet. Wenn allgemein eurer Athletikwurf fehlschlägt, erhaltet ihr beim Aufkommen auf den Boden Schadenspunkte in Höhe der Differenz zwischen eurem Ergebnis und dem Schwierigkeitsgrad (+2).
Derart gebeutelt brauchte Charles relativ lang, um sich anzuziehen. Ihm war es unangenehm, dass Melinda ihn dabei beobachtete. Normalerweise stellte er sich nicht allzu ungeschickt an, weil er sich an seine Prothese gewöhnt hatte. Nun aber war ihm nicht nur die Erschöpfung nicht zuträglich, sondern der Schweiß, den er absonderte und bereits abgesondert hatte, machte die Kleidung klebrig und absolut ekelerregend. Blutflecken klebten natürlich ebenfalls immer noch daran.
Charles zwang sich trotzdem, hineinzuschlüpfen. Er hatte gerade keine Alternative. Am liebsten hätte er nun ein Bad genommen und sich frische Kleidung gesucht, bevor er irgendwas anderes angegangen wäre. Egal, ob es nun ein (eindeutig bevorzugter) Anzug oder eine Arbeiterkluft gewesen wäre: Hauptsache nicht nass, fleckig und miefend. Entsprechend unglücklicher, als er es ohnehin schon gewesen war, folgte er Melinda vorsichtig die Treppenstufen hinunter, nachdem er auch seine Waffen wieder an sich genommen hatte. Währenddessen versuchte er, zumindest den Schweiß von seinem Gesicht, Hals und Nacken mit einem Taschentuch aufzunehmen. Unten angekommen merkte er aber, dass dies vergebene Mühe gewesen war: Die Schmerzen und die Anstrengung des Abstiegs waren wieder schweißtreibend gewesen.
Charles wollte nicht mehr. Er hatte genug von der ganzen Situation. Manchester war, einmal wieder, die Hölle. Alles, was hätte schiefgehen können, war schiefgegangen. Die Polizei, Stirlings Doofdeppen, O’Sullivan, Mrs. Thomson, Gilbert Wright… Erinnerungen, Belastung, Albträume, Melinda. Er selbst fühlte sich wie in einem fremden, geistig überforderten, ruinierten Körper.
Am liebsten würde Charles fortrennen und nicht wiederkommen.
Stattdessen übernahm er aber nun die Führung, da seine Begleitung den Weg nicht kannte. Früher hatte es im Erdgeschoss und in der dritten Etage des Verwaltungsgebäudes jeweils eine kleine Küche gegeben – in der oberen hatte man schnell Tee oder Kaffee sowie Kleinigkeiten für den Boss und seine Gäste anrichten können. Lloyd Bowen und Rosie Tilling (die beiden waren nicht verheiratet), hatten sich teils in diesem Gebäude, teils aber auch in der alten Fabrik eingerichtet. Da sie mit den vielen Kindern, die ein- und ausgingen, und auch mit regelmäßigen, vielen Besuchern der Boxkämpfe, die Bowen hier veranstaltete, eine große Küche in besserer Lage benötigt hatten, hatten sie sie in die Fabrik verlegt.
Charles stapfte mit kleinen Schritten über den Hof und versuchte wieder einmal, nicht zu humpeln. Mehr denn je in den letzten Tagen spürte er jeden einzelnen Winkel seines Körpers. Gemeinsam zerrten die Muskeln an schwer anmutenden Knochen, als sie sich Charles‘ Willen beugten und ihn vorwärts schleppten.
Als er jedoch die Tür zum Barraum öffnete, der in der Halle zwischen hochgezogenen Holzwänden errichtet worden war, erfüllte ihn der Duft nach frischem Brot und Gekochten, der ihm entgegenströmte, mit neuer Kraft.
Sein Magen knurrte erwartungsvoll. Nur noch ein kleines Stück…
Charles hielt Melinda die Tür auf und folgte ihr ins Gebäude. Sicher war sie überrascht davon, in einem Pub zu stehen, auch wenn außer ihnen beiden niemand anwesend war, aber Charles beschloss, das nicht näher zu kommentieren. Auch kommentierte er nicht den Boxring, den man durch einen offenen Durchgang erspähen konnte. Dieser befand sich ebenfalls in einem mit Bretterwänden begrenzten Raum, in dessen Mitte man eine kleine Arena mit aufgestapelten Kisten, Sesseln und Stühlen als Zuschauerränge aufgebaut hatte, die den mit Sand ausgelegten Boden in ihrer Mitte kreisförmig umringten. Überall angekleisterte Plakate und Stoffbanner zeigten Fahndungsplakate und anstößige Bilder, und kündeten von Bier- und Schnapspreisen, Mindestwetteinsätzen, vom „Bruisers Brawl“ sowie von Reynard, dem „King of the Ring“.
Charles grüßte die beiden Halbwüchsigen, die sich dort aufhielten (Toby und Fish waren ihre Namen, soweit er sich erinnerte, im vorbeistapfen. Die Haut beider zierten Tätowierungen mit ähnlichen Motiven derer, die auch Lloyd Bowens Körper zierten. Beim jüngere von ihnen (Toby) erstreckten sie sich über die Fingerknöcheln und den Rücken der rechten Hand. Fish war schon an der Schwelle zum Mannesalter. Er besaß nicht nur Tätowierungen an beiden Händen, sondern auch am rechten Unterarm. Scheinbar teilten die beiden sich eine Flasche mit einem Inhalt, bei dem es sich sicher nicht um Wasser oder Saft handelte.
Charles ging das nichts an. Er wollte auch nicht wissen, was die Tattoos im Einzelnen für fragwürdige Errungenschaften symbolisierten. Er folgte dem verlockenden Geruch nach Rosies Kochkünsten und dem Gemurmel von Stimmen, das aus derselben Richtung kam.
King Reynard schien nichts gegen Randolphs Ausführungen einzuwenden zu haben. Zumindest unterbrach er die Erzählung seines Gesprächspartners nicht, sondern hörte mit nachdenklichem Gesichtsausdruck zu (aber auch Rosie schien mit einem Ohr bei ihnen zu sein), bis sich Randolph recht zurückhaltend über Melinda äußerte.
„Tja, entweder Charles wird auf seine alten Tage noch umtriebig“, entgegnete der Amerikaner daraufhin, „oder da steckt mehr dahinter. Sie ist jedenfalls nicht die feine Dame, als die sie sich verkleidet hat. Aber das haben Sie sicher selbst schon selbst gemerkt, bei ihrem losen Mundwerk.“
Anschließend hatte der Mann kein Problem damit, seinerseits zu beantworten, woher Rosie und er Charles kannten.
„Ich habe Charles drüben in Boston kennengelernt – meiner bescheidenen Heimat“, erklärte er grinsend.
„Er und sein Geschäftspartner haben nach einem Mann mit meinen Talenten gesucht, ich fand ihr Angebot interessant und schlug ein. Ich will Sie ja nun nicht mit unwichtigen Details langweilen“, griff er, sicher mit purer Absicht, Randolphs Wortwahl auf. Anscheinend wollte auch Bowen sich nicht in Details verlieren, die der Arzt nicht zu wissen brauche – oder die diesen, aus Bowens Sicht, nichts angingen.
„Sie fragen sich aber sicher, was mich hierherverschlagen hat, also will ich das Ihnen nicht vorenthalten. Keine Sorge, ich halte mich kurz“, ergänzte er sofort.
„Daheim war es schon seit Längerem etwas ungemütlich für mich, deswegen kam ich mit Charles nach London – wo er mich Ed, Rosies Vater vorstellte, der mir helfen wollte, hier auf der anderen Seite des großen Teichs Fuß zu fassen. Ich bezweifle, dass er damit meinte, mir auch sein Mädchen zu überlassen“, meinte er lachend und wich gekonnt einem fliegenden Geschirrtuch aus Rosies Richtung aus, das er wohl schon erwartet hatte. Die Mädchen kicherten.
„Na schön, er war damit einverstanden“, gab der King beschwichtigend zu, nur um sich dann vorzulehnen und Randolph verschmitzt grinsend zuzuraunen:
„Aber sie hat ihm auch nicht wirklich eine Wahl gelassen.“
Rosie stand plötzlich direkt neben ihnen und stellte ihnen mit Nachdruck Teller mit heißdampfendem, wohlriechendem Eintopf vor die Nasen. Neben dem Gemüse, hatte Rosie auch nicht an Fleisch gespart – wohl Rind, auch wenn das in diesen Tagen nicht günstig war. Eins der Mädchen brachte dazu einen Korb mit aufgeschnittenem Brot, das scheinbar gerade frisch aus dem Ofen kam.
„Benimm dich vor unserem Gast, Bowen“, ermahnte Rosie ihn mit humorvoller Strenge, bevor sie sich halb Randolph zuwendete.
„Ich kenne Charles schon lange“, erzählte sie.
„Ich war noch ein Kind, als Vater ihn das erste Mal mit ins Theater brachte. Ihn und seine Freunde.“ Eine gewisse Wehmut schwang in ihrer Stimme mit. Sie erklärte das nicht näher, sondern warf dem King einen kritischen Blick zu.
„Allesamt Gentlemen, im Gegensatz zu dir.“
Das brachte ihn nur dazu, noch breiter zu grinsen, als es sowieso schon gewesen war.
„Und trotzdem habe ich dein Herz gewonnen“, entgegnete er ihr, wandte sich dann aber wieder dem Doktor zu und begann nebenbei, zu essen, als sie sich wieder an den Herd zurückzog.
„Nun, das war auch schon fast die ganze Geschichte“, stieg er wieder in die Erzählung ein.
„Wir nutzen nun die Norman Mill, solange Charles keine Verwendung für sie hat. Etwas Besseres hätte uns nicht passieren können. Ich sage Ihnen, Doc: Manchester ist so viel entspannter als London. Erst war ich skeptisch, aber dieses Gelände hier ist ideal für uns und Charles tat uns gern den Gefallen, es uns zu überlassen. Besser, als wenn es brachliegen würde, sage ich. Sogar die Maschinen stehen noch hier. Wären wir nicht hergekommen, wäre alles hier ungenutzt vor die Hunde gegangen. Ihm war alles lieber, als alles an seine Neider zu verschachern, und so erfüllt es wenigstens noch einen Zweck.“
In diesem Moment trat jemand in die Tür.
„Stets zu Diensten“, kommentierte Charles den Teil des Gespräches, den er zufällig mitgehört hatte. Es war nicht viel gewesen, aber es hatte gereicht, um sich ein Bild von der Thematik zu machen. Tatsächlich wollte er nicht näher darauf eingehen. Dass Lloyd davon erzählte, gefiel Charles weniger. Er wollte lieber nicht in die Situation kommen, dass ihm jemand Fragen zur Fabrik oder auch zu finanziellen Angelegenheiten stellte (immerhin schätzte er, dass niemand anderer außer er auf den Gewinn, den der Verkauf oder die Verpachtung dieser Fabrik bringen würde, mit Freuden verzichten würde – Geschweige denn, dass es sich jemand leisten können würde, das Grundstück brachliegen zu lassen). Seine Laune war ohnehin schon schlecht genug. Dennoch munterte ihn die Aussicht auf etwas Essen ein wenig auf, auch wenn er sich sehr unwohl dabei fühlte, sich in seinem Zustand an einen Esstisch zu setzen. Selbst herumstehen mochte er nicht. Ekelhaft. Der Doktor sah zwar auch nicht wie frisch gebadet aus, aber das mochte Charles nicht als Vorwand nehmen, sich in seiner Haut wohler zu fühlen.
Dennoch versuchte er, nicht allzu kläglich auszusehen, als er die von den Herden und Öfen stark aufgeheizte Küche betrat, indem er sich um eine aufrechte Haltung bemühte.
„Das duftet wirklich wundervoll, junge Lady“, sprach er Rosie an und lächelte, in dem Versuch, etwas von seinem Charme zu versprühen. Er wusste, dass sie wütend auf ihn war. Sie war eine mitfühlende, herzliche Person, und dass sie darauf bestanden hatte, dass sie alle als ihre Gäste blieben, zeigte, dass sie ihr gutes Wesen, selbst in Trauer, nicht vergessen konnte – allerdings änderte das nichts daran, dass Charles sich die Schuld am Tod ihres Vaters gab und dass auch sie ihm die Schuld gab. Das er sah Argwohn in ihrem Blick. Vermutlich war sie sich nicht sicher, ob sie ihm den eigenhändigen Mord an Ed zutrauen sollte oder nicht. Charles wäre sich an ihrer Stelle selbst unsicher nach all den Vorkommnissen in London. Er war ihr eine Erklärung schuldig. Und dabei musste er vorsichtig vorgehen. Doch vielleicht ließ sich das auf eine Gelegenheit nach dem Essen verschieben. Das wäre erstrebenswert, fand auch Charles‘ Magen.
Rosie schien sich durch sein Lächeln und auch durch den Titel, den er ihr schon bei ihrem ersten Treffen gegeben hatte, nicht erweichen zu lassen.
„Wäre es angenehm, wenn wir uns zu euch gesellen und auch etwas zu uns nehmen?“, fuhr Charles fort. Bowen nickte nur, er war inzwischen damit beschäftigt, Eintopf in sich hineinzuschaufeln.
„Sicher. Setzt euch, esst euch satt“, sagte Rosie und blickte von Charles zu Melinda und wieder zu Charles. Ihr Blick schien musternd auf der verkrusteten Wunde an seiner Stirn zu ruhen, als er näher kam (etwas, was Charles nachdenklich stimmte).
Eins der Mädchen von den dreien, die anwesend waren, begann sofort, Besteck und Geschirr zu holen. Charles bot Melinda den Stuhl neben Randolph an, bevor er selbst neben Lloyd Platz nahm, und kurz darauf stand für alle Essen auf dem Tisch.
Charles entging natürlich nicht, dass die beiden anderen Herren es sich offenbar mit Absinth dazu gut gingen lassen, doch das ließ er unkommentiert.
Gilbert und Maura eilten vom Hintereingang zum Esszimmer. Es war unklar, wie viel Zeit ihnen noch blieb. Klar war nur, dass sie fliehen mussten, wenn sie den beiden Yard-Polizisten nicht begegnen wollten. Beide hatten sich richtig an das große Fenster im Esszimmer erinnert. Zweifelsfrei wäre genug Platz, um dadurch hinauszuklettern – und auf der anderen Seite befand sich der Kiesweg, der um das Haus herumführte, und dahinter grünes Gras in akzeptabler Tiefe. Zwar würde, wenn sie erst einmal draußen waren, das Fensterbrett etwa auf Augenhöhe der etwas größer als Gilbert gewachsenen Maura sein, aber die Gefahr, sich bei einem Sprung aus diesem Fenster das Genick zu brechen, war, vergleichsweise mit den Fenstern im ersten Stock, gering.
Gilberts Hände fassten den Griff des Schiebefensters, das sich tatsächlich bewegen ließ – jedoch schallte genau in diesem Moment, noch bevor Gilbert das Fenster komplett geöffnet hatte, eine laute, strenge Stimme durch das Haus:
„Kommen Sie sofort heraus, Madam!“, befahl jemand, zweifelsohne Inspektor Hayes, in einem Ton, der keine Zuwiderhandlung duldete. „Langsam, und ich will Ihre Hände sehen!“
Der Inspektor musste sich irgendwie Zutritt zum Haus verschafft haben, während sein Begleiter es ihm gleichgetan hatte. Vermutlich befand er sich im Eingangsbereich. Und vielleicht war der Kohlelukenbulle auch schon längst im Erdgeschoss.
Wäre dies noch nicht genug, machte nun auch noch Oxley von sich bemerkbar:
„Hilfe!“, rief er, schwächlich klingend, gerade so noch wahrnehmbar. „Sie haben mich überfallen!“
Wenn ihr aus dem Fenster klettern/springen wollt, würfelt bitte Athletik gegen +2. Wenn der eine dem anderen hilft, muss der Helfende Athletik gegen +0 würfeln und der Geholfene bekommt (bei erfolgreicher Hilfe) +1 auf den eigenen Athletikwurf. Bei Misserfolg der Hilfe entsteht kein Nachteil. Es gilt: Fällt das Gesamtergebnis eures Würfelwurfs (Würfel + Fertigkeitenwert) unter -2, wird es als -2 gewertet. Wenn allgemein eurer Athletikwurf fehlschlägt, erhaltet ihr beim Aufkommen auf den Boden Schadenspunkte in Höhe der Differenz zwischen eurem Ergebnis und dem Schwierigkeitsgrad (+2).
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Gilbert eilte durch Norlys Haus. Sein Weg führte ihn schnurstracks zum Esszimmer, in dem er auch sogleich begann, dass Fenster zu überprüfen. Zum Glück ließ sich das Fenster ohne Probleme öffnen und auch der Sprung aus dem Fenster würde kein großes Problem sein. Er war zwar etwas eingerostet und das einzige, was er in den letzten Jahren als Sport bezeichnen könnte, waren gemächliche Spaziergänge an der frischen Luft gewesen aber der Weg zum Fenster und dann auf den grasbewachsenen Boden, würde trotzdem machbar sein.
Bevor er sich daran machen konnte, das Fenster ganz aufzuschieben, ertönte eine Stimme. Er kannte sie genau. Auch wenn er Inspektor Hayes nicht besonders oft begegnet war, so erinnerte sich Gilbert an dessen Stimme. Der Inspektor hörte sich nicht so an, als wäre er bereit, ihm und Ms. Thomson ihre Geschichte abzukaufen. Der Mann wollte Nägel mit Köpfen machen - das war klar. Wenn Hayes schon im Haus war, dann war sein Kollege sicherlich auch irgendwo. Sie mussten sich beeilen.
Als wäre das alles nicht schon genug, fing Oxley auch noch an zu lügen und sie in ein noch schlechteres Licht zu rücken. Dieser alte Ochse. Das würde sich Gilbert merken. Wenn er dem alten Butler jemals wieder über den Weg laufen würde, konnte er sich so einiges anhören. Nichtsdestotrotz mussten sie jetzt fliehen und zwar noch schneller als sie es sowieso schon vorhatten.
Gilbert griff nach einem Stuhl, der am Esstisch stand und rückte ihn vorsichtig und möglichst lautlos so nah an das Fenster, wie nur irgend möglich. "Los Ms. Thomson. Sie zuerst!" flüsterte er der Frau zu und wartete darauf, dass sie sich davonmachte. Er konnte es einfach nicht lassen. Selbst in dieser Situation musste er der Frau den Vortritt lassen. Das hatte ganz einfach den Grund, dass Hayes direkt nach ihr suchte und nicht nach ihm. Er kannte Hayes und würde sich im Notfall vielleicht doch noch irgendwie herausreden können. Thomson würde das vermutlich nicht so einfach schaffen, da sich der Inspektor anscheinend schon ein Urteil über sie gebildet hatte.
Bevor er sich daran machen konnte, das Fenster ganz aufzuschieben, ertönte eine Stimme. Er kannte sie genau. Auch wenn er Inspektor Hayes nicht besonders oft begegnet war, so erinnerte sich Gilbert an dessen Stimme. Der Inspektor hörte sich nicht so an, als wäre er bereit, ihm und Ms. Thomson ihre Geschichte abzukaufen. Der Mann wollte Nägel mit Köpfen machen - das war klar. Wenn Hayes schon im Haus war, dann war sein Kollege sicherlich auch irgendwo. Sie mussten sich beeilen.
Als wäre das alles nicht schon genug, fing Oxley auch noch an zu lügen und sie in ein noch schlechteres Licht zu rücken. Dieser alte Ochse. Das würde sich Gilbert merken. Wenn er dem alten Butler jemals wieder über den Weg laufen würde, konnte er sich so einiges anhören. Nichtsdestotrotz mussten sie jetzt fliehen und zwar noch schneller als sie es sowieso schon vorhatten.
Gilbert griff nach einem Stuhl, der am Esstisch stand und rückte ihn vorsichtig und möglichst lautlos so nah an das Fenster, wie nur irgend möglich. "Los Ms. Thomson. Sie zuerst!" flüsterte er der Frau zu und wartete darauf, dass sie sich davonmachte. Er konnte es einfach nicht lassen. Selbst in dieser Situation musste er der Frau den Vortritt lassen. Das hatte ganz einfach den Grund, dass Hayes direkt nach ihr suchte und nicht nach ihm. Er kannte Hayes und würde sich im Notfall vielleicht doch noch irgendwie herausreden können. Thomson würde das vermutlich nicht so einfach schaffen, da sich der Inspektor anscheinend schon ein Urteil über sie gebildet hatte.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Jetzt wurde es ernst.
Endlich hatten sie einen geeigneten Fluchtweg gefunden: das Fenster war so groß, dass sie zweimal hindurchgepasst hätte, und es lag in einer Höhe, die mit den Fenstern im ersten Stock nicht zu vergleichen waren. Maura schnaufte erleichtert, gönnte sich jedoch keine Pause. Die Zeit saß ihnen im Nacken, und wenn sie sich jetzt nicht beeilten war alles umsonst gewesen. Hinter ihnen hörte Maura bereits die Stimme des Polizisten; es klang, als wäre er bereits im Haus, und das bedeutete, dass ihnen erst recht keine Zeit mehr blieb. Mit grimmiger Miene tastete Maura nach ihrem Messer. Ja, komm doch, kleiner Bulle …
Ihr Gesicht verfinsterte sich noch mehr, als sie Oxley rufen hörte. Na wunderbar. Jetzt lieferte sie auch noch der alte Butler ans Messer … oder? Was bezweckte Oxley mit seiner Aktion? Klar, jetzt verstand sie auch die Geräusche von der anderen Seite der Tür: Norlys Kumpel musste dem Alten eine verpasst haben, eine Maske sozusagen, hinter der er sich nun verstecken konnte. Aber wozu rief Oxley wirklich – um sie und Wright zu belasten, oder um die Polizei abzulenken? Dass die Polizisten sie laufen gelassen hätten, wäre so oder so unwahrscheinlich gewesen, dass Oxley nun noch mehr Öl ins sprichwörtliche Feuer goss, änderte daran nichts. Aber vielleicht hatten sie Glück, und die Polizisten hielten die Versorgung eines Verletzten für wichtiger, als die Verfolgung der Täter.
Wright hatte einen Stuhl ans Fenster geschoben und gewährte ihr nun den Vortritt. Sie verbrauchte keine wertvolle Zeit damit, ihm zu danken, sondern stieg kurzerhand aufs Fensterbrett – und sprang, ohne weiter nachzudenken, in die Tiefe.
Das Fenster lag nicht hoch, sie fiel nicht einmal eine Sekunde lang. Trotzdem verlor sie das Gleichgewicht. Verfluchte alte Knochen! Sie musste in die Hocke gehen und sich mit einer Hand abstützen, um nicht umzufallen. Vor 5 Jahren wäre ihr das nicht passiert …
Maura richtete sich auf, wischte sich die Hand am Rock ab und sah gleichzeitig zum Fenster hoch. Hauptsache, Wright folgte ihr bald. Dann konnten sie endlich aus diesem verdammten Haus fliehen.
Endlich hatten sie einen geeigneten Fluchtweg gefunden: das Fenster war so groß, dass sie zweimal hindurchgepasst hätte, und es lag in einer Höhe, die mit den Fenstern im ersten Stock nicht zu vergleichen waren. Maura schnaufte erleichtert, gönnte sich jedoch keine Pause. Die Zeit saß ihnen im Nacken, und wenn sie sich jetzt nicht beeilten war alles umsonst gewesen. Hinter ihnen hörte Maura bereits die Stimme des Polizisten; es klang, als wäre er bereits im Haus, und das bedeutete, dass ihnen erst recht keine Zeit mehr blieb. Mit grimmiger Miene tastete Maura nach ihrem Messer. Ja, komm doch, kleiner Bulle …
Ihr Gesicht verfinsterte sich noch mehr, als sie Oxley rufen hörte. Na wunderbar. Jetzt lieferte sie auch noch der alte Butler ans Messer … oder? Was bezweckte Oxley mit seiner Aktion? Klar, jetzt verstand sie auch die Geräusche von der anderen Seite der Tür: Norlys Kumpel musste dem Alten eine verpasst haben, eine Maske sozusagen, hinter der er sich nun verstecken konnte. Aber wozu rief Oxley wirklich – um sie und Wright zu belasten, oder um die Polizei abzulenken? Dass die Polizisten sie laufen gelassen hätten, wäre so oder so unwahrscheinlich gewesen, dass Oxley nun noch mehr Öl ins sprichwörtliche Feuer goss, änderte daran nichts. Aber vielleicht hatten sie Glück, und die Polizisten hielten die Versorgung eines Verletzten für wichtiger, als die Verfolgung der Täter.
Wright hatte einen Stuhl ans Fenster geschoben und gewährte ihr nun den Vortritt. Sie verbrauchte keine wertvolle Zeit damit, ihm zu danken, sondern stieg kurzerhand aufs Fensterbrett – und sprang, ohne weiter nachzudenken, in die Tiefe.
Das Fenster lag nicht hoch, sie fiel nicht einmal eine Sekunde lang. Trotzdem verlor sie das Gleichgewicht. Verfluchte alte Knochen! Sie musste in die Hocke gehen und sich mit einer Hand abstützen, um nicht umzufallen. Vor 5 Jahren wäre ihr das nicht passiert …
Maura richtete sich auf, wischte sich die Hand am Rock ab und sah gleichzeitig zum Fenster hoch. Hauptsache, Wright folgte ihr bald. Dann konnten sie endlich aus diesem verdammten Haus fliehen.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Randolph griff sich seinen Löffel und begann stumm den Eintopf in sich hineinzuschaufeln. Die Äußerungen des Kerls zu Melinda und seinem „losen Mundwerk“ wollte er nicht kommentieren. Von Letzterem brauchte diese Kerl gerade zu reden. Er selbst war ja nicht unbedingt die Zurückhaltung in Person. Aber wie auch schon bei dem Hieb, den er Norly verpasst hatte, schien Bowen ein gesundes Maß an Selbstreflexion zu fehlen.
Aus der Erzählung des Mannes konnte er nicht viel schließen, außer dass Charles ihn scheinbar in Amerika angeworben hatte. Ihn nicht mit unwichtigen Details langweilen…wunderbar. Randolph hatte in seiner Geschichte wesentlich mehr preisgegeben, aber nun gut. Er wollte sich nicht beschweren. Er hatte etwas zu Essen und das war es, was er gewollt hatte. Nicht mehr, nicht weniger. Keinen Absinth, kein Gerede über Boxkämpfe, dass ihn in keinster Weise interessierte und auch keine Austausche über ihre Vergangenheit.
Der Doktor konzentrierte sich auf sein Essen und ließ währenddessen seinen grauen Augen durch den Raum wandern. Die Gespräche zwischen Bowen und seiner Angebeteten…Rosie Tilling, nahm er am Rande war. Eine glückliche Ehe, scheinbar. Dass er das mal erleben durfte.
Rosie berichtete ihm dann noch von ihrer Bekanntschaft mit Charles. Ihr konnte man zumindest zuhören. Alles in allem kam aber auch dabei nichts Besonderes heraus.
„Verstehe“, meinte Randolph knapp und ließ sich ansonsten nicht vom Essen abhalten. Auch wenn sie nun freundlicher wirkte, besonders erpicht war die Frau bestimmt nicht, sich mit ihm zu unterhalten, nachdem er zuvor noch scheinbar mit der Ermordung ihrer Kinder gedroht hatte. Das tat ihm im Nachhinein natürlich Leid, aber Charles hatte sie auch in keinster Weise über diesen Ort, die Menschen hier oder über seine Pläne informiert. Wie üblich, eben.
Kaum dachte er an Charles, kam er auch schon um die Ecke spaziert. Zusammen mit Melinda. Seine Mundwinkel zuckten abwärts und er senkte sein Gesicht Richtung Eintopf, damit die anderen von seiner Missbilligung nichts bemerkten. Sie hatte ihn aufgeweckt, entgegen seinem Rat. Warum? Warum suchte sie überhaupt seine Nähe, nachdem was er ihr berichtet hatte? Dieser Mann hatte sie ausgespäht, sie tage- oder vielleicht sogar wochenlang beobachtet, nur um ihre Vorlieben, ihre Schwächen zu studieren. Um zu wissen, wo sie sich aufhielt. Und dann hatte er sie entführt. War das etwas romantisch?
Randolph schob sich den warmen Eintopf in den Mund und kaute darauf herum. Immer mehr schien es ihm so, dass Norly nicht gut für Melinda war. Dass sie nur ein Instrument war, das von ihm ausgenutzt wurde. Aber…was sollte er dagegen tun? Sie war eine erwachsene Frau, er hatte ihr alles gesagt, was er dazu herausgefunden hatte…und dennoch rannte sie schon im nächsten Augenblick wieder zu ihm. Randolph schluckte den Eintopf herunter. Seine Zähne mahlten leise aufeinander. Dann hob er den Blick und nickte den Beiden kurz zu.
Seine Augen richteten sich dabei vor allem auf Melinda. Nachdenklich musterte er ihr Gesicht. Irgendetwas fehlte ihm, um die Situation zu verstehen. Warum? Warum hängst du so sehr an diesem Kerl?
Immerhin schien sie ihn nicht verraten zu haben. Norly wirkte nicht zornig. Nur vollkommen unausgeschlafen. Und er sollte jetzt schlafen, mit Sicherheit. Nachdem er mehr als einen Tag wach geblieben war, brauchte es mehr als zwei, drei Stunden damit sich der Geist wieder erholen konnte.
Vielleicht…langsam kroch der Gedanke in Randolphs Geist, wie ein Rinnsal aus giftgrünem Absinth. Es bahnte sich hinein, in die Ritzen seines Verstandes und knirschend begannen sich die ersten Zahnräder in Bewegung zu setzen. Wenn er sich wieder schlafen legt…oder wenn er abgelenkt ist…irgendwann würde Charles Norly außer Gefecht sein. Und dann konnte er sich um das Buch kümmern. Und womöglich mit ein wenig Hilfe herausfinden, was im Gehirn dieser Gestalt vor sich ging. Seine Augen zwängten sich leicht zusammen, während er Norly über den Esstisch hinweg anspähte. Irgendwann heute würde er vielleicht noch eine Gelegenheit bekommen. Bis dahin musste er sich nur noch bereithalten.
Das ist Verrat…warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren und Randolph blickte zu dem giftfarbenem Absinth hinüber, der in seiner gläsernen Fassung schlummerte. Ich kenne diesen Crowne nicht mal wirklich. Welches Recht habe ich ihm Charles Gedanken auszuliefern?
Der Doktor aß weiter stumm von Rosies Eintopf. Er versuchte sich von dem, was in seinem Kopf vor sich ging, nichts anmerken zu lassen. Lediglich seine Stirn hatte sich in Falten gelehnt.
Noch war es nicht zu spät, Charles zum Gespräch aufzufordern. Versuchen das Ganze zu klären. Doch was würde er ernten? Doch nur Anschuldigungen. Norly würde ihm, einem Dieb, seine Pläne nicht anvertrauen. Sie steuerten auf etwas zu, doch er wusste noch nicht was. Vielleicht war der Kerl kein Serienmörder, aber die Art wie er Melinda behandelt und schließlich für seine Sache gewonnen hatte, weckte nicht unbedingt Vertrauen. Schon öfter war das Wort Revolution gefallen, Crowne hatte von Experimenten mit Brandbomben geredet. Wohin würden Charles Norlys Pläne sie führen?
Wenn er für die Sicherheit von sich selbst und Melinda sorgen wollte, dann musste er das herausfinden. Denn Melinda erschien ihm was Norly anging, keine klaren Gedanken mehr fassen zu können. Dann würde er selbst sich eben darum kümmern müssen. Er würde die Verantwortung tragen und er allein würde das Risiko eingehen.
Seine knochigen Finger schlossen sich um das Absinth-Glas. Zumindest wird das Ganze spannend werden. Wir alle mögen doch Spannung, nicht wahr?
Er nickte Rosie und Bowen zu und sein rechter Mundwinkel zuckte für einen Sekundenbruchteil nach oben: „Ich muss sagen, das Essen ist wirklich vortrefflich. Vielen Dank für eure Gastfreundschaft.“
Er hob seinen Drink an und kippte den Absinth seine Kehle herunter. Nur noch ein paar giftgrüne Tropfen blieben auf dem Grund des Glases zurück.
"Da sie ja nun da sind, Mr. Norly. Ich hätte eine Frage", wandte er sich an Charles, auch um das Schweigen am Tisch zu durchbrechen. Seine Frage hatte nun nichts mit der unmittelbaren Situation zu tun, aber dennoch war es etwas, dass ihn seit den Geschehnissen heute morgen beschäftigte. "Was genau wird nun eigentlich mit den beiden Männern in der Lagerhalle geschehen? Ich glaube ihrem Begleiter und ihnen natürlich, dass die Beiden nicht getötet werden, aber ihr Schicksal würde mich dennoch interessieren."
Er musterte Charles über den Küchentisch hinweg.
Aus der Erzählung des Mannes konnte er nicht viel schließen, außer dass Charles ihn scheinbar in Amerika angeworben hatte. Ihn nicht mit unwichtigen Details langweilen…wunderbar. Randolph hatte in seiner Geschichte wesentlich mehr preisgegeben, aber nun gut. Er wollte sich nicht beschweren. Er hatte etwas zu Essen und das war es, was er gewollt hatte. Nicht mehr, nicht weniger. Keinen Absinth, kein Gerede über Boxkämpfe, dass ihn in keinster Weise interessierte und auch keine Austausche über ihre Vergangenheit.
Der Doktor konzentrierte sich auf sein Essen und ließ währenddessen seinen grauen Augen durch den Raum wandern. Die Gespräche zwischen Bowen und seiner Angebeteten…Rosie Tilling, nahm er am Rande war. Eine glückliche Ehe, scheinbar. Dass er das mal erleben durfte.
Rosie berichtete ihm dann noch von ihrer Bekanntschaft mit Charles. Ihr konnte man zumindest zuhören. Alles in allem kam aber auch dabei nichts Besonderes heraus.
„Verstehe“, meinte Randolph knapp und ließ sich ansonsten nicht vom Essen abhalten. Auch wenn sie nun freundlicher wirkte, besonders erpicht war die Frau bestimmt nicht, sich mit ihm zu unterhalten, nachdem er zuvor noch scheinbar mit der Ermordung ihrer Kinder gedroht hatte. Das tat ihm im Nachhinein natürlich Leid, aber Charles hatte sie auch in keinster Weise über diesen Ort, die Menschen hier oder über seine Pläne informiert. Wie üblich, eben.
Kaum dachte er an Charles, kam er auch schon um die Ecke spaziert. Zusammen mit Melinda. Seine Mundwinkel zuckten abwärts und er senkte sein Gesicht Richtung Eintopf, damit die anderen von seiner Missbilligung nichts bemerkten. Sie hatte ihn aufgeweckt, entgegen seinem Rat. Warum? Warum suchte sie überhaupt seine Nähe, nachdem was er ihr berichtet hatte? Dieser Mann hatte sie ausgespäht, sie tage- oder vielleicht sogar wochenlang beobachtet, nur um ihre Vorlieben, ihre Schwächen zu studieren. Um zu wissen, wo sie sich aufhielt. Und dann hatte er sie entführt. War das etwas romantisch?
Randolph schob sich den warmen Eintopf in den Mund und kaute darauf herum. Immer mehr schien es ihm so, dass Norly nicht gut für Melinda war. Dass sie nur ein Instrument war, das von ihm ausgenutzt wurde. Aber…was sollte er dagegen tun? Sie war eine erwachsene Frau, er hatte ihr alles gesagt, was er dazu herausgefunden hatte…und dennoch rannte sie schon im nächsten Augenblick wieder zu ihm. Randolph schluckte den Eintopf herunter. Seine Zähne mahlten leise aufeinander. Dann hob er den Blick und nickte den Beiden kurz zu.
Seine Augen richteten sich dabei vor allem auf Melinda. Nachdenklich musterte er ihr Gesicht. Irgendetwas fehlte ihm, um die Situation zu verstehen. Warum? Warum hängst du so sehr an diesem Kerl?
Immerhin schien sie ihn nicht verraten zu haben. Norly wirkte nicht zornig. Nur vollkommen unausgeschlafen. Und er sollte jetzt schlafen, mit Sicherheit. Nachdem er mehr als einen Tag wach geblieben war, brauchte es mehr als zwei, drei Stunden damit sich der Geist wieder erholen konnte.
Vielleicht…langsam kroch der Gedanke in Randolphs Geist, wie ein Rinnsal aus giftgrünem Absinth. Es bahnte sich hinein, in die Ritzen seines Verstandes und knirschend begannen sich die ersten Zahnräder in Bewegung zu setzen. Wenn er sich wieder schlafen legt…oder wenn er abgelenkt ist…irgendwann würde Charles Norly außer Gefecht sein. Und dann konnte er sich um das Buch kümmern. Und womöglich mit ein wenig Hilfe herausfinden, was im Gehirn dieser Gestalt vor sich ging. Seine Augen zwängten sich leicht zusammen, während er Norly über den Esstisch hinweg anspähte. Irgendwann heute würde er vielleicht noch eine Gelegenheit bekommen. Bis dahin musste er sich nur noch bereithalten.
Das ist Verrat…warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren und Randolph blickte zu dem giftfarbenem Absinth hinüber, der in seiner gläsernen Fassung schlummerte. Ich kenne diesen Crowne nicht mal wirklich. Welches Recht habe ich ihm Charles Gedanken auszuliefern?
Der Doktor aß weiter stumm von Rosies Eintopf. Er versuchte sich von dem, was in seinem Kopf vor sich ging, nichts anmerken zu lassen. Lediglich seine Stirn hatte sich in Falten gelehnt.
Noch war es nicht zu spät, Charles zum Gespräch aufzufordern. Versuchen das Ganze zu klären. Doch was würde er ernten? Doch nur Anschuldigungen. Norly würde ihm, einem Dieb, seine Pläne nicht anvertrauen. Sie steuerten auf etwas zu, doch er wusste noch nicht was. Vielleicht war der Kerl kein Serienmörder, aber die Art wie er Melinda behandelt und schließlich für seine Sache gewonnen hatte, weckte nicht unbedingt Vertrauen. Schon öfter war das Wort Revolution gefallen, Crowne hatte von Experimenten mit Brandbomben geredet. Wohin würden Charles Norlys Pläne sie führen?
Wenn er für die Sicherheit von sich selbst und Melinda sorgen wollte, dann musste er das herausfinden. Denn Melinda erschien ihm was Norly anging, keine klaren Gedanken mehr fassen zu können. Dann würde er selbst sich eben darum kümmern müssen. Er würde die Verantwortung tragen und er allein würde das Risiko eingehen.
Seine knochigen Finger schlossen sich um das Absinth-Glas. Zumindest wird das Ganze spannend werden. Wir alle mögen doch Spannung, nicht wahr?
Er nickte Rosie und Bowen zu und sein rechter Mundwinkel zuckte für einen Sekundenbruchteil nach oben: „Ich muss sagen, das Essen ist wirklich vortrefflich. Vielen Dank für eure Gastfreundschaft.“
Er hob seinen Drink an und kippte den Absinth seine Kehle herunter. Nur noch ein paar giftgrüne Tropfen blieben auf dem Grund des Glases zurück.
"Da sie ja nun da sind, Mr. Norly. Ich hätte eine Frage", wandte er sich an Charles, auch um das Schweigen am Tisch zu durchbrechen. Seine Frage hatte nun nichts mit der unmittelbaren Situation zu tun, aber dennoch war es etwas, dass ihn seit den Geschehnissen heute morgen beschäftigte. "Was genau wird nun eigentlich mit den beiden Männern in der Lagerhalle geschehen? Ich glaube ihrem Begleiter und ihnen natürlich, dass die Beiden nicht getötet werden, aber ihr Schicksal würde mich dennoch interessieren."
Er musterte Charles über den Küchentisch hinweg.
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Wie auch Maura, hatte Gilbert leichte Schwierigkeiten mit der Landung auf dem Rasen, da der Boden vom Regen der letzten Tage noch durchweicht war und nachgab. Der leichte Schmerz in den Fußgelenken, den der Aufprall verursachte, war jedoch nur von Dauer eines Atemzugs und stand der Flucht nicht hinderlich im Weg.[1]
Draußen wartete keine weitere böse Überraschung auf sie… da war es fast beruhigend, dass der Inspektor soeben seinen Aufenthaltsort preisgegeben hatte. Doch würde das offene Fenster, an dem der Stuhl stand, sicher bald entdeckt werden. Maura und Gilbert rannten los – keinen Moment zu spät, wie sich herausstellte; allerdings wären einige Momente früher sicher hilfreicher gewesen.
„Halt, stehenbleiben!“, rief jemand ihnen hinterher und machte damit klar, dass sie nicht unentdeckt geblieben waren.
Wie ein Kumpel, der gerade einer Mine entstiegen war, sprang auch ihr kohlestaubgeschwärzter Verfolger aus dem Fenster und verlor dabei weitaus weniger Schwung als Maura und Gilbert, wenn es auch immer noch an Leichtfüßigkeit mangelte. Mit gezogener Waffe in der Hand, aber nicht zielend, da der Abstand bereits zu groß war, um ohne Risiko einen Schuss abzugeben, hetzte der Polizist den Flüchtenden hinterher.[2]
„Es ist Wright, Sir!“, gab der Yardmann noch von sich, um den Inspektor zu informieren, während er schon zum Sprint ansetzte.[3]
[1] Schadenspunkte: für Maura 1, für Gilbert 2.
[2] 30m Vorsprung [= 50m Vorsprung + (Erfolge von Gilbert x10m) - (Erfolge des Polizisten x10m) = 50m - 20m - 0m]
[3] Athletik gegen +1, um schneller zu sein [ergibt sich aus 3 (30m Vorsprung, s.o.) - 2 (Laufwurf des Polizisten)] (natürlich könnt ihr Aspekte, Umgebungsaspekte etc. einsetzen)
Draußen wartete keine weitere böse Überraschung auf sie… da war es fast beruhigend, dass der Inspektor soeben seinen Aufenthaltsort preisgegeben hatte. Doch würde das offene Fenster, an dem der Stuhl stand, sicher bald entdeckt werden. Maura und Gilbert rannten los – keinen Moment zu spät, wie sich herausstellte; allerdings wären einige Momente früher sicher hilfreicher gewesen.
„Halt, stehenbleiben!“, rief jemand ihnen hinterher und machte damit klar, dass sie nicht unentdeckt geblieben waren.
Wie ein Kumpel, der gerade einer Mine entstiegen war, sprang auch ihr kohlestaubgeschwärzter Verfolger aus dem Fenster und verlor dabei weitaus weniger Schwung als Maura und Gilbert, wenn es auch immer noch an Leichtfüßigkeit mangelte. Mit gezogener Waffe in der Hand, aber nicht zielend, da der Abstand bereits zu groß war, um ohne Risiko einen Schuss abzugeben, hetzte der Polizist den Flüchtenden hinterher.[2]
„Es ist Wright, Sir!“, gab der Yardmann noch von sich, um den Inspektor zu informieren, während er schon zum Sprint ansetzte.[3]
[1] Schadenspunkte: für Maura 1, für Gilbert 2.
[2] 30m Vorsprung [= 50m Vorsprung + (Erfolge von Gilbert x10m) - (Erfolge des Polizisten x10m) = 50m - 20m - 0m]
[3] Athletik gegen +1, um schneller zu sein [ergibt sich aus 3 (30m Vorsprung, s.o.) - 2 (Laufwurf des Polizisten)] (natürlich könnt ihr Aspekte, Umgebungsaspekte etc. einsetzen)
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Wright kam zügig nach, und Maura atmete auf. Gegen ihren Willen erinnerte Wright sie in seiner leicht unbeholfenen Art an ihren Sohn. Natürlich, er war viel älter, er drückte sich anders aus, war schneller beleidigt … und er trug diesen lächerlichen Bart … Trotzdem, sie konnte einfach nicht anders, als die beiden zu vergleichen. Mochte sie Wright? Schwer zu sagen. Aber auf jeden Fall wollte sie nicht, dass er in die Hände der Polizisten geriet, und sei es nur aus Selbstschutz.
Sobald ihr ‚Retter‘ seine Füße auf dem Fensterbrett hatte, lief sie los. Sie hatten keine Zeit mehr, um noch ewig hier zu verweilen, und diese Polizisten waren sicher keine Schnecken. Sie würden schnell merken, dass etwas nicht stimmte … Der Boden war auch weiter hinten noch matschig, und Maura beglückwünschte sich zu ihrer Kleiderwahl. Sie hatte hohe Schuhe sowieso noch nie gemocht – normale Stiefel waren einfach praktischer – und mit einem längeren Rock als ihrem hätte sie hier draußen sicher auch zu kämpfen gehabt.
Die Polizisten schalteten tatsächlich schnell, viel schneller als Maura gehofft hatte. Sie hörte, wie der eine ebenfalls aus dem Fenster kletterte, wie er Wrights Namen rief, und war erleichtert, dass er den ihren nicht kannte. Sie warf einen schnellen Blick über die Schulter, ohne langsamer zu werden: Othello, wie sie ihren Verfolger insgeheim taufte, hatte die Waffe schon gezogen, machte aber keine Anstalten, damit zu schießen. Warum? Hatte er Angst, sie an einer falschen Stelle zu treffen? Ihr sollte es recht sein.
Nun war es also offiziell. Maura Thomson, Witwe aus Eigenverschulden, stand nicht auf der Seite der Polizisten. Also auf der Seite des Bösen? Vielleicht … wenn so etwas wie Gut und Böse in diesem wirren Spiel überhaupt noch galt. Stattdessen rannte sie weg wie eine Verbrecherin … die sie ja auch war, nur eben nicht so, wie die Polizei vielleicht glaubte. Dachten diese Hohlköpfe denn wirklich, dass sie zu Norly gehörte, nur, weil sie in dessen Haus gewesen war? Ein voreiliger Schluss, der ihr nun zum Verhängnis zu werden drohte – und Wright ebenso.
Sie wusste selbst nicht, wo sie die Kraft hernahm, vielleicht war es der pure Wille, der ihr Flügel verlieh, doch beim erneuten Zurückschauen sah sie, dass sie tatsächlich schneller war als Othello. Scheinbar hatte der junge Mann mit dem unebenen Boden größere Probleme, und sein Abstand war schon von Vornherein nicht gering gewesen. Jetzt nur nicht nachlassen, Thomson … beglückwünschen kannst du dich später noch.
Sie würden es tatsächlich schaffen. Unglaublich. Als sie auf dem Balkon gestanden hatte, hätte sie nie gedacht, aus dieser Geschichte heil herauszukommen.
Sobald ihr ‚Retter‘ seine Füße auf dem Fensterbrett hatte, lief sie los. Sie hatten keine Zeit mehr, um noch ewig hier zu verweilen, und diese Polizisten waren sicher keine Schnecken. Sie würden schnell merken, dass etwas nicht stimmte … Der Boden war auch weiter hinten noch matschig, und Maura beglückwünschte sich zu ihrer Kleiderwahl. Sie hatte hohe Schuhe sowieso noch nie gemocht – normale Stiefel waren einfach praktischer – und mit einem längeren Rock als ihrem hätte sie hier draußen sicher auch zu kämpfen gehabt.
Die Polizisten schalteten tatsächlich schnell, viel schneller als Maura gehofft hatte. Sie hörte, wie der eine ebenfalls aus dem Fenster kletterte, wie er Wrights Namen rief, und war erleichtert, dass er den ihren nicht kannte. Sie warf einen schnellen Blick über die Schulter, ohne langsamer zu werden: Othello, wie sie ihren Verfolger insgeheim taufte, hatte die Waffe schon gezogen, machte aber keine Anstalten, damit zu schießen. Warum? Hatte er Angst, sie an einer falschen Stelle zu treffen? Ihr sollte es recht sein.
Nun war es also offiziell. Maura Thomson, Witwe aus Eigenverschulden, stand nicht auf der Seite der Polizisten. Also auf der Seite des Bösen? Vielleicht … wenn so etwas wie Gut und Böse in diesem wirren Spiel überhaupt noch galt. Stattdessen rannte sie weg wie eine Verbrecherin … die sie ja auch war, nur eben nicht so, wie die Polizei vielleicht glaubte. Dachten diese Hohlköpfe denn wirklich, dass sie zu Norly gehörte, nur, weil sie in dessen Haus gewesen war? Ein voreiliger Schluss, der ihr nun zum Verhängnis zu werden drohte – und Wright ebenso.
Sie wusste selbst nicht, wo sie die Kraft hernahm, vielleicht war es der pure Wille, der ihr Flügel verlieh, doch beim erneuten Zurückschauen sah sie, dass sie tatsächlich schneller war als Othello. Scheinbar hatte der junge Mann mit dem unebenen Boden größere Probleme, und sein Abstand war schon von Vornherein nicht gering gewesen. Jetzt nur nicht nachlassen, Thomson … beglückwünschen kannst du dich später noch.
Sie würden es tatsächlich schaffen. Unglaublich. Als sie auf dem Balkon gestanden hatte, hätte sie nie gedacht, aus dieser Geschichte heil herauszukommen.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Schmerzhaft sog Gilbert die Luft ein, als er auf dem nassen Boden aufkam und wegrutschte. Doch er fing sich schnell wieder und rannte weiter. Er würde sich schon nicht schwer verletzt haben und selbst wenn, war das immer noch besser, als in diesem Moment mit der Polizei reden zu müssen. Er schloss zu Ms. Thomson auf und verdoppelte seine Anstrengungen, endlich von dem Grundstück zu verschwinden. Bisher hatte ihn seine Neugierde immer nur in problematische Situationen gebracht und auch dieses Mal durfte er eine solche direkt wieder ausbaden. Alles was mit Norly und seiner seltsamen Gruppe zu tun hatte, hatte ihm Schwierigkeiten gebracht. Es war an der Zeit, endlich zu verschwinden und nicht mehr zurückzublicken. Doch zuerst musste er sich und Ms. Thomson - die er ja selbst erst in diese Situation gebracht hatte - in Sicherheit bringen.
Gilbert konnte es sich nicht verkneifen, zurückzublicken. Was er sah, brachte ihn nur dazu, noch schneller zu rennen. Er war zwar wahrlich kein Sportler aber die Waffe in der Hand ihres Verfolgers, spornte ihn - zumindest seiner Meinung nach - zu neuen Höchstformen an. So gut es ging, ignorierte er die Rufe der Polizisten und rannte weiter. Er kam allerdings nicht umhin, zu hören, dass man ihn erkannt hatte.
Verdammt. Es wäre besser gewesen, wenn man ihn nicht ein weiteres Mal mit dieser Sache in Verbindung gebracht hätte. Ms. Thomson hatte dieses Problem nicht aber Gilbert war schon auf dem Bahnhof mit Norly in Verbindung gebracht worden. Was würden sie jetzt über ihn denken? Er flüchtete vor dem Gesetz. Dachten die Polizisten, dass er etwas verbrochen hatte? Das er doch ein Freund von Scarface war? Sicher war nur, dass sie ihn suchen würden. Selbst wenn er und Ms. Thomson fliehen konnten, würde man sie versuchen zu finden.
Gilbert versuchte ruhig zu bleiben und sich auf das Rennen zu konzentrieren. Er übernahm schließlich die Führung - da er Ms. Thomson hierhergefahren hatte und diese ja ohnmächtig gewesen war und sich deshalb nicht auskannte - und brachte sie aus dem Viertel heraus. Aus welchem Grund auch immer - vermutlich aufgrund puren Glücks - hängten sie die beiden Polizisten nach wenigen Minuten ab. Gilbert ergriff die Initiative, hielt die erste freie Kutsche an, die er finden konnte und ließ sich und Ms. Thomson schließlich in ein Hotel in der Innenstadt fahren. Dort angekommen mietete er das erstbeste Zimmer - er hatte natürlich immer etwas Bargeld dabei, schließlich gehörte er einer vermögenden Familie an und hatte sich auf einen recht teuren Urlaub eingestellt - und zog seine Begleiterin mit sich. Das Hotel war keine miese Absteige aber auch nicht das Teuerste, dass sich Gilbert leisten konnte. Es war vermutlich für die gehobene Mittelklasse und Reisende gebaut worden. Wenn er für sich und Ms. Thomson hier ein einzelnes Zimmer mietete, würden sich die Mitarbeiter dieses Etablissements sicherlich einiges denken können aber das war gut so. So stellten sie keine dummen Fragen.
Auf dem Weg hierher war wenig Zeit für Unterhaltungen gewesen aber jetzt, in dem recht üppig eingerichteten Zimmer, waren sie endlich in Sicherheit. Zumindest fürs Erste. Der Maler atmete einige Male tief durch, richtete seine Frisur und Kleidung und setzte sich schließlich aufs Bett, um sich zu beruhigen. Erst nachdem er etwas durchgeatmet hatte, fühlte er sich bereit, mit Ms. Thomson zu reden.
"Fürs Erste sind wir in Sicherheit." Gilbert seufzte. "Das wird aber nicht so bleiben. Die Polizei wird zumindest nach mir, vielleicht auch nach Ihnen suchen. Wir können hier nicht bleiben. Irgendetwas müssen wir uns einfallen lassen." Der Maler sah auf den Boden. Er war nicht nur verzweifelt, sondern fühlte sich auch schuldig. Vielleicht war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt aber wer konnte schon ahnen, was die Zukunft noch für sie bereit hielt? Lieber sagte er es jetzt. Vielleicht hatte er später keine Gelegenheit mehr dazu. "Hören Sie, Ms. Thomson. Sie sollen wissen, dass es mir Leid tut. Ich wollte Sie nicht in diese Sache mit reinziehen. Hätte ich sie nicht "gerettet"..." Er sprach das Wort mit Abscheu aus. "... dann wären Sie jetzt nicht hier und würden vermutlich auch kein Problem mit der Polizei haben." Er schüttelte den Kopf und wechselte das Thema. "Wie auch immer. Wir müssen uns etwas überlegen. Haben Sie eine Idee? Vielleicht ist es das Beste, komplett aus Manchester zu verschwinden. Norly und seine Truppe einfach sich selbst zu überlassen. Vielleicht haben wir Glück und man wird die Suche nicht auf Nachbarstädte ausweiten."
Gilbert konnte es sich nicht verkneifen, zurückzublicken. Was er sah, brachte ihn nur dazu, noch schneller zu rennen. Er war zwar wahrlich kein Sportler aber die Waffe in der Hand ihres Verfolgers, spornte ihn - zumindest seiner Meinung nach - zu neuen Höchstformen an. So gut es ging, ignorierte er die Rufe der Polizisten und rannte weiter. Er kam allerdings nicht umhin, zu hören, dass man ihn erkannt hatte.
Verdammt. Es wäre besser gewesen, wenn man ihn nicht ein weiteres Mal mit dieser Sache in Verbindung gebracht hätte. Ms. Thomson hatte dieses Problem nicht aber Gilbert war schon auf dem Bahnhof mit Norly in Verbindung gebracht worden. Was würden sie jetzt über ihn denken? Er flüchtete vor dem Gesetz. Dachten die Polizisten, dass er etwas verbrochen hatte? Das er doch ein Freund von Scarface war? Sicher war nur, dass sie ihn suchen würden. Selbst wenn er und Ms. Thomson fliehen konnten, würde man sie versuchen zu finden.
Gilbert versuchte ruhig zu bleiben und sich auf das Rennen zu konzentrieren. Er übernahm schließlich die Führung - da er Ms. Thomson hierhergefahren hatte und diese ja ohnmächtig gewesen war und sich deshalb nicht auskannte - und brachte sie aus dem Viertel heraus. Aus welchem Grund auch immer - vermutlich aufgrund puren Glücks - hängten sie die beiden Polizisten nach wenigen Minuten ab. Gilbert ergriff die Initiative, hielt die erste freie Kutsche an, die er finden konnte und ließ sich und Ms. Thomson schließlich in ein Hotel in der Innenstadt fahren. Dort angekommen mietete er das erstbeste Zimmer - er hatte natürlich immer etwas Bargeld dabei, schließlich gehörte er einer vermögenden Familie an und hatte sich auf einen recht teuren Urlaub eingestellt - und zog seine Begleiterin mit sich. Das Hotel war keine miese Absteige aber auch nicht das Teuerste, dass sich Gilbert leisten konnte. Es war vermutlich für die gehobene Mittelklasse und Reisende gebaut worden. Wenn er für sich und Ms. Thomson hier ein einzelnes Zimmer mietete, würden sich die Mitarbeiter dieses Etablissements sicherlich einiges denken können aber das war gut so. So stellten sie keine dummen Fragen.
Auf dem Weg hierher war wenig Zeit für Unterhaltungen gewesen aber jetzt, in dem recht üppig eingerichteten Zimmer, waren sie endlich in Sicherheit. Zumindest fürs Erste. Der Maler atmete einige Male tief durch, richtete seine Frisur und Kleidung und setzte sich schließlich aufs Bett, um sich zu beruhigen. Erst nachdem er etwas durchgeatmet hatte, fühlte er sich bereit, mit Ms. Thomson zu reden.
"Fürs Erste sind wir in Sicherheit." Gilbert seufzte. "Das wird aber nicht so bleiben. Die Polizei wird zumindest nach mir, vielleicht auch nach Ihnen suchen. Wir können hier nicht bleiben. Irgendetwas müssen wir uns einfallen lassen." Der Maler sah auf den Boden. Er war nicht nur verzweifelt, sondern fühlte sich auch schuldig. Vielleicht war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt aber wer konnte schon ahnen, was die Zukunft noch für sie bereit hielt? Lieber sagte er es jetzt. Vielleicht hatte er später keine Gelegenheit mehr dazu. "Hören Sie, Ms. Thomson. Sie sollen wissen, dass es mir Leid tut. Ich wollte Sie nicht in diese Sache mit reinziehen. Hätte ich sie nicht "gerettet"..." Er sprach das Wort mit Abscheu aus. "... dann wären Sie jetzt nicht hier und würden vermutlich auch kein Problem mit der Polizei haben." Er schüttelte den Kopf und wechselte das Thema. "Wie auch immer. Wir müssen uns etwas überlegen. Haben Sie eine Idee? Vielleicht ist es das Beste, komplett aus Manchester zu verschwinden. Norly und seine Truppe einfach sich selbst zu überlassen. Vielleicht haben wir Glück und man wird die Suche nicht auf Nachbarstädte ausweiten."
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Charles spürte, wie sein Körper ihm für die Nahrungsaufnahme dankte. Gerade hatte er das Gefühl, wie nach Jahren des Darbens wieder etwas Richtiges essen zu können. Es war erleichternd und schmeckte zudem köstlich. Rosie war eine fantastische Köchin, eine gute Mutter und eine herzliche Person, auch wenn sie momentan nicht sehr damit auftrug. Lloyd Bowen war ein Glückspilz, sie an seiner Seite zu haben. Selbst wenn Charles selbst seiner Familie, wenn er denn eine hätte, niemals eine Wohnumgebung wie diese geboten hätte, sondern ein anständiges, gemütliches Haus, verspürte er tief in seinem Inneren Neid. Trotz seines Lebenswandels, der keinesfalls ehrbar war, hatte Bowen geschafft, was Charles versäumt hatte: ein Leben zu leben, mit dem er zufrieden war (und die Chance, dies nachzuholen, würde es vermutlich nicht mehr geben).
Die Zukunft war ungewiss und die Aussicht dahin äußerst düster. Möglicherweise würde er es schaffen, sich selbst aus seiner Misere zu befreien, aber eigentlich war es wahrscheinlicher, dass schon bald eine Kugel oder der Galgen sein Ende bedeuten würde. Ein tragischer, durch Verrat und Hinterlist sinnlos herbeigeführter Tod. Ein Schicksal, dass er sich nicht wünschte. Ein Schicksal, dass er niemandem wünschte. Niemandem, bis auf Hill, vielleicht. Aber nur vielleicht. Hill hatte vieles verbrochen und vieles verdient, aber Charles strebte nicht unbedingt nach Rache, sondern Gerechtigkeit. Darüber zu grübeln, während man zur Untätigkeit in Manchester, fernab vom Ort des Geschehens entfernt, verdammt war, war der Moral nicht gerade zuträglich.
Charles‘ Laune war ohnehin schon als miserabel zu bezeichnen. Neben erholsamem Schlaf wünschte er sich gerade unbeschwerte Ruhe. Niemanden, der ihn kränkte, jagte, diffamierte oder nervte.
Ein Wunsch, der zu viel verlangt war – nicht einmal essen ließ man ihn, ohne ihn mit Fragen zu piesacken.
„Mein Freund hat sie nicht getötet, nein“, antworte Charles dennoch bereitwillig auf Dr. Tremaines Störung, nachdem er seinen aktuellen Bissen hinuntergeschluckt hatte. Im Gegensatz zu den schlingenden Teilnehmern dieser Mahlzeit, achtete Charles auf Tischmanieren.
„Er hat sie verhaftet“, erklärte er lapidar, klang aber etwas gereizt, was eindeutig auf seine Stimmung zurückzuführen war. „Wie ihr schlussendliches Schicksal aussehen wird, wird ein Richter entscheiden. Was steht wohl auf die Schusswechsel mitten auf der Straße gestern und auf einen Angriff auf einen Polizisten, der sie aufspürte und gezwungen war, ihren irischen Kumpan zu erschießen?“, gab er zu bedenken. Die beiden Attentäter würden jedenfalls die gerechte Strafe für ihre Spionage und den versuchten Mord an Charles, der hingegen beinahe Arthur das Leben gekostet hatte, bekommen. Und Mr. O’Sullivan hatte ebenfalls kein ruhmreiches Ende verdient. Wenn er als Komplize der beiden Attentäter angesehen wurde, würde er am wenigsten Fragen aufkommen lassen.
„Ich denke nicht, dass auch nur irgendwer ihnen meine Involvierung abkaufen wird“, fügte Charles noch hinzu. „Selbst, wenn Scotland Yard herumschnüffeln wird: Die Polizei lässt mich in Frieden. Das ist Manchester, nicht London.“
Damit wäre alles gesagt, gewesen, hätte Bowen nicht das Bedürfnis verspürt, zu kommentieren:
„Und den Ärger hast du offenbar von dort mit hierhergebracht“, sagte er grinsend und war offenbar belustigt. „Hör dich nur an: Manchester gehört nicht dir. Jedenfalls nicht mehr, Scarface“, betonte er süffisant.
„Ich würde es bevorzugen, nicht so genannt zu werden“, missbilligte Charles das. „Und offiziell bin ich nicht einmal hier“, stellte er klar.
„Aber inoffiziell weiß es die ganze Stadt“, entgegnete der Amerikaner. „Nur weil du mit Routledge Abmachung getroffen zu haben scheinst und er Presse und Yard an der Leine hat, heißt das nicht, dass er für alles den Kopf hinhält, was du hier mit deinen lustigen Gesellen anstellst.“
Charles war nicht in Stimmung, ausführlich darauf einzugehen.
„Das muss nicht mehr lang deine Sorge sein, Lloyd“, erwiderte er düster, allerdings war es eher niedergeschlagene als verärgerte Düsternis. „Mir ist bewusst, dass wir deine Gastfreundschaft bereits überansprucht haben. Wir werden bei nächster Gelegenheit wieder gen London aufbrechen. Ich habe hier für den Moment nichts mehr zu schaffen.“
Nein, das hatte Charles definitiv nicht mehr. Er wollte nur noch fort von diesem albtraumstiftenden Ort, der bis auf Schatten der Vergangenheit, die Trauer, Wut und Melancholie verursachten, nichts zu bieten hatte. Nicht einmal mehr das, wofür er angereist hatte, Johanna in Sicherheit zu schaffen, hatte er beenden können. Es beschäftigte ihn immer noch sehr und raubte seine freien Gedanken, warum sie Melinda hatte ausrichten lassen, ihn gern wiedersehen zu wollen, dann aber ihn, ihren Vater, fortgejagt hatte, als er sie nach seiner Freilassung aus der Haft hatte besuchen wollen. Dabei hatte er vorgehabt, ihr und ihrer Mutter eine Überfahrt nach Amerika zu organisieren. Dort wären sie in Sicherheit gewesen, bis die wieder Gras über ihre Verbindung zu ihm gewachsen wäre
Die Reise nach Manchester war ein komplettes Fiasko. Je eher Charles diesen Ort hinter sich lassen und wieder auf die eigentlichen Probleme konzentrieren konnte, desto besser.
„Ich sorge mich doch nicht“, beteuerte Bowen jedoch. „Ich bestehe sogar darauf, dass ihr noch ein wenig bleibt“, widersprach er Charles‘ Worten weiter. „Der Doc brennt schon darauf, die Kämpfe heute Abend zu sehen. Und, wer weiß? Vielleicht steige ich ja selbst mal wieder in den Ring. Das wird sicher spaßig.“
Der tätowierte Mann zwinkerte Randolph zu und schob sich ein Stück Brot in den Mund, das er zuvor mit Eintopf getränkt hatte.
Die Zukunft war ungewiss und die Aussicht dahin äußerst düster. Möglicherweise würde er es schaffen, sich selbst aus seiner Misere zu befreien, aber eigentlich war es wahrscheinlicher, dass schon bald eine Kugel oder der Galgen sein Ende bedeuten würde. Ein tragischer, durch Verrat und Hinterlist sinnlos herbeigeführter Tod. Ein Schicksal, dass er sich nicht wünschte. Ein Schicksal, dass er niemandem wünschte. Niemandem, bis auf Hill, vielleicht. Aber nur vielleicht. Hill hatte vieles verbrochen und vieles verdient, aber Charles strebte nicht unbedingt nach Rache, sondern Gerechtigkeit. Darüber zu grübeln, während man zur Untätigkeit in Manchester, fernab vom Ort des Geschehens entfernt, verdammt war, war der Moral nicht gerade zuträglich.
Charles‘ Laune war ohnehin schon als miserabel zu bezeichnen. Neben erholsamem Schlaf wünschte er sich gerade unbeschwerte Ruhe. Niemanden, der ihn kränkte, jagte, diffamierte oder nervte.
Ein Wunsch, der zu viel verlangt war – nicht einmal essen ließ man ihn, ohne ihn mit Fragen zu piesacken.
„Mein Freund hat sie nicht getötet, nein“, antworte Charles dennoch bereitwillig auf Dr. Tremaines Störung, nachdem er seinen aktuellen Bissen hinuntergeschluckt hatte. Im Gegensatz zu den schlingenden Teilnehmern dieser Mahlzeit, achtete Charles auf Tischmanieren.
„Er hat sie verhaftet“, erklärte er lapidar, klang aber etwas gereizt, was eindeutig auf seine Stimmung zurückzuführen war. „Wie ihr schlussendliches Schicksal aussehen wird, wird ein Richter entscheiden. Was steht wohl auf die Schusswechsel mitten auf der Straße gestern und auf einen Angriff auf einen Polizisten, der sie aufspürte und gezwungen war, ihren irischen Kumpan zu erschießen?“, gab er zu bedenken. Die beiden Attentäter würden jedenfalls die gerechte Strafe für ihre Spionage und den versuchten Mord an Charles, der hingegen beinahe Arthur das Leben gekostet hatte, bekommen. Und Mr. O’Sullivan hatte ebenfalls kein ruhmreiches Ende verdient. Wenn er als Komplize der beiden Attentäter angesehen wurde, würde er am wenigsten Fragen aufkommen lassen.
„Ich denke nicht, dass auch nur irgendwer ihnen meine Involvierung abkaufen wird“, fügte Charles noch hinzu. „Selbst, wenn Scotland Yard herumschnüffeln wird: Die Polizei lässt mich in Frieden. Das ist Manchester, nicht London.“
Damit wäre alles gesagt, gewesen, hätte Bowen nicht das Bedürfnis verspürt, zu kommentieren:
„Und den Ärger hast du offenbar von dort mit hierhergebracht“, sagte er grinsend und war offenbar belustigt. „Hör dich nur an: Manchester gehört nicht dir. Jedenfalls nicht mehr, Scarface“, betonte er süffisant.
„Ich würde es bevorzugen, nicht so genannt zu werden“, missbilligte Charles das. „Und offiziell bin ich nicht einmal hier“, stellte er klar.
„Aber inoffiziell weiß es die ganze Stadt“, entgegnete der Amerikaner. „Nur weil du mit Routledge Abmachung getroffen zu haben scheinst und er Presse und Yard an der Leine hat, heißt das nicht, dass er für alles den Kopf hinhält, was du hier mit deinen lustigen Gesellen anstellst.“
Charles war nicht in Stimmung, ausführlich darauf einzugehen.
„Das muss nicht mehr lang deine Sorge sein, Lloyd“, erwiderte er düster, allerdings war es eher niedergeschlagene als verärgerte Düsternis. „Mir ist bewusst, dass wir deine Gastfreundschaft bereits überansprucht haben. Wir werden bei nächster Gelegenheit wieder gen London aufbrechen. Ich habe hier für den Moment nichts mehr zu schaffen.“
Nein, das hatte Charles definitiv nicht mehr. Er wollte nur noch fort von diesem albtraumstiftenden Ort, der bis auf Schatten der Vergangenheit, die Trauer, Wut und Melancholie verursachten, nichts zu bieten hatte. Nicht einmal mehr das, wofür er angereist hatte, Johanna in Sicherheit zu schaffen, hatte er beenden können. Es beschäftigte ihn immer noch sehr und raubte seine freien Gedanken, warum sie Melinda hatte ausrichten lassen, ihn gern wiedersehen zu wollen, dann aber ihn, ihren Vater, fortgejagt hatte, als er sie nach seiner Freilassung aus der Haft hatte besuchen wollen. Dabei hatte er vorgehabt, ihr und ihrer Mutter eine Überfahrt nach Amerika zu organisieren. Dort wären sie in Sicherheit gewesen, bis die wieder Gras über ihre Verbindung zu ihm gewachsen wäre
Die Reise nach Manchester war ein komplettes Fiasko. Je eher Charles diesen Ort hinter sich lassen und wieder auf die eigentlichen Probleme konzentrieren konnte, desto besser.
„Ich sorge mich doch nicht“, beteuerte Bowen jedoch. „Ich bestehe sogar darauf, dass ihr noch ein wenig bleibt“, widersprach er Charles‘ Worten weiter. „Der Doc brennt schon darauf, die Kämpfe heute Abend zu sehen. Und, wer weiß? Vielleicht steige ich ja selbst mal wieder in den Ring. Das wird sicher spaßig.“
Der tätowierte Mann zwinkerte Randolph zu und schob sich ein Stück Brot in den Mund, das er zuvor mit Eintopf getränkt hatte.
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Was Maura zuerst kaum für möglich gehalten hätte, kam schließlich doch: sie hängten Othello schon ein paar hundert Meter weiter ab. Sie wusste nicht, ob der andere Polizist auch hinter ihnen herkam, denn sie sah sich nicht mehr um; lieber sparte sie sich die Kraft fürs Rennen. Ihre sonst so müden Schenkel brannten, aber es war ein angenehmes Brennen, wie Vorfreude. Als täten sie endlich, wofür sie wirklich gewachsen waren. Und obwohl es Maura ziemlich verblüffte – irgendetwas in ihrem Kopf behauptete, dass ihr die Verfolgungsjagd tatsächlich Spaß machte! Der Nervenkitzel saß ihr direkt unter der Haut und sprühte Aufregung durch ihren ganzen Körper, in wohligen Schauern, wie sie sie sonst höchstens beim Schreiben einer spannenden Szene kannte. Oh ja, sie tat, was ihre Romanhelden so oft taten, sie handelte gegen das Gesetz, und das mit Vorsatz. Und es fühlte sich gut an.
Als sie sich schließlich doch einmal umsah, waren die Polizisten längst nicht mehr zu sehen, ebenso wenig wie Norlys Haus. Maura wurde langsamer, dann schlug sie den Kragen hoch und wischte sich über die feuchte Stirn. Es überraschte sie, wie gut ihr Körper die Anstrengung verkraftete. Vielleicht war sie nach all den Jahren noch kräftiger, als sie gedacht hatte …
Sie sagte nichts, als Wright eine Kutsche heranwinkte, und spielte anstandslos mit, als er sie in ein Hotel einmietete; erst auf dem Zimmer angekommen, fiel ihr falsches Lächeln ab wie eine Pappmaskierung. Das Zimmer sah nicht übel aus. Maura war zwar aus anständigem Hause, doch übermäßig reich waren ihre Eltern nicht gewesen, und sie konnte übermäßigen Prunk ohnehin nicht ausstehen, doch das Hotel schien keine dieser heuchlerischen Nobel-Absteigen zu sein. So fühlte sie sich in dem mittelständisch wirkenden Raum sogar recht wohl. Wright setzte sich aufs Bett, und Maura war versucht, es ihm gleichzutun, doch etwas in ihr wollte gar nicht zur Ruhe kommen. Stattdessen begann sie, im Zimmer Kreise zu drehen, wie ein Tier in einem Käfig.
Wrights Entschuldigung überraschte sie nicht, trotzdem fühlte sie sich peinlich berührt. Es war selten, dass sich jemand bei ihr entschuldigte; normalerweise war sie es immer selbst, die sich zu entschuldigen hatte, so zumindest hatte sie es beigebracht bekommen. Womöglich gab das ein besseres Gefühl, wenn man die Entschuldigungen auch ernst meinte. „Schon in Ordnung“, erwiderte sie kurz angebunden, dann blieb sie stehen und schob die Hände in die Manteltaschen. Beinahe herausfordernd blickte sie Wright an. „Ich habe eine Idee. Oder eher einen Entschluss. Ich nehme an, er wird Ihnen nicht gefallen …“ Sie musterte Wright. Der Schnauzbart hatte sie bei ihrer Flucht überrascht. Er war freundlich geblieben, nachdem sie ihm das Messer gezeigt hatte, er hatte ihr sogar den Vortritt aus dem Fenster gelassen, und er war tapfer weitergerannt, obwohl es ihn erschöpft hatte (es war nicht schwer gewesen, das zu sehen). Er hatte sich nicht beklagt, keinen Rückzieher gemacht. Vielleicht steckte in dem Mann doch mehr, als sie gedacht hatte.
„Ich danke Ihnen für Ihren … Versuch, mich in Sicherheit zu bringen, Mr. Wright, doch … ich habe mich entschieden, zu Charles Norly und seinen Korsaren zurückzukehren.“
Als sie sich schließlich doch einmal umsah, waren die Polizisten längst nicht mehr zu sehen, ebenso wenig wie Norlys Haus. Maura wurde langsamer, dann schlug sie den Kragen hoch und wischte sich über die feuchte Stirn. Es überraschte sie, wie gut ihr Körper die Anstrengung verkraftete. Vielleicht war sie nach all den Jahren noch kräftiger, als sie gedacht hatte …
Sie sagte nichts, als Wright eine Kutsche heranwinkte, und spielte anstandslos mit, als er sie in ein Hotel einmietete; erst auf dem Zimmer angekommen, fiel ihr falsches Lächeln ab wie eine Pappmaskierung. Das Zimmer sah nicht übel aus. Maura war zwar aus anständigem Hause, doch übermäßig reich waren ihre Eltern nicht gewesen, und sie konnte übermäßigen Prunk ohnehin nicht ausstehen, doch das Hotel schien keine dieser heuchlerischen Nobel-Absteigen zu sein. So fühlte sie sich in dem mittelständisch wirkenden Raum sogar recht wohl. Wright setzte sich aufs Bett, und Maura war versucht, es ihm gleichzutun, doch etwas in ihr wollte gar nicht zur Ruhe kommen. Stattdessen begann sie, im Zimmer Kreise zu drehen, wie ein Tier in einem Käfig.
Wrights Entschuldigung überraschte sie nicht, trotzdem fühlte sie sich peinlich berührt. Es war selten, dass sich jemand bei ihr entschuldigte; normalerweise war sie es immer selbst, die sich zu entschuldigen hatte, so zumindest hatte sie es beigebracht bekommen. Womöglich gab das ein besseres Gefühl, wenn man die Entschuldigungen auch ernst meinte. „Schon in Ordnung“, erwiderte sie kurz angebunden, dann blieb sie stehen und schob die Hände in die Manteltaschen. Beinahe herausfordernd blickte sie Wright an. „Ich habe eine Idee. Oder eher einen Entschluss. Ich nehme an, er wird Ihnen nicht gefallen …“ Sie musterte Wright. Der Schnauzbart hatte sie bei ihrer Flucht überrascht. Er war freundlich geblieben, nachdem sie ihm das Messer gezeigt hatte, er hatte ihr sogar den Vortritt aus dem Fenster gelassen, und er war tapfer weitergerannt, obwohl es ihn erschöpft hatte (es war nicht schwer gewesen, das zu sehen). Er hatte sich nicht beklagt, keinen Rückzieher gemacht. Vielleicht steckte in dem Mann doch mehr, als sie gedacht hatte.
„Ich danke Ihnen für Ihren … Versuch, mich in Sicherheit zu bringen, Mr. Wright, doch … ich habe mich entschieden, zu Charles Norly und seinen Korsaren zurückzukehren.“
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Randolph schmerzte das Hirn. Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger seine staubtrockenen Augen.
„Ich glaube es ist eher der Absinth, der in mir brennt. Aber ja, ich denke, es kann nicht schaden, wenn wir uns das ansehen. Nun, da wir schon hier sind.“
Eine glatte Lüge, natürlich. Aber so würde er Norly zumindest für den Abend loswerden können. Vielleicht. Wenn er nicht ohnehin schlief. Der Doktor hatte schon einen Plan, was er tun wollte und wie er es tun wollte.
Aber jetzt beschäftigte ihn erst mal etwas anderes. Er dachte an Billy und Donny, die er in der Lagerhalle zurückgelassen hatte. Hatte er eine andere Wahl gehabt? Mit seinem kaputten Bein?
Der Doktor begann seinen Teller mit weiterem Eintopf zu beladen.
Er hatte, damals, als sie gefangen waren, befürchtet gehabt, dass Charles Begleiter die Situation so darstellen würde, als hätten die Beiden den Iren erschossen. Und dafür wären sie gehängt worden. Darüber war er sich so sicher, wie über die Knochen am Grund der Themse. Jetzt war es ein Mordversuch, den man ihnen anlasten würde. Schwer genug, wenn man bedachte, dass der Killer des Iren anscheinend ein Polizist war.
Sie könnten immer noch am Galgen enden. Das war zwar nicht wahrscheinlich, aber lag durchaus im Bereich des Möglichen. Das hing auch vom Polizeichef ab. Von dem Polizeichef, von dem sich Norly hatte befreien lassen. Vielleicht würde er sie töten, einfach damit sie gar nicht erst Gerüchte in die Welt setzen konnten. Gerüchte, die am Ende auch ihm selbst schaden könnten.
Was aber wahrscheinlicher war, beantwortete er Charles‘ Frage geistig, war das die Beiden eingepfercht und zu einem, oder eher zwei Jahren brachialer Gefangenenarbeit gezwungen wurden. Er hatte beobachtet, wie Straftäter in den Docks und beim Straßenbau eingesetzt wurden. Diese Leute hatten es nicht so schlimm, wie die Minenarbeiter in Cornwall, aber es war immer noch eine verdammt brutale Schinderei.
Danach wurde es nicht viel besser für sie. Mit ihrer Vorbestrafung würden sie in England keine vernünftige Arbeit mehr bekommen. Allenfalls durften sie noch für ein paar Schilling Streichholzschachteln zusammenbauen. War das die gerechte Strafe?
Randolph kaute seine Bissen Eintopf herunter. „Wofür eigentlich die gerechte Strafe?“, meinte er dann deprimiert. „Dafür, dass sie einen Serienmörder töten und die Belohnung dafür einheimsen wollten? Zuvor hatten diese Kerle zumindest eine Arbeit bei Cromfield, die sie davon abhielt Schlimmeres zu tun. Aber wenn sie wieder frei kommen, haben sie gar nichts mehr. Dann haben sie im Grunde nicht mal mehr die Wahl, ob sie auf die krumme Bahn wechseln wollen oder nicht.“
Randolph hatte vielleicht, was das anging eine andere Perspektive auf die Dinge. Er wusste dass diese Männer nicht als Kriminelle geboren worden. Es war die Stadt, die sie dazu machte. Vielleicht hätte Norly, wäre er unter diesen Verhältnissen aufgewachsen, denselben Weg eingeschlagen. Er hatte in den Beiden, vor allem als er mit seinem Patienten geredet hatte, auch etwas anderes gesehen. Die Beiden waren keine Schwerverbrecher. Sie waren es nicht, die in London umher liefen und Leute abschlachteten. Und sie hatten auch eine Anstellung gehabt, mit der sie einigermaßen über die Runden kamen und sie davon abhielt, diesen Weg einzuschlagen.
Nach der Gefangenschaft hatte sich das erledigt. Niemand würde die Beiden mehr haben wollen. So funktionierte das System. Es ließ gar nicht wirklich zu, dass man seine schlechten Taten ausgleichen konnte.
Ihm ging noch etwas durch den Kopf.
„Denken sie wirklich, dass wir besser, als diese Menschen sind? Die Tötung des Iren war vollkommen überflüssig. Wir wussten, dass er Ärger darstellte. Spätestens seit er mich heute Morgen zu Brei verarbeiten wollte. Aber wir mussten ihn mitnehmen. Und als er diese alte Schachtel schlug…das war meiner Meinung nach auch gerechtfertigt. Sie steckte mit den Beiden anderen unter einer Decke und hat ihm den Revolver abgenommen. Ich erwarte nicht von ihm, dass er sich deswegen erschießen lassen muss.“
Er konnte noch vor sich sehen, wie sich die Szene vor seinen grauen Augen abspielte und die gesamte Lage eskalierte: „Aber ihr habt auf ihn eingeschrien, obwohl ihr wusstet, dass er eine Gefahr für jeden und sich selbst darstellte. Ihr kanntet sein Gemüt. Wir haben ihn mitgenommen, wir haben ihn provoziert und dann haben wir ihn erschossen.“
Oder eigentlich…er verspürte keine Reue etwas Falsches gemacht zu haben. Sein Einschüchterungsversuch war nicht der Grund, warum der Kerl nun tot war. Er hatte nur sein Möglichstes getan, um etwas bereits Entschiedenes abzuwehren.
„Beziehungsweise: Ihr habt das getan. Meine eigenen Laster kennt ihr.“
„Ich glaube es ist eher der Absinth, der in mir brennt. Aber ja, ich denke, es kann nicht schaden, wenn wir uns das ansehen. Nun, da wir schon hier sind.“
Eine glatte Lüge, natürlich. Aber so würde er Norly zumindest für den Abend loswerden können. Vielleicht. Wenn er nicht ohnehin schlief. Der Doktor hatte schon einen Plan, was er tun wollte und wie er es tun wollte.
Aber jetzt beschäftigte ihn erst mal etwas anderes. Er dachte an Billy und Donny, die er in der Lagerhalle zurückgelassen hatte. Hatte er eine andere Wahl gehabt? Mit seinem kaputten Bein?
Der Doktor begann seinen Teller mit weiterem Eintopf zu beladen.
Er hatte, damals, als sie gefangen waren, befürchtet gehabt, dass Charles Begleiter die Situation so darstellen würde, als hätten die Beiden den Iren erschossen. Und dafür wären sie gehängt worden. Darüber war er sich so sicher, wie über die Knochen am Grund der Themse. Jetzt war es ein Mordversuch, den man ihnen anlasten würde. Schwer genug, wenn man bedachte, dass der Killer des Iren anscheinend ein Polizist war.
Sie könnten immer noch am Galgen enden. Das war zwar nicht wahrscheinlich, aber lag durchaus im Bereich des Möglichen. Das hing auch vom Polizeichef ab. Von dem Polizeichef, von dem sich Norly hatte befreien lassen. Vielleicht würde er sie töten, einfach damit sie gar nicht erst Gerüchte in die Welt setzen konnten. Gerüchte, die am Ende auch ihm selbst schaden könnten.
Was aber wahrscheinlicher war, beantwortete er Charles‘ Frage geistig, war das die Beiden eingepfercht und zu einem, oder eher zwei Jahren brachialer Gefangenenarbeit gezwungen wurden. Er hatte beobachtet, wie Straftäter in den Docks und beim Straßenbau eingesetzt wurden. Diese Leute hatten es nicht so schlimm, wie die Minenarbeiter in Cornwall, aber es war immer noch eine verdammt brutale Schinderei.
Danach wurde es nicht viel besser für sie. Mit ihrer Vorbestrafung würden sie in England keine vernünftige Arbeit mehr bekommen. Allenfalls durften sie noch für ein paar Schilling Streichholzschachteln zusammenbauen. War das die gerechte Strafe?
Randolph kaute seine Bissen Eintopf herunter. „Wofür eigentlich die gerechte Strafe?“, meinte er dann deprimiert. „Dafür, dass sie einen Serienmörder töten und die Belohnung dafür einheimsen wollten? Zuvor hatten diese Kerle zumindest eine Arbeit bei Cromfield, die sie davon abhielt Schlimmeres zu tun. Aber wenn sie wieder frei kommen, haben sie gar nichts mehr. Dann haben sie im Grunde nicht mal mehr die Wahl, ob sie auf die krumme Bahn wechseln wollen oder nicht.“
Randolph hatte vielleicht, was das anging eine andere Perspektive auf die Dinge. Er wusste dass diese Männer nicht als Kriminelle geboren worden. Es war die Stadt, die sie dazu machte. Vielleicht hätte Norly, wäre er unter diesen Verhältnissen aufgewachsen, denselben Weg eingeschlagen. Er hatte in den Beiden, vor allem als er mit seinem Patienten geredet hatte, auch etwas anderes gesehen. Die Beiden waren keine Schwerverbrecher. Sie waren es nicht, die in London umher liefen und Leute abschlachteten. Und sie hatten auch eine Anstellung gehabt, mit der sie einigermaßen über die Runden kamen und sie davon abhielt, diesen Weg einzuschlagen.
Nach der Gefangenschaft hatte sich das erledigt. Niemand würde die Beiden mehr haben wollen. So funktionierte das System. Es ließ gar nicht wirklich zu, dass man seine schlechten Taten ausgleichen konnte.
Ihm ging noch etwas durch den Kopf.
„Denken sie wirklich, dass wir besser, als diese Menschen sind? Die Tötung des Iren war vollkommen überflüssig. Wir wussten, dass er Ärger darstellte. Spätestens seit er mich heute Morgen zu Brei verarbeiten wollte. Aber wir mussten ihn mitnehmen. Und als er diese alte Schachtel schlug…das war meiner Meinung nach auch gerechtfertigt. Sie steckte mit den Beiden anderen unter einer Decke und hat ihm den Revolver abgenommen. Ich erwarte nicht von ihm, dass er sich deswegen erschießen lassen muss.“
Er konnte noch vor sich sehen, wie sich die Szene vor seinen grauen Augen abspielte und die gesamte Lage eskalierte: „Aber ihr habt auf ihn eingeschrien, obwohl ihr wusstet, dass er eine Gefahr für jeden und sich selbst darstellte. Ihr kanntet sein Gemüt. Wir haben ihn mitgenommen, wir haben ihn provoziert und dann haben wir ihn erschossen.“
Oder eigentlich…er verspürte keine Reue etwas Falsches gemacht zu haben. Sein Einschüchterungsversuch war nicht der Grund, warum der Kerl nun tot war. Er hatte nur sein Möglichstes getan, um etwas bereits Entschiedenes abzuwehren.
„Beziehungsweise: Ihr habt das getan. Meine eigenen Laster kennt ihr.“
Darnamur- Jünger des Pinguins
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Melinda hatte sich ebenso dazu hinreißen lassen etwas zu essen, wie alle anderen auch. Sie genoß die warme Mahlzeit die auch noch wunderbar schmeckte und versuchte das kostbare Essen nicht in sich hineinzuschlingen.
Alles in allem war der Tag bisher nicht schlecht gelaufen, vielleicht war das normal so wenn man Geburtstag feierte. Immerhin hatte sie Sex gehabt ohne es als Arbeit ansehen zu müssen, sie hatte etwas zu beißen und Absinth war auch in der Nähe. Es gab weitaus Schlimmeres. Vielleicht hätte sie das Angebot von Charles doch annehmen sollen und ausgehen sollen. Andererseits schwenkte das Thema auf einen Boxkampf um. Das hörte sich gut an. Männer die sich auf die Fresse schlugen waren nach Mellys Geschmack.
Aaaaaaahhhh herrlich wenn das Blut nur so spritzt!
Sie überlegte ihre Möglichkeiten. Gemeinsam mit Charles und Randy einen Kampf ansehen und irgendwann nach frischer Luft verlangen. Sie würde kurz rausgehen - offiziell. Das würde der perfekte Zeitpunkt sein um endlich zu verschwinden.
Das ganze Gerede und Manchester machten sie krank. Sie wollte wieder in ihr London. Wo sie sich auskannte.
Ja! Zurück in diesen Moloch von Stadt, der zu Hause ist. Wo man die Huren schon drei Meter entfernt am Geruch unterscheiden kann. Sieh nur da ist Angie. Riecht nach Fisch! Na wieder am Hafen gewesen?! So was vermisst du? Solche Huren findest du auch hier.
Wo sie sich zu Hause fühlte. Wo sie wusste wohin sie laufen musste, wenn es brenzlig wurde. Wo sie wusste wo es Laudanum geben würde. Wo sie wusste, wo Hill sich nicht aufhielt. Oder einer der anderen Freier die sie nun aus dem Weg schaffen wollten.
Es brannte ihr unter den Fingernägeln wieder nach London zu kommen.
Als sie die Jugendlichen vorhin gesehen hatte, wusste sie auch warum. Manche Städte fressen einen Menschen auf und spucken ihn aus...und dann ist man irgendwie auch die Stadt. Man riecht wie sie, denkt wie sie....
Juuuuunge, was redest du für einen Bullshit. Denkt wie eine Stadt. Sieh mal zu das da wieder ein bisschen Alkohol in den Körper kommt. Sonst wird das ja unerträglich hier drin!
Dann hau doch endlich ab! Melly glaubte das war das erste Mal, dass sie sich selbst antwortete.
Bist du verrückt? Hier drin ist es prima. Bequem eingerichtet, nette Lektüre...verworrene Gedanken. Los! Alkohol!
Stumm machte sie sich weiter über das Essen her.
"Ich würde mir einen Boxkampf auch gerne anschauen. Aber vorher hätte ich gerne auch etwas Absinth." sagte sie, als sie ihren Teller von sich wegschob.
Alles in allem war der Tag bisher nicht schlecht gelaufen, vielleicht war das normal so wenn man Geburtstag feierte. Immerhin hatte sie Sex gehabt ohne es als Arbeit ansehen zu müssen, sie hatte etwas zu beißen und Absinth war auch in der Nähe. Es gab weitaus Schlimmeres. Vielleicht hätte sie das Angebot von Charles doch annehmen sollen und ausgehen sollen. Andererseits schwenkte das Thema auf einen Boxkampf um. Das hörte sich gut an. Männer die sich auf die Fresse schlugen waren nach Mellys Geschmack.
Aaaaaaahhhh herrlich wenn das Blut nur so spritzt!
Sie überlegte ihre Möglichkeiten. Gemeinsam mit Charles und Randy einen Kampf ansehen und irgendwann nach frischer Luft verlangen. Sie würde kurz rausgehen - offiziell. Das würde der perfekte Zeitpunkt sein um endlich zu verschwinden.
Das ganze Gerede und Manchester machten sie krank. Sie wollte wieder in ihr London. Wo sie sich auskannte.
Ja! Zurück in diesen Moloch von Stadt, der zu Hause ist. Wo man die Huren schon drei Meter entfernt am Geruch unterscheiden kann. Sieh nur da ist Angie. Riecht nach Fisch! Na wieder am Hafen gewesen?! So was vermisst du? Solche Huren findest du auch hier.
Wo sie sich zu Hause fühlte. Wo sie wusste wohin sie laufen musste, wenn es brenzlig wurde. Wo sie wusste wo es Laudanum geben würde. Wo sie wusste, wo Hill sich nicht aufhielt. Oder einer der anderen Freier die sie nun aus dem Weg schaffen wollten.
Es brannte ihr unter den Fingernägeln wieder nach London zu kommen.
Als sie die Jugendlichen vorhin gesehen hatte, wusste sie auch warum. Manche Städte fressen einen Menschen auf und spucken ihn aus...und dann ist man irgendwie auch die Stadt. Man riecht wie sie, denkt wie sie....
Juuuuunge, was redest du für einen Bullshit. Denkt wie eine Stadt. Sieh mal zu das da wieder ein bisschen Alkohol in den Körper kommt. Sonst wird das ja unerträglich hier drin!
Dann hau doch endlich ab! Melly glaubte das war das erste Mal, dass sie sich selbst antwortete.
Bist du verrückt? Hier drin ist es prima. Bequem eingerichtet, nette Lektüre...verworrene Gedanken. Los! Alkohol!
Stumm machte sie sich weiter über das Essen her.
"Ich würde mir einen Boxkampf auch gerne anschauen. Aber vorher hätte ich gerne auch etwas Absinth." sagte sie, als sie ihren Teller von sich wegschob.
Elli- Piratenpinguin
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Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte
Charles gefiel die Vorstellung nicht sonderlich, zwischen vielen alten Bekannten und vielen zwielichtigen Unbekannten, von denen er beiderseits nicht einschätzen konnte, wie wohlgesonnen sie ihm (noch) waren, einem Boxkampf beizuwohnen. Dass Melinda eine solche Veranstaltung lieber aufsuchen mochte, als mit ihm zu zweit einen schönen Abend zu verbringen, wirkte auch nicht gerade aufheiternd oder motivierend. Als wäre er nicht schon aufgewühlt genug, war dies wie ein erneuter Schlag in seine Magengrube. Warum konnte dieser furchtbare Tag nicht einfach bereits zur Neige gehen?
Ein lauter Pfiff drang durch die Küche, bevor Bowen nach Toby und der Flasche Absinth rief, wovon Melinda sich etwas gewünscht hatte.
Charles kommentierte das nicht. Seine Meinung interessierte sie ja ohnehin nicht, wie es ihm vorhin erst aufgefallen war. Wie hatte er so blind sein können? Geblendet von ihrer Schönheit, ihren freundlichen Worten, ihrem Lächeln, ihren Küssen…
Gefangen in Traurigkeit und Missmut, reizte ihn Dr. Tremaines unhaltbare Kritik, die unerwartet auf ihn einprasselte, mehr als er wollte.
„Da Sie offenbar möchten, dass ich mich für meine Entscheidungen rechtfertige“, erwiderte Charles kalt, als der Chirurg seine Selbstbeweihräucherung beendet hatte, „– was Sie auch anderweitig hätten formulieren können…“, kommentierte er die Art und Weise.
„Fein. Wissen Sie, ich bin mir der Verantwortung, die auf mir lastet, besser bewusst, als sie es sind“, wies er den Arzt zurecht.
„Mir hat es ebenfalls nicht gefallen, Mr. O’Sullivan überhaupt erst mitzunehmen, aber welch andere Wahl hätte ich gehabt?“, fragte er rhetorisch.
„Hätte ich ihn fortgeschickt, hätte er Ärger verursacht.“
Das war allzu offensichtlich.
„Er hätte uns alle gefährdet, einfach, weil er zu viel wusste.“
Charles hatte stark den Verdacht, dass Dr. Tremaine gedachte, ihn in der Runde zu demütigen, und das wollte er nicht auf sich sitzen lassen. Er hatte vor, das Thema von vorn anzugehen. Wenn er sich schon rechtfertigen sollte, was er eigentlich nicht wollte, aber nun tat, um die Sache aus der Welt zu schaffen, dann wollte er auf jede der Unterstellungen eingehen.
„Ich hätte ihn überhaupt nicht erst in mein Haus bringen dürfen, ich weiß, aber welch andere Wahl hätte ich gehabt?“
Rhetorik war wirklich seine Stärke, stellte er einmal wieder fest.
„Hätte ich seine Hilfe abgelehnt, hätte ich Arthurs Leben, das sowieso am seidenen Faden hing, riskiert. Das hätte ich nicht verantworten können.“
Die prekäre Lage hatte ihn zur Handlung gezwungen. Er war sich bewusst gewesen, dass fremde Hilfe anzunehmen, ein Risiko in sich geborgen hatte, aber die Entscheidung, O’Sullivan mit in die Angelegenheit hineinzuziehen, war immer noch besser gewesen, als Arthur sterben zu lassen.
„Ich bin allerdings auch nicht verantwortlich für Mr. O’Sullivans Taten“, stellte Charles klar.
„Ich wusste, dass wir ihn loswerden mussten“, erklärte er unwirsch. Das war offensichtlich gewesen.
„Ich brauchte nur eine passende Gelegenheit dafür. Damit meine ich nicht seinen Tod.“
Dass er das überhaupt betonen musste!
„Ich habe auf eine Gelegenheit gewartet, ihn irgendwie abzulenken und mich zu heimlich distanzieren, ohne ihm eine Spur zu hinterlassen, die ihn zu uns führen könnte.“
Charles merkte, dass ihn das Thema noch mehr aufwühlte, als er es schon zuvor gewesen war. Was erwartete Dr. Tremaine eigentlich? Dass das Ableben eines Menschen spurlos an Charles vorbeiging? Es hatte ihn mitgenommen. Mehr als er offen zugeben wollte. In der Lagerhalle hatte er sich kurz vergessen, als er zum sterbenden Iren gesprochen hatte.
„Ich wollte nicht, dass er stirbt. Ich war es nicht, der Mr. O’Sullivan erschossen hat, und ich hätte auch nicht unbedingt auf sein Herz gezielt, um ihn aufzuhalten, aber ich war, wie Sie scheinbar vergessen haben, in diesem Moment damit beschäftigt, ihn davon abzuhalten, Miss Bolt abzustechen!“
Charles blickte Dr. Tremaine finster entgegen.
„Soll ich mich nun dafür bei Ihnen entschuldigen?“, knurrte er. „Sie haben rein gar nichts getan – außer zu schreien. Sie haben den Mann gereizt. Ihn beleidigt.“
Dieser Heuchler brauchte nicht erwarten, dass Charles das im Eifer des Gefechts überhört hatte, oder sich nun nicht mehr daran erinnerte, was genau geschehen war.
„Sie, wohlgemerkt – und hierbei können Sie sich nicht durch wilde Behauptungen aus der Affäre ziehen – haben mit einem Revolver in der Hand zugesehen, anstatt ihn auf eine Ihnen angemessene Art und Weise aufzuhalten. Und jetzt erzählen Sie mir nicht noch einmal, dass unschuldig daran sind, wie die Situation ausgegangen ist.“
Das wäre ein gutes, starkes Schlusswort gewesen… wenn Charles schon alles gesagt hätte, was er hätte sagen wollen.
„Mr. O’Sullivan war außer Rand und Band. Er wollte erschossen werden, das haben wir alle mit eigenen Augen gesehen. Er war ein Feigling, ein Trinker, ein Taugenichts… und das wusste er. Er wollte selbst, dass sein erbärmliches Leben so endet. Er hatte sich von der ganzen Unternehmung versprochen, wieder Krieg zu spielen. Er war gefährlich… gefährlicher als ich geahnt hätte.“
Diese Fehleinschätzung gab Charles zu. Er hatte die psychische Verfassung O’Sullivans unterschätzt. Doch wie er vom Krieg geredet hatte, wie er sich verhalten hatte… Charles hatte nicht ohne Grund die Fassung verloren, als der Ire schließlich im eigenen Blut vor ihm gelegen hatte. In den Augen dieses Mannes hatte er Frieden ihm Kämpfen und Frieden im blutigen Sterben erkannt. Es hatte in Charles wahre Abscheu hervorgerufen. Ein Mann ohne Ehrgefühl und Selbstachtung war Abschaum.
„Er hat seinen Blutrausch über sein Leben gestellt, dessen wurden wir alle Zeugen. Ich habe ihn nicht töten wollen. Allerdings mache ich meinem Freund keinen Vorwurf. Er tat nur seine Pflicht, indem er das Blutbad verhindert hat, dass Mr. O’Sullivan anzurichten gedachte. Ihnen kann wohl kaum entgangen sein, dass unser irischer Soldat“, er sprach das Wort voller Verachtung aus, weil der O’Sullivan nicht als einen solchen ansah, „wollte, dass es so endet. Sonst hätte er, als wir ihn in Schach hatten, aufgegeben.“
Charles hatte seine Rede immer noch nicht beendet. Er gab noch ein, zwei Dinge, die er loswerden wollte.
„Was für eine Art Mann er war, ist uns allen nun klar. Was für eine Art Mann ich bin, kann ich Ihnen sagen: Ich schätze unser Rechtssystem.“
Dies mochte für Dr. Tremaine überraschend sein, aber Charles meinte es vollkommen ernst.
„Es ist nicht so, dass ich der Ansicht bin, über ihm zu stehen“, erklärte er es, damit keine Verständnisprobleme aufkamen.
„Und Verzeihung, dass ich deswegen die Ansicht vertrete, dass ein Mordversuch ein Mordversuch bleibt. Wer einem Mann feige in den Rücken schießt, verdient eine Bestrafung. Selbstjustiz ist hierzulande aus guten Gründen nicht gestattet. Auch wenn nicht ich, sondern Arthur getroffen wurde. Das macht es sogar noch schlimmer. Sie hätten fast einen Unschuldigen ermordet. Und das alles nur für ein wenig Geld.“
Charles schüttelte an dieser Stelle zwar nicht den Kopf, aber an seinem Tonfall wurde seine mangelnde Akzeptanz für einen solch primitiven Grund durchaus deutlich.
„Man hat immer eine Wahl, Dr. Tremaine“, klärte Charles diesen auf. Dieses Gesprächsthema mochte er eigentlich. Er diskutierte und philosophierte gern über Kontroversen. Allerdings war Charles nicht in der passenden Laune, um es in diesem Moment zu genießen.
„Die Wahl, in eine Menschengruppe zu feuern, um mit Glück mich zu erwischen, war sicherlich keine gute“, urteilte er.
„Selbst wenn das Risiko, jemanden anderen zu treffen, nicht gegeben gewesen wäre, wäre es keine gute Wahl gewesen. Und das sage ich nun nicht, weil ich das Opfer gewesen wäre. Mord ist Mord. Mr. Raker und sein dümmlicher Freund haben ihre Wahl, den ehrbaren oder den krummen Weg einzuschreiten, bereits getroffen, ohne dass die Justiz ihren Beitrag dazu geleistet hätte.“
Nein, er war immer noch nicht fertig. Mit Tremaine selbst hatte er noch ein Hühnchen zu rupfen.
„Zusammenfassend sind gleichermaßen taktlos, wie heuchlerisch, Dr. Tremaine“, wurde er nun direkt.
„Von Ihnen muss ich mir nicht anhören, keine Skrupel zu besitzen. Sich hier als Menschenfreund aufzublasen, ist angesichts des Umstands, dass Sie der einzige Mörder hier im Raum sind, äußerst selbstgerecht, finden Sie nicht auch? Bisher habe ich Ihnen dies nicht zum Vorwurf gemacht, allerdings zweifle ich nun ernsthaft an Ihrem Ehrgefühl, wenn Sie es für gerechtfertigt halten, gegen eine Frau die Hand zu erheben. Das ist unentschuldbar, aus welchem Grund auch immer. Dass Mrs. Thomson versucht hat, sich selbst zu befreien, ist wohl kein Grund für einen Vorwurf. Wer hätte das an ihrer Stelle nicht versucht? Nicht, dass ich die Entwicklung der Geschehnisse gutheißen würde, zu denen sie maßgeblich beigetragen hat, das will ich nicht leugnen, aber schlussendlich ist alles so gekommen, wie es gekommen ist, und ist auch nicht mehr rückgängig zu machen.“
Ja, in der Tat: Charles war genervt.
„Wenn Sie mir nun erlauben, in Ruhe meine Mahlzeit zu beenden, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Während Sie in Gedanken schon bei vergnüglichen Sportveranstaltungen sind und sich Ihr Urteilsvermögen mit Alkohol betäuben, habe ich gewiss andere Sorgen. Neben gewissen Bildern, die mir nicht aus dem Kopf gehen wollen, wie zum Beispiel, Mr. O’Sullivan, der direkt vor mir erschossen wurde – oh, sehen Sie nur, sein Blut klebt ja immer noch an mir!“, blaffte Charles grimmig und zupfte am Kragen seines rot besprenkelten Hemdes, „plane ich sinnvolle Dinge – wie, zum Beispiel, diese vermaledeite Stadt endlich hinter uns zu lassen. Aber keine Bange, Zeit für den Boxkampf wird gewiss vor unserem Aufbruch noch bleiben… Dafür ist die Dunkelheit der Nacht sicherlich besser geeignet als dieser wundervoll sonnige Märztag.“
Das sollte mit Absicht sarkastisch klingen. Es passte zu seiner Stimmung. Draußen regnete es inzwischen.
Bowen gluckste, nachdem er sich dem allen mit gezwungen ernstem Gesicht gelauscht hatte.
„Ihr Engländer seid wirklich unterhaltsam, das muss man euch lassen.“
Rosie betrachtete die Runde nur stirnrunzelnd, scheinbar in eigenen Gedanken und Deutungen des Gehörten versunken.
Ein lauter Pfiff drang durch die Küche, bevor Bowen nach Toby und der Flasche Absinth rief, wovon Melinda sich etwas gewünscht hatte.
Charles kommentierte das nicht. Seine Meinung interessierte sie ja ohnehin nicht, wie es ihm vorhin erst aufgefallen war. Wie hatte er so blind sein können? Geblendet von ihrer Schönheit, ihren freundlichen Worten, ihrem Lächeln, ihren Küssen…
Gefangen in Traurigkeit und Missmut, reizte ihn Dr. Tremaines unhaltbare Kritik, die unerwartet auf ihn einprasselte, mehr als er wollte.
„Da Sie offenbar möchten, dass ich mich für meine Entscheidungen rechtfertige“, erwiderte Charles kalt, als der Chirurg seine Selbstbeweihräucherung beendet hatte, „– was Sie auch anderweitig hätten formulieren können…“, kommentierte er die Art und Weise.
„Fein. Wissen Sie, ich bin mir der Verantwortung, die auf mir lastet, besser bewusst, als sie es sind“, wies er den Arzt zurecht.
„Mir hat es ebenfalls nicht gefallen, Mr. O’Sullivan überhaupt erst mitzunehmen, aber welch andere Wahl hätte ich gehabt?“, fragte er rhetorisch.
„Hätte ich ihn fortgeschickt, hätte er Ärger verursacht.“
Das war allzu offensichtlich.
„Er hätte uns alle gefährdet, einfach, weil er zu viel wusste.“
Charles hatte stark den Verdacht, dass Dr. Tremaine gedachte, ihn in der Runde zu demütigen, und das wollte er nicht auf sich sitzen lassen. Er hatte vor, das Thema von vorn anzugehen. Wenn er sich schon rechtfertigen sollte, was er eigentlich nicht wollte, aber nun tat, um die Sache aus der Welt zu schaffen, dann wollte er auf jede der Unterstellungen eingehen.
„Ich hätte ihn überhaupt nicht erst in mein Haus bringen dürfen, ich weiß, aber welch andere Wahl hätte ich gehabt?“
Rhetorik war wirklich seine Stärke, stellte er einmal wieder fest.
„Hätte ich seine Hilfe abgelehnt, hätte ich Arthurs Leben, das sowieso am seidenen Faden hing, riskiert. Das hätte ich nicht verantworten können.“
Die prekäre Lage hatte ihn zur Handlung gezwungen. Er war sich bewusst gewesen, dass fremde Hilfe anzunehmen, ein Risiko in sich geborgen hatte, aber die Entscheidung, O’Sullivan mit in die Angelegenheit hineinzuziehen, war immer noch besser gewesen, als Arthur sterben zu lassen.
„Ich bin allerdings auch nicht verantwortlich für Mr. O’Sullivans Taten“, stellte Charles klar.
„Ich wusste, dass wir ihn loswerden mussten“, erklärte er unwirsch. Das war offensichtlich gewesen.
„Ich brauchte nur eine passende Gelegenheit dafür. Damit meine ich nicht seinen Tod.“
Dass er das überhaupt betonen musste!
„Ich habe auf eine Gelegenheit gewartet, ihn irgendwie abzulenken und mich zu heimlich distanzieren, ohne ihm eine Spur zu hinterlassen, die ihn zu uns führen könnte.“
Charles merkte, dass ihn das Thema noch mehr aufwühlte, als er es schon zuvor gewesen war. Was erwartete Dr. Tremaine eigentlich? Dass das Ableben eines Menschen spurlos an Charles vorbeiging? Es hatte ihn mitgenommen. Mehr als er offen zugeben wollte. In der Lagerhalle hatte er sich kurz vergessen, als er zum sterbenden Iren gesprochen hatte.
„Ich wollte nicht, dass er stirbt. Ich war es nicht, der Mr. O’Sullivan erschossen hat, und ich hätte auch nicht unbedingt auf sein Herz gezielt, um ihn aufzuhalten, aber ich war, wie Sie scheinbar vergessen haben, in diesem Moment damit beschäftigt, ihn davon abzuhalten, Miss Bolt abzustechen!“
Charles blickte Dr. Tremaine finster entgegen.
„Soll ich mich nun dafür bei Ihnen entschuldigen?“, knurrte er. „Sie haben rein gar nichts getan – außer zu schreien. Sie haben den Mann gereizt. Ihn beleidigt.“
Dieser Heuchler brauchte nicht erwarten, dass Charles das im Eifer des Gefechts überhört hatte, oder sich nun nicht mehr daran erinnerte, was genau geschehen war.
„Sie, wohlgemerkt – und hierbei können Sie sich nicht durch wilde Behauptungen aus der Affäre ziehen – haben mit einem Revolver in der Hand zugesehen, anstatt ihn auf eine Ihnen angemessene Art und Weise aufzuhalten. Und jetzt erzählen Sie mir nicht noch einmal, dass unschuldig daran sind, wie die Situation ausgegangen ist.“
Das wäre ein gutes, starkes Schlusswort gewesen… wenn Charles schon alles gesagt hätte, was er hätte sagen wollen.
„Mr. O’Sullivan war außer Rand und Band. Er wollte erschossen werden, das haben wir alle mit eigenen Augen gesehen. Er war ein Feigling, ein Trinker, ein Taugenichts… und das wusste er. Er wollte selbst, dass sein erbärmliches Leben so endet. Er hatte sich von der ganzen Unternehmung versprochen, wieder Krieg zu spielen. Er war gefährlich… gefährlicher als ich geahnt hätte.“
Diese Fehleinschätzung gab Charles zu. Er hatte die psychische Verfassung O’Sullivans unterschätzt. Doch wie er vom Krieg geredet hatte, wie er sich verhalten hatte… Charles hatte nicht ohne Grund die Fassung verloren, als der Ire schließlich im eigenen Blut vor ihm gelegen hatte. In den Augen dieses Mannes hatte er Frieden ihm Kämpfen und Frieden im blutigen Sterben erkannt. Es hatte in Charles wahre Abscheu hervorgerufen. Ein Mann ohne Ehrgefühl und Selbstachtung war Abschaum.
„Er hat seinen Blutrausch über sein Leben gestellt, dessen wurden wir alle Zeugen. Ich habe ihn nicht töten wollen. Allerdings mache ich meinem Freund keinen Vorwurf. Er tat nur seine Pflicht, indem er das Blutbad verhindert hat, dass Mr. O’Sullivan anzurichten gedachte. Ihnen kann wohl kaum entgangen sein, dass unser irischer Soldat“, er sprach das Wort voller Verachtung aus, weil der O’Sullivan nicht als einen solchen ansah, „wollte, dass es so endet. Sonst hätte er, als wir ihn in Schach hatten, aufgegeben.“
Charles hatte seine Rede immer noch nicht beendet. Er gab noch ein, zwei Dinge, die er loswerden wollte.
„Was für eine Art Mann er war, ist uns allen nun klar. Was für eine Art Mann ich bin, kann ich Ihnen sagen: Ich schätze unser Rechtssystem.“
Dies mochte für Dr. Tremaine überraschend sein, aber Charles meinte es vollkommen ernst.
„Es ist nicht so, dass ich der Ansicht bin, über ihm zu stehen“, erklärte er es, damit keine Verständnisprobleme aufkamen.
„Und Verzeihung, dass ich deswegen die Ansicht vertrete, dass ein Mordversuch ein Mordversuch bleibt. Wer einem Mann feige in den Rücken schießt, verdient eine Bestrafung. Selbstjustiz ist hierzulande aus guten Gründen nicht gestattet. Auch wenn nicht ich, sondern Arthur getroffen wurde. Das macht es sogar noch schlimmer. Sie hätten fast einen Unschuldigen ermordet. Und das alles nur für ein wenig Geld.“
Charles schüttelte an dieser Stelle zwar nicht den Kopf, aber an seinem Tonfall wurde seine mangelnde Akzeptanz für einen solch primitiven Grund durchaus deutlich.
„Man hat immer eine Wahl, Dr. Tremaine“, klärte Charles diesen auf. Dieses Gesprächsthema mochte er eigentlich. Er diskutierte und philosophierte gern über Kontroversen. Allerdings war Charles nicht in der passenden Laune, um es in diesem Moment zu genießen.
„Die Wahl, in eine Menschengruppe zu feuern, um mit Glück mich zu erwischen, war sicherlich keine gute“, urteilte er.
„Selbst wenn das Risiko, jemanden anderen zu treffen, nicht gegeben gewesen wäre, wäre es keine gute Wahl gewesen. Und das sage ich nun nicht, weil ich das Opfer gewesen wäre. Mord ist Mord. Mr. Raker und sein dümmlicher Freund haben ihre Wahl, den ehrbaren oder den krummen Weg einzuschreiten, bereits getroffen, ohne dass die Justiz ihren Beitrag dazu geleistet hätte.“
Nein, er war immer noch nicht fertig. Mit Tremaine selbst hatte er noch ein Hühnchen zu rupfen.
„Zusammenfassend sind gleichermaßen taktlos, wie heuchlerisch, Dr. Tremaine“, wurde er nun direkt.
„Von Ihnen muss ich mir nicht anhören, keine Skrupel zu besitzen. Sich hier als Menschenfreund aufzublasen, ist angesichts des Umstands, dass Sie der einzige Mörder hier im Raum sind, äußerst selbstgerecht, finden Sie nicht auch? Bisher habe ich Ihnen dies nicht zum Vorwurf gemacht, allerdings zweifle ich nun ernsthaft an Ihrem Ehrgefühl, wenn Sie es für gerechtfertigt halten, gegen eine Frau die Hand zu erheben. Das ist unentschuldbar, aus welchem Grund auch immer. Dass Mrs. Thomson versucht hat, sich selbst zu befreien, ist wohl kein Grund für einen Vorwurf. Wer hätte das an ihrer Stelle nicht versucht? Nicht, dass ich die Entwicklung der Geschehnisse gutheißen würde, zu denen sie maßgeblich beigetragen hat, das will ich nicht leugnen, aber schlussendlich ist alles so gekommen, wie es gekommen ist, und ist auch nicht mehr rückgängig zu machen.“
Ja, in der Tat: Charles war genervt.
„Wenn Sie mir nun erlauben, in Ruhe meine Mahlzeit zu beenden, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Während Sie in Gedanken schon bei vergnüglichen Sportveranstaltungen sind und sich Ihr Urteilsvermögen mit Alkohol betäuben, habe ich gewiss andere Sorgen. Neben gewissen Bildern, die mir nicht aus dem Kopf gehen wollen, wie zum Beispiel, Mr. O’Sullivan, der direkt vor mir erschossen wurde – oh, sehen Sie nur, sein Blut klebt ja immer noch an mir!“, blaffte Charles grimmig und zupfte am Kragen seines rot besprenkelten Hemdes, „plane ich sinnvolle Dinge – wie, zum Beispiel, diese vermaledeite Stadt endlich hinter uns zu lassen. Aber keine Bange, Zeit für den Boxkampf wird gewiss vor unserem Aufbruch noch bleiben… Dafür ist die Dunkelheit der Nacht sicherlich besser geeignet als dieser wundervoll sonnige Märztag.“
Das sollte mit Absicht sarkastisch klingen. Es passte zu seiner Stimmung. Draußen regnete es inzwischen.
Bowen gluckste, nachdem er sich dem allen mit gezwungen ernstem Gesicht gelauscht hatte.
„Ihr Engländer seid wirklich unterhaltsam, das muss man euch lassen.“
Rosie betrachtete die Runde nur stirnrunzelnd, scheinbar in eigenen Gedanken und Deutungen des Gehörten versunken.
Umbra- Tiefseemonster
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Wohnort : NRW
Laune : voll motiviert
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