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Götterblut - Kapitel 3: Scarface

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Götterblut - Kapitel 3: Scarface - Seite 4 Empty Re: Götterblut - Kapitel 3: Scarface

Beitrag von Druzil Mi Okt 30 2013, 20:36

Alan kippte den Schnaps runter und das ihm bekannte, wohlige Gefühl von Wärme füllte seine Kehle.
"Na, nicht schlecht. Scheint ein lohnendes Geschäft zu sein, wenn auch nicht ungefährlich.", erwiderte er auf Melindas Erklärung.
"Immerhin sind Sie ehrlich. Im Gegensatz zu unserem Anführergockel."
Er wusste, dass das folgende wie ein verzweifelter, letzter Überzeugungsversuch klingen würde. Vielleicht war es das auch.
"Immerhin wissen wir jetzt, dass er ein ehemaliger Polizist ist, der aus irgendeinem Grund hinterrücks Menschen ermordet. Sehr beruhigend, nicht wahr? Vermutlich hat Hill ihm den Posten bei den Tingloves weggeschnappt. Ja, so wirds gewesen sein! Denken Sie doch mal drüber nach. Nur einmal! Warum der Groll gegen den Polizeichef? Von einem ehemaligen Polizisten? Na? Na? Es liegt doch auf der Hand, verdammt. Norly wollte selber der große Boss im Revier sein, aber Hill hat sich durchgesetzt und jetzt ... was weiß ich, rächt sich Norly an Hills Gönnern. Seinen Fürsprechern. Mal ehrlich, wo ist denn die groß beschworene Revolution? Das ist doch alles Blödsinn, reiner Unfug. Norly fühlt sich übergangen. Weil er nicht der Bullenchef geworden ist. Ich fasse es nicht! Und dafür sollen wir unseren Kopf hinhalten?"
Er war wieder dabei sich in Rage zu reden.
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Götterblut - Kapitel 3: Scarface - Seite 4 Empty Re: Götterblut - Kapitel 3: Scarface

Beitrag von Elli Sa Nov 02 2013, 13:25

Momentan lief alles nach Plan. Alan tat das was sie gehofft hatte, was er tun würde. Sie mochte es wenn Menschen, zumindest in einem gewissen Grad berechenbar waren, denn das machte es für sie als berechnenden Menschen einfacher, diese zu manipulieren. Auch wenn es hier bei um nichts ging, außer um die Möglichkeit den Störenfried von gestern Nacht zu ärgern. Ihm würde nichts passieren – zumindest nichts Körperliches. Er blieb Melinda vermutlich gegenüber skeptisch, doch ob er dem Laudanum widerstehen können würde? Sie setzte auf ihre mehr oder minder brauchbare Menschenkenntnis und antwortet sich selbst mit Nein.
Da Charles und sein herzallerliebstes Töchterlein für ein Gespräch verschwunden waren – und Melinda der Umstand nicht entgangen, dass Norly für einen längeren Monolog immer zu haben war – hatte sie alle Zeit der Welt. Randolph machte nicht den Eindruck als hätte er etwas gegen das Saufgelage einzuwenden, schließlich hatte er selbst zum Glas gegriffen.
Sie füllte das zum Teil geleerte Glas von Stirling mit Wein wieder auf ging zur Spüle um Schnaps nachzufüllen. Sie spülte die Gläser aus, bevor sie nachschenkte, immerhin brauchte sie nur Wasser in ihrem Glas.
Erst dann setzte sie zu einer Antwort an. „Warum sollte ich sie belügen? Die meisten Menschen Londons sehen mich als den Abschaum der Gesellschaft an, aber da gibt es weit Schlimmeres als mich. Ungefährlich ist es sicher nicht. Aber welcher Job ist das schon? Sieht man sich nur das brave Hausmädchen Johanna an. An einem Tag ist die größte Sorge, wie man die Spinnweben aus einer unerreichbaren Ecke herausbekommt und am nächsten läuft man mit dem meistgesuchtesten Mann von London, wenn nicht vom ganzen Königreich, herum.“ Sie unterstrich ihre Aussage mit einem Schulterzucken, bisher hatte sie immer überlebt. Selbst Leeland, auch wenn sie das alleine geschafft hatte.
Hättest du aber, wenn man dich nur gelassen hätte!
Nun wartet sie einen Augenblick und nippte am Wein.
“Eine interessante Theorie Alan. Das würde auch erklären weshalb Charles so überaus gut mit Waffen umgehen kann. Deine Leistung im Herrenhaus war da ja eher mittelprächtig. Doch was an Waffenkunst fehlt, scheinst du mit Bravour geistig auszugleichen. Das muss es sein Alan. Das ist die einzig logische Erklärung!“ Sie stimmte ihm voller Inbrunst und langsam aber kräftig nickend zu.
Polizeichef. Norly. Was ein Blödsinn. Robert hätte davon gewusst. Absoluter Blödsinn. Aaaaabsoooolut!
Sie musste ihm schmeicheln, immerhin sollte er weiter trinken. Da er im Moment schon fast nett war, machte es ihr ein wenig schwierig an ihrem Plan festzuhalten. Andererseits hatte er ihr Vorhaben gestern Abend zu Nichte gemacht und zu allem Überfluss hatte das brave, brave Töchterlein natürlich nichts Besseres zu tun gehabt, als es ihm gleich zu tun. Die Wut die sie bei diesem Gedanken wieder in sich hoch kochen spürte, machte es ihr gleich leichter, das Schnapsglas erneut zu heben. Erst Alan. Dann Johanna.
Jawohl! Die haben sich mit der falschen Hure angelegt, was?“
“Am einfachsten ist es jemanden zu Fall zu bringen, dessen Vertrauen man sich erschlichen hat. Wenn Norly der Big Boss sein will, lassen wir ihm den Spaß. Jemand der auf dem Gipfel steht, fällt leichter, als jemand der noch am Aufstieg ist. Verstehst du was ich meine?“
Sie führte ihr Glas an die Lippen und trank das Wasser aus.
Mit einem lauten Seufzer der Zufriedenheit, stellte sie das Glas laut knallend auf den Tisch.
“Es ist Zeit für einen Plan. Die besten Ideen habe ich ja immer, wenn ich völlig entspannt bin.“
Zügig nestelte sie an ihrem Kleid herum, bis sie die Flasche mit Laudanum hervorzog.
“Gegen deine Schmerzen ist es auch hervorragend Randy. Ich mische uns schnell etwas zusammen.“
Sie lächelte Alan mit aller Kraft an und zog keck die Augenbraue nach oben. “Oder kein Interesse?“
Trink Brüderlein, trink!
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Götterblut - Kapitel 3: Scarface - Seite 4 Empty Re: Götterblut - Kapitel 3: Scarface

Beitrag von Darnamur Mo Nov 04 2013, 20:12

Randolph trank seinen Wein aus und fühlte sich schon ein wenig besser. Als Alan nach Melindas Preis fragte konnte er nur schnauben. Idiot. Melinda schien das Ganze gelassen zu sehen und brachte ein paar "schwerere Geschütze" in Umlauf. Randolph war jedoch schon immer ein aufmerksamer Beobachter gewesen und auch, wenn sie es zu verbergen suchte wurde ihm klar, dass Melinda etwas vorhatte. Alans Geschichte war absoluter Schwachsinn. Wenn Melinda dem zustimmte, dann nur um sich den Säufer gewogen zu machen. Dies wollte sie wohl auch mit dem Schnaps und dem Laudanum bezwecken. Randolph würde sich mit dem Trinken ein wenig zurückhalten, auch wenn es ihm reizvoll erschien. Aber er wollte natürlich auf keinen Fall etwas Wichtiges verpassen.
"Ich bin erst einmal bedient. Momentan scheint mir der Alkohol ausreichend genug, um meine Schmerzen auf ein erträgliches Maß zu lindern. Eine durchaus interessante Theorie Alan...Charles als ehemaliger Polizist soso. Das klingt in der Tat bedenklich. Was genau...gedenkst du also zu tun?"
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Beitrag von Umbra Mo Nov 04 2013, 22:49

Charles hatte mit Bedacht den Sessel Johanna gegenüber gewählt, denn wie es die Höflichkeit verlangte, sah er Gesprächspartnern am liebsten ins Gesicht, während er ihnen zuhörte oder selbst redete. Etikette war an dieser Stelle meist jedoch weniger ausschlaggebend als die Tatsache, dass die Mimik mehr verriet als Inhalt von Worten und die Stimme allein. Die Mimik, die Körpersprache und – vor allen Dingen – die Augen. Charles hatte bereits zuvor bemerkt, dass Johanna sich nicht sonderlich geschickt darin anstellte, ihre Gefühle zu verbergen, obwohl er bei ihr nicht weniger oder mehr darauf achtete als dass er es bei jedem anderen tun würde.
Johanna aber wich seinem Blick aus. Sie fühlte sich unwohl in seiner Gegenwart und was auch immer der Grund dafür sein mochte: Er konnte nicht sagen, dass ihm das behagte. Charles redete jedoch unbeirrt weiter, während er sie dabei beobachtete, wie sie seinen Worten lauschte. Der Anblick, der sich ihm bot, zeugte einmal von Neutralität, dann von Unsicherheit, gefolgt von Ablehnung und Unbehaglichkeit, und zum Ende hin wieder Anspannung, Wut und Abscheu, als er sie darum bat, Zeit mit ihr verbringen zu und sie kennlernen zu dürfen. Kein einziges Zeichen der Zuneigung, kein einziges Lächeln. Dass Johanna sich so unbarmherzig gegenüber ihm, ihrem eigenen Vater, zeigte, obwohl er sich ihr geöffnet hatte, war für ihn schwer zu verdauen. In diesem Moment war es sogar gar nicht verdaubar; es steckte in seiner Kehle fest und drohte ihn zu ersticken. Als Johanna dann, ohne ein Wort zu erwidern, aufstand und sich abwandte – Charles dachte schon, das sei ihre Antwort –, sank er, noch niedergeschlagener und trauriger als er es zuvor gewesen war, in seinem Sessel zusammen. Unerwartet begann sie aber dann doch zu sprechen. Und sie lächelte, als Charles den auf seine Knie gesunkenen Blick wieder hob. Offenbar hatte er sie nicht damit verärgert, angedeutet zu haben, dass sie sich vielleicht nur wegen der Aussicht auf ein Erbe entschieden habe, bei ihm zu bleiben. Sie redete von Alan (ausgerechnet Alan!), von der Instandsetzung dieses Zimmers – oder des ganzen Gebäudes, das war nicht eindeutig –, von Moby Dick, dem Buch, in dem sie blätterte…
Er fühlte sich nicht ernst genommen. Selbstverständlich war ihm nicht entgangen, dass sie kein bisschen auf ihn und sein Anliegen einging. Sie hatte einfach das Thema, ein ihm so wichtiges Thema gewechselt, und faselte belangloses Zeug daher. Sie redete mit ihm wie mit einem Kind, dem sie Vernunft beibringen wollte. Und was sie sagte, klang so als sei sie gedanklich weit weg.
Charles beantwortete Johannas Fragen nicht. In Stille und ins staubige Polster des Sessels versunken, sah er sie an und schwieg, und suchte Halt an den Armlehnen. Ja, vermutlich war die Situation für alle kompliziert, wahrscheinlich auch für Alan; aber dieser Trunkenbold war Charles heute eher lästig als unterhaltsam. Ja, auch Charles fand, dass man im Leben etwas verpasste, wenn man nicht las; sein Herz trauerte seinen in Manchester befindlichen Büchern sehr nach. Ja, Charles kannte Moby Dick, eine Geschichte von Schicksal, Brüderlichkeit, aber auch Hass und Rache. Nein, er wusste nicht, ob Melinda lesen konnte oder nicht; beides war möglich, er hatte nie darüber nachgedacht. David war ebenfalls in diesem Heim aufgewachsen und hatte es nicht gekonnt, als Charles ihn aufgenommen (und das geändert) hatte, aber das ließ nicht unbedingt Rückschlüsse auf Melindas Fähigkeiten zu. Und ja; ja, er mochte Melinda sehr.
Weinte Johanna etwa? Es sah ganz danach aus. Charles hörte sich die weiteren Worte, die folgten, weiterhin schweigsam und mit undeutbarer Miene an. Auch nachdem sie ihre Tränen getrocknet und sich wieder gesetzt hatte, ließ er die betretene Stille andauern, bevor er hörbar durch die Nase ein- und ausatmete – es glich beinahe einem Seufzen – und schließlich antwortete.
„Ich danke dir für deine Glückwünsche und deine Erlaubnis, ein Privatleben haben zu dürfen“, sagte er bedächtig, aber sehr trocken.
Doch dann folgte: „Nichts ist in Ordnung. Ich habe dich enttäuscht, Johanna, doch da ich mein Bestes gegeben habe, bedeutet das, dass ich dich nicht zufriedenstellen kann. Ich weiß jedoch nicht, was du erwartet hast. So leid es mir tut, Johanna, ich kann nicht zu Sofia zurückkehren“, stellte er klar. Sie wünschte sich von ihm, dass er ihr eine glückliche Familie bot, doch das konnte er nicht. Er konnte ihr nur ein Vater sein – wenn sie es denn zuließ. Dennoch wollte er das für sie verständlicher machen.
„Wir haben uns zwanzig Jahre lang nicht gesehen und was ich ihr unwissentlich angetan habe, wird sie mir nicht verzeihen. Sie hasst mich wahrscheinlich dafür, dass ich euch beide eurem Schicksal überlassen habe, und auch dafür, dass du dich nun bei mir befindest, während sie vermutlich wie alle anderen denkt, ich hätte dich geschändet, ausgeweidet und in einem Hinterhof verenden lassen oder in der Themse versenkt. Und ich… Ich habe sie nie geliebt, so grausam es auch klingen mag. Damals war ich leichtsinnig. Ich war zu jung und hatte kein eigenes Geld. Nicht viel, zumindest. Als ich erkannte, dass sie sich mehr von mir erhoffte als eine Liebschaft, musste ich sie verlassen. Ihr war überzeugt, sie würde einen Mann finden, der ihrer würdig war, der sie von ganzem Herzen liebte, sie versorgen könne und sie glücklich machen würde. Ich sah keine Möglichkeit, dieser Mann zu werden. Ich war dreiundzwanzig, hatte kein festes Einkommen, kein Haus, nicht einmal eine eigene Wohnung.  Und mein Vater… Mein Vater hätte nie gebilligt, dass ich Sofia geheiratet hätte. Er war ein äußerst strenger Mensch, und von ihm war ich abhängig, weil ich für ihn gearbeitet habe. Er hatte Visionen von Macht und Vermögen und darin feste Pläne für mich. Hätte ich mich davon losgesagt, hätte ich meine Existenz verloren, Johanna. Ich wollte Sofia nicht unglücklich machen, also dachte ich mir, dass ein kurzer Schmerz der Trennung besser sei als ein Leben lang an der Seite eines Mannes verbringen zu müssen, der ihr nicht bieten konnte, was sie sich erträumte. Es war die richtige Entscheidung, zumindest dachte ich das, und ich traf sie für sie. Hätte ich von dir gewusst, hätte ich von dir erfahren, vor oder nach deiner Geburt… Ich hätte zu dir gestanden, und zu Sofia. Ich hätte euch niemals im Stich gelassen. Ich hätte sie aller Widrigkeiten zum Trotz geheiratet und wäre dir ein guter Vater gewesen, bei meiner Ehre.“ Ihm wurde bewusst, dass er die neutrale Tonlage verlassen hatte und die Worte immer schneller aus ihm herausgesprudelt waren. Nach einer Pause, hatte er die Fassung wiedererlangt. Zumindest äußerlich.
„Doch für Beteuerungen ist es nun zu spät, nicht wahr? Es ist zu spät dafür und dafür, dir eine Familie bieten zu können. Ich werde für eine lange Liste von Verbrechen gesucht und lebe ein Leben, das ich dir nicht wünsche. Ich würde ein anderes leben und dir bieten, wonach es dir begehrt, wenn ich könnte. Ich kann nicht mehr geben als ich habe. Und dass du das abweist, was ich dir geben kann, verletzt mich sehr. Ja, ich mag Melinda sehr“, gab er dann zu. Es zu leugnen oder zu verschweigen wäre sinnlos gewesen, und er wollte ehrlich sein.
„Sie ist freundlich zu mir und hilfsbereit. Es ist lange her, dass jemand ehrliches Interesse an meinem Wohlergehen gezeigt hat, doch sie sorgt sich um mich und hat Mitgefühl. Sie hört mir zu. Sie hat keine Angst vor mir, obwohl sie Grund genug dazu hätte. Sie gibt mir das Gefühl, gebraucht zu werden. Du sagst mir, ich müsse mich nicht rechtfertigen, aber trotzdem redest du mir ins Gewissen, sodass ich mich dazu gezwungen sehe. Ich bin sehr einsam, Johanna“, äußerte er verbittert.
„Ich bin ein erbärmlicher, einsamer, alter Narr – wolltest du das von mir hören? Ich war ebenfalls naiv. Ich hatte mir erhofft, dass du mich so annimmst wie ich bin. So wie ich dich angenommen habe, trotzdem du mir in unserer gemeinsamen Zeit viel Kummer bereitet hast. Die Liebe, die Eltern für ihr Kind empfinden, ist unbedingt, sagt man. Und das stimmt. Es ist ein unglaubliches, überwältigendes Gefühl, es kam auf unerklärliche, plötzliche Weise über mich. Jedoch habe ich leider lernen müssen, dass es auch seine Schattenseiten hat. Ich bin nicht dein Besitz, Johanna. Ich habe eigene Gefühle und Bedürfnisse, die du bei deinen Überlegungen nicht zu beachten scheinst. Das empfinde ich als sehr verletzend und enttäuschend. Ich verstehe deine… Eifersucht nur begrenzt, denn das Leben ist ein Geben und Nehmen, weswegen du dich eigentlich nicht wundern solltest, dass ich auf negative Zuwendung auf Dauer nicht positiv reagieren kann. Doch glaube nicht, dass du mir nicht das Wichtigste bist. Gerade, weil du meine Tochter bist, ist dein Verhalten für mich befremdlich, und ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Verrate mir, was du nun von mir erwartest. Was kann ich für dich tun, um deinen Erwartungen zu entsprechen?“
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Götterblut - Kapitel 3: Scarface - Seite 4 Empty Re: Götterblut - Kapitel 3: Scarface

Beitrag von Druzil Do Nov 07 2013, 19:44

"Was ich zu tun gedenke?" Alan wandte sich dem Doc zu. "Ich habe keine Ahnung. Gar nichts vermutlich."
Nachdenklich nickte er Melinda zu, als diese der Runde etwas zur Beruhigung anbot. Ihr Versuch, ihn und seine geistigen Fähigkeiten lächerlich zu machen, etwas anderes konnte er sich nicht vorstellen, prallte an ihm ab. Sie war Norlys Betthäschen. Was sollte er anderes von ihr erwarten?
"Kennen Sie die Tingloves?", hakte er dennoch nach.
"Polizisten mit so mechanischen Handschuhen oder Aufsätzen für die Hände. Schneller, brutaler, besser. Und jetzt gucken Sie sich mal an, was Norly an der Hand trägt. Wo hat er das Ding her, oder sollte ich besser sagen, diesen Prototypen? So ein Gerät kostet zum einen ein Vermögen und zum anderen entwickelt das nicht einfach irgendein Schrauber. Das ist Präzisionsarbeit und zwar nicht seine. Wenn es sein Werk wäre, hätten wir noch mehr Tüftelein zu sehen bekommen. Entwürfe, andere mechanische Gerätschaften. Also, wo kommt es her, Melinda?"
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Beitrag von Elli Fr Nov 08 2013, 09:21

Zügig stand Melinda auf, nachdem Alan geendet hatte und zwinkerte dem Doc im Vorbeigehen zu. Mit einigen geübten Handgriffen bereitete sie eine solide Mischung des Laudanums vor.
Randolph mischte sie auch etwas zusammen, jedoch in einer wesentlich geringeren Konzentration als Alan. Sich selbst gab sie lediglich einen winzigen Anteil, immerhin musste der Schein gewahrt werden. In ihrem inneren brodelte gleichzeitig Wut und Aufgeregtheit – schließlich musste sie nun ihr hart erarbeitetes Opium teilen und darauf hoffen, dass die Mischung genug war, damit Alan einschlafen würde. Oder zumindest so high, dass ihr Plan durchführbar wäre.
Zum Verrückt werden! Wenn du das nicht schon wärst, immerhin wohne ich in deinem Kopf. Das ist so amüsant. Aber das ist doch wirklich tragisch dramatisch! Erst kannst du dir den Wein nicht gönnen, obwohl du ihn dir wirklich verdient hättest und nun noch das. Hach, das wäre so schön, etwas mehr Laudanum zu nehmen, nicht wahr? Keine Schmerzen, keine Verluste, keine Gedanken, selbst ich würde vielleicht mal Ruhe geben. Hach ist das nicht schön. Einfach nur Ruhe? Hmmm, aber daraus wird wohl heute nichts! So ein Ärger.
Randolphs Schmerzen, die er mit großer Sicherheit hatte, würden zwar gedämpft werden, aber von der Menge würde er nicht high werden und die Wände vor seinen Augen verlaufen sehen. Sie reichte jedem die Droge und nahm ihre angebliche Dosis schnell zu sich.
“Auf uns! Die Hand von Norly ist kein Aufsatz. Ihm fehlt seine komplette Hand. Allerdings stimmt das nicht ganz, ich bin tatsächlich in den Genuss gekommen weitere seiner Tüfteleien zu sehen. Seine Wohnung hier in London verfügt über eine komplexe Schließvorrichtung. Aber irgendwoher muss er die Inspiration ja haben. Ich denke das kann ich in Erfahrung bringen, bei Gelegenheit. Sehen, dass ist auch der Grund weshalb ich ihn bezirze, ich komme so viel einfacher an Informationen, welche ich eventuell gewillt bin zu teilen…"
Sie ließ ihre Stimme am Ende ein wenig langsamer werden und begann s-Laute verschleifen zu lassen. Den Eindruck zu erwecken, Drogen genommen zu haben, die bereits wirkten, hatten sie bereits in der Vergangenheit erfolgreich unter Beweis gestellt.
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Beitrag von Scáth Sa Nov 09 2013, 19:56

Johanna hatte sich eine andere Reaktion erhofft und musste mit Entsetzen feststellen das Charles ihre Worte komplett anders auffasste als sie gemeint waren. Wie konnte er ihr bloß jedes einzelne Wort so unverschämt und dreist im Mund umdrehen, jedes einzelne, durchdachte, ehrlich und nett gemeinte Wort?!
Eingebildeter Kauz.
Arroganter Wichtigtuer.
Johanna ließ sich ihre Wut nicht anmerken. Nein, es war eher Trauer die sich nach außen hin zeigte. Sie hatte ihren Blick schon am Ende seines ersten Satzes zu Boden gerichtet. Das sie seine Worte verletzten würde er wohl merken.
Charles schien geradezu um Aufmerksamkeit und Mitleid zu betteln. Sicher tat er Johanna leid. Ein Leben auf der Flucht, ganz alleine, ist alles andere als schön. Ihres hingegen war ein Traum im Vergleich.
Doch Charles verstand nicht. Er verstand nicht im geringsten, nein, er WOLLTE nicht verstehen. Er blieb stur bei seinen Gedanken, krallte sich daran fest und ließ nichts anderes als richtig zu. Johanna schüttelte leicht den Kopf. Nun war auch sie selbst enttäuscht. Und dennoch war es nur die Trauer die sich nach außen hin zeigte.
„Es ging mir nicht um meine Mutter, genauso wenig wie die Tatsache dass du in meiner Kindheit nicht anwesend warst. Ich glaube dir, dass du geblieben wärst, wenn du von mir gewusst hättest...“, begann Johanna und ließ eine Antwort auf seine ersten Worte bewusst aus. Nicht auf diese unverschämte Provokation einzugehen war wohl das schlauste was sie in diesem Moment tun konnte, denn hätte sie das nicht getan, wäre sie sicher aufgesprungen und hätte Charles für diese Worte ins Gesicht gespuckt. Sie sprach ruhig, sah Charles diesmal aber direkt in die Augen. Nicht wütend, nicht verärgert, traurig. Traurig darüber dass er ihre Worte so verdreht hatte. Traurig darüber dass er nicht mal versuchte sie zu verstehen und traurig darüber das er von ihr erwartete zu verzeihen und sich ihre Fehler einzugestehen, in sich selbst aber keinen einzigen sah, bis auf den in der Vergangenheit.  
„Du hast mir gesagt du möchtest Zeit mit mir verbringen, mich kennen lernen. Die Zeit die wir aber bislang hatten, zumindest die Freie, die hast du mit Melinda verbracht. Und auch wenn es wohl unverständlich ist, das verletzt mich. Ich bereue es wie ich mich verhalten habe. Es war schwachsinnig und falsch. Dein Privatleben geht mich nichts an. Mit wem du deine Zeit verbringst geht mich nichts an, ich weiß. Eigentlich geht mich wohl gar nichts hier etwas an. Ich weiß, ich habe einen Fehler gemacht und es tut mir leid. Es tut mir leid dass ich dich so im Dunkeln habe stehen lassen, ohne zu wissen was los ist. Es tut mir leid dass ich dich dadurch verletzt habe. Ich würde es rückgängig machen wenn ich es könnte, aber ich kann nicht...“, Johannas Stimme begann zu zittern. All diese Worte hatte sie ernst gemeint, sie entsprachen der Wahrheit und Johanna hoffte das Charles sie dieses mal auch so auffassen würde. Sie räusperte sich leise, damit ihre Stimme sich wieder fasste.
„Ich habe mich der Gruppe hier angeschlossen um meinen Vater kennen zu lernen. Und wenn ich ehrlich bin, ist das noch immer mein einziger Wunsch. Und ich hoffe das wir es irgendwie schaffen neu zu beginnen, dass ich dir beistehen kann in dieser schrecklichen Zeit und das nicht als Unbekannte, fast Fremde, sondern als Tochter..Das sind alles Dinge die ich nicht erwarten kann...ich erwarte nichts, Charles. Ich hoffe nur. Und zwar sehr...“
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Beitrag von Darnamur So Nov 10 2013, 17:01

Randolph war unzufrieden. Und das nicht nur, weil Alans Intelligenz, der eines Sack Kartoffeln glich und Melinda vollkommen ignorierte, was er gesagt hatte. Zwei Dinge waren klar: Alan versuchte sie mit abstrusen Theorien zu überzeugen, ohne selbst auch nur den geringsten Elan zu zeigen, während Melinda aus irgendeinem Grund den Spinner abfüllen wollte, damit sein ohnehin jeglichen Sinn entbehrendes Gefasel noch stumpfsinniger wurde. Und zum Zweiten das Randolph keinen Anlass sah, weiter hier zu bleiben und sich das mit anzuschauen. Seine Finger schlossen sich knackend um den glatten Griff seines Gehstocks, als er aufstand. "Entschuldigt mich bitte. Ich gehe ein wenig an die frische Luft. Macht euch keine Sorgen, Ich bleibe hier im Garten."
Begleitet vom Klacken seiner Gehhilfe, deren Stahlende fortwährend gegen den Boden pochte verließ er den Raum und schloss vorsichtig die Tür hinter sich. Von Charles und Johanna war keine Spur. Sie schienen sich in einen anderen Winkel des Waisenhauses zurückgezogen zu haben. Gedämpft, zu leise um verstanden zu werden vermeinte er ihre Stimmen zu hören. Er hätte sich gerne mit Norly über einige Dinge unterhalten, aber es war wohl kein günstiger Moment. Er hatte sicher einiges mit seiner Tochter zu bereden. Auch David konnte er nirgends entdecken. Mist. Er kämpfte sich durch Maybrick Manor zur Haustür hinaus und befand sich im Cat's Garden.

Die Bäume hier standen relativ dicht beieinander und dämpften das Sonnenlicht ein wenig. Der Anblick, der sich ihm bot wäre das Grauen eines jeden Gärtners. Die Natur hatte sich im Laufe der Jahre diesen Ort zurückgeholt. Hohes Gestrüpp wucherte überall. Er konnte allerlei Getier herumlaufen, -krabbeln und -schwirren sehen. Auch wenn er als Arzt der Ordnung sehr zugänglich war, musste er sich eingestehen, dass dieser Ort auf seine Art und Weise faszinierend war. Dieser Garten hatte das zivilisierte London überlebt. Ob hier noch immer so viele Katzen herumstreunten, wie Mel es ihm erzählt hatte? Auf den ersten Blick ließen sich keine erkennen.
Nachdenklich ließ er sich auf einem größeren, bemoosten Stein nieder. Dass er frische Luft schnappen wollte, war nicht der eigentliche Grund, warum er hinausgegangen war. Er musste überlegen. Die aktuelle Situation überdenken. Er zog sein Buch hervor und dachte an Edmure. Und an das Sprichtwort "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm", dass er über alle Maßen verabscheute. Der Doktor nahm sich einen Stift zur Hand und kritzelte "Scarface" in die Mitte der leeren Doppelseite und kreiste den Namen ein. Dann ergänzte er um das Wort herum Norly, Hill, Taylor und Mrs.Mauney, hinter den Namen der Witwe setzte er ein Kreuz.

Irgendwo musste die Lösung dieses Rätsels liegen, aber der Doktor wusste nicht genau, wo er anfangen sollte. Er begann die einzelnen Namen systematisch abzuarbeiten. Zunächst Norly: Er war der meistgesuchteste Mann Londons. Die Frage war nur: War er lediglich zum Sündenbock gemacht worden, um all die Morde zu gerechtfertigen? Ein Fehler im System? Oder handelte es sich wirklich um einen gezielter Angriff auf ihn. Sein Blick wanderte zu Hill hinüber. Der Mann, dem Norly die Schuld an der Angelegenheit gab. Doch hier glaubte Randolph, dass sich Charles irrte. Denn auch wenn Hill Norly so sehr hasste wie die Pest- es konnte nicht in seinem Sinne sein, wenn Dutzende von Menschen starben. Seine Achtung war bereits gesunken, vielleicht würde er nicht mehr lange Chief Comissionar des Yard bleiben. Alles deutete doch darauf hin, dass er die Situation nicht mehr unter Kontrolle hatte. Warum sonst hätte er wohl Drake zum Detective Chief Inspector ernannt. Den Mann musste eine gewisse Verzweiflung gepackt haben. Dadurch ergaben sich aber durchaus interessante Motive für "Scarface". Der Kampf der Streithähne Norly und Hill war vermutlich vielen bekannt. Eine perfekte Möglichkeit um beide aus dem Weg zu räumen. Wer würde Hill auf seinem Thron nachfolgen? Etwa Captain James Sorkin? Soweit er wusste hatte Hill früher dessen Posten als Commisionar of Greater London inne. Gegen die Theorie sprach aber, dass beide gute Freunde waren. Hier war er möglicherweise auf dem Holzweg.

Aber es gab noch eine Möglichkeit, warum jemand Hill aus dem Weg haben wollte. Jemand, der genau das vorhatte, was Norly gerade plante: Eine Revolution. Wenn Hill und seine Vertrauten abgesetzt werden und vielleicht ein unerfahrener Jungspund wie Drake in eine Führungsposition geriet, wer sollte dann noch für die Sicherheit in London sorgen? Noch dazu, wenn Norly gerade dabei war eine Revolution zu starten. Das könnte eine Möglichkeit sein.
Er ließ die Beiden erst einmal stehen.

Was war mit Taylor? Eine noch weitgehend unbekannte Figur. Er und Norly schienen ein etwas eigenes Verhältnis zu haben. Er scheute sich diesen aufzusuchen. Aus Misstrauen? Natürlich, er hatte auch gesagt, dass er den Doktor nicht gefährden wollte, aber wenn Taylor ihm diesen Brief schickte- dann schien die Sache wichtig und dringend zu sein. Außerdem hatte Norly es ihm verboten Taylor aufzusuchen. Er sagte auch, dass dieser nicht mit ihm sprechen wollen würde. Aber wie konnte er sich dessen so sicher sein? Die Briefe ohne Inhalt sprachen eine andere Sprache. Norly musste ihm misstrauen. Das war die einzige Möglichkeit, die sich für ihn im Moment auftat, doch es gab noch viel was er nicht wusste. Was verband die Beiden? In dieser Beziehung gab es noch viele Rätsel, die es zu lösen galt. Doch Norly war wohl nicht gewillt darüber zu sprechen. Vielleicht würde sich David als ergiebiger herausstellen. Wenn er wieder hier war, würde er sich mit dem Jungen ausführlicher über dieses Thema unterhalten.

Schließlich wanderte sein Blick zu Mrs.Mauney hinüber. Ihr Tod war nach wie vor ein Mysterium. Der Mörder hatte es geschafft sie zu töten, obwohl sie sich in einem abgeschlossenen Raum befand. Mit ihrer Schwester. Und das in einem sehr stark begrenzten Zeitraum. Wie konnte der Mörder zu ihnen gelangen. Er und Alan hatten sich auf dem Weg ins Obergeschoss geprügelt. Wenn jemand zu diesem Zeitpunkt an ihnen vorbei gewollt hätte, hätten sie es bemerkt. Oder nicht? Weil sie zusehr im Kampfrausch waren? Doch das konnte er sich nicht vorstellen. Er war ein Chirurg. Er glaubte nicht, dass man ihn so einfach hätte täuschen können. Auch das der Mörder danach kam war unwahrscheinlich. Sie selbst waren auf dem Weg zum Hinterausgang, während der Yard vom Vordereingang herbeieilte. Norly sah das als weitere Bestätigung dafür, dass der Yard an allem Schuld war. Doch selbst wenn in der Polizei von London Mörder waren, Thomas Davies Trupp war mit Sicherheit kein Mordkommando. Das würde ihn schon sehr wundern.
Das alles ließ nur den Schluss zu, dass der Mörder mit ihnen zu den Mauneys gekommen war und sich ins Haus geschlichen hatte, wahrscheinlich über den Hintereingang. Von dort gelangte er ins Obergeschoss, um ihr Gespräch zu belauschen, denn der Butler hatte sich nicht unmittelbar hinter der Tür befunden. Das wusste Randolph. Es hatte eine Zeit gedauert bis Paul zu ihnen gelangt war und die Situation schließlich eskaliert war. Der Mörder war bei ihnen. Als sich die Frauen verbarrikadierten war er im Obergeschoss. Und als die Polizei kam und sie beide flohen, hatte er sich der drei Personen entledigt. Hatte Drake etwas über die Art der Todesfälle gesagt? Er glaubte sich daran erinnern zu können, dass sie erschossen wurden. Wenn es jemand vom Yard gewesen wäre hätte man auf jeden Fall die Schüsse gehört und es wäre erwiesen gewesen, dass er und Alan nicht die Mörder waren.
Aber wie konnte diese Person, der Mörder gewusst haben, dass sie die Mauneys aufsuchen würden? Es wurde wohl kaum jede Familie und jeder Angehörige eines Ermordeten überwacht. Er hatte sie umgebracht, weil sie vermutlich zu viel wussten und die Polizei schon in der Nähe war. Vielleicht hätten sie diesesmal geplaudert. Ein zu hohes Risiko.

Es gab nur eine Möglichkeit. Man war ihnen die ganze Zeit gefolgt. Seit sie seine Praxis verlassen hatten. Er selbst hatte auf mögliche Verfolger geachtet. Aber es konnte ihm etwas entgehen, bei so vielen Menschen. Und außerdem war er wohl eine eher unwichtigere Person. Wenn Alan das Haus verließ, handelte es sich um einen Mitverschwörer Norlys. Und Alan hatte sicher nicht auf Verfolger geachtet. Weil er selbst Randolph hinterhergeschnüffelt hatte.
Mit einem Mal wurde es ihm mulmig und er blickte sich in dem Cat’s Garden um. Er konnte niemanden entdecken. Er würde auf David warten und ihn abfangen, wenn er zum Haus ging. Der Bursche konnte ihm eine große Hilfe sein. In vielerlei Hinsicht.
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Beitrag von Druzil Di Nov 12 2013, 20:47

Alan nahm den dargebotenen Stoff. Bald würden seinen Gedanken ein wenig Ruhe finden. Er freute sich darauf, besonders nach diesem aufwühlenden Tag.
"Ja, irgendwo muss die Inspiration herkommen. Vielleicht verfügt er über Skizzen und Pläne. Ich würde zu gerne welche sehen. Wissen Sie ..." Alan beugte sich vor. "Ich habe ihn in ein Notizbuch kritzeln sehen ..."
Er sah dem Doc hinterher, der ins Freie verschwand und grübelte über Norly, das Notizbuch und den sonderbaren Sinneswandel der Hure.
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Götterblut - Kapitel 3: Scarface - Seite 4 Empty Re: Götterblut - Kapitel 3: Scarface

Beitrag von Umbra Di Nov 12 2013, 23:26

Tatsächlich, wie es der Zufall so wollte, musste Randolph nicht lange darauf warten, dass David wieder auftauchte. Offenbar hatte sich der junge Mann einen unkonventionellen Weg zurück zum Herrenhaus ausgesucht, da er plötzlich zwischen den (für äußerst nützlichen Sichtschutz sorgenden) Bäumen hervortrat. Vielleicht war er andernorts über die Mauer geklettert, um auf das Grundstück zu gelangen, oder hatte irgendein Schlupfloch genutzt, das er noch aus seinen Kindertagen kannte, als dies hier noch ein Waisenheim gewesen war und er hier hatte leben müssen.
David trug statt Alltagskleidung und Schlapphut wieder seinen Anzug mit Krawatte, der unter seinem geöffneten Mantel hervorblitzte, und dazu einen Bowler. So hatte er am gestrigen Tag auch den Scotland Yard besucht, um Randolph abzuholen. Ignorierte man den Geruch nach Pferd, der an dem jungen Kutscher haftete, wäre auf der Straße sicherlich niemand auf die Idee gekommen, dass er sein Tagwerk normalerweise damit verrichtete, dass er Leute, die es sich leisten konnten, von A nach B brachte. Eher wirkte er wie einer solche Leute, die sich von A nach B bringen ließen. Dafür, dass man ihm einen aufstrebenden jungen Möchtegern-Gentleman aus der Mittelschicht abkaufte, reichte sein Aufzug allemal, obwohl es ihm für ein perfektes Äußeres gut zu Gesicht gestanden hätte, seinen dichten, sich kräuselnden Bart etwas zu stutzen und in Form zu bringen.
Offenbar war David zu Fuß ohne seine Kutsche unterwegs gewesen und mit zwei Gepäckstücken beladen zurückgekehrt. Sowohl den Koffer als auch die Arzttasche (wobei David sich letztere anscheinend vorübergehend unter den Arm geklemmt hatte, um eine Hand dafür frei zu haben, sich etwas gedankenverloren und ungeniert am Hals kratzen zu können) konnte Randolph auf den ersten Blick als sein persönliches Eigentum identifizieren.
Der Bursche wäre fast an ihm vorbeigelaufen, denn er entdeckte ihn ziemlich spät, doch als David bemerkte, beobachtet zu werden, unterband er seine Kratzerei sofort und begrüßte seinen Gegenüber mit einem fast schon schelmischen Grinsen, während er vor diesem stehen blieb.
„Hab'se gar nich' geseh'n, Doc“, brachte David ziemlich umgangssprachlich zum Ausdruck, obwohl Randolph besonders bei der Polizei bereits Zeuge geworden war, dass der junge Mann sich durchaus gewählt und wortgewandt ausdrücken konnte, wenn er es denn wollte.
„Aber hab' Ihnen was mitgebracht“, verkündete er dann, griff nach der Arzttasche, zog sie unter seiner Achsel hervor und hob sie zusammen mit dem Koffer in der anderen Hand verdeutlichend etwas an.
„Ich dacht' mir, dass'se Wechselkleidung und 'nen paar Ihrer Habseligkeiten gut gebrauchen könnt'n, und da ich sowieso in Ihrem Haus war, hab' ich einfach eingepackt, was ich finden und tragen konnte.“
Der Bursche zuckte leicht mit den Schultern und zeigte dann ein entschuldigendes Lächeln. Sicher, er hatte in Randolphs Schubladen und Schränken herumgewühlt, aber er hatte es nur gut gemeint.
Nun nutzte er die Gelegenheit, den Chirurgen über die übrigen Ereignisse, die stattgefunden hatten, zu informieren, denn – wie Randolph wusste – hatte David von Charles den Auftrag erhalten, anstelle des Doktors die Polizei in dessen Haus zu empfangen, die wegen des „Einbruchs“, den Johanna und David dem Yard gestern gemeldet hatten, einen Besuch angekündigt gehabt hatte:
„ 's is' mir gelungen, die Polizei abzuwimmeln, vorübergehend zumindest. Dieser Constable, den sie geschickt haben, war nich' begeistert davon, als ich ihm nahelegte, dass Sie gerade unpässlich sei'n. Aber er hat wohl eingeseh'n, dass'se voller Schmerzmittel und mehr schlafend als wach kaum in der Lage sein würden, Besuch zu empfangen und Fragen zu beantworten“, erzählte David, welche Ausrede für Randolphs Abwesenheit er dem Bobby aufgetischt hatte.
„So hat er sich mit mir begnügt. Da es dem Bobby nur um den Einbruch ging, den Miss Stead und ich gestern gemeldet haben, hat er auch nich' darauf bestanden, sich zu überzeugen, dass'se auch wirklich dort waren, wo ich sagte, Doc. Anders wird's aussehen, wenn man wegen der Mauney-Sache auf Sie zurückkommen will, fürcht' ich“, vermutete der junge Kutscher. Ohne jegliche Konsequenzen würde dieser Vorfall für Randolph nicht bleiben – zumindest, wenn es nach dem Yard ginge. Sicherlich würde die Polizei es nicht bei der einen bereits abgeschlossenen Befragung belassen wollen. Und da Drake den Chirurgen nur auf Kaution hatte gehen lassen, machte sich Randolph, genau genommen, allein damit äußerst verdächtig, dass er im Moment unauffindbar für die Behörden war. Vorausgesetzt, man würde merken, dass er sich abgesetzt hatte. Aber das würde man, früher oder später.
David hatte seinen Bericht allerdings noch nicht beendet:
„Ich hab' mir erlaubt, in Ihrer Praxis etwas aufzuräumen, nachdem der Bobby weg war, denn Stirling hat da ziemlich für Unordnung gesorgt. Die Glastür'n Ihres Arzneischranks sind hin. Und das Haustürschloss hab' ich provisorisch repariert, damit es wenigstens wieder schließt und nicht ganz Soho einlädt, reinzukommen und sich an Ihren Sachen zu bedienen. Aber immerhin hat uns die ganze Angelegenheit 'ne Ablenkung verschafft, um Sie aus dem Yard schaffen zu können, ohne uns selbst allzu verdächtig zu machen.“
Davids Blick wechselte kurz zu der Last in seinen Händen, bevor er weiterhin hilfsbereit anbot:
„Nun, ich bring' Ihnen die Sachen gern auf Ihr Zimmer, Doc. Wie Mr. Norly gesagt hat, können'se auch auf mich zurückkommen, wenn'se noch was benötigen sollten.“
Da dieses Thema abgehakt war, sollte Randolph aktuell nichts mehr beisteuern wollen, interessierte es ihn zu erfahren:
„Wissen'se zufällig, wo ich ihn finden kann?“ Da er im letzten Satz noch von Charles gesprochen hatte, meinte er höchstwahrscheinlich immer noch seinen Boss. Offenbar war der Bursche ziemlich eifrig bei der Sache.
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Beitrag von Elli Mi Nov 13 2013, 10:11

Ihr Weinglas an die Lippen führend blickte Melinda Randolph hinterher.
Es hatte sich wohl tatsächlich alles verändert, betrübt dachte sie darüber nach, dass sie ihn wohl auf eine gewisse Art und Weise verloren zu haben. Er war immer ein guter Freund gewesen und tatsächlich soetwas wie eine Vaterfigur, auch wenn sie ihm das nie gesagt hatte – es schien als wolle er beides nicht mehr sein.
Sie würde ihr Verhalten ihm gegenüber nicht ändern, sondern genauso weiter machen wie bisher. Hatte sie einmal einen Weg für sich gefunden, blieb sie meist auf Selbigem.
Sie konzentrierte sich jedoch schnell wieder auf Alan und hörte ihm aufmerksam zu, da ihr Blick und ihrer Sinneswahrnehmungen nicht vom Alkohol getrübt waren.
Doch den Versuch sie zu manipulieren nahm sie mehr als deutlich wahr – was sie aber auch sicherlich getan hätte, hätte sie den Wein zu sich genommen – das war schließlich etwas, was sie selbst gerne machte und auch recht gut beherrschte.
Ein Notizbuch…sie überlegte, aber erinnerte sich an andere Gegenstände die Charles bei sich trug.
“Nun, dieses Notizbuch…was wäre es einem Interessenten wohl wert?“
Sie spielte ein falsches Spiel mit ihm und wollte, das Alkohol und Drogen endlich ihr übriges taten und er einschlief, würde dies nicht passieren, würde sie das gespielt fröhliche Beisammensein, vielleicht abbrechen und sich etwas anderes überlegen müssen.
Andererseits war sie nun froh, zu wissen dass Alan das Buch wollte – das würde Charles sicherlich interessieren. Fraglich war nur, ob sie ihm es sagen würde, für Informationen war sie gewohnt einen Gegenwert zu erhalten, sie spielte mit der Laudanumflasche in ihrer Hand.
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Beitrag von Umbra Mi Nov 13 2013, 18:31

Charles wunderte sich zu hören, dass Johannas abweisendes bis feindseliges Verhalten nicht daher rührte, dass er mit seiner Vergangenheit mit Sofia größtenteils abgeschlossen hatte. Er hatte angenommen, dass Johanna es ihm übel nahm, dass er, nachdem er ihre Mutter im Stich gelassen und nun erfahren hatte, ein Kind gezeugt zu haben, vor den Augen dieses Kindes mit einer anderen Frau anbändelte, die zudem noch eine junge Prostituierte war. Das wäre in der Tat verständlich gewesen und auch für ihn nachvollziehbar, in gewissen Maßen schämte er sich selbst dafür, aber dass Johanna ihm offenbarte, einfach nur aus Eifersucht, weil sie aus ihrer Sicht nicht genügend Aufmerksamkeit bekam, verletzend und biestig gewesen zu sein, bestätigte ihm die von ihr vorhin selbst gemachte Aussage, dass sie wohl mehr Kind war als er ihr zugestand.
Es war sogar ziemlich kindisch, wie Charles empfand. Wie hätte Johanna darauf reagiert, wenn er eine Frau und Kinder gehabt hätte? Hätte sie versucht, diejenigen zu vergraulen, die erhalten hätten, was ihrer Mutter und ihr immer verwehrt geblieben war – einen Ehemann und Vater? Das hätte Charles ihr gewiss sehr übel genommen und genauso wenig konnte er gutheißen, dass sie Melinda schlecht behandelte. Er würde es nicht gutheißen. Wie gesagt, war er nicht Johannas Eigentum: Er war ein eigenständig denkender Mensch mit eigenständigem Willen und eigenständigen Bedürfnissen. Er würde sich nicht sagen lassen, mit wem er Zeit verbringen dürfte. Johannas Worte hörten sich so an als wolle sie seine Zeit für sich beanspruchen. Denn wenn es sie verletzte, dass er Melindas Gesellschaft schätzte, bedeutete das für ihn, dass Johanna ihn dazu bringen wollte, seine volle Aufmerksamkeit ihr zu schenken.
Denn sie wusste, dass er sie nicht verletzen wollte. Doch er wünschte sich auch nicht, mit ihr zu streiten, weswegen er diese Gedanken nicht zur Sprache brachte. Die Situation war ohnehin schon kompliziert genug. Er hatte Hunger. Und Johanna war aufgewühlt, das war nicht zu übersehen. Auch wenn Charles immer noch am Rande der Verzweiflung war und sich seine Niedergeschlagenheit nicht verflüchtigt hatte, ermutigte er sich zu einem nachsichtigen Lächeln.
„Wenn das so ist“, antwortete er Johanna in Bezug auf ihre Worte, „besteht kein Grund für Groll und böses Blut. Oder Tränen“, fügte Charles hinzu. Es schmerzte ihn, Johanna weinen zu sehen, auch wenn sie es inzwischen nicht mehr tat. Dennoch war es möglich, dass sie jederzeit wieder damit anfing, so wie sie zitterte.
„Dass ich mit Miss Bolt Zeit verbracht habe, bedeutet doch nicht, dass ich keine Zeit mit dir verbringen möchte“, versuchte er ihr sanft zu vermitteln.
„Ich habe es absolut ernst gemeint, dass ich mir wünsche, dich an meinem Leben teilhaben zu lassen und dir ein Vater zu sein. Dass du dir das von mir erhoffst, freut mich zu hören, denn dann sind wir uns einig. Sei etwas nachsichtig mit mir, sollte ich mich in dieser auch für mich neuen Rolle ungeschickt anstellen, aber du hast Annäherungsversuche meinerseits bisher abgewiesen, womit du mich, offen gesprochen, verunsichert hast.“
Eigene Schwäche zuzugeben, besonders, wenn es darum ging, sich in Bezug auf etwas geirrt zu haben, widersprach eigentlich seiner selbstsicheren und mitunter ziemlich stolzen Natur, doch in diesem Fall rang er sich dazu durch und schaffte es auch, in gleicher, gutmütiger Tonlage zu bleiben wie zuvor:
„Selbstverständlich ist es mir nicht entgangen, dass du Miss Bolts Anwesenheit in meiner Nähe nicht gutheißt, doch ich hätte nicht gedacht, dass dem so ist, weil du für dich persönlich eine Art Konkurrenz in ihr siehst. Es sei dir versichert, dass ich dich nicht ausschließen möchte.“
So war es ehrlich und zudem vorsichtig genug ausgedrückt, wie er fand. Mehrmals hatte Johanna ihm vorgeworfen, dass er scheinbar Melinda lieber kennenlernen wollte als seine eigene Tochter, doch das hatte er wahrlich eher darauf bezogen, dass Johanna ihn dafür tadelte, dass er sich Miss Bolts unsittlichem Betragen weniger abgeneigt zeigte als es anständig gewesen wäre. Wie ein pubertärer Junge war er, statt Melinda zu bitten, ihm gegenüber das Zurschaustellen ihrer Reize zu unterlassen, rot angelaufen und geflohen – zumindest beim ersten Mal. Auf den Alkohol konnte er es nicht mehr schieben, sich schlussendlich auf Melindas Annäherungen eingelassen und seinem eigenen Begehren nachgegeben zu haben. Und Johanna hatte ihm bereits wissen lassen, dass sie darüber durchaus im Bilde war. Es war wirklich kein Wunder, dass sie in ihm einen schlechten Vater sah. Das lag daran, dass er tatsächlich ein schlechter Vater war und zudem auch kein vorbildhafter Mensch.
„Ich vergebe dir. Bitte entschuldige mir im Gegenzug mein unschickliches Verhalten, das war alles andere als angemessen.“ Damit meinte er auch die Trinkerei.
„Ich gestehe, ich stehe in letzter Zeit etwas neben mir. Doch das geht vorbei, hoffe ich.“
Eigentlich war er in Stimmung, sich einen guten Whisky und eine Schachtel Zigarren zu besorgen und sich seinem Kummer hinzugeben, aber er hatte sich in den vergangenen Monaten wirklich zu oft gehen lassen. Er musste nun nüchtern bleiben, es war noch mitten am Tag. Ihm schwirrte zu viel im Kopf herum. Tod und Trauer, Wut und Rachegedanken. Ein unbekannter Feind, der mordete und mordete. Ein bekannter Feind, dem die Schuld daran zu geben war. Glück, das ihm nicht gegönnt war. Eine Familie, die er nie gehabt hatte. Alles unterlegt mit Melancholie.
Anscheinend wanderte Charles‘ Blick für einen Moment lang ins Leere, bevor er sich wieder fing.
„Ich möchte dich außerdem bitten, dass du versuchst, mit Miss Bolt auszukommen“, fuhr er fort.
„Sie ist ein gutherziger Mensch und hat in ihren jungen Jahren so viel Leid und Ungerechtigkeit miterlebt, dass es für mehrere Leben reicht. Ich habe das Bedürfnis, sie vor der Welt, die da draußen ist, zu beschützen“, gab er zu.
„Genauso, wie ich das Bedürfnis habe, dich zu beschützen. Deswegen bin ich ihr gestern Nacht gefolgt. Ich sah, wie sie sich davonstahl, und war nicht weniger besorgt als neugierig darauf, was sie wohl im Dunkeln und bei einem Unwetter draußen zu suchen hätte.“
Charles lächelte schwach. Er dachte an die Küsse, die Melinda und er im Regen ausgetauscht hatten, mit Donner im Hintergrund. Für einen Moment lang hatte er nicht gefroren.
„Du musst nicht neidisch sein. Ich habe nicht wenig zu tun, dennoch werde ich nach besten Kräften für dich da sein, wenn du mich brauchst.“
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Beitrag von Druzil Mi Nov 13 2013, 21:12

"Einem Interessenten?" Plötzlich schrillten Alans Alarmglocken. Zwar war es ein dumpfer Hall, wie in Watte gepackt, aber er nahm ihn dennoch wahr.
"Keine Ahnung, wer da Interesse hätte. Mich würde es interessieren. Seine Skizzen, seine Gedanken. Norly redet viel und sagt wenig. Eiert um den heißen Brei herum. Ich hoffe für Sie ..."
Ein herzliches Gähnen unterbrach ihn.
"Ähm, hoffe, im Bett geht er nicht gleichermaßen vor."
Irgendwie verlor Alan den Faden, hatte das Gefühl, dass alles gesagt war. Er dachte an Brei. Heiss und süß. Mit einer leichten Honignote. Vielleicht Früchte, als Haube darauf drapiert und geschlagene Milch. Er erinnerte sich an Mandelkuchen, den er ... mit 13 Jahren zum ersten Mal eine ganze Flasche Wein alleine getrunken ... ihr Name war ... Mary konnte er nie ausstehen ... weil es Lieder gab, die gut zu Nachspeisen passten ... Brei.
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Beitrag von Darnamur Mi Nov 13 2013, 21:31

"Ich denke, wir können auf die formelle Anrede verzichten- schließlich sitzen wir hier alle im selben Boot.“, meinte Randolph zwinkernd. “Was Norly angeht, so habe ich vorher im Haus seine Stimme gehört. Wo er aber genau ist... schwer zu sagen. Allerdings würde ich davon abraten ihn jetzt zu stören. Er führt gerade ein Gespräch mit seiner Tochter." Er steckte sein Notizbuch, dass er bei Davids Erscheinen zugeklappt hatte, zurück in seinen ausgeblichenen Mantel. “Ich hätte mich aber ohnehin gerne mit dir über das ein oder andere unterhalten. Jetzt wäre eigentlich guter Zeitpunkt, wenn das für dich in Ordnung ist?“

Jetzt kam es darauf an, wie Randolph sich anstellte. Faktisch war David ein freier Mann, aber er schien nach den bisherigen Eindrücken des Doktors schon sehr auf seinen „Boss“ fixiert zu sein. Er wollte den Jungen aber auch nicht voreilig zu Norlys Schoßhund deklarieren, schließlich kannte er ihn erst seit kurzem. Der junge Mr.Bell schien auf jeden Fall auf Draht zu sein. Dafür, dass er mit den Bobbies- mittlerweile zweimal- so einfach fertig geworden war, verdiente er sich Randolphs Respekt.
“Ich weiß, dass du und Mr.Norly schon lange miteinander vertraut seid. Ihr habt sicher schon eine Menge zusammen erlebt, von daher gehe ich davon aus, dass du auch mit seinen Freunden und Feinden größtenteils bekannt bist. Ich nehme auch an, dass dir der Name Taylor etwas sagt. Der Arzt, der beim Scotland Yard meine Wunden, insbesondere mein Bein versorgt hat. Auf den ersten Blick wirkte er relativ freundlich, aber wie gesagt: relativ. Er war ziemlich undurchsichtig, wenn ich das so ausdrücken darf. Was kannst du mir über diesen Mann erzählen? Wie stehen er und Mr.Norly zueinander? Und vor allem- kann man ihm trauen?“
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Beitrag von Scáth Do Nov 14 2013, 18:38

Johanna war erleichtert dass Charles ihr gegenüber nicht noch einmal auf solch eine unverschämt dreiste Weise antwortete. Sie hätte nicht versichern können, dass sie noch ein weiteres mal so ruhig geblieben wäre.
Das Mädchen nickte langsam, als Charles sich bei ihr entschuldigte. Sie war überrascht, verunsichert und verwirrt. Es war kaum zu glauben dass Charles seinen Fehler wirklich einsah, und wenn Johanna ehrlich zu sich selbst war, konnte sie ihm diese Entschuldigung nicht komplett abnehmen. Doch das sollte von nun an egal sein. Das ganze Thema wollte sie aus dem Leben streichen und das Gespräch war wohl dafür sehr nötig gewesen. Melinda und Charles, alles was sich zwischen den Beiden entwickelt hatte und alles was sich zwischen den Beiden noch entwickeln würde war Johanna egal. Sie kümmerte sich nicht mehr darum. Wozu auch? Es brachte nur Ärger und den wollte sie sich sparen.
Neid. Das war wieder das ausschlaggebende Wort das Charles noch immer nicht komplett verstand. Johanna lächelte leicht. Sie würde dieses Thema nun nicht mehr aufreißen. Ganz sicher nicht. Auch wenn Charles nicht begreifen wollte, es war nun egal. Endgültig.
"Ich werde nett zu Melinda sein und sie respektieren. Solange sie nett zu mir ist und mich respektiert.", antwortete Johanna auf Charles Bitte. Sicher war es nicht schön was Melinda erlebt hatte, doch Johanna hatte nicht vor zu einem Menschen nett zu sein der Johanna selbst am liebsten vor eine Kutsche schubsen würde. Es blieb abzuwarten wie Melinda sich zukünftig ihr gegenüber verhalten würde. Charles würde Johannas Antwort wohl verstehen, immerhin hatte er mit seiner Tochter nicht anders gehandelt. Er wurde selbst kalt und abweisend während sie sich schlecht verhielt. Charles musste wissen das man auf Dauer nicht nett zu Menschen sein kann die einen mit Füßen treten. Das hatte er kurz zuvor auch selbst gesagt.
"Das Gleiche gilt auch für dich, Vater", antwortete Johanna auf Charles letzten Satz. Auch wenn er sie brauchen würde, würde Johanna da sein. Sie lächelte Charles noch einmal zu.
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Beitrag von Elli Fr Nov 15 2013, 09:53

Sie beobachtet Alan aufmerksam und das Lächeln einer diebischen Elster zeigte sich auf ihrem Gesicht, als sie sah wie das Laudanum endgültig seinen Blick vernebelte. Sie betrachtete ihn noch einen Augenblick und lauschte seinen wirren Worten, die nach und nach nur noch schwer als solche zu vernehmen waren. Bevor er jedoch gänzlich einschlief, denn er befand sich auf dem besten Wege dorthin, trat sie neben ihn. “Hopphopp mein Junge. Los geht der Tanz.“
Tatsächlich schaffte er es mehr oder minder alleine auf die Beine und Melinda stützte ihn dabei so gut es ging. Die Treppe würde sie ihn nicht hochschaffen können, dafür war er zu high und zu schwer, aber das Waisenhaus hatte auch in der unteren Etage, dass was sie brauchte. Ein Bett.
Unter gewissen Anstrengungen und einigen aufbauenden Worten, von denen sie sich nicht sicher war, ob sie noch die Gehirnwindungen von Alan erreichen würden, brachte sie ihn schließlich in ein Zimmer, in dem einsam und verlassen ein einzelnes Bett stand.
Im Grunde warf sie ihn eher auf das Bett, als das sie ihn dort hinlegte, aber immerhin war dieser Teil schon mal gut verlaufen. Niemand war ihr begegnet, auch der David nicht, über dessen Hilfe sie in diesem Moment recht froh gewesen wäre, so dass sie nun alle Zeit der Welt hatte. Stille lag über dem Waisenhaus, dass nur von dem noch immer andauernden Gebrabbel von Alan unterbrochen wurde.
Sie verschnaufte einen Augenblick, bei dem sie merkte, dass ihre Lunge ihren Plan nicht sonderlich begrüßte und machte sich schließlich ans Werk. Glücklicherweise fand sie alles, was sie brauchte. Das Bettlaken war so alt und mürbe, dass ein einfacher Ruck genügte und es sich problemlos zerteilen ließ.
Dann machte sie sich ans Werk und begann Alan auszuziehen. Seine Klamotten legte sie fein säuberlich auf einen wackeligen Stuhl der an der Wand stand, aber ohne dass er Aufstehen würde, nicht erreichbar sein würde. Die Stoffstreifen aus dem Bettlaken waren mit einigen wenigen Bewegungen um die Handgelenke und das eiserne Bettgestell gewickelt.
Alan war nackt – und gefesselt. Sie grinste bei dem Anblick und legte ihm, sie wollte wenigstens ein bisschen nett sein – ein Kissen auf seinen Unterkörper.
Noch einmal überprüfte sie den Sitz der Fesseln, loskommen würde er wohl kaum, er würde mit großer Wahrscheinlichkeit nach Hilfe rufen müssen, um aus dieser Misere wieder herauszukommen.
“Och komm schon, war das Alles? Da fällt dir doch besseres ein!“ Ja – ihr fielen andere Sachen ein, die gemeiner oder abstruser waren, aber diese Pläne würde sie sich für andere Gelegenheiten, oder Personen, aufbewahren.
“Meinst du das gefällt Charles? Stell dir nur vor, er findet Stirling.“
Der Gedanke hatte sie von Anfang an begleitet, doch sie konnte nicht einschätzen was Norly machen würde. Genauso wenig wenn Johanna oder Randolph Alan so finden würden. Sie würde es darauf ankommen lassen. Wenn sie Rache wollte, rächte sie sich eben. Die Konsequenzen würde sie dann tragen müssen. Doch für Charles hatte sie die Sache mit dem Notizbuch in der Hinterhand – nur war noch immer fraglich was sie mit dieser Info machen sollte. Ihr schwebten unterschiedliche Optionen vor.
Sie nahm eine typische Haltung für sich ein und lehnte sich mit überkreuzten Armen gegen die Wand und überlegte. Dann trat sie wieder an das Bett heran. “Denk nicht, dass du mich demütigen kannst, ohne dass ich es mit barer Münze zurückzahle Herzchen. So sind wir Huren nun einmal. Ich würde sagen wir sind quitt. Ich bin mir sicher, dass ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.“
Ob diese Worte Alan noch irgendwo erreichten, wusste sie nicht. Es gab den einen oder anderen Rausch, denn sie im Nachhinein völlig vergessen hatte, andere wiederrum konnte sie mit allen Vorkommnissen wieder spiegel. Da sich Alan jedoch nicht gewehrt hatte, ging sie davon aus, dass das Laudanum seinen Dienst gut tat – andererseits hatte sie ihn zuvor nicht wirklich auf Drogen erlebt. Außer dieses eine Mal, als er etwas, im Haus des Docs wahllos aus den Flaschen zu sich genommen hatte. Sie lehnte die Tür an, als sie den Raum verließ und ging zurück in die Küche. Sie ergriff ihre Flasche mit dem Laudanum und verkorkte sie akribisch. Dann hauchte sie einen kleinen Kuss auf das kühle Glas.
Dann ergriff sie das Weinglas. Auch wenn Alan schnell weg gewesen war, er hatte nicht so viel zu sich genommen, dass er Stunden ausgeknockt sein würde. Sie lächelte und trank einen Schluck.
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Beitrag von Umbra Di Nov 19 2013, 18:52

David gab lächelnd und nickend sein Einverständnis für ein Gespräch mit Randolph und stellte dessen Koffer und Arzttasche erst einmal auf dem Boden ab. Es war ihm anzumerken, dass die Frage danach ihn neugierig gemacht hatte. Einmal davon abgesehen schien der Bursche Randolph im Stillen zuzustimmen, dass er seinen Boss während einer Unterhaltung mit dessen Tochter nicht stören sollte. Wahrscheinlich konnte Davids Anliegen noch warten.
Die nachfolgenden Worte des Doktors nahm der junge Kutscher jedoch mit Verwunderung auf. Randolph erkannte, dass er ins Schwarze getroffen hatte: David kannte Taylor. Ob der Bursche aber bereit sein würde, etwas und, wenn ja, wie viel zu dem Thema zu äußern, würde sich in den folgenden Augenblicken entscheiden. Jedenfalls war er auf einmal ein wenig angespannt.
„Wenn du mich fragst, weil Mr. Norly das nich‘ beantworten wollte, werd‘ ich das auch nicht tun“, antworte David mit leicht gerunzelter Stirn. Wie gewünscht, duzte er Randolph.
„Es stimmt, ich kenn‘ den Doc“, gab er bereitwillig zu, „und ich mag ihn nich‘ – das kann ich gern sagen –, aber was der Boss von ihm hält, muss er dir schon selbst erzählen.“
Es waren klare Worte der Absage, doch der junge Mann versuchte sich an einem versöhnlichen Lächeln.
„‘Tschuldige, das hat nichts damit zu tun, dass ich dir nicht vertrauen würde.“
Er redete weiter:
„Ich will ehrlich zu dir sein: Auf der einen Seite weiß eigentlich selbst nich‘, wie der Stand der Dinge ist. Ich weiß nur, dass Mr. Norly sich nich‘ bei Taylor gemeldet hat, seitdem er wieder in London is‘ – und dass das dem Doc überhaupt nicht gefällt. Er hat mich nach Mr. Norly gefragt – wo er sei, und wie’s ihm denn ginge. Bereits dreimal, als hätt‘ er’s geahnt, dass Mr. Norly früher oder später Kontakt zu mir aufnimmt. Aber verraten habe ich ihm nie was, hatte ja selbst keinen Schimmer. Und wenn ich’s gehabt hätte, hätt‘ er von mir nichts erfahren. Er ist zwar freundlich geblieben und ich kann mir eigentlich nicht wirklich vorstellen, dass Taylor mit Hill gemeinsame Sache machen würde, doch bei ihm ist’s immer schwer zu sagen, was er tatsächlich beabsichtigt. Damit, dass er undurchsichtig sei, triffst du’s sehr genau“, pflichtete David Randolph bei. Er zuckte mit den Schultern und mutmaßte:
„Vielleicht geht’s ihm um was Persönliches.“
Anschließend setzte David seufzend zum nächsten Teil seiner Argumentation an.
„Auf der and‘ren Seite möcht‘ ich zu Mr. Norly und Taylor nichts Genaues sagen, weil ich dann was ausplaudern könnte, was Mr. Norly für sich behalten will. Das is‘ auch der Grund, warum ich dir gegenüber nich‘ mehr sag‘.“
Der Bursche sah sich um, anscheinend um sich zu vergewissern, ob sie unter sich waren.
„Verrat – oder all das, was Mr. Norly als Verrat ansieht“, formulierte er vorsichtig, „ist eins der Dinge, die er nich‘ ausstehen kann. Eigentlich ist er nich‘ sonderlich nachtragend, aber sollte‘s jemand schaffen, ‘s sich mit ihm zu verscherzen, ist‘s ‘ne Reise ohne Wiederkehr. Zumindest kann ich kein Gegenbeispiel nennen.“
David schien nachdenklich zu sein, wenn nicht sogar besorgt.
„ Ich weiß wirklich nich‘, ob’s in seinem jetzigen Zustand gut wär‘, ihn zu reizen. Ich mein‘: Er war schon immer…“, zögernd suchte er nach einem Ausdruck, „… einzigartig, würd‘ ich’s nennen, aber so durch den Wind wie er’s gestern war, hab‘ ich ihn sehr selten zuvor erlebt. Von dem ganzen Blut ganz zu schweigen – und die Dinge, die man hört, sind auch nich‘ gerade ermutigend.“
Er schüttelte voller Bedauern den Kopf.
„Will nich‘ sagen, dass ich Mr. Norly nich‘ glauben möcht‘, wenn er behauptet, dass er unschuldig sei, – und ich will auch annehmen, dass mein Überleben nicht in direkter Abhängigkeit zu meiner Nützlichkeit für ihn steht –, doch ich hab‘ das große Messer geseh’n, das er bei sich trägt.“
Er zog eine Grimasse. „Das will ich bei aller Liebe nich‘ kennenlernen. Der Boss bezahlt mich nich‘, damit ich über ihn tratsche, und ich will’s nich‘ wagen, sein Vertrauen zu missbrauchen. Dabei möcht‘ ich’s belassen. Sicher is‘ sicher. Dem alten Ed – meinem Vorgänger – ist’s nich‘ gut ergangen, unabhängig davon, ob’s Mr. Norly war oder nich‘.“
Eine Hand in seinen Nacken legend, blickte David Randolph, offenbar in der Erwartung einer Antwort, an.

_ _ _ _ _

Charles nickte bedächtig und erwiderte Johannas Lächeln. Akzeptierend und zufrieden, auf irgendeine Art und Weise, auf eine andere jedoch weiterhin missgelaunt, auch wenn er das Versöhnliche nicht ablegen wollte. Er litt zwar unter Stimmungsschwankungen, doch die konnte er nicht nach Belieben beeinflussen. Der angebrochene Tag war, wie die letzten, bereits anstrengend, aufwühlend und enttäuschend gewesen, und eine kleine positive Wendung vermochte dies alles nicht wieder wettzumachen.
„Das freut mich“, antwortete er Johanna, als auch sie ihm sagte, ihm beistehen zu wollen. Doch da war noch etwas, das ihm auf dem Herzen lag.
„Da wäre noch eine Sache. Ich wünsche nicht, mit dir zu streiten“, stellte er ruhig im Vorneherein klar, bevor er jedoch erklärend hinzufügte, worauf er hinauswollte:
„Ich würde ich es begrüßen, wenn du – als Zeichen deines guten Willens – darüber nachdenken würdest, wie und in welchem Ton du mit mir sprichst.“
Er fühlte sich durch ihr bisheriges Verhalten im Großen und Ganzen immer noch auf den Schlips getreten. Da sie schon beim Thema Respekt und dass er ihr Vater war waren, wollte er dies noch loswerden.
„Wäre ich meinem Vater gegenüber so vorlaut und anmaßend gewesen wie du dich mir gegenüber bisweilen in den vergangenen Tagen gegeben hast, hätte er mir eine geschmiert, ohne mit der Wimper zu zucken.“
Auch wenn ein gewisser Humor in seiner Stimme und ein Schmunzeln auf seinen Lippen lag, war es seine Absicht, dass Johanna sich bewusst wurde, dass er auch von ihr wie ein Vater behandelt werden wollte – beziehungsweise dass er von ihr behandelt werden wollte, wie man den eigenen Vater behandeln sollte. Respekt gehörte dazu. Dabei war die Worte „wäre“ und „hätte“ in seinem Satz eigentlich nicht passend gewählt, denn nicht nur einmal hatte Charles von seinem alten Herrn eine Ohrfeige kassiert, weil er weniger Achtung entgegengebracht hatte als es diesem lieb gewesen war. Nicht, dass diese Art der Züchtigung meist unberechtigt gewesen wäre, denn Charles war mit seinem Vater oft aneinandergeraten, doch selbstverständlich hatte dies nicht positiv zu ihrem Verhältnis zueinander beigetragen (zu den Lebzeiten seines Vaters, selbstverständlich, auch wenn Charles diesem nun so sehr wie noch nie Schuld am bedauerlichen Ablauf seines eigenen Lebens gab und seinen Groll gegenüber seinem Vater noch immer nicht abgelegt hatte – im Gegenteil).
Charles hatte seinem potenziellen Nachwuchs immer ein besserer Vater sein wollen als sein Vater es ihm gewesen war, und deshalb lag es ihm sehr fern, handgreiflich zu werden. Ermahnende Worte mussten genügen, auch wenn Johanna durch ihre Mutter und Großeltern anscheinend nicht genügend Strenge erfahren hatte. Unter gegebenen Umständen – auch wenn persönlich nicht unbedingt als „Opfer“, denn das war in diesem Fall Melinda – konnte Charles auch nichts Amüsierendes oder Zufriedenstellendes daran finden, dass Johanna nur Respekt zeigen wollte, wenn sie selbst respektiert werden würde. Das war eine nur allzu natürliche Herangehensweise, dennoch stand es einem Mädchen ganz sicher nicht gut zu Gesicht, respektvolles Verhalten an Bedingungen zu knüpfen (einem Jungen allerdings auch nicht).
Charles selbst war gewillt in dem Maße respektvoll zu sein wie er es für angemessen hielt – Ehre, wem Ehre gebührt –, aber das stand hier nicht zur Debatte.
Dennoch: Nach Johannas Offenbarung, dass sie es nicht guthieß, dass er mit Melinda Zeit verbrachte, weil er diese dann scheinbar nicht mit seiner Tochter verbringen wollte (was er als kindische Eifersucht, ohne jeden Zweifel, einstufte), würde er es sich bei jeder Entscheidung, die er bezüglich Johanna zukünftig treffen würde, vermutlich zweimal überlegen, ob sie die nötige Reife besaß, um mit einbezogen zu werden.
Charles hatte Johanna angeboten, sie an seinem Leben teilhaben zu lassen, und er wünschte sich vermutlich genauso sehnlich, eine gute Beziehung zu ihr aufzubauen wie sich an Hill zu rächen, doch wollte sein eigen Fleisch und Blut nicht unnötig in Gefahr bringen. Sie hatte ihm deutlich gemacht, dass sie tatsächlich mehr Kind war als er ich zugestanden hatte, aber diesen Irrtum gedachte er in Zukunft möglichst zu vermeiden. Er wollte sie nicht in die Situation bringen, in der eine unüberlegte, emotionale Entscheidung ihrerseits zu einer Katastrophe führen könnte. Zu Johannas Wohl, aber auch zu dem der restlichen Gruppe. Damit, sie beschützen zu wollen, war es ihm sehr ernst.
„Danke, dass du mir dieses Gespräch gewährt hast“, äußerte Charles nach einer kurzen Schweigepause ohne zu lächeln, aber auch ohne Schärfe in seiner Stimme. Er war freudlos und würde im Stillen über das Gesagte und seine weitere Vorgehensweise nachdenken müssen. Diese Unterhaltung war etwas anders verlaufen als er erwartet oder sich erhofft hatte. Er wusste noch immer nicht, was er davon halten sollte, eine Tochter zu haben. Sollte ihn das nicht eigentlich stolz und glücklich machen? Auch wenn er dies bereits verspürt hatte, waren ihm im Moment hauptsächlich Kummer und Schuldgefühle übrig geblieben. Dennoch war sein Dank ein ehrlicher Dank.
„Entschuldige mich nun, ich habe mir für heute noch Einiges vorgenommen.“
Dann erhob sich Charles ziemlich teilnahmslos, da über verschiedene Dinge nachgrübelnd, aus seinem Sessel, wobei er sich mit den Händen abstützen musste, um gegen die Schwerkraft und seine schmerzenden, steifen Beine zu bestehen. Es gelang ihm, nicht allzu sehr zu humpeln, als er den Büchersaal verließ. Charles beschloss, sich ohne Umwege sofort in seine Räumlichkeiten zurückzuziehen, sein knurrender Magen hin oder her. Der würde ihn schon irgendwann nicht mehr belästigen, wenn er ihn lang genug ignorierte.
Tatsächlich würde Charles das, was er eigentlich für den heutigen Tag geplant hatte, nicht durchführen können – beziehungsweise wollte er es auch nicht. Er war einerseits abgeneigt, sich nun mit Alan befassen zu müssen, sondern wollte seine Ruhe haben (am besten vor der ganzen Welt), und andererseits würde er es dem Doktor wohl kaum zumuten können, noch einmal quer durch die Stadt zu humpeln – außerdem war dessen verletztes Bein alles andere als praktisch, denn sollten sie die Flucht ergreifen müssen, würde das äußerst hinderlich sein.
Demnach würde zumindest Charles erst einmal hier im Herrenhaus verweilen und sich mit dringenden Angelegenheiten befassen, die er schon viel zu lang aufgeschoben hatte. Zum Beispiel bedurfte seine Prothese gewisse Wartung, aber auch seine Zimmer musste dringend vom Dreck und Durcheinander der letzten Jahre befreit werden. Deren jetziger Zustand war für den Ordnung und Sauberkeit liebenden Charles eine nicht mehr hinnehmbare Zumutung.
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Beitrag von Darnamur Mi Nov 20 2013, 18:16

Davids Antwort war nicht das, was er sich erhofft hatte, jedoch genau das, was er von dem Jungen erwartet hatte. Auch konnte Bell ihm keine eindeutigen Informationen liefern, was Taylor anging. Er wusste immer noch nicht, ob er dem Mann trauen konnte. Na schön, dass hieß nicht, dass David ihm nicht helfen konnte.
„Es ist relativ unmöglich, dass er hinter den Morden checkt. Als die Mauneys umgebracht wurden, befand er sich schließlich in einem komplett anderen Teil London. Er zwinkerte ihm zu.

“Aber ich verstehe, was du meinst. Lassen wir das Thema Taylor vorerst. Du könntest mir trotzdem helfen, David. Ohne damit Mr. Norly in den Rücken zu fallen. Randolph überlegte, wie er es am Besten formulieren sollte. "Ich habe die starke Vermutung, dass wir beobachtet werden. Jemand weiß, dass wir hier sind. Es bringt nichts Norly davon zu berichten, er würde mich lediglich für paranoid halten. Aber ich würde dich bitten ein Auge offen zu halten. Ich selbst bin leider in meiner Mobilität eingeschränkt und von daher für diese Aufgabe ungeeignet. Du magst das jetzt wohl ebenfalls kritisch sehen und das ist auch verständlich. Ich bitte dich auch nicht, irgendetwas anderes zu tun, als du sonst tust. Aber ich wäre dir dankbar, wenn du dir- solltest du das Haus verlassen, die Leute hier in der Nähe ansiehst. Vielleicht kommt dir eine Person bekannt vor."
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Beitrag von Umbra So Nov 24 2013, 22:24

David kratzte sich nachdenklich an seiner bärtigen Wange.
„Solang ich niemanden seh‘, den ich kenn‘, bin ich beruhigt“, äußerte er dann.
„Aber nich‘ aus dem Grund, aus dem du vielleicht glaubst. Ich denk‘, dass du Recht haben könntest, doch solang niemand unvorsichtig wird oder sich sogar absichtlich zeigt, besteht, vermutlich, keine sonderliche Gefahr. Umsehen werd‘ ich mich aber“, sagte er zu, Randolphs Bitte nachzukommen, „– auch nach möglichen Spuren hier auf dem Grundstück. Kann ja kaum schaden.“
Der junge Kutscher zuckte mit dem Schultern und grinste selbstsicher.
„Zur Not bin ich bewaffnet.“
Dann seufzte er schwerfällig und griff wieder nach dem Gepäck, das er dem Chirurgen mitgebracht hatte.
„Außerdem weiß ich, dass er nich‘ bei Mrs. Mauney war, schließlich ist er zu dem Zeitpunkt etwa mit den beiden Misses bei mir aufgetaucht“, wies David Randolph, ebenfalls zwinkernd, darauf hin, auch wenn sein Tonfall ernsthaft war.
„Andere Zeugen gab’s auch, soweit ich informiert bin, deshalb ist’s nur gut, dass wir dich rechtzeitig aus dem Yard loseisen konnten. Ausnahmsweise hat Mr. Norly diesmal ein Alibi – auch wenn’s auch nich‘ sonderlich vorteilhaft für ihn ist“, spielte er auf den aufgeschlitzten Polizisten an, wobei er wahrscheinlich davon ausging, dass Randolph darüber Bescheid wusste. Er pausierte kurz und schien über seine folgenden Worte nachzudenken.
„Ich bezweifle auch, dass er das getan hätt‘“, kam er auf den Mauney-Fall zurück.
„Früher zumindest hat er Frauen immer mit Anstand behandelt und die Rolle des Schlächters passt nich‘ zu ihm, so wie ich ihn kenne – und selbst wenn er sich an der Witwe hätt‘ rächen woll’n, hätt‘ er’s sicher schon getan. Bedeutet aber nich‘, dass es unmöglich ist, dass er hinter mindestens einem der Morde steckt. Auch mir gegenüber hüllt er sich sehr in Schweigen. Oder, besser gesagt: Er redet zwar, will aber nich‘ über bestimmte Sachen sprechen.“
David lächelte. „So ist er nun mal, Doc. Ich weiß, er gibt nich‘ gern Dinge preis, die ihm privat sind, doch ich weiß auch, dass er dich respektiert, also könnt’s gut sein, dass er bereit ist, dich ins Vertrauen zu ziehen. Vielleicht hast du bisher einfach die falschen Fragen gestellt“, gab er einen Tipp.
„Er benutzt‘s gern als Schlupfloch, wenn man nich‘ präzise genug formuliert, was man wissen will. Oft hilft’s einfach, nachzuhaken, wenn er was Schwammiges sagt. Wenn er absolut nich‘ über etwas sprechen will, lässt er’s dich schon wissen.“
Dann entschuldigte er sich. „Ich sollt‘ nun schauen, ob er Zeit für mich hat. Er wollte, dass ich mich bei ihm meld‘, wenn ich wieder da bin. Vorher bring‘ ich aber noch deine Sachen für dich auf dein Zimmer.“
David machte sich sofort auf den Weg.
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Beitrag von Druzil Do Nov 28 2013, 18:49

Alan erwachte. Eine seltsame Benommenheit klebte in seinen Gedanken, die er nur mühselig zu ordnen schaffte. Melinda, Wein, Laudanum, ... Er wollte sich strecken und erheben -wieso lag er in einem Bett?- als die Fesseln ruckhaft jede Bewegung stoppten.
"Was zum ...?"
Irritiert sah er an sich herunter. Das kann nicht wahr sein. Er war nackt und gefesselt. Scheisse. Hatte er sich etwa der Hure hingegeben? Hatte sie ihn gefesselt und ... ihren Job gemacht? So sehr er auch in seinen trüben Erinnerungen wühlte, konnte er doch keinen Hinweis auf eine solche Ausschweifung finden. Aber weshalb war er dann in dieser hilflosen Situation? Da dämmerte es ihm langsam. Das Hurenbiest hatte ihn reingelegt. Diese Ratte! Er rüttelte an den Fesseln und spürte, wie ein Wutanfall in ihm zu brodeln begann. Verfluchte Scheisse! Was sollte er tun? Er brauchte Hilfe, aber er konnte nicht einfach panisch rumkrakelen. Norly schloss aus. Dem Doktor wollte er sich so auch nicht zeigen. Ihm blieb nur eine Wahl, auch wenn diese ein höchst unsittsame war. Stell dich nicht so an, mahnte er sich. Es gibt weitaus jüngere Mädchen, die öfters als er selbst einen nackten Mann gesehen haben. Sie wird schon nicht in Ohnmacht fallen. Und doch fiel es ihm schwer nach ihr zu rufen. Er atmete tief durch und überwandt sich.
"Johanna! Johanna! Kommen Sie bitte hier rauf. Johanna!"
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Beitrag von Scáth Do Nov 28 2013, 22:55

Johanna hatte gehofft mit Charles im Guten auseinander gehen zu können. Für ihn selbst schien das auch der Fall zu sein, doch Charles letzte Worte ihr gegenüber hatten in Johanna wieder einmal ein ungutes Gefühl hinterlassen. Doch es machte keinen Sinn weiter darüber nachzudenken. Für Johanna stand fest dass Charles ihr weder den Mund verbieten konnte, noch in irgendeiner Weise sagen konnte wie sie mit wem zu sprechen hatte. Er nahm ihr gegenüber auch kein Blatt vor den Mund. Das tat in dieser Gruppe generell keiner. Anstand und Respekt waren das letzte mit dem man hier behandelt wurde und Johanna war sich sicher, dass sich das nicht ändern würde. Keiner hier war unschuldig. Jeder verhielt sich in irgendeiner Weise unpassend. Und absolut keiner müsste sich als Unschuldslamm darstellen, auch Charles nicht, der sich auch so einige male im Ton vergriffen hatte.
'Immer zuerst an die eigene Nase fassen, mein Lieber', hätte Johanna am liebsten noch hinterher gerufen, doch sie unterließ es, denn es würde nur eine weitere sinnlose Diskussion hervorrufen und von denen hatte sie mehr als genug.
Charles war durch die Tür verschwunden und Johanna fühlte sich mit einem mal so sehr von allen Lasten befreit wie schon lange nicht mehr. Jetzt, da sie erkannt hatte das es keinen Sinn machte sich über solch unbedeutenden Dinge aufzuregen, fühlte sich alles viel leichter an. Sie setzte ein zufriedenes Lächeln auf und durchstöberte ein weiteres mal die verstaubten Bücher. Doch diese Ruhe blieb ihr nur so lange gegönnt, bis Johanna glaubte jemanden rufen zu hören. Sie runzelte kurz die Stirn, ehe sie aus dem Zimmer in den Gang trat und die Stimme nun lauter vernehmen konnte. Es war Alan, der nach ihr rief. Und er klang aufgebracht.
Johanna versuchte auszumachen aus welchem Zimmer die Rufe kamen. Sie war etwas nervös, da sie nicht wusste was Alan wollte, oder ob irgendetwas geschehen war. Als das Rufen verstummt war stand Johanna etwas verloren im Gang des Erdgeschosses. Sie öffnete ein paar Türen, hinter denen allerdings nur leere Zimmer lagen. Doch schon nach kurzer Zeit fand sie das Zimmer in dem sich Alan aufhielt.
"Alan, was ist denn...", sprach Johanna, während sie das Zimmer betrat, verstummte aber als sie ihn auf dem Bett gefesselt erblickte. Verwirrt blickte sie sich im Zimmer um, hektisch und aufgebracht. Man konnte nicht sagen das Johanna diese Situation nicht unangenehm war, doch sie vermochte selbst mit diesen Dingen umzugehen, auch wenn ihr etwas solches mehr als fremd war. Johanna konnte sich denken wer Alan so "zugerichtet" hatte, doch es war ihr egal. Es war nicht ihre Angelegenheit.
"Um Himmels willen..", murmelte sie, während sie auf den Stuhl zu lief und Alans Kleidung einsammelte. Sie legte sie neben ihm auf das Bett und begann die Fesseln zu lösen, was sich zwar als kompliziert, aber dennoch machbar herausstellte..
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Beitrag von Umbra Sa Nov 30 2013, 21:27

Charles hatte gehofft, ein wenig Zeit und seine Ruhe zu haben, um in sich gehen zu können. Zu viel war in den letzten anderthalb Tagen geschehen – zu viel… Ungeplantes. Ihm gefiel es nicht so recht, wie sich die Dinge entwickelt hatten. Er hatte nicht vorgehabt, eine wirklich enge Bindung mit den Menschen, den Fremden, einzugehen, die er für seine Sache „rekrutiert“ hatte. Er hatte nicht vorgehabt, für sie etwas anderes zu sein als der anonyme Schatten, der er in den vergangenen zwei Monaten hatte sein müssen, um der Polizei zu entgehen. Er hatte nicht vorgehabt, mit ihnen zusammenzuwohnen.
Die Umstände hatten ihn zu dieser Entscheidung getrieben und auch wenn es Vorteile haben mochte, sah er sich dadurch in seiner Freiheit auf etwas unangenehme Weise eingeschränkt. Charles konnte gut auf sich selbst achten, doch nun hatte er die Verantwortung für eine ganze Gruppe von Leuten, die sich gegenseitig an die Gurgel sprangen, die ganze Situation scheinbar auf die leichte Schulter nahmen und sich überhaupt von völlig unselbstdisziplinierter Seite zeigten – darunter auch seine Tochter.
Seine Tochter.

Johanna war eins seiner ärgsten Probleme, wenn man es aus einer anderen Perspektive betrachtete. Sie störte seine Unabhängigkeit. Sie störte seine Objektivität. Sie nahm sein Denken zu einem nicht zu unterschätzenden Teil für sich ein – und das konnte nicht gut sein. Er brauchte einen klaren Kopf, um den Überblick und die Kontrolle nicht zu verlieren – keine Gefühle, die ihm das, was von seinem Leben übrig war, nur noch mehr ins Chaos stürzten. Doch dafür war es zu spät. Zweifel und Sorge um Johannas Sicherheit ließen sich nicht vertreiben, genauso wenig wie diese unsäglichen Schuldgefühle, die er hatte, weil sie ohne Vater und in der Schande aufgewachsen war, ein uneheliches Kind zu sein – wobei er jedoch seinem Vater voller Wut die eigentliche Schuld daran gab, weil William Norly Sofia Stead, in deren Bauch seine Enkelin heranwuchs, kalt und grausam abgewiesen und seinem Sohn, dem Vater des Kindes, kein Sterbenswörtchen davon gesagt hatte.
Auch dieser Groll lenkte Charles ab. Er sollte sich auf nützlicheren Groll beschränken sowie auf positive Gedanken wie den, dass er tatsächlich eine Tochter und mit ihr wieder eine Familie hatte, oder wie Erinnerung an und Vorfreude auf Melindas Nähe, die ihm Trost schenkte.
Charles merkte, dass ihm aber genau eines fehlte, und das war sinnvolle Beschäftigung. Arbeit! Müßiggang war sein Feind. Er hatte noch so viel zu erledigen, so viel, über das er sich würde Gedanken machen müssen. Pläne waren zu überdenken, auszubauen und zu verfeinern. Er hatte neue Teile für das große Puzzle gefunden, das der Scarface-Fall war. Er musste sie in seine Aufzeichnungen einpflegen und das Gesamtbild auf’s Neue betrachten.

Charles spürte seine Unruhe in seinen vorhandenen und nicht mehr vorhandenen Fingern kribbeln, als eine Stimme zu ihm drang. Gedämpft, wie aus einiger Ferne.
„… Ich fragte, ob‘s Ihnen gutgeht, Sir?“
Und dann klarer: „Sir?“
Charles wandte sich David zu und wurde sich der Anwesenheit des Kutschers gewahr – genauso wie seiner Umgebung, seinem Schlafzimmer, das er scheinbar inzwischen betreten hatte. Gerade noch hatte er aus dem Fenster nach draußen gestarrt, über das wuchernde Gestrüpp hinter dem Herrenhaus hinweg auf das dächerreiche Bild von Südlondon jenseits der Themse, an die dieses Grundstück grenzte.
„Ich habe mich dazu entschlossen, weitere meiner Habseligkeiten hierherzuschaffen. Heute Nacht oder morgen“, äußerte Charles dann, weiterhin mit verschränkten Händen hinter dem Körper – eine Haltung, die er sich angewöhnt hatte, wenn er längere Zeit auf einer Stelle stand. Er hatte Davids Frage, die dieser offenbar mehr als einmal gestellt hatte, verstanden, doch er ging nicht darauf ein. Selbstverständlich ging es ihm nicht gut. Johanna, Alan… Seine Verletzungen – alter sowie neue. Blut und Tod. Dies alles ging nicht an ihm vorbei, ohne Spuren zu hinterlassen. Es verfolgte ihn, egal, ob er wach war oder schlief, wenn er denn überhaupt Schlaf fand. Er war wahrlich ein Schatten, und zwar ein Schatten seiner selbst. Gerade David, der sein früheres Ich kannte, mochte es ihm ansehen, dennoch gab Charles seine Schwäche nun nicht offen zu.
Der Bursche besaß genug Taktgefühl, es darauf beruhen zu lassen, auch wenn er nicht so wirkte, als ob er mit dieser Antwort zufrieden sei. Vielleicht sagte sie mehr aus als andere es hätten können.
David bot bereitwillig seine Hilfe an – etwas, was Charles an dem Jungen sehr schätzte und vermisst hatte. Auch ging er daraufhin Charles dabei zur Hand, dem Staub in diesen Räumlichkeiten Herr zu werden, während sie gegenseitig Neuigkeiten austauschten. Damit waren sie noch nicht fertig, als Gerufe, das durch das Herrenhaus schallte, Charles‘ Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war Alans Stimme, die nicht laut, aber doch hörbar bei Charles ankam und die nach Johanna verlangte. Vor Neugier, was dieser Wicht wohl so dringend von seiner Tochter wollen könnte, ließ Charles alles stehen und liegen und warf David kurz einen bedeutsamen Blick zu, um dem Jungen zu signalisieren, mitzukommen, bevor er zügigen Schrittes auf den Flur trat. Alan musste im Erdgeschoss sein. War Johanna im Keller, dass er sie bat, zu ihm heraufzukommen?
Auf der Treppe hörte Charles Davids Schritte hinter sich und erhaschte einen Blick auf Johanna, die sich offenbar ebenfalls auf den Weg gemacht hatte, den Grund für den Lärm zu ergründen. Sie verschwand in einem Zimmer und Charles nahm die Verfolgung auf.

Als er der Tür näher kam, wurden seine Schritte bedächtiger, um nicht unnötig früh auf sich aufmerksam zu machen, doch sobald er ins Zimmer gespäht hatte, bemühte er sich keinesfalls mehr um Heimlichkeit. Er konnte kaum fassen, was er sah, und das, was er sah, ließ Zorn in ihm aufwallen: Alan lag entblößt auf einem Bett und Johanna war bei ihm. Sie fummelte an einem der Stofffetzen herum, mit denen der Nackte an seinem Liegeplatz fixiert war, das begriff er auf den ersten Blick, doch er brachte so gut wie keine Geduld auf, die Szene genauer in Augenschein zu nehmen, bevor er schon ins Zimmer rauschte und dabei knurrend polterte:
„Was geht hier vor sich?“ Seine Stimme war wie eine Peitsche, die die Luft zerschnitt.
Alans am wenigsten ansehnlichen Stellen waren – welch Segen! – von einem Kissen bedeckt, dennoch begutachtete Charles ihn nur einen minimal kurzen Augenblick und mit Abscheu, als er an Johanna herantrat. Er fasste sie am Arm und drängte sich mit sanfter Bestimmtheit zwischen sie und Mr. Stirling, sodass sie seine Fesseln loslassen musste.
„Bitte lass uns allein und schließe die Tür hinter dir. Ich kümmere mich darum“, sagte Charles ihr mit väterlicher Milde, die er ihr zugestand. Er wollte nicht, dass sie hier aufhielt, solange Alan keine Hose anhatte. Dies war eine Unsittlichkeit – und eine absolute Zumutung für jeden, besonders aber für ein unverheiratetes junges Mädchen. Deshalb suchte er bei seinen Worten Blickkontakt zu Alan und durchbohrte ihn mit vor Wut schmalen Augen.
David hatte sich lässig an den Türrahmen gelehnt und feixte Alan mit vor der Brust verschränkten Armen schadenfroh an.
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Beitrag von Scáth Sa Nov 30 2013, 21:46

Johanna zuckte zusammen, als sie Charles Stimme vernahm. Sie hatte ihn nicht kommen hören und sein plötzliches Auftauchen erschreckte sie. Sie kam nicht dazu eine der Fesseln zu lösen, denn Charles drängte sich zwischen sie und Alan. Johanna sah die Wut in seinen Augen und spürte förmlich den Groll, der in ihm herangewachsen war. Sie konnte verstehen dass er sie hinaus schicken wollte.
Johanna legte ihre Hand auf Charles Schulter.
"Ich glaube, er kann nichts dafür..", sprach sie und hoffte damit Charles ein wenig zu besänftigen.
"Bitte, ich glaube seine jetzige Lage ist Strafe genug..", fügte sie hinzu und ließ ihre Hand noch kurz auf der Schulter ihres Vaters liegen, bevor sie sich von ihm abwandte. Sie hoffte inständig, dass Alan nun keinen Ärger bekam. Johanna war sich sicher dass er diesen nicht verdient hatte, auch wenn er oft nur Flausen im Kopf hatte. Sie akzeptierte Charles Worte und lief ein paar Schritte zurück, allerdings nicht ohne Alan noch einmal in die Augen zu sehen. Sie schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln, formte mit den Lippen kurz ein lautloses "Sorry" und lief dann die Tür hinaus, welche sie hinter sich schloss. Ganz verschwinden wollte Johanna allerdings doch nicht. Sie lehnte sich an die Wand und wartete ab.
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Beitrag von Druzil So Dez 01 2013, 20:54

"Nein! Bleiben Sie hier, Johanna. Ich bitte Sie, helfen Sie mir! Sie können mich doch nicht einfach ... "
Die letzten Worte gingen in Resignation unter. Was für eine Scheisse. Doch er würde Norly und seinem Burschen nicht den Gefallen tun und sich winden und jammern, wie ein Wurm. Nein, Norly würde er nicht um Hilfe bitten. Eher würde er hier liegen bleiben bis er vertrocknet war.
"Halten Sie einfach den Mund", brummte er in Norlys Richtung.
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Beitrag von Elli Di Dez 03 2013, 11:04

Sie war über sich selbst überrascht, dass sie so lange und geduldig darauf gewartet hatte, was geschehen würde.
Ruhig saß sie in der Küche, noch immer das Glas Wein in der Hand und nippte ab und zu bedächtig daran. Ihre Gedanken kreisten um die letzten paar Tage und was diese mit sich gebracht hatten.
Die Menschen, die sie neu kennengelernt hatte. Charles, Johanna und natürlich Alan. Sie befürchtete, dass Alan ihre Aktion nicht ganz so witzig wie selbst finden würde und vor allem, dass eine Rache nicht weit sein konnte.
Ach was. Der soll sich nicht so anstellen. Ihr seid nun quitt. Fertig. Der Käse ist gelutscht!
Mit diesem Gedanken konnte sich anfreunden und wartete so fast bewegungslos ab.
Bis sie endlich das Rufen von Alan durchs Haus hallen hörte. Er rief nach Johanna. Keine schlechte Wahl, dass musste sie ihm lassen.
Wieder verharrte sie einen Moment, bevor sie zur Tür ging und in den Flur blickte. Dieser war bereits wieder leer, aber sie meinte Stimmen aus dem Zimmer zu vernehmen, in dem Alan angebunden worden war. Sie wollte etwas näher gehen, als sie Schritte hörte und Charles auftauchte und ebenso in den Raum verschwand, wie es Johanna vermeintlich getan hatte.
Eine Weile geschah nichts, außer das die dunklere Stimme von Norly zu hören war, als plötzlich die Tür geöffnet wurde und Johanna in den Flur trat.
Das Hausmädchen blieb neben der Tür stehen und lehnte sich an die Wand. Offenbar war sie hinausgeschickt worden, oder hatte freiwillig das Feld geräumt, damit [I]Daddy[/] sich der Sache annehmen konnte. Bedächtig und noch immer das Weinglas in der Hand haltend, ging Melinda auf sie zu. “Schon mal im Theater gewesen? Zu einer guten Aufführung gehört ein guter Wein.“
Sie prostete Johanna mit ihrem Glas in der Luft zu und trat einen Schluck.
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