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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 13 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Elli Do März 03 2016, 15:49


Melinda wäre normalerweise sicherlich aus der Haut gefahren bei der Reaktion die Charles vom Stapel ließ. Sie verstand seinen Ausbruch nicht wirklich, sie hatte ihm doch vorhin noch eine Freunde beschert oder nicht? Nicht, dass sie abgeneigt gewesen wäre, aber sie hatte es so empfunden, dass als er die Führung übernommen hatte, durchaus seinen Spaß gehabt hatte. Dass er sich nun so "bockig" zeigte verwirrte sie etwas. Sie versuchte jedoch es sich nicht anmerken zu lassen.
Stattdessen nahm sie dankbar den Absinth entgegen und starrte die grüne Flüssigkeit an. Das Charles bemerkte er wolle so schnell wie möglich wieder nach London ließ sie aufhorchen, das klang hervorragend. Doch was meinte er mit bald? So ziemlich jede Aussage hatte sich aufgrund von unvorhergesehenen Geschehnissen revidiert. Innerlich seufzte Melinda auf, aber behielt noch immer ihre Maske auf. Sie blickte stattdessen in Randys Richtung.
Nein, er war definitiv nicht der einzige Mörder im Raum. Sollte sie etwas dazu sagen?
Halte die Füße still. Das Mäuschen, dass die lange weggelaufen ist, wollte doch ins Theater. Nun liefert er eins. Lehn dich zurück und genieß den Zirkus.
Also packte sie ihren Absinth und lehnte sich zurück.
Lasset die Spiele beginnen.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 13 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Thorgrimm Fr März 04 2016, 15:59

Noch völlig in Gedanken vertieft, was Thomson und er tun konnten, um der Polizei und damit vielleicht sogar dem Strick zu entgehen, begriff Gilbert erst einige Sekunden später, was die Frau da genau von sich gegeben hatte. Die Erkenntnis traf den Maler mit der Wucht einer Bombe, nachdem er die Worte endlich verarbeitet hatte. "Sie wollen WAS?" brach es schließlich aus Gilbert heraus. Sie wollte tatsächlich freiwillig zu Norly und seiner Truppe zurück? Zu diesen gemeingefährlichen Kriminellen? "Haben sie die letzten Stunden vergessen, Ms. Thomson? Diese Menschen haben jemanden umgebracht. Sie haben mich dazu gebracht, eine Kutsche zu stehlen und sie im gleichen Atemzug irgendwie ohnmächtig gemacht. Diese Leute sind kriminell und gefährlich. Skrupellos. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Norly ein gesuchter Serienmörder ist und sie gehen freiwillig zu ihnen zurück?" Er konnte es immer noch nicht fassen. Ungläubig starrte er die ältere Dame vor sich an. Hatte er sich in ihr getäuscht oder war sie einfach nur vollkommen verrückt? Hatte sie vielleicht doch die letzten Stunden aufgrund von psychischem Stress verdrängt? "Denken sie an all das, was im Lagerhaus passiert ist. Das ist noch lange nicht alles, Ms Thomson. Ich hatte schon vorher mit Norly und den anderen in seiner Truppe zu tun. Was sie da vorhaben, ist völliger Irrsinn!"
Nein, das konnte sie einfach nicht ernst meinen. Dachte die Frau überhaupt nach? Gerade waren sie noch vor der Polizei geflohen und da hatten sie keine Zeit gehabt, sich Gedanken zu machen. Ms. Thomson sollte vielleicht erst mal ein bisschen Ruhezeit haben, um sich die ganze Angelegenheit durch den Kopf gehen zu lassen. "Sie sind der Polizei jetzt bekannt. Verstehen sie, was das für ihre Zukunft bedeutet, wenn sie jetzt noch mit Norly zusammenarbeiten? Man wird sie für eine Komplizin halten! Sollte man Norly und sie fangen, wird man sie beide hängen!" Gilbert vergrub sein Gesicht in seinen Händen und dachte angestrengt nach. "Denken sie an ihre Zukunft. Noch haben sie die Chance, das alles hinter sich zu lassen. Wenn sie zu Norly zurückgehen, dann ist es vorbei, Ms. Thomson. Sie sind nicht so wie diese Leute. Sie sind keine Kriminelle." Gilbert versank ein Stück auf dem Bett und sah auf den Boden. War seine gesamte Aktion umsonst gewesen? Hatte er Thomson nur gerettet, damit sie direkt wieder zu diesen Leuten zurückging? "Das kann doch wirklich nicht ihr ernst sein..." flüsterte er und schüttelte langsam den Kopf.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 13 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur Sa März 05 2016, 16:33

Müde glitt sein Blick zu Melinda hinüber, als sie sich einen Absinth bestellte. Natürlich gefiel es ihm nicht, aber er würde nichts dazu sagen. Es stand ihm auch gar nicht erst zu. Was Melinda betraf, hatte er versagt. Niemals hätte ihr widerfahren dürfen, was sie durchlebt hatte. Aber es war nicht rückgängig zu machen. Wie so vieles in Randolphs Leben.
Jetzt im Nachhinein sah er viele Dinge klarer. Er hätte sich gegen seinen Vater durchsetzen müssen, hätte Melinda in Sicherheit bringen müssen. Natürlich hätte Edmure es nicht zugelassen. Aber er hätte dennoch darum kämpfen müssen. Und wenn er dafür sein Leben als Chirurg aufgegeben hätte. Arzt zu sein war ohnehin noch nie das gewesen, was er sein wollte.
Die Leiber von anderen Menschen, von Frauen und Kindern aufzuschneiden und seine Messer in ihr Blut und Fleisch zu tauchen, während sie brüllten und sich ihre festgezurrten Körper am Operationstisch verzweifelt aufzubäumen versuchten.
Richter über Leben und Tod zu sein, ständig unter dem Druck, dass schon ein kleiner Fehler den Unterschied zwischen Beidem bedeuten konnte. Mit den Leichen leben zu müssen, die sich in seinem Kopf auftürmten. Die sich bleich und leblos an seinen Schädelknochen stapelten und mit ihrem vergossenem Blut sein Hirn tränkten.
Er hatte es nicht gewollt, aber gegen den Willen seines Vaters war er nicht angekommen. Seine Hirngespinste einmal Seefahrer zu werden, vielleicht irgendwann Kapitän eines eigenen Schiffes zu sein, waren ihm schnell ausgeredet worden.
Erst als er Lynette kennenlernte, fasste er schließlich die Kraft diesen Zyklus zu durchbrechen. Er erinnerte sich noch daran, wie alles seinen Anfang nahm. Eine Vierzehnjährige war eines Tages bei seiner Praxis aufgekreuzt. Eine Freundin von Melly. Es war das erste Mal, dass er seit ihrem Verschwinden wieder von ihr hörte. Sie hatte wieder einen ihrer schlimmen Anfälle gehabt.
Umgehend hatte er sich mit dem Mädchen aufgemacht und war ihr bis zu Mellys neuem Wohnort gefolgt. Dem Freudenhaus, natürlich.
Düsternis umwölkte Randolphs Gedanken, als er sich an diese Momente zurückerinnerte. Er hatte sich um sie gekümmert. Und er hatte sich um viele andere Huren gekümmert, als sie feststellten, dass er einer der wenigen Ärzte war, bei dem sie nicht befürchten mussten, dass er sich an Patienten aus ihrem Mileau vergriff. Dort war es auch wo er Lynette kennenlernte…zum ersten Mal in ihre dunklen Augen blickte, ihre ganze prachtvolle und dennoch auf gewisse Weise entstellte Schönheit erblicken konnte.
Er hatte sofort gewusst, dass sie nicht in der Gosse aufgewachsen war. Äußerliche Umstände waren es gewesen, wie auch bei Melinda und so vielen anderen dieser Frauen, die sie zwangen auf primitivste Weise ihren Körper für klingende Münzen anzupreisen. Für perverse Tätigkeiten, die sich nicht mehr als sexuell begreifen ließen. Und als er immer weiter in diese Welt eingeführt wurde und Lynette besser kennenlernte, fasste er schließlich den Entschluss sie und Melinda dort herauszuholen.
Als sein Vater von der Sache Wind bekam, war es das erste Mal, dass ihm Randolph wirklich die Stirn bieten konnte. Es war die längste und heftigste Diskussion, die sie bis dahin geführt hatten und jemals führen sollten. Niemals zuvor hatte er so lange Widerworten, Geschrei und Gebrüll standgehalten, aber Edmure Tremaine stellte wie immer sicher, dass er das letzte Wort haben würde. Kalter Zorn und Verzweiflung brodelte im Inneren des Doktors, als er den Raum verließ. Die Erkenntnis, dass es ihm niemals in seinem Leben gelingen würde, sich jemals gegen den Willen von Edmure durchsetzen zu können, dass er für immer machtlos gegen seine Worte bleiben würde, zermürbte seinen Geist. Alles was ihm blieb, war der eisig klare Gedanke, dass er sich befreien musste.

Alles war anders gekommen, als Randolph es gewollt hatte. Missmutig löffelte der Doktor sich weiterhin Eintopf in den Mund, während er noch auf Charles Antwort zu seinen Bedenken wartete. Vielleicht sollte er sich nach dieser Mahlzeit erst mal ein wenig zum Schlafen legen, bevor er heute Abend seinen Plan umsetzte. Sein gemarteter und erschöpfter Körper würde es ihm sicher danken.
Er würde nicht zu den Boxkämpfen auftauchen, sondern den anderen mitteilen, dass ihm der Absinth ziemlich zugesetzt hatte. Bowen würde sicher Verständnis haben und sich nur über die Trinkfestigkeit von Engländern lustig machen. Und wenn die anderen sich dann den blutigen Spielen zuwandten, würde er sich vom Gelände der Norman Mill entfernen und Crowne einen Besuch abstatten…falls er ihn bei einer der beiden Adressen antreffen konnte. Die prekären Informationen die dieses Notizbuch eventuell enthielt wollte er nur ihm persönlich übergeben. Es war so oder so ein Risiko, aber er musste wissen, was es mit Norly auf sich hatte. Und dieses Schriftstück mochte der Schlüssel dazu sein. Ein Schlüssel, den er aber nicht an einen Lakaien abtreten würde.
Danach konnte er wieder hierher zurückkehren und mit etwas Glück würde niemand auch nur Verdacht schöpfen.
Randolph blickte von seinem Eintopf auf, als er merkte, dass Norly zur Antwort ausholte.
Da Sie offenbar möchten, dass ich mich für meine Entscheidungen rechtfertige, was Sie auch anderweitig hätten formulieren können…
Fing ja schon mal gut an. Randolph hatte nicht zwingend eine Rechtfertigung erwartet, aber wenn Norly wollte, konnte er sich ruhig erklären. Er würde sich zurückhalten und ihn erst einmal ausreden lassen. Wenn der Doktor eines über diesen Mann gelernt hatte, dann das er es überhaupt nicht ausstehen konnte, wenn man ihn bei seinen Reden unterbrach. Charles hatte ihn zuvor auch seine Bedenken erläutern lassen, ohne ihm dazwischen zu fahren, also würde er seinen Gegenüber fairerweise ebenfalls gewähren lassen.
Randolph begann mürrisch auf seinem Eintopf herumzukauen, während er zuhörte. Er hatte schon jetzt die Befürchtung, dass seine Geduld noch stark strapaziert werden würde, aber er würde wohl durchhalten müssen.
Zuerst begann Charles über O’Sullivan zu erzählen. Er hatte natürlich Recht. Es war Charles der die ganze Verantwortung trug. Andererseits konnte man ihm vorwerfen, dass er auch nicht gewillt war, irgendjemand anderen in seine Pläne einzuweihen und etwas davon abzutreten. Darum ging es dem Doktor in dieser Angelegenheit jedoch gar nicht. Es ging um das Leben des Iren und eine Aussage an der sich Randolph schon mal stark störte war, dass Charles meinte, sie hätten den Iren nicht fortschicken können.
Das war Unsinn. Sie hätten es tun können und auch tun sollen. Dasselbe mit dieser alten Schachtel. Sie konnten nicht einfach jeden mitnehmen, der das Pech hatte ihnen über den Weg zu laufen. Wenn jeder sofort ein gefährdendes Risiko darstellte, dann durfte Norly mit niemandem mehr in Kontakt treten. Randolph war sich sicher gewesen, dass sie den Iren hätten loswerden können. Verdammt, der Kerl hatte am Vorabend selbst gesagt, dass er sich nicht aufdrängen wollte und bereit wäre zu gehen, wenn das ihr Wunsch war.
Er würde das auf jeden Fall auch ansprechen, sobald Charles zum Ende gekommen war…
…er wollte ihn davon abhalten, Melinda abzustechen? Randolph runzelte die Stirn. Er hatte die Aufmerksamkeit des Iren auf sich gezogen. Melinda war bei Charles‘ Freund gewesen und in keinerlei Gefahr. Was sollte das? Versuchte Charles sich nun die Geschehnisse nach seinem Belieben hinzubiegen? Definitiv hätte er Zeit gehabt etwas zu unternehmen, wenn er das wirklich gewollt hätte…
Doch was Norly dann sagte, ließ ihm das Blut in die Adern schießen. Das ist nicht dein beschissener Ernst, du Bastard. Randolph war der einzige Kerl im Raum gewesen, der nicht gleich die Nerven verloren hatte, als der Ire dieser Thomson eine scheuerte. Abgesehen vielleicht von Wright, der insgesamt mit allem überfordert gewirkt hatte. Norly und Melinda waren es gewesen, die auf den Kerl einschrien, einschlugen und ihm drohten. Er hatte nur versucht den bereits verursachten Schaden zu händeln. Die Aufmerksamkeit des Iren auf sich zu lenken und ihn eventuell zur Aufgabe zu zwingen.
So war es auch mit schwerverletzten Patienten. Um ihr Leben zu retten, musste man auch größere Risiken eingehen. Sonst waren sie tot. Sein Einschüchterungsversuch in der Lagerhalle war genau das: Eine Notoperation.
Und das Charles ihm nun die Schuld für seine und der anderen Fehltaten in die Schuhe schieben wollte, war unhaltbar. Ja, er hatte die Chance gehabt mit seinem Revolver etwas auszurichten. Die hätte er allerdings auch genutzt, wenn er es für nötig gehalten hätte. Ohne den Kerl umzubringen. Aber diese Wahl war ihm ja gar nicht gelassen worden, weil Charles Freund den Iren einfach vollkommen hirnlos niederschoss.
Er hätte dafür allein ja noch Verständnis gehabt, aber der Bursche war, wenn man Norly Glauben schenken durfte, Polizist. Er hatte vier Helfer und der Ire war lediglich mit einem Messer bewaffnet. Was war also der logischste Schritt? O’Sullivan umzubringen? Dieser Tod war der Sinnloseste, der ihm seit langem untergekommen war. Was für ein vollkommen verschwendetes Menschenleben.
Aber Charles konnte es auch nicht dabei belassen, ihn in diese Scheiße mit hineinzuziehen. Stattdessen begann er nun über den Toten herzuwettern. Er wollte erschossen werden…
Randolph fragte sich, ob sich Norly überhaupt selbst reden hörte, wenn er solchen Schrott von sich gab. O’Sullivan war ein vom Krieg geschädigter Geist gewesen. Er war gefährlich, aber ihn als feigen Säufer und Taugenichts darzustellen, beschmutzte die Ehre des gerade erst Verstorbenen. Es zeugte von Überheblichkeit und Respektlosigkeit sich über die Jämmerlichkeit eines Mannes auszulassen, dessen Ableben erst wenige Stunden her war und an dem man selbst nicht unerheblich beteiligt war. Randolph wollte kotzen.
Er hoffte inbrünstig, dass Charles nun schnell zum Ende kommen würde, denn lange würde er dieser provokanten und ekelerregenden Scheiße nicht mehr zuhören können.

Doch wie sich herausstellte, hatte Charles noch gar nicht richtig angefangen. Er musste zugeben, dass seine Erklärung zu den beiden Attentätern duchaus sinnvoll war, auch wenn er immer noch zornig war. Die Menschengruppe hatte zwar wohl aus Scarface und seinen Gefährten bestanden, aber dennoch…vermutlich machte er sich einfach nur Illusionen was die Beiden betraf. Billy hatte auch schon seine ursprüngliche Absicht erwähnt Stirling auszurauben. Vermutlich waren sie wirklich genau das, als was sie verurteilt wurden. Aber trotzdem…es schmerzte Randolph, an das Schicksal seines Patienten  zu denken. Donny war ganz sicher kein völlig böser Mensch gewesen. Vielleicht hätte er sich verändern können…
Immerhin war Norly nun von dem O’Sullivan-Thema weggekommen. Vielleicht sollte er..

Zusammenfassend sind Sie gleichermaßen taktlos, wie heuchlerisch, Dr. Tremaine.
Der Doktor meinte nicht richtig gehört zu haben. Wie bitte? Er starrte Norly an. Randolph schoss die Röte ins Gesicht. Erst wurde ihm der Tod des Iren angekreidet und jetzt wurde er auch noch beleidigt? Von Ihnen muss ich mir nicht anhören, keine Skrupel zu besitzen. Rede ruhig weiter…
Sich hier als Menschenfreund aufzublasen, ist angesichts des Umstands, dass Sie der einzige Mörder hier im Raum sind, äußerst selbstgerecht, finden Sie nicht auch?
Randolph konnte es nicht fassen. Was bildete sich diese arrogante Stück Scheiße ein? Glaubte dieser Bastard etwa, dass er Gefallen daran hatte seinen Vater umzubringen? Dass er stolz auf sich war? Dass es ihm vielleicht Freude bereitete, keine einzige Nacht in Ruhe schlafen zu können? Überhaupt. Warum glaubte diese beschissene Drecksvisage, seine Geheimnisse einfach vor diesen Leuten ausplaudern zu können und das einzig und allein, um ihn zu demütigen?
Randolph legte den Löffel nieder und starrte seinen Gegenüber unverwandt an.
Einen anderen Grund konnte es dafür wohl nicht geben. Er hatte seine Taten zuvor schon bereitwillig eingestanden. Aber Norly wollte ihn offenkundig vor diesen Menschen und Melly niedermachen und ihn als Lügner und Psychopathen darstellen. Für was? Dafür dass er seine Meinung sagte und nicht einverstanden damit war, über Leichen zu gehen? Er hatte genug von dem selbstherrlichen und bornierten Geschwafel dieses Bastards.
Am Liebsten würde Randolph ihm seine hässliche Fresse demolieren, dafür was er Melly angetan hatte, aber er musste sich anhören, wie ihm Ehrenlosigkeit vorgeworfen wurde, obwohl er sich jahrelang für die Prostituierten in Soho eingesetzt hatte und sich gut daran erinnerte, wie er Jacob damals für seine Vergehen brutal zusammengeschlagen hatte. Dass Charles ehemaliger Handlanger Stirling eine wehrlose Frau einfach erschossen hatte, schien ihn dafür damals verhältnismäßig wenig gestört zu haben.
Aber Charles beendete damit seine Tirade noch lange nicht. Nein, er musste ihm noch viel mehr Scheiße unterstellen. Dabei war es, der sich in seiner Praxis zugesoffen hatte und der sein Geld auf Boxkämpfe verwettete. Er hatte die Schnauze so was von voll. Dieser Kerl nannte ihn also einen Heuchler. Er war es, der sich um Arthur bemüht hatte, der ohne zu Zögern bei der Ausschaltung der Attentäter und Thompson mitgeholfen hatte, der aus Sorge um ihn in diese Fabrik eingedrungen war.
Aber wenn ihm auch nur eine Sache nicht passte, wurde ihm Unrat ins Gesicht geschleudert. Und das auch noch vor Melindas Augen. Die schien dazu gar nichts sagen zu wollen. Natürlich nicht. Ihr war ja auch sein Rat, Norly in Ruhe zu lassen, egal gewesen. Nein, sie musste ja sofort wieder zu dem Perversen zurückrennen, der sie wochenlang beobachtet und dann entführt hatte. Wahrscheinlich hatte sie sogar gleich noch mit ihrem vergötterten, unfehlbaren Charles gefickt. Der bloße Gedanke daran rief in ihm Brechreiz hervor und das Verlangen seinem Gegenüber mit dem Krückstock den Schädel zu zertrümmern. Es war an der Zeit, dass er von hier verschwand, oder er würde nicht mehr für sich garantieren können.
„Oh, ich störe also beim Essen?“, Randolph hob die Augenbrauen und lachte. Er konnte sich nicht mehr länger zurückhalten. Sein Lachen klang verzweifelt und wohl ein wenig irre. In ihm brodelte tiefer Hass. „Ich muss mich entschuldigen, das war natürlich nicht meine Absicht. Wobei ich mich wundere…“
Seine bleiche Klaue schloss sich um das Holz des Krückstocks, als er seinen knochigen Körper in die Höhe stemmte. „…dass sie es so bedenkenlos zu sich nehmen. Schließlich wissen sie ja, wie ich meinen Vater umgebracht habe.“
Randolph wandte sich humorlos lächelnd zu Bowen um: „Ja, richtig. Es war mein Vater, denn ich ermordete. Ich weiß gar nicht, warum Norly dieses hübsche Detail nicht erwähnte, als er euch so freigiebig ungefragt über meine Person erzählte. Ich habe ihm Gift in seinen Kaffee gemischt, an dem er dann krepierte. Wundervoll, nicht wahr?“
Sein Blick fiel zurück auf Norlys narbige Fresse: „Und Ihnen mein Lieber, muss ich gratulieren. Sie haben mich völlig durchschaut. Ich habe gut geschauspielert, mich heimtückisch und niederträchtig getarnt, wie ein Chamäleon. Aber ihren überlegenen, genialen Geist konnte ich nicht überlisten. Ja, ich bin ein Heuchler. Was interessieren mich irgendein verschissener Ire und ein paar Kleinkriminelle? Schade dass die Beiden nicht genauso elendig krepiert sind, wie dieser rothaarige Bastard, das hätte mir gefallen! Denn darum bin ich ja Chirurg geworden, nicht wahr? Damit ich genüsslich dem qualvollen Verrecken von Menschen beiwohnen kann.“
Er schob den Stuhl zurück an die Tischkante.
„Ich denke, ich entferne mich nun besser. Schließlich möchte ich nicht, dass sich ihre Freunde Sorgen um ihre Familie machen müssen. Keineswegs habe ich vor euch weiterhin durch meine Anwesenheit zu belasten.“
Er zwinkerte Bowen zu: „So, ich hoffe das war unterhaltsam genug für sie. Ich wünsche Ihnen, Mr. Norly eine angenehme Rückreise nach London, denn wenn ich es mir recht überlege, werde ich selbige lieber separat, als in ihrer Gegenwart antreten. Für mich geht es nun erst mal in die Innenstadt. Ein paar Kinder ermorden und mir die Birne wegsaufen. Das ist nun genau nach meinem Geschmack.“
Er drehte der Gruppe den Rücken zu und begann Richtung Saalende loszumarschieren: „Euch noch ein gutes Mahl!“
Randolph humpelte weiter, ohne sich umzudrehen. Die Wut brannte immer noch in ihm. Melly brauchte er wohl gar nicht erst fragen, sie würde ihn ohnehin nicht begleiten wollen. Der ideale Zeitpunkt um Crowne aufzusuchen. Jetzt hatte erst recht keine Scham mehr Norlys Geheimnisse zu verkaufen. Diesen schien das ja auch nicht zu kümmern. Ab jetzt, würden sich einige Dinge ändern.
Norly konnte man offenkundig mit Vernunft nicht beikommen und er lernte rein gar nichts aus seinen Fehlern. Er würde nun ein klein wenig Eigeninitiative ergreifen.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 13 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Leo So März 06 2016, 00:26

Wright reagierte noch heftiger, als Maura angenommen hätte. Verdammt, vielleicht noch lauter?! Instinktiv sah sie sich im Zimmer um und hoffte, dass man ihn nicht durch die Wand hören konnte.
Was der Mann sagte, überraschte sie nicht – sehr wohl aber überraschte sie, wie blind Wright wirklich war. Das war nicht mehr naiv, sondern blind … offenbar übersah Wright Fakten wissentlich, ignorierte sie wie hohles Gerede. Dass die Polizisten sogar seinen Namen gekannt hatten, schien so ein Fakt zu sein. „Ich habe meinen Selbsterhaltungstrieb noch nicht verloren“, erwiderte sie trocken, dann ließ sie sich neben Wright auf dem Bett nieder und nahm die Hände aus den Taschen. Irgendwo hatte er ja sogar recht – natürlich war es Irrsinn, zu diesem Haufen Krimineller zu gehen. Aber war sie nicht selbst eine von diesem Schlag? Das war noch etwas, das Wright verdrängt hatte. Er hatte sie genau gesehen, in der Lagerhalle, als sie schwach geworden war und den Iren attackiert hatte. Einfach so, ohne Hintergedanken … sie hatte ihm einfach nur wehtun wollen, den Scheißkerl, dem Schiefzahnwichser.
Es war gut, dass er tot war … Vielleicht glaubte sie das irgendwann, wenn sie es sich weiter einredete.
Einen Moment lang wollte sie auch Wright wehtun, ihn schütteln, ihn anschreien, damit er aufwachte. Noch haben Sie eine Chance. Einen Scheißdreck hatte sie!
Mr Wright, mit Verlaub, aber Sie scheinen den Ernst der Lage zu unterschätzen.“ Sofort hatte sie ihre Gedanken wieder unter Kontrolle. Jedes ihrer Worte mit Höflichkeit bestrichen, wie mit Honig. „Sie sagen es doch selbst! Ich bin der Polizei bekannt, und Sie sind es auch. Die Polizei steht momentan unter enormem Druck, und sie wird jeden Komplizen Scarfaces dankend annehmen, oder jeden, den sie dafür hält, und sei es nur, um ein Exempel zu statuieren. Und Sie und ich – wir sind zwei, die in ebenjenes Minenfeld nun geraten sind, verstehen Sie? Es war ein unglücklicher Zufall, natürlich, aber die Polizei hält uns nun für Norlys Komplizen, keine Frage.“ Sie rieb sich über die Stirn. Verdammt, waren das Falten? „Ich würde nicht ohne Grund zu Norly zurückgehen – das müssten Sie eigentlich wissen. Aber mir bleibt keine Wahl! Und Ihnen auch nicht, Wright.
Sie rieb sich über die müden Augen, dann wandte sie den Kopf und sah Wright direkt an, forschend. Herausfordernd. Sah er William nicht doch irgendwie ähnlich? Wenn auch nur ein bisschen? „Denken Sie nach! Die Polizei kennt selbst Ihren Namen – wieviel Freilauf wird sie Ihnen noch lassen, zwei Tage? Drei? Auch Sie sollten zurück zu Norly, Mr. Wright. Wir beide, als Team – das kann funktionieren. Gemeinsam könnten wir diese Geschichte zu einem guten Ende führen, davon bin ich überzeugt!“ Tief drinnen spürte sie ihre alte Neugierde wieder aufflammen. Die Leidenschaft zum Rätsellösen … vermutlich eine Berufskrankheit. Sie drosselte das Feuer, so gut es ging, bevor Wright noch etwas bemerkte. Jeder brauchte seine Geheimnisse … und Robert Thomson war das Ihre. Eines der Ihren.
Aber ich werde Sie nicht zwingen können, und anbetteln werde ich Sie nicht, das wissen Sie. Sagen Sie mir nur, wo ich Norly finden kann, mehr verlange ich nicht. Ich kann Sie nicht dazu bringen, das Notwendige einzusehen – das können Sie nur selbst.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 13 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Elli Mo März 07 2016, 15:47

Melinda nahm ihren Absinth zur Hand. Sie verzichtete darauf Zucker anzuzünden und das ganze mit Wasser zu verdünnen, sondern trank das grüne Getränk mit einem großen Schluck aus. Der Alkohol brannte in ihrem Hals und der Schmerz den sie spürte, war immerhin ein Zeichen dafür das sie lebte und das alles hier kein großer, böser Traum war. Schade eigentlich. Melinda hätte es sich gewünscht. Stattdessen stand sie nun auf, gegessen hatte sie gut und ging auf den King zu. Sie blieb stehen, ihre Augen wanderten über die Tattoo's und sie griff nach der Absinthflasche. "Danke." Die Tattoos erzählten seine Geschichte, er würde sicher verstehen, warum sie die Flasche nahm. Einige der bunten Bildchen sollten wohl auch auf ihrer Haut zu sehen sein. Sie würde sich bei Gelegenheit eine Nadel und etwas Tinte besorgen. Nicht nur Männer sollten erzählen wer sie waren. Auch Frauen.
Bevor sie aus der Tür verschwand, drehte sie sich um.
"Wenn die Herren es schaffen sich nicht anzugiften, nehme ich gerne wieder an der Gesellschaft teil." Sie hob die Flasche über den Kopf und schüttelte sie leicht. Ein Spritzer des Alkohol tropfte ihr ins Gesicht. Makaber, wie eine Träne rann er ihre Wange entlang, bis sie den Tropfen mit der Zungenspitze aufnahm. "Happy Birthday to me." Dann ging sie, diese kindische Scheiße ging ihr auf den Sack. Sollte Charles doch maulen, sollte er doch schlecht drauf sein. Egozentrischer Mistkerl.
Sie erblickte noch Randy, der den Raum kurz vor ihr verlassen hatte. Sie überholte ihn. "Es ist Zeit erwachsen zu werden. Hebt euch den Kindergartenmist für andere Gelegenheiten auf."
Ihre Stimme nahm einen weinerlichen, aber sehr sarkastischen Ton an.
"Aber er hat angefangen!
Er hat das und das gesagt.
Er hat was gesagt ohne das ich es wollte.
Er hat das Buch geklaut.
MIMIMIMIMIMIMIMIMIMIMIMI.

ARGH! Vergiss nicht wer deine Freunde sind Randy. Hast du auch ihnen abgewandt heißt das nicht, dass sie das auch getan haben. Noch nicht."
Doch auch hier verweilte sie nicht, sondern ging weiter die Treppen rauf.
Sie suchte sich ein Zimmer ohne zu achten welches es war. Schloss die Tür hinter sich und sank an die Tür gelehnt auf den Boden. Sie trank einen weiteren großen Schluck und legte sich langsam auf die Seite.
Eins stand fest: sie würde morgen wieder in London sein.
Ob mit Charles, oder ohne.
Ob mit Randy, oder ohne.
Die Scheiße würde sie sich nicht weiter antun.
Darauf einen Toast, meine Hübsche! Du wirst sicher noch 100 betuchte Männer finden, die an dir interessiert sind und nicht nur an deinem Körper. Hahahahahaha.
Melinda schloß die Augen, vermutlich hätte sie geweint, hätte sie sich nicht schon vor Jahren geschworen, nie wieder wegen eines anderen Menschen zu heulen.
Es sei denn natürlich es ist Kalkül und es lohnte sich für dich, verquollene Augen zu haben.
Warum waren Männer immer so veranlagt, anderen zu zeigen, dass sie ja viel schlimmer waren als man selbst. Ätzend.
Du bist ihnen nichts wert. Vergiss nicht was du bist. HURE.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 13 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Thorgrimm Di März 15 2016, 15:41

"Nein." Gilbert schüttelte heftig den Kopf. Wie konnte diese Frau das nur von ihm verlangen? Natürlich wusste er, wo sie Norly finden konnte aber sagen würde er es ihr nicht. Wieso auch? Damit sie ihre letzte Chance vergeudete? Für so ein sinnloses Unterfangen? Wieso wollte sie nur unbedingt zu diesen Leuten zurückkehren, wo sie doch noch eine reelle Chance hatte, sicher aus dieser Stadt herauszukommen. "Nein, Ms Thomson. Ich will ihnen nicht zu diesem Fehler verhelfen. Sie haben Recht damit, dass die Polizei uns für Norlys Komplizen hält aber noch haben wir eine Chance, ihnen zu entwischen. Noch können wir fliehen und woanders untertauchen. Wenn sie jetzt zurückgehen, werden sie diese Chance nie wieder bekommen." Gilbert dachte nach, wie er die Frau auf seine Seite ziehen konnte. Seine Stirn legte sich in Falten. "Sie sind zwar der Polizei bekannt aber bisher weiß diese nur, dass sie in Norlys Herrenhaus waren und geflohen sind. Das macht sie noch nicht zu einer Komplizin. Zur Not können sie behaupten, man hätte sie bedroht und gezwungen, nicht mit der Polizei zusammenzuarbeiten."
Er sah Maura jetzt kritisch an und musterte sie genau. "Sonst können sie doch auch so gut Geschichten erfinden. Lassen sie sich etwas einfallen - die Polizei hat nicht viel gegen sie in der Hand." Gilbert fasste sich jetzt an die Brust. "Ich dagegen, bin bereits das zweite Mal in Verbindung mit Norly aufgetaucht. Ihre Möglichkeiten habe ich leider nicht mehr." Doch noch war Gilbert nicht fertig. Mit neuer Energie fuhr er fort.
"Und glauben sie wirklich, dass wir beide diese Sache zu einem guten Ende führen können? Wofür halten sie uns? Helden? Unerschrockene Streiter, die heroisch gegen den bösen Massenmörder kämpfen?" Eigentlich passte dieser Tonfall überhaupt nicht zu Gilbert aber langsam wusste er nicht mehr weiter und achtete nicht mehr darauf. Auch seine Wortwahl litt darunter. "Ich bin ein verdammter Maler, Ms Thomson! Ich bin kein Held. Ich habe mein ganzes Leben nichts anders gemacht, als den Pinsel zu schwingen. Für so etwas bin ich einfach nicht geschaffen." Auch wenn er es bereits erwähnt hatte, konnte es nicht schaden, es noch einmal ganz deutlich zu sagen.
"Norly ist ein Serienmörder. Wollen sie wirklich mit diesem Mann zusammenarbeiten?" Er erwartete keine Antwort auf diese rhetorische Frage und fuhr deshalb nach einem lauten Seufzen fort. "Bitte tun sie das nicht. Sie können nicht von mir verlangen, für ihren Tod verantwortlich zu sein - denn darauf wird es früher oder später hinauslaufen, wenn ich ihnen sage, wo sie Norly finden können. Selbst wenn er es nicht tun wird, wird es eine seiner Aktionen sein, bei der sie sterben. Oder einer seiner Komplizen. Oder die Polizei. Verstehen sie das nicht?" Gilbert war mit seinem Latein am Ende. Er würde Ms. Thomson diese letzte Chance geben, es sich noch einmal anders zu überlegen.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 13 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Leo So März 20 2016, 01:32

Einen kurzen Moment war Maura sprachlos. Wright weigerte sich. Damit hatte sie nicht gerechnet. Vielleicht damit, dass er sich ein wenig sträuben würde, aber nicht mit einer Weigerung, und nicht mit dem weinerlichen Gerede, das ihm folgte. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie ihre Worte zurückhatte, während denen sie Wright einfach nur anstarrte. Nicht zu fassen … was dachte der Kerl, wer er war, ihr Vormund?! Als ob er für sie zu entscheiden hätte, was richtig war und was nicht! Nie wieder, hatte sie sich geschworen, nie wieder wollte sie einen anderen über ihr Leben entscheiden lassen. Schon gar keinen Mann … und erst recht keinen Mann, der sich beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten in sein Schneckenhaus zurückzog. Und jetzt wollte dieser …!
Ruhig bleiben, Maura. Sag ihm nicht, was du denkst … zeig es ihm nicht. Am liebsten hätte sie ihrem Entführer eine reingehauen. Schon wieder. Bleib einfach höflich.
Der Kampf in ihrem Inneren drang nicht nach außen. Stattdessen bemühte sie sich um jenen salbungsvollen Ton, mit dem sie Wright auch zuvor schon angesprochen hatte. „Ich betone es noch einmal, Mr. Wright – ich denke, Sie unterschätzen die Gefahr, in der wir uns bereits unweigerlich befinden. Und es geht auch nicht um das was ich will oder nicht will – es geht hier um etwas, das ich tun muss, verstehen Sie? Wenn diese Polizisten uns in die Hände bekommen, werden sie keine Fragen stellen. Dann kann ich mir so viel ausdenken, wie ich will, es würde nichts nützen.“ Ein vorwurfsvoller Unterton mischte sich unter das Gesagte. Maura hielt inne, schloss die Augen und kniff sich in die Nasenwurzel. Sie durfte Wright auf keinen Fall vergraulen … jedenfalls nicht, bevor sie nicht die Informationen hatte die sie brauchte.
Als sie die Augen wieder öffnete, hatte sie sich wieder im Griff und brachte sogar ein kleines Lächeln zustande. „Mr. Wright, nie würde ich Sie für meinen Tod verantwortlich machen, auch wenn ich ihn in solcher Bälde nicht vermute. Ich bin ein freier Mensch wie Sie, und meine Entscheidungen mitsamt ihrer Verantwortung betreffen allein mich. Sie sind nicht verantwortlich für das, was mit mir geschieht … ich bitte Sie nur um Ihre Mithilfe. Ich bin Norly noch nicht lange begegnet, aber …“ Sie sah zur Decke und suchte nach einer passenden Formulierung. „Er schien mir mit Sicherheit nicht der Mann zu sein, als den man ihn darstellt. Ein Serienmörder?“ Sie hob die Hände auf Schulterhöhe. „Er beteuerte, das nicht zu sein. Vielleicht ist er es dennoch … Doch darüber möchte ich mir meine eigene Meinung bilden können. Ich muss nicht nur zu ihm zurückkehren …“ Sie wandte den Blick wieder Wright zu. „… ich möchte es auch.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 13 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Umbra Di März 22 2016, 22:40

Charles‘ Mimik änderte sich um keine minimale Regung, während er, wider Erwarten, eine erboste Tirade von Seiten des Doktors ertragen musste. Er unterbrach diese nicht. Er hörte sie sich einfach nur ein. Und stufte sie als beleidigte Überreaktion ein, wo doch eigentlich eine Entschuldigung angemessener gewesen wäre. Nein, wieder einmal war Charles der Buhmann. Wie sollte es auch anders sein?
Charles beschloss, nicht darauf einzugehen. Er wollte wirklich nur in Ruhe essen, sich waschen und dann schlafen. Und davon würde ihn auch die haltlose Drohung, sich besser um den Inhalt seines Tellers Sorgen machen zu sollen, nicht abhalten. Zugegeben, es war nicht gerade beruhigend und auch nicht dem Appetit zuträglich, aber Charles aß demonstrativ weiter, als Randolph den Raum verließ. Sollte sich der werte Herr Doktor ruhig einen Beruhigungsspaziergang im eiskalten Regen gönnen und sich in seiner ungerechten Undankbarkeit suhlen!
Kurz darauf blickte Charles jedoch wieder von seinem Teller auf, da Melinda aufstand, nach der Absinthflasche griff und sich beschwerend verschwand. Happy birthday to me. In diesem Moment regte sich in Charles doch ein schlechtes Gewissen.
„Ich weiß, du legst nicht immer Wert auf gehobene Gesellschaft, Schätzchen“, gewann Rosie seine Aufmerksamkeit, „aber mit den beiden hast du den Vogel wirklich abgeschossen.“
Charles war sich nicht sicher, ob sie damit Recht haben mochte.
„Dramatische Abgänge sind nicht nur meine Stärke“, entgegnete er mit einem leichten Lächeln. Allerdings fühlte er sich sehr unbehaglich.
„Sie werden sich bis zu unserem Aufbruch schon wieder beruhigen…“, überlegte er dann laut. „Miss Bolt und der Doktor sind keine schlechten Menschen. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich sie wohl besser in London gelassen hätte. Das hat unser Verhältnis zueinander unvorhergesehenerweise etwas verkompliziert“, gab er zu. „Der Doktor wird ausfallend und streitlustig, wenn er ohnehin schon gereizt ist – und das ist Dank der Schmerzen, unter denen er leidet, wohl zum Dauerzustand geworden.“
Daran mochte der soeben geschehene Frustausbruch wohl gelegen haben.
„Eine längere Ruhephase würde uns allen guttun, doch die muss noch etwas warten.“
Bowen lehnte er ungeniert mit seinem Stuhl zurück und kippelte damit.
„Euch hat niemand vor die Tür gesetzt“, meinte er, nachdenklich und nicht ganz entspannt. Es war eine Einladung, zu bleiben. „Obwohl ich es bei deinem Doc in Erwägung gezogen hätte, wäre er noch länger in meiner Küche geblieben. Er ist nicht nur den Kindern unheimlich.“
Die Kinder. Charles kam erst jetzt in den Sinn, dass sie alles mitangehört hatten. Er selbst war sich sicher, sich im angemessenen Rahmen für solche Gesellschaft bewegt zu haben. Dr. Tremaine hingegen… Nun wagten sich die Mädchen langsam wieder hinter Rosie hervor.
Lediglich Toby, der Bursche, der den Absinth gebracht und sich neugierig dazugesellt hatte, wagte es, sich in das Gespräch der Erwachsenen einzumischen und sogar direkt das Wort an Charles zu richten:
„Hat der wirklich seinen Vater…?“, ließ der Junge unvollständig.
„Warum sollte jemand so etwas erfinden?“, antwortete Charles. Zumindest sein Tonfall war nun wieder frei von Ärger. Er war sogar bereit, Randolphs Worte und Taten aus seiner Sicht zu bewerten, ohne seine innere Wut in das Urteil einfließen zu lassen.
„Hin und wieder wirkt er etwas labil, aber das ist alles nur ein Zeichen von leichter Überforderung, auf die er rein verbal reagiert. Eine Gefahr geht von ihm nicht aus. Meinem Teller ist er nicht einmal nahe gekommen, er wollte mich nur verunsichern. Ich bin überzeugt, dass er äußerst gewissenhaft mit dem hippokratischen Eid umgeht, und diese eine umnachtete Ausnahme bereut. Ich habe soeben wohl einen wunden Punkt erwischt. Diese Wogen werden sich allerdings schnell wieder glätten.“
Davon war Charles überzeugt.
„Wenn ich es mir recht überlege“, wechselte er das Thema, „sollte ich mich nun auch wieder zurückziehen und etwas Ruhe finden, bevor wir aufbrechen. Für unsere Sicherheit auf dem Weg nach London ist es gewiss von Vorteil, wenn meine Wachsamkeit nicht stark eingeschränkt ist. Die Mahlzeit war wirklich köstlich, Rosie.“ Er lächelte sie an, ohne sich dazu zwingen zu müssen.
Anschließend machte Anstalten, aufzustehen.
„Bitte entschuldigt m…“, setzte er an, fühlte sich aber von einer tätowierten Hand unterbrochen, die sich auf seine Schulter legte und ihn zurück auf den Stuhl drückte.
Rosie übernahm das Wort:
„Du bist noch nicht aus dem Schneider, Charles“, erklärte sie. „Du hattest doch nicht etwa vor, abzuhauen, ohne uns ein paar Fragen zu beantworten.“
In ihrer Stimme meinte Charles Gereiztheit wahrzunehmen. Er schob Lloyds Hand von seiner Schulter und blieb sitzen.
„Zum Beispiel“, fuhr sie fort. „Tut das hier sehr weh?“ Zur Verdeutlichung, was sie meinte, tippte sie sich an den eigenen Haaransatz auf ihrer Stirn. „Sieht auf jeden Fall schmerzhaft aus.“
Charles lächelte, unsicher, was er von dieser Frage halten sollte. Er fürchtete, dass aus ihr nicht die Sorge um sein Wohlergehen sprach.
„Es war schon einmal übler“, antwortete er dennoch, „doch angenehm ist es immer noch nicht.“
Der Hieb mit der Flasche, den Stirling ihm verpasst hatte, hatte wahrlich nicht so schöne Spuen hinterlassen. Der Heilungsprozess war noch nicht abgeschlossen und die Kopfschmerzen tauchten immer wieder auf.
Charles spürte, dass dieses Gespräch in einer Richtung ging, die ihm nicht behagte. In eine bedrohliche Richtung. „Seht, ich bin wirklich äußerst erschöpft. Warum plaudern wir nicht später?“
Rosies Blick wurde härter.
„Weil ich nicht länger warten möchte. Das schuldest du mir, mein Lieber. Also: Hat sich Vater sich gegen dich gewehrt? Der Doktor hat uns erzählt, dass du mit dieser Wunde am Tag seiner Ermordung bei ihm aufgetaucht bist.“
Charles verstand. Es war höchste Zeit, diesen Irrtum richtigzustellen!
„Oh, nein“, beeilte Charles sich, zu versichern, „das hier war ein Missverständnis mit Mr. Stirling. Ihr denkt doch nicht wirklich, ich hätte Ed etwas antun können? Nein, nein“, betonte er ernsthaft, aber äußerst bedauernd, „ich habe vollkommen unbewusst seinen Mörder zu ihm geführt. Ich wurde verfolgt. Es war mein Fehler, ich gebe es zu, und ich fühle mich grauenhaft deswegen.“
Also erzählte Charles ihnen in den folgenden Minuten, was passiert war. In groben Zügen. Er wollte sie nicht zu sehr aufregen. Er erzählte, dass er sich Eds Kutsche geliehen hatte, auch, wozu er sie gebraucht hatte. Dass er Ed betäubt hatte, verschwieg er lieber. Dann aber holte er weiter aus und erzählte die ganze Scarface-Angelegenheit von Anfang an. Wie er von Hill hereingelegt worden war, dass auch die Morde, zu denen es während seiner Flucht vom Scotland Yard gegeben hatte, geplant gewesen sein mussten. Man hatte ihm eine Falle gestellt. Charles erzählte von den Geschehnissen, zu denen es nach diesem Ereignis gekommen war, dass er sich von anderen möglichst ferngehalten hatte, wie er begonnen hatte, Nachforschungen anzustellen und es schließlich gewagt hatte, Menschen, die ihm helfen konnten und würden, weil sie sich in einer ähnlichen Situation wie er befanden, zu kontaktieren. Charles erzählte von den Ereignissen der letzten Tage, den Ereignissen in Hills Haus, den übrigen Vorfällen in London und ihrer bisherigen Zeit in Manchester. Er ging ins Detail, wo er es für nötig hielt, und beantwortete Nachfragen, so gut er wollte.
Bowens und Rosies Neugier schien schlussendlich befriedigt zu sein, und auch wenn die Trauer um und die Wut über Eds grauenhaftes Ende so nicht geschmälert wurde, war Charles nach der Offenlegung der Ereignisse nicht mehr das Ziel dieser geladenen Emotionen. Er wusste, dass er die beiden als Freunde nicht verloren hatte und dies war ein erhellender Gedanke. Es tat gut, dass sie ihm glaubten und auch versuchten, ihm zu helfen, indem sie Anregungen gaben. Charles versprach, Eds Mörder um jeden Preis zu finden. Sobald er wieder in London war, würde er den Spieß umdrehen und diesem Mistkerl eine Falle stellen. Er musste nur dafür sorgen, dass der Täter sich wieder an seine Fersen heftete – und das sollte nicht allzu schwer sein (Charles glaubte nicht daran, dass dieser ihm nach Manchester gefolgt war).
Bevor Charles aufstand und sich abermals entschuldigte (diesmal hielt man ihn nicht auf), bedankte er sich noch einmal dafür, dass Bowen und Rosie das Vertrauen in ihn nicht verloren hatten und ihm halfen. Allerdings gedachte er wirklich nicht, die Gastfreundschaft der beiden noch lange in Anspruch zu nehmen. Es wäre vermutlich wirklich erholsam für alle, ein paar Tage Abstand von den jüngsten Geschehnissen zu nehmen und die Wunden zu lecken, jedoch würde dadurch Zeit verloren gehen, die sie einfach nicht übrighatten. Je eher Charles sich in London wieder um das eigentliche Problem kümmern konnte, desto besser. Der Ausflug nach Manchester war ein Fehler gewesen. Er hätte Johanna einfach allein in einen Zug setzen sollen. Er hatte sie auf dem Weg beschützen wollen, doch sie durch seine Anwesenheit an ihrer Seite erst in Gefahr gebracht. Sie und alle anderen. Dennoch gab Charles sich nicht die Schuld daran, dass die Situation sich so entwickelt hatte, wie sie sich entwickelt hatte. Stirlings Laufburschen hatten alles ins Chaos gestürzt, was zwei Schwerverletzte, einen Toten und mehrere minder Verletzte zur Folge gehabt hatte. Charles würde Alan zur Rede stellen, das war gewiss. In London. Vielleicht hatte er Glück und die Polizei hatte diesen stinkenden Säufer noch nicht festgesetzt.
Als er so an Stirling dachte, fiel Charles etwas ein, noch bevor er die Türschwelle der Küche übertreten hatte: Seine eigene Körperhygiene ließ momentan gezwungenermaßen ebenfalls zu wünschen übrig ließ. Er erlaubte es sich, Rosie nach sauberer Kleidung zu fragen. Charles wusste, er würde sich erst wieder wohlfühlen, wenn sich nichts mehr an ihm klebte – ob Schweiß, Blut oder Gott-weiß-was. Natürlich verabschiedete er sich ungern von seinem Seidenhemd und seinem Tweedanzug, aber bequem war beides gerade wirklich nicht mehr und edel sah es noch weniger aus. Wäre der Aufenthalt hier in der Norman Mill nicht so ungeplant gewesen, hätte er seinen Koffer hier gehabt. Nicht nur seine eigene Kleidung vermisste er jetzt schon, sondern auch die Möglichkeit, sich mit den eigenen Pflegeutensilien frischzumachen. Bevor er mit den anderen nach London aufbrach, musste er unbedingt seinen Koffer aus seinem Haus holen. Dort befand sich auch noch sein Gewehr und sein Werkzeug… beides sollte er nicht zurücklassen. Seine Prothese bedurfte Wartung, sonst würde er es schon bald bereuen, dies vernachlässigt zu haben.
Charles wunderte sich nicht, wohin seine Gedanken abschweiften. Er war zu müde, um sich dessen überhaupt bewusst zu werden. Er folgte Rosie einfach, die seinem Anliegen hilfsbereit zugestimmt hatte.
Sie führte ihn nicht auf dem gleichen Weg hinaus, den er gekommen war, wofür er dankbar war, denn dann bliebe es ihm erspart, vom Regen nass zu werden. Der alte Fabrikkomplex barg mehr Geheimnisse, als es von außen erahnen ließ, und Charles ging davon aus, fast alle zu kennen. Was Lloyds Truppe in Charles‘ Abwesenheit hier alles trieben, wusste er natürlich nicht und er wollte es auch gar nicht wissen, aber Charles kannte das Grundstück schon seit seiner Kindheit. Ein praktischer Umstand war, dass das Fabrikkomplex und das Verwaltungsgebäude unterirdisch miteinander verbunden waren. Dort im Keller hatte man zu Betriebszeiten alles Mögliche gelagert – nun ebenfalls, wenn auch andere Dinge. Dinge, die dort nicht auf legalem Wege hingelangt waren. Viele Dinge, besonders diejenigen, die sich nicht sofort zu Geld machen konnten. Die Bruisers waren recht eifrig darin, sich fremdes Eigentum anzueignen. Dies war ihre Haupteinnahmequelle und vielleicht eins ihrer offenen Geheimnisse. Eben deswegen war Charles dankbar dafür, dass Lloyds Identität als Anführer der Bande und die Norman Mill als seine Unterkunft, unbekannterer Natur war. Charles‘ Ruf war bereits stark geschädigt, aber immerhin unterstellte man ihm noch nicht, mit kriminellen Straßengangs zu paktieren.
Bevor es unter die Erde ging, führte der Weg jedoch tiefer in die Fabrikhalle hinein. Charles spürte eine düsterne Aura in sich, als er aus dem Holzgangsystem auf die Brücken der weitläufigen Fabrikhalle schritt. Staub und Rost prägten das Sichtfeld. Kisten über Kisten. Säcke, alte Maschinerie. Schon lange kalte Kessel. Das Rattern der Spinnräder klang unheilvoll in seinen Ohren. Es war noch nicht genug Zeit vergangen. Hinter sich gelassen hatte Charles sein altes Leben nicht. Das konnte er nicht, so sehr er es auch versuchte. Bestimmt hatten einige von Lloyds Bruisern hier gearbeitet – für Charles gearbeitet. Damals waren ihre Hände noch frei von Tätowierungen, aber dafür voll von Schwielen, Blasen, Kohlestaub und Maschinenfett. Voll von Farbe und verätzt von Lauge. Ein Vorarbeiter hatte hier stets dafür gesorgt, dass mit den Dreckfingern nicht die Baumwolle oder das fertige Garn ruiniert wurde. Es war ein beeindruckender Betrieb gewesen. Modern, produktiv, lukrativ. Schön von außen, schmutzig von innen. Charles hatte es gehasst. Dennoch wusste er gerade nicht, ob er sein Fabrikantendasein nicht doch vermisste. Die Verantwortung für hunderte von Arbeitern, die ihn wahrscheinlich gehasst hatten, und noch mehr, als er die Türen der Norman Mill geschlossen hatte. Er war nicht stolz darauf. Aber das war nichts, woran er gern dachte. Nicht, dass sich dies dadurch vermeiden ließ…
Charles ließ sich frische Kleidung aushändigen – ohne sich gegen Rosies Auswahl auszusprechen, um nicht unhöflich zu sein. Es war wohl annehmbar, was er bekam (auch wenn sich der Stoff wegen mangelnder Qualität und höheren Alters etwas rau anfühlte und die Farbe schon leicht ausgewaschen war). Danach kehrte Rosie zur Küche zurück, während Charles durch eine Kellerluke trockenen Fußes ins Verwaltungsgebäude aufstieg. Das Treppensteigen schmerzte ihn und er wankte eher müde voran, als aufrecht zu gehen, aber er biss die Zähne zusammen und brachte es hinter sich. Wo auch immer der Doktor steckte, war Charles egal. Er begegnete ihm nicht. Und es war auch nicht er, den er suchte. Kurzerhand fragte Charles sich bei den Kindern durch, denen er bei seinem Weg nach oben begegnete. Ein Mädchen konnte ihm tatsächlich sagen, hinter welcher Tür Melinda verschwunden war.
Charles bemühte sich um eine aufrechte Haltung und klopfte, unterdessen er ein Lächeln aufsetzte.



Dr. Tremaine humpelte zum zweiten Mal in kurzer Zeit hinaus in den Regen, nachdem er seinen Arztkoffer wieder an sich genommen hatte. Unglücklicherweise hatte er diesen vor dem Essen im ersten Stockwerk des Verwaltungsgebäudes zurückgelassen, was er nun, auch wenn Zorn ihn stark ablenkte, aufgrund der Treppenstufen, die er hinter sich hatte bringen müssen, etwas bereut hatte.
Seine Tortur, jedoch, war nicht vorbei, als er sich auf dem Weg Richtung Straße bereits durchnässen lassen musste, aber dann auch noch einige weitere hundert Meter hinter sich zu bringen hatte, bevor er eine Kutsche fand. Die Fahrt selbst, die den Doktor wieder in die Wohnsiedlungen des Stadtteils Wigan führte, war ebenfalls wenig angenehm für sein geschundenes Bein. Die Straßen hier waren teils gepflastert, was, im Unterschied zu erdigem Untergrund, den Wagen durchrüttelte. Dennoch versuchte Randolph, seine Umgebung bestmöglich im Blick zu behalten. Er war sich jedoch sicher, dass ihm niemand von der Norman Mill und auch niemand anderes gefolgt war. Auch dubiose Gestalten am Wegesrand waren ihm nicht aufgefallen.
Als er endlich am Ziel angekommen war, konnte er um Mr. W. Henstons Haus, dessen Adresse er von Crowne erhalten hatte, nichts Verdächtiges erkennen. Das schicke Haus, dessen Besitzer wohl zum gehobenen Mittelstand gehören dürfte, reihte sich zwischen anderen gleicher Bauart ins Straßenbild ein. Der kleine Vorgarten wirkte gepflegte und war von einem gusseisernen Zaun umringt. Friedlich lag das Haus da. Und vollkommen unauffällig. Genauso unauffällig wie der Betrieb auf der Straße. Inzwischen hatte es aufgehört zu regnen. Spielende Kinder hüpften lachend in Pfützen herum; eine alte Lady, die ihren Spitz ausführte, verurteilte die kleinen mit scharfen, empörten Blicken; einige Kutschen fuhren die Straße entlang. Niemand beachtete ihn.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 13 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur Fr März 25 2016, 16:37

Nachdem er Melindas Reaktion miterlebt hatte, bereute Randolph zu einem gewissen Teil seinen dramatischen Abgang. Aber er hatte sich lange genug zurückgehalten. Er hatte versucht sich zu beherrschen. Aber mit diesen ignoranten Schmähungen und Beschuldigungen hatte Norly bei Weitem die Grenze seiner Geduld und Rationalität gesprengt. Er wusste nicht, was sich dieser arrogante Sack einbildete, er wusste nicht mal wirklich, warum er nun so angegangen worden war, aber das spielte auch keine Rolle. Auch wenn Norly irgendwo in seinem verqueren Verstand tatsächlich glaubte, ihm wären Menschenleben egal, nachdem er seinen Vater ermordet hatte, genug war genug. Er würde nicht alles über sich ergehen lassen. Und erst recht würde er sich von diesem Hurenbock nicht erzählen lassen, wie man mit Frauen umzugehen hatte. Vermutlich wäre es am Besten Melinda aus der Sache herauszuholen. Aber sie schien immer noch vollkommen verblendet zu sein.
Randolph verzog missmutig das Gesicht, während er sich auf der Straße umblickte. Niemand Auffälliges war zu sehen, niemand war ihm gefolgt. Immerhin. Das hatte funktioniert. Er hatte sich von der Gruppe wegstehlen können, um seine persönlichen Angelegenheiten zu regeln. Und jetzt hatte er diesbezüglich erst recht keine Skrupel mehr. Norly hatte genug Chancen gehabt. Er war äußerst gespannt, was Crowne, sollte er ihn denn heute noch erreichen, zu seinem Fund zu sagen hatte und ob sie etwas Sinnvolles herausbekommen würde.
Das Notizbuch ruhte derzeit noch sicher in seinem Arztkoffer. Während der Reise hatte er mehrmals überprüft, ob er es tatsächlich noch bei sich hatte und hatte auch die Seite mit Melindas persönlichen Informationen entfernt. Das würde er Crowne schon erklären. Der Mann musste nicht alles wissen.
Während des Weges, der sich wieder mal sehr anstrengend und auszehrend erwiesen hatte, auch wenn seine stille Wut ihm Kraft zu verleihen schien, hatte er sich auch zu ihm Gedanken gemacht.
War Jack Crowne vertrauenswürdig? Nein, Randolph konnte nicht wissen, ob das, was dieser Mann ihm erzählt hatte, tatsächlich wahr war. Und scheinbar glaubte er auch die Serienmörder-Theorie, von der er selbst sich nach reiflicher Überlegung distanziert hatte.
Aber er wusste einiges über Norly, vor allem seine Aufenthaltsorte und er hatte ihn bislang nicht an die Polizei verraten. Das war schon einmal eine interessante Ausgangsbasis.
Randolph war sich sicher, dass er, wenn er diesen Handel einging, zumindest kein einseitiges Geschäft schließen würde. Crowne wusste über einiges vermutlich bei Weitem mehr Bescheid, als er selbst. Der Doktor hoffte, dass dieses Gespräch, die komplizierte Lage etwas klarer machen würde und er neue Informationen hinzugewinnen würde. Im Austauch, versteht sich.
Ohne lange zu Zögern, humpelte er zur Tür und betätigte den Türklopfer.


Zuletzt von Darnamur am So März 27 2016, 17:49 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 13 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Umbra Sa März 26 2016, 02:14

Es vergingen einige Sekunden der Ungewissheit, in denen sich Randolph fragen musste, ob überhaupt jemand im Hause war, der ihn in Empfang zu nehmen gedachte. Dann, allerdings, öffnete sich die Tür und eine junge Frau, in etwa in seinem oder doch eher in Melindas Alter, stand ihm gegenüber. Ihr Blick verriet zunächst, dass sie überrascht von der Gestalt war, die sich an ihre Schwelle gewagt hatte, bevor sich ein sanftes Lächeln auf ihr schmales, hübsches Gesicht schlich, das von ihrem leicht welligen, goldblonden Haar verspielt in Szene gesetzt wurde. Sie hatte es in einer modischen Hochsteckfrisur gebändigt und auch ihre Kleidung, die aus einer stilvollen, hellblauen Seidenkombination von Rock und einer Jacke, unter der sie eine weiße Rüschenbluse trug, bestand, zeugten davon, dass sie mit der Mode ging. Und auch davon, dass sie, was die gesellschaftliche Stellung betraf, genauso in den gehobenen Mittelstand einzuordnen war wie das Haus.
„Sie müssen Dr. Tremaine sein“, stellte sie laut ihrer Tonlage eher fest, als dass sie vermutete. Dieser Umstand schien sie zu freuen. Sie besaß wache, blaugrüne Augen, mit denen sie Randolphs Erscheinung mit sichtbarer Neugier aufnahm. Beiseitetretend, um ihm Platz zu machen, bat sie ihn hinein.
„Wir haben Sie schon erwartet.“
Sie schloss die Tür hinter ihm, als er den schmalen Hausflur, der gleichzeitig Treppenhaus war, betreten hatte.
„Darf ich Ihnen etwas abnehmen?“, fragte die Frau hilfsbereit, während Randolph noch die ersten Eindrücke auf sich wirken ließ. Wie es von außen schon hatte vermuten lassen, wirkte das Gebäude auch von innen sehr gepflegt und die Einrichtung bestätigte, dass seine Bewohner eher zur reicheren Gesellschaft Manchesters gehören dürften. Viel edles Holz, kunstvoll gewebte Teppiche, die auf den glänzenden Dielen lagen, und teure Tapeten in einem sanften Tannengrün prägten das Bild.
Die Frau ließ kein langes Schweigen aufkommen.
„Sie wirken etwas erfroren, Doktor“, erkannte sie, aber das war beim Durchnässungsgrad seines Mantels auch kaum zu übersehen. „Das Wetter zu dieser Jahreszeit ist, wie immer, etwas wechselhaft, nicht wahr? Fühlen Sie sich frei, sich hier im Salon“, sie wies mit offener Hand auf ein offen stehende Tür, die in ein gemütlich wirkendes Kaminzimmer führte, „etwas aufzuwärmen und an den Keksen zu bedienen. Heute Morgen frisch gebacken“, meinte sie lächelnd.
„Ich werde Mr. Crowne über Ihre Anwesenheit informieren. Ich könnte Ihnen einen Tee aufsetzen, während Sie warten.“
Sie machte jedoch noch keine Anstalten, zu gehen. Ihr schien gerade etwas einzufallen.
„Verzeihen Sie, ich habe vergessen, mich vorzustellen: Ich heiße Angeline Towers… Mrs. Angeline Towers“, korrigierte sie sich und hielt ihm die Hand entgegen.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 13 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur So März 27 2016, 23:42

Kurze Zeit musste der Doktor müde, ausgezehrt und durchnässt vor der Haustür warten, bis diese schließlich aufschwang und den Blick auf eine hübsche, junge Frau freigab. Sie mochte vielleicht fünf Jahre älter sein als Melinda. Und anscheinend wusste sie bereits, mit wem sie es zu tun hatte.
Randolph musterte die Frau kurz und humpelte dann, um Fassung bemüht, ins Innere, um dem ekelhaften, kaltfeuchten Regen zu entrinnen. Bestimmt werde ich mir davon eine Erkältung zuziehen und krepieren, überlegte der Doktor finster. Und das war es dann. Das unspektakuläre, absolut lachhafte Ende des Randolph Tremaine.
„Das“, antwortete er ihr, froh dieser peinigenden Hölle entkommen zu sein. „Haben sie sehr klug erkannt, werte Dame.“ Seine Stimme klang trocken, aber nicht unfreundlich. Er warf einen Blick über die Schulter. "Sie wissen ja gar nicht, wie froh ich bin, hier jemanden anzutreffen."
Randolph war zwar alles andere als in guter Laune, aber er würde sich Mühe geben diesen Ärger nun nicht an einer Person auslassen, die ausnahmsweise einmal tatsächlich nett und höflich zu ihm war. Abgesehen von Melinda musste er außerdem sagen, dass es kaum Frauen gab, die ihn in den letzten Jahren angelächelt hatten.
So sah das Schicksal eines Chirurgen nun mal aus, der Beine abzusägen, Wunden aufzuschneiden und Spritzen zu verabreichen hatte. Er half den Leuten zwar, aber die Meisten waren im Anschluss einfach nur froh seinen Fängen entkommen zu können. Sein äußeres Erscheinungsbild und seine stets eher düstere Grundstimmung kam dabei noch hinzu, das wusste Randolph natürlich. Es war natürlich nicht so, dass er sich sonderlich für Frauen interessiert hätte.
Seit Lynette ihn verlassen hatte und er in ein Loch aus Depressionen, Hass und Selbstzweifel gefallen war, war das alles für ihn unwichtig geworden. Und auch jetzt sehnte er sich nicht nach Frau, Familie und Kindern, sondern einfach nur nach der schwarzen Mündung eines Revolvers. Einem Ende.
Dennoch...er musste sagen, dass es ganz angenehm war, einmal freundlich empfangen zu werden. Erst recht nach dem ihn Norly verbal mit Scheiße übergossen hatte.
Wir haben sie schon erwartet.
Und das klang schon mal nicht schlecht. Wer dieses „Wir“ war, blieb zwar vorerst noch unklar, aber es mussten wohl entweder Mr.Crowne oder dieser Henston gemeint sein, dem das Haus angeblich gehörte. Auf jeden Fall sollte es jemand sein, der sich auskannte und mit dem er verhandeln konnte. Denn wenn man hier über ihn Bescheid wusste, musste man wohl in die Angelegenheit eingeweiht sein.
„Danke“, meinte er und ließ sich von der Gastgeberin den Mantel abnehmen. Wobei ihm auffiel das die Garderobe bereits ein paar verdächtige Kleidungsstücke beinhaltete. Ein Mundwinkel des Doktors zuckte bei seiner Entdeckung kurz aufwärts. Den Koffer würde er vorerst bei sich behalten, weil das Buch noch immer in seinem Inneren schlummerte. Einer Fremden würde er das nicht einfach so überlassen.
Die Anmerkungen zum Wetter kommentierte der Doktor nicht. Das war vermutlich besser so.
Etwas wechselhaft? Das Wetter ist verdammt beschissen und wäre ich noch länger da draußen herumgestanden hätte ich bestimmt, als starre, unterkühlte Leiche die Straße gepflastert…
Er lauschte dem, was die Frau zu sagen hatte und ließ sich den Salon zeigen. Nachdem sie fertig war, erwiderte er ihr Lächeln nicht, aber nickte ihr immerhin zu, während sich seinen grauen, in Falten gelegten Augen nach einem geeigneten Sessel in Kaminnähe umsahen: „Ein Tee wird mir bestimmt gut tun. Ich danke Ihnen.“
Er wollte schon auf ein verlockendes, bequem wirkendes Polster zusteuern, als sich die Frau daran erinnerte, sich ihm vorzustellen und ihm die Hand reichte. Verdammt. Das hatte er selbst vollkommen vergessen gehabt. Irgendwie ärgerte ihn das sehr, da er für gewöhnlich so etwas nicht einfach vergaß. Nachdem er bereits mit seinem Namen begrüßt worden war, war das Ganze für ihn wohl in den Hintergrund gerückt. Seine Gedanken waren nicht bei der Sache gewesen. Er nahm die Hand von Mrs. Angeline Towers entgegen, anscheinend war sie doch nicht die Frau von Henston, und küsste ihr auf den Handrücken.  Als sein Blick über ihre Fingern glitt, fiel ihm etwas auf. Sie trug keinen Ehering.
Na, herrlich. Das ist schon mal ein gutes Omen. Schon die zweite Witwe, der ich einen Besuch abstatte. Ich hoffe dieses Zusammentreffen wird etwas erfreulicher verlaufen.
Er blickte mit ungutem Gefühl im Magen zu der Frau auf. Seine Augenbrauen hatten sich etwas gesenkt. „Freut mich ihre Bekanntschaft zu machen, Mrs. Towers.
Kurz überkam ihn die Intention der Frau sein Beileid auszusprechen, doch er realisierte zum Glück das das wohl etwas irrsinnig war. Und das Letzte, was diese Dame wohl gerade hören wollte.
Randolph meinte noch etwas antworten zu müssen, aber er wusste nicht so recht was. Also würde er sich erstmal in seinen bequem Sessel zurückziehen, sollte Mrs. Towers nichts mehr zu sagen haben.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 13 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Thorgrimm Mi März 30 2016, 16:30

Gilbert schüttelte nur leicht den Kopf, auch wenn er am liebsten laut gelacht hätte. Er hätte nicht damit gerechnet, dass Thomson so naiv war. Nicht nach all dem, was sie durchgemacht hatten. Doch so konnte man sich anscheinend sehr schnell in Personen irren. "Ms. Thomson, das kann wirklich nicht ihr ernst sein. Natürlich beteuert Norly kein Serienmörder zu sein. Alles andere wäre dumm, gefährlich und jenseits jeglichem gesunden Menschenverstand. Scarface ist zwar verrückt aber gleichzeitig hochintelligent. So ein Fehler würde ihm niemals unterlaufen." Es wäre wohl am Besten, wenn er Norly ab jetzt wieder mit seinem richtigen Titel benannte. Scarface. Gilbert konnte diesen Namen durchaus benutzen und sich damit jedes mal wieder daran erinnern, was für eine Person der Mann wirklich war. Ein gefährlicher Serienmörder, der eines ganz besonders gut konnte: Menschen manipulieren. Thomson hatte er anscheinend schon um den Finger gewickelt und fast wäre Scarface das auch bei ihm geglückt.
"Außerdem bin ich davon überzeugt, dass man uns anhören wird. Die Polizei hat sogar Norly wieder laufen lassen." Trotz all seinen Versuchen, Thomson umzustimmen, spürte Gilbert, dass er es nicht schaffte. Sie schien wirklich davon überzeugt zu sein, zu dem Mann zurückkehren zu müssen. Nein, sie musste nicht nur zurückkehren... sie wollte es auch. Konnte er ihr in dieser Sache wirklich glauben? Wollte sie wirklich aus freien Stücken zurückkehren oder war vielleicht noch etwas anderes passiert, dass sie zu dieser Entscheidung brachte? Etwas, dass er nicht mitbekommen hatte?
Durfte er sie überhaupt aufhalten? Sie wollte freiwillig zurück und wenn er sie jetzt aufhielt, würde er sie dadurch nicht ihrer Freiheit berauben? Selbst wenn er das tat - es geschah nur zu ihrem Besten. Man ließ schließlich auch niemanden zur See fahren, wenn man wusste, dass dort ein schweres Gewitter tobte. Beispiele gab es Tausende und auch sein gesunder Menschenverstand sagte Gilbert, dass er Thomson nicht gehen lassen sollte.
Auch wenn sie ihm versicherte, ihn nicht für ihren Tod verantwortlich zu machen - was er ihr sogar glaubte - so hatte sie diese Sache vollkommen falsch eingeschätzt. Nicht sie würde ihn für ihren Tod verantwortlich machen. Er würde es selbst tun. Auch wenn Gilbert in den letzten Jahren einiges über dieses Thema gelernt hatte, so konnte er sich den Tod seines Vaters noch immer nicht vergeben. Wenn Thomson durch die Hand Norlys - oder einer seiner Freunde - sterben würde, würde sich das Gilbert nie verzeihen können. Er würde daran zugrunde gehen - ein weiteres mal. Das durfte nicht passieren. Er hatte so lange daran gearbeitet, überhaupt wieder dazu fähig zu sein, ein recht normales Leben zu führen, dass er das jetzt nicht wieder verlieren durfte. Wenn er Thomson nicht überreden konnte, die Sache fallenzulassen, dann gab es nur einen Ausweg.
"Nein. Ich kann es ihnen nicht einfach sagen." sagte er schließlich mit einem lauten Seufzen. Gilbert blickte auf den Boden und wich Thomsons Blick aus. "Ich werde sie zurückbringen. Wenn ich sie nicht überreden kann, hierzubleiben oder wegzugehen, dann will ich wenigstens sichergehen, dass sie die Entscheidung nicht bereuen." Bevor sie irgendetwas erwidern konnte, fuhr er in einem Tofall fort, der keine Widerrede duldete. "Entweder machen wir es auf diese Weise oder gar nicht. Ich weiß das sie nicht hilflos sind und auf sich aufpassen können aber es würde gegen meine Prinzipien verstoßen, sie alleine gehen zu lassen." Das war sein Angebot. Mehr hatte er nicht dazu zu sagen und er würde auch nicht mit sich reden lassen. So oder gar nicht.
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Beitrag von Leo Do März 31 2016, 14:17

Ich kann es Ihnen nicht einfach sagen.
WARUM NICHT!?
Ruhig bleiben, Maura.

Als Schriftstellerin musste man geduldig sein. Das gehörte zum Beruf; obwohl es ungemein entspannend war, Mysterien auf Papier zu bannen, schrieben sich Meisterwerke nicht an einem Tag. Manche brachte sie ihr ganzes Leben lang nicht fertig. Trotzdem war Maura langsam mit ihrer Geduld am Ende. Scharf sah sie Gilbert an, der nach wie vor neben ihr saß und an seinen eigenen Gedanken zu verzweifeln schien. Vermutlich merkte er es gar nicht, denn er sah gen Boden.
Verdammt … sie hatte so lange schon nicht mehr die Chance zum Schreiben bekommen. Es war erst ein Tag, aber gerade wünschte sie sich nichts mehr als ihren Schreibtisch und ein paar Stunden Ruhe, um den ganzen Stress der letzten Zeit abschütteln und ihn in wohlfließende Tinte verwandeln zu können.
Wann war sie so geworden? So ungeduldig, so unfreundlich? Wirklich erst seit Harolds Tod? Und war das wirklich der einsame Weg, den sie weiter beschreiten wollte?
Keine Zeit, jetzt über so etwas nachzudenken …
Einverstanden“, meinte sie schließlich, nachdem Gilbert geendet hatte. „Dann lassen Sie uns zusammen gehen.“ Sie zog einen Mundwinkel in die Höhe. „Das scheint mir ohnehin die klügere Wahl zu sein. Also gut, Mr. Wright! Wollen wir?
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Beitrag von Elli Do März 31 2016, 15:55

Melinda blickte auf die Flasche, die sie noch immer fest umschlossen hielt, fest dazu entschlossen keinen einzigen Tropfen zu vergeuden. Sie würde sich nun nicht betrinken, dass wäre unklug. Sie musste sich nun zusammenreißen und einen Plan für London entwickeln. Zuerst einmal wie sie hinkommen würde. Ihr finaziellen Mittel reichten für den Zug nicht aus, aber vielleicht konnte sie sich einschleichen. Denn ehrlich gesagt, wusste sie nicht einmal ansatzweise wie sie zurückkommen sollte, wenn nicht auf diesem Weg. Ob es einen Fluß gab zwischen Manchester und London? Immerhin war die Themse ein ziemlich großes Ding, es würde ja sicher auch noch wo anders hin fließen als durch London. Schwimmen konnte Melinda nicht, aber vielleicht lange genug über Wasser bleiben, bis sich jemand erbarmen würde und ihr raushelfen würde...nein, das war kein guter Plan. Sie lag noch immer auf der Seite auf dem Boden und spürte ein Kribbeln in dem Arm auf dem sie lag. Eingeschlafen. Sie wünschte ihr ganzer Körper wäre eingeschlafen. Ihr Geist. Ihre Stimme. Einfach alles. Einfach Ruhe. Schwarz. Kalt. Stille.
Sie schloss langsam die Augen. Kurz, nur ganz kurz wollte sie an nichts denken und einfach nur daliegen.
Doch gerade als ihre Augenlider aufeinander trafen, klopfte es an der Tür. Melinda öffnete die Augen wieder und rappelte sich hoch. Die Flasche noch immer in der Hand, der eingeschlafene Arm mit einem fiesen Kribbeln öffnete die Tür. Sie sah sich Charles gegenüber. Wenn sie ehrlich war, hätte sie eher mit Randy gerechnet.
Vielleicht spinnt Randy ja nur eine Intrige. In Wirklichkeit will er dich vielleicht nicht einmal mehr sehen und will dir vorher noch alles nehmen was dir lieb und teuer ist. Vielleicht sagt er deshalb so Sachen über Charles. Dieses Buch...weißt du denn das es von Charles ist und nicht von Randy selbstgeschrieben? Denk nach Mädchen! Denk nach.
"Ja?" war im Moment alles was sie rausbrachte. Ihre Gedanken kreisten um Randy und Charles. Wer spielte echt? Wer falsch?
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Beitrag von Umbra Sa Apr 02 2016, 17:30

Charles behielt sein Lächeln aufrecht, auch wenn Melinda nicht erfreut darüber schien, gestört zu werden. Immerhin, jedoch, hatte sie ihm die Tür geöffnet. Ihm fiel die Absinthflasche auf, die sie in der Hand hielt. Nicht, dass er ihren Alkoholkonsum gutheißen würde, doch er hielt dies nicht für einen passenden Moment, sie darauf anzusprechen. Er wollte sich reumütig und nicht kritisch zeigen, denn das schlechte Gewissen ihr gegenüber plagte ihn tatsächlich, und er wollte ihre Stimmung besänftigen und nicht anheizen… obwohl er, wenn er ehrlich zu sich war, ihre Wut als recht anziehend empfand. Sie war eine temperamentvolle, aber dennoch sanfte Schönheit. Sich seine verbliebenen Finger an ihrem Zorn zu verbrennen, hielt er trotzdem nicht für verlockend. Er genoss ihre Gesellschaft viel zu sehr, als darauf verzichten zu wollen.
„Rosie war so freundlich, mir saubere Kleidung zur Verfügung zu stellen“, begann er, einen Vorwand vorzubringen, geklopft zu haben, „und ich war so frei, auch etwas für Sie mitzubringen, Miss, falls Sie sich umziehen wollen sollten.“
Charles machte sie auf den Kleiderstapel in seinen Händen aufmerksam, indem er ihr diesen möglichst unaufdringlich entgegenhielt. Die Stücke, die für sie bestimmt waren, lagen obenauf. Den Rest gedachte er selbst anzuziehen, sobald er sich gewaschen haben würde. Er fühlte sich, nach wie vor, sehr unwohl in seinem durchschwitzten und blutgetränkten Anzug, und sehnte sich danach, sich diesen endlich vom Leid reißen zu können. Auf ein Bad würde er wohl leider verzichten müssen, um seine Wunden und Verbände nicht überzustrapazieren. Er musste sich wohl mit einer Katzenwäsche zufrieden geben.
„Am Ende dieses Flures müsste übrigens ein Badezimmer sein…“, fügte Charles hinzu. Ihm lag etwas anderes auf dem Herzen, und davon abzulenken, war nicht die richtige Taktik. Es kostete ihn etwas Überwindung, die folgenden Worte auszusprechen.
„Aber eigentlich bin ich hier, um Sie dafür um Verzeihung zu bitten, dass ich vorhin unfreundlich geworden bin. Das war nicht unbedingt angebracht“, gab er zu. „Ich hätte über Dr. Tremaines Beleidigungen stehen müssen und ich bedaure es, gereizt reagiert zu haben. Das Letzte, was ich wollte, war, Sie zu verärgern, meine Liebe“, versicherte er ihr aufrichtig.
„Ich will mich nicht für meine Reaktion rechtfertigen, vermutlich bin situationsbedingt einfach sehr angespannt – vielmehr möchte ich Sie um Ihre ehrliche Meinung bitten: Habe ich in dieser Lagerhalle versagt? Hätte ich andere Entscheidungen treffen sollen?“
Ihre Sicht auf die Geschehnisse war ihm wichtig. Es belastete ihn sehr, wie die Lage eskaliert war, und es ärgerte ihn immer noch, dass Dr. Tremaine ihm die Schuld an allem gab… Aber möglicherweise hatte der Chirurg Recht. Nicht in allen Punkten. Aber vielleicht damit, was den Iren betraf – wobei Charles sich genötigt gefühlt hatte, so zu handeln, wie er es getan hatte. Natürlich hatte er diesem impulsiven Mann nicht getraut, aber er war der Überzeugung, dass es ebenso falsch gewesen wäre, ihn einfach fortzuschicken und darauf zu hoffen, dass er keinen Ärger verursachte. Wie Alan sich verhalten hatte, zeigte doch, dass man lieber Vorsicht walten lassen musste, anstatt Fremden zu vertrauen. Natürlich hätte Charles die angebotene Hilfe des Iren nicht annehmen müssen, aber was wäre dann aus Oxley und Arthur geworden, wenn der Ire zum Scotland Yard gegangen wäre? Die Jagd nach den Attentätern hatte an dieser Stelle voran davor gehabt, den Iren loszuwerden. Es war keine Gelegenheit übrig gewesen, Arthur in Sicherheit zu bringen und den Iren abzuschieben. Die Attentäter hätten in der Zwischenzeit fliehen können. Die einzige, für Charles sinnige, Möglichkeit war es gewesen, den Iren erst einmal mitzunehmen und im Auge zu behalten, um ihn dann später loszuwerden. Niemand hatte damit rechnen können, dass sich dieser kranke Mann so sehr nach dem Tod gesehnt hatte, dass er sich, entgegen aller Vernunft, dazu entschloss, Amok zu laufen…



Schweren Herzens, und ohne ein Wort zum genauen Aufenthaltsort von Charles Norly und seinen Begleitern zu erwähnen, begleitete Gilbert Maura auf dem Weg dorthin. Er führte sie an den Rand Wigans, einem der nordwestlichen vom Stadtzentrum gelegenen Gebiete, wo sich eine Vielzahl von Industrien angesiedelt hatten und auch die Wohngebiete der Arbeiter aus dem Boden geschossen waren. Ihr Ziel lag etwas angelegen von allem anderen, am Ende einer von Bäumen gesäumten, recht verwildert aussehenden Straße – doch was sich die Pflanzen zurückgeholt hatte, wirkte nur optisch lebendig und naturnah. Der beißende Geruch von Stahl und schwerem Rauch lag hier über der Szenerie, sodass sich die Nase nicht täuschen ließ: Dies hier war immer noch die Stadt und sicher kein erholsames Plätzchen für einen schönen Frühlingsspaziergang. Das Wetter tat sein Übriges dazu, es war kalt und verregnet, auch wenn dies wenigstens den kleinen Vorteil bot, das Schlimmste an Gestank aus der Atemluft zu waschen.
Sie liefen schließlich an einer breiten, in etwa mannshohen Mauer vorbei, in der sie schließlich das eiserne Gattertor fanden, das Gilbert heute bereits zweimal durchquert hatte. Es stand weit offen, wie Gilbert es hinter sich gelassen hatte. Von einem schwarzen Blechschild am Tor, von dem die Farbe abblätterte, hoben sich goldene Buchstaben ab:
norman mill
c. l. norly
norman hill road 3
[1]
Schlicht und klein gehalten, fiel dieses Schild nicht sehr auf. Seinem Zustand, aber auch dem Zustand des Gelände dahinter nach zu urteilen, schien sich um die Pflege dieses Ortes niemand zu scheren. Ein breiter Pflasterweg führte leicht bergab auf einen Platz zu, den drei Gebäude säumten: Eins von ihren war eine aufragende, riesige Fabrikhalle mit zahlreichen Fenstern in jedem der Stockwerk – drei Etagen ragte sie in die Höhe und machte einen fast schon einschüchternden Eindruck. Das zweite Gebäude war eine kleinere, aber nicht minder gewaltig wirkende Halle mit riesigen Toren und wenigen, hoch ins Mauerwerk eingefassten Fenstern. Das dritte Gebäude wirkte dagegen schon fast winzig und eher wie ein Wohnhaus, weil es, im Vergleich zur Fabrik direkt daneben, sehr schmal war, besaß allerdings ebenfalls drei Obergeschosse.
Stille lag über dem ungepflegten Grundstück.

[1] Maura darf Gelehrsamkeit und/oder Gassenwissen würfeln, um mehr über diesen Ort zu erfahren.



Mrs. Towers ging lächelnd nicht auf jegliche Unsicherheit von Randolphs Seite aus ein, auch wenn sie sie bemerkt haben sollte.
„Es freut mich ebenfalls, Ihre Bekanntschaft zu machen, Doktor“, erwiderte sie freundlich. „Setzen Sie sich nur“, bot sie ihm an, „ich bin gleich wieder zurück.“
Damit ließ sie ihn im Salon allein, bevor er der Aufforderung nachkam und sich in den gemütlich aussehenden Ohrensessel nahe dem Kamin niederließ. Der Raum war typisch für seine Funktion eingerichtet: Repräsentativ. Hier wollte ein Gastgeber Eindruck auf seinen Besuch schinden, indem er erlesenen Geschmack und Vermögen bewies. Den Henstons schien es nicht schlecht zu gehen, so hier mehr Personen als Mr. Henston lebten, aber diesen Schluss ließen die verschiedenartigen Mäntel an der Garderobe, die teils wohl auch zu Kindern gehörten, zu. Eine gerahmte Fotografie auf dem Kaminsims zeigte einen schnauzbärtigen Mann mittleren Alters, der auf einem Stuhl posierte und dem eine vornehm blickende Dame eine Hand auf die Schulter legte. Umringt wurden sie von drei jungen Sprösslingen in Sonntagskleidung. Möglicherweise waren sie eine glückliche Familie, das war schwer zu sagen. Auf solchen Bildern pflegten die Leute allgemein nicht zu lächeln.
Schrittgeräusche verrieten Randolph, dass sich jemand zu ihm gesellte. Mr. Crowne betrat den Raum, scheinbar gelassen, wenn auch nicht unbedingt fröhlicher Stimmung. Da er hier im Haus keinen Hut trug, zeigte er, dass er darunter einen ordentlich zurückgekämmte, etwas schmierig wirkende Haarpracht versteckt hatte, die, dunkelbraun und bereits leicht grau meliert weniger werden, deutlich von seiner blassen Hautfarbe abhob. Seine dunklen Augen und die dunkle Kleidung, die er trug – ein schwarzes Hemd und dazu eine schwarze Nadelstreifenhose mit passender Weste – unterstrichen dies nur. Farblich hob sich allein ein braunes, ledernes Schulterholster ab, in dem Crowne offen sichtbar einen Revolver mit sich führte.
Eine Woge an Tabakqualmgeruch schwappte Randolph entgegen, noch bevor Crowne ihm sehr nahe gekommen war, auch wenn dieser gegenwärtig nicht rauchte.
„Schön, Sie hier zu sehen, Doktor“, äußerte Crowne zur Begrüßung.
„Bleiben Sie sitzen.“
Der Mann suchte sich einen Sessel gegenüber aus und ließ sich würdevoller nieder, als Randolph es möglich gewesen war, als auch Mrs. Towers wieder in den Raum schneite und ein Tablett mit einer Teekanne, einem Kännchen Milch, einem Döschen Zuckerwürfeln und zwei  Tassen mitbrachte. Sie breitete alles vor Crowne und Randolph auf dem Couchtisch auf, neben den besagten Keksen, die sich bereits, auf einem Teller kredenzt, dort befanden.
Mit den Worten „Danke, sehr reizend von Ihnen“ kommentierte Crowne, dass sie ihm und Randolph Tee einschenkte, er wartete jedoch darauf, dass sie den Raum wieder verlassen hatte, bevor er sich wieder an seinen Gast wandte.
„Nun, was führt Sie zu mir?“, interessierte ihn und schlug die Beine übereinander, auch wenn seine visuelle Aufmerksamkeit währenddessen dabei eher einer Zigarette galt, die er aus einer Schachtel in seiner Westentasche fischte und mit einem Feuerzeug anzündete.
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Beitrag von Leo Di Apr 05 2016, 00:16

Mauras Hitzkopf kühlte schnell ab, sobald sie wieder an der klammen Märzluft waren. Kaum, dass sie das Hotel verlassen hatten, zog Maura den Kopf zwischen die Schultern und klappte den Kragen ihres Mantels hoch, doch die Kälte kroch ihr trotzdem in den Kragen. Wo war nur der Frühling geblieben? … Umgeben von Mördern und Polizisten, und sie dachte ans Wetter, als wäre es das normalste von der Welt. Aber war sie nicht irgendwie immer von Mördern und Polizisten umgeben? Sie brauchte nur die Kerzen anzuzünden, den Stuhl zurückschieben, ihren Füllfederhalter in die Hand nehmen, und schon krochen sie hervor wie Gespenster – mit dem Unterschied, dass sie nach ihrer Pfeife tanzten.
Irgendwie konnte Maura nicht anders, als all das hier mit – sorgsam versteckter – Begeisterung aufzunehmen. Natürlich, der Schock saß ihr noch immer in den Gliedern; die Geschehnisse waren bisher nicht eben friedlich gewesen. Die Polizisten, ihre Entführung … der tote Ire … ihre Laune verdüsterte sich, als sie an den rothaarigen Grobian dachte. Mistkerl. Hatte bekommen, was er verdient hatte … oder nicht? Sie sollte nicht so viel darüber nachdenken … fast wünschte sie sich ihre Wut von vorhin zurück, um dieses saure Gefühl aus ihrem Magen loszuwerden. Zwei Menschen tot, und sie war schuld … war sie das? Ja … und dann auch wieder nicht … die Geschehnisse verschwammen in ihren Gedanken zu einem unförmigen Etwas. Norlys Freund hatte geschossen, nicht sie. Er war schuld. Nicht sie. Nein, nicht sie. Sie war nur zufällig am falschen Ort zur falschen Zeit gewesen …
Und jetzt war sie hier deswegen, mit Mr. Wright, auf dem Weg zu Scarface. Und es fühlte sich gut und schlecht zugleich an.

Die Gegend, in die Wright sie führte, gefiel ihr nicht, aber sie versuchte, es nicht zu zeigen. Der Regen wollte einfach nicht aufhören, und als Maura sich durch das zerzauste Haar fuhr, glänzte ihre Hand vor Nässe. Eigentlich mochte sie Regen ja – solange er draußen und sie drinnen war. Nichts war inspirierender, als die atmosphärische Melodie von Regen am Fenster.
Sie bogen auf eine recht ungepflegt wirkende Straße ein, gesäumt von krummen Bäumen auf der einen Seite und einer schmutzigen Steinmauer auf der anderen. Nicht jeder Dreck ließ sich mit Wasser abwaschen. Sie sprach nicht mit Mr. Wright, stumm gingen sie nebeneinander her, bis sie ein Tor erreichten. Eine verwitterte Tafel gab Aufschluss über ihren Aufenthaltsort. „Norman … Mill …?“, murmelte sie. Eine Zeitungsseite erschien vor ihrem inneren Auge. Ja … da war etwas gewesen … Charles Norly hatte die Norman Mill gehört – zumindest, bis das ganze Scarface-Debakel begonnen hatte. Und jetzt? Leerstehend, vermutlich … Misstrauisch äugte Maura durch das Gitter, doch es war nichts Verdächtiges zu entdecken. Keine Menschen, keine Waffen. Kein Norly. Stumm lag der Fabrikhof da, stumm wie Gebäude nun einmal waren. Ob Wright sie betrogen hatte? Nein, dazu wäre er gar nicht in der Lage.
Also dann, Mr. Wright, kommen Sie! Jetzt bereiten wir dem hochwohlgeborenen Mr. Norly eine schöne kleine Überraschung.“ Das Tor schwang klaglos auf, und Maura rang sich zu ein paar entschlossenen Schritten auf den Fabrikhof durch. Niemand feuerte auf sie – vermutlich ein gutes Zeichen.
Wie würden Norly und seine Leute reagieren, wenn sie sie erblickten? Eine Frage, die Maura bisher gemieden hatte, aber jetzt musste sie sichi hr stellen. Würden sie sie erschießen? Nein, das hätten sie schon früher tun können, dutzende Male, und nie war es geschehen. Sie hatte keinen Grund, ängstlich zu sein. Doch sich das einzureden reichte nicht. Sicherheitshalber schob sie Hände in ihre Manteltaschen, aus Sorge, sie könnten doch noch zu zittern anfangen.
Unsinn! Stell dich nicht so an. Und zur Not hast du ja …
Nein! Schluss jetzt mit der Gewalt! Sie hatte genug Blut und Tote gesehen für heute. Sie war nicht für Messerstechereien hergekommen. Sie wollte ein Gespräch, nicht mehr und nicht weniger, einen offenen Austausch mit Charles Norly. Scarface hin oder her – sie steckte in  der ganzen Angelegenheit schon tiefer drin, als sie sich heute Morgen beim Eierbraten je hätte ausmalen können.
Maura kniff die Lippen zusammen (wodurch sie vermutlich noch älter aussah, als ohnehin schon). Sie würde sich nicht verstecken, das würde höchstens Misstrauen erregen. Dann machte sie noch ein paar Schritte, bis sie fast mittig auf dem Fabrikhof stand. Hier musste man sie einfach bemerken.
Verdammt, Thomson! Weißt du überhaupt noch selber, was du da tust?
Natürlich wusste sie das. Es war gewagt, aber niemand würde sie erschießen, das wäre völlig unlogisch. Sie hatte absolut nichts zu befürchten – vorerst. Hoffentlich.
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Beitrag von Thorgrimm Di Apr 05 2016, 02:57

Schon als Gilbert den ersten Fuß aus dem Hotel auf das nasse Straßenpflaster setzte, bereute er seine Entscheidung. Innerlich war der Maler zerrissen aber nach außen ließ er davon nichts erkennen. Er wusste, dass es eine ganz schlechte Idee war, zurückzugehen und wenn er ehrlich war, verstand er Ms. Thomsons Entscheidung immer noch nicht. Er konnte sie auch noch immer nicht nachvollziehen aber das änderte nichts daran, dass er sie begleiten musste, wenn sie schon nicht mit sich reden ließ. Die Frau war ganz schön clever, das musste Gilbert zugeben. Zudem war sie tatsächlich entschlossen und mutig. Alles Attribute, die er nicht wirklich besaß. Der einzige Grund, warum Gil sie begleitete, war es, Schuldgefühle zu verhindern. Im Prinzip handelte er ziemlich egoistisch.
Ms. Thomson hatte anscheinend kein Interesse daran, die Stille mit einem Gespräch zu füllen und das war Gil doch ganz recht. So war er alleine mit sich, dem Regen und seinen verworrenen Gedanken. Er führte Thomson durch Wigans und schließlich zur Norman Mill. Alles schien noch genauso zu sein, wie zu seiner Flucht. Anders konnte man das, was Gilbert getan hatte, ja nicht bezeichnen. Sogar das Tor stand noch offen. Wieder musste er sich gezwungenermaßen Gedanken darüber machen, wieso Norly schließen musste. Vermutlich hing es tatsächlich mit den Scarface-Morden zusammen. Ein Mörder hat keine Zeit mehr, so ein Unternehmen zu führen.
Doch was Gilbert noch mehr beschäftigte, war der Gedanke an Schicksal. Wie schon während seines ersten Besuches auf diesem Grundstück, erinnerte er sich daran, dass er bereits als junger Mann - eher sogar Jugendlicher - hier gewesen war. Mit seinem Vater. Es ging damals natürlich um geschäftliches aber das änderte nichts daran, dass Gilbert damals schon Charles Norly oder seinem Vater begegnet war. Obwohl Gilbert nicht hier sein wollte, betrat er das Gelände. Wieder hatte ihn sein Weg zu Norly geführt. War es vielleicht doch Schicksal? War er von Geburt an dazu bestimmt gewesen, mit Norly zusammenzuarbeiten oder zumindest das Rätsel um seine Person zu lösen? Gilbert wusste es nicht. Es machte auch keinen Unterschied, da er jetzt sowieso hier war. Schicksal hin oder her.
Er betrachtete Ms. Thomson, wie diese sich langsam weiter auf das Gelände begab. Vielleicht wäre es angebracht, ihr zu erzählen, was er gesehen hatte.
"Wir sollten vorsichtig sein. Nicht nur Norly und die anderen beiden sind hier. Auch wenn es verlassen aussieht, wohnen hier immer noch einige Leute. Familien mit Kindern. Der "Anführer" oder was er auch immer darstellen soll, nennt sich King Reynard. Ist ein gefährlicher Mann. Allgemein scheinen die Leute hier nicht besonders nett zu sein, auch wenn Norly das anscheinend anders sah. Kaum waren wir angekommen, bedrohten sich beide Parteien auch schon. Ich bin dann lieber mit Ihnen verschwunden, als abzuwarten, das jemand schießt. Ich weiß nicht, was uns hier erwartet aber wir sollten vorsichtig sein." wiederholte er. Gilbert schluckte schwer. Er hatte keine Lust hier zu sein. Sogar die Kinder waren gefährlich. Die warfen zwar nur mit Steinen aber die taten auch weh. Trotz allem musste er Ms. Thomson folgen und sichergehen, dass sie nicht sofort über den Haufen geschossen wurde. Aber was sollte er in einem Ernstfall überhaupt tun? Gilbert wusste es nicht. Er würde sich wohl überraschen lassen müssen. Vielleicht ließen die Leute ja mit sich reden...
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Beitrag von Elli Di Apr 05 2016, 15:37

Melinda verschränkte die Arme vor der Brust. Noch immer die Flasche haltend.
"Über den Beleidigungen stehen. Es tut mir ja leid das sagen zu müssen, aber das ist der reinste Kindergarten was ihr beide euch abhaltet. Er hat das gemacht! Er das! Er ist gemein. Mimimimimimi.
An dieser ganzen Misere haben eindeutig alle Beide schuld. Vielleicht würdet ihr es ja mal schaffen, euch ein paar Augenblicke zusammen zu reißen. Vorallem wenn Leute dabei sind, die euch nicht kennen, wie der King oder Rosaria, Rosalie? Ach was weiß ich."
sie spürte wie sie langsam aufbrauste und versuchte sich daher auf etwas anderes zu konzentrieren.
Sie überlegte dann noch etwas bevor sie Stellung bezüglich der Lagerhalle bezog. "Ich denke nicht, dass in der Lagerhalle jemand falsch gehandelt hat. Der einzige der das tat, kann sich nun keine Gedanken mehr darüber machen." sie lächelte.
Dann warf sie einen Blick auf die Wäsche die Charles in den Händen hielt. "Danke für die Kleidung, aber ich denke meine beiden Kleider sind noch in Ordnung."
Was Charles bloß immer hatte. Wenn sie nachrechnete, hatte sie bisher genau 17mal in einer Badewanne gesessen und das in den meisten Fällen nicht um sich sauber zu halten, sondern um ihren Job zu erledigen. Männer wollten die seltsamsten Dinge.
Eine Katzenwäsche reichte ihr im Regelfall vollkommen. Dennoch nahm sie ihm die Klamotten ab. Sie lockerte ihre Arme wieder und stelle die Flasche auf dem Boden neben der Tür ab. "Trotzdem danke. Ich werde mir das bei Seite legen."
Mäuschen, Mäuschen ich kann dich sehen. Mäuschen, Mäuschen bleib nicht stehen.
Mäuschen, Mäuschen hopp, hopp, hopp. Mäuschen, Mäuschen lauf Galopp.
Mäuschen, Mäuschen nimm dich in Acht. Mäuschen, Mäuschen wird sonst umgebracht.
Mäuschen, Mäuschen siehst du die Katz? Mäuschen, Mäuschen die frisst dich ratzfatz.

"Wenn ich mir so deine Gelenkigkeit und Beweglichkeit ansehe, sieht es so aus, als könntest du Hilfe beim waschen gebrauchen."
Auf höfliche Anrede hatte sie gelinde gesagt keinen Bock mehr.
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Beitrag von Darnamur Do Apr 07 2016, 23:30

Langsam ließ sich Randolph auf dem gemütlichen, ledernen Sessel nieder. Den Krückstock mit silbernem Bärenkopf stellte er dabei in Reichweite an der linken Armlehne ab.
Während Angelines Schritte gedämpft auf dem kunstvoll gemusterten Teppich verklangen, lehnte er sich zurück und verschmolz mit dem dunklen Polster. Die Augen des Doktors schlossen sich und für einige stille Augenblicke lauschte er dem eigenen Herzschlag.
Er war ruhig und beständig, genau wie es sein sollte.
Sein Uhrwerk, das Getriebe, das seine Maschine am Laufen hielt, funktionierte einwandfrei. Wenn er sich nicht gewaltsam das Leben nahm, bestand die Chance für ihn noch lange ihn dieser Welt zu überdauern. Das war ihm klar.
Doch die Frage war, ob er es wollte. Ständig um Leben und Tod seiner Patienten kämpfen zu müssen. Ständig von dunklen Visionen aus seiner Vergangenheit heimgesucht zu werden. Ununterbrochen unter dem Druck zu stehen, sein Schiff an Lebenden und Toten, durch unwirtliche, stürmische Gewässer zu lenken und es vor dem gigantischen, höllischen Strudel zu bewahren, in den sie hineinsegelten und der sie alle womöglich in die Tiefe reißen und verschlingen würde…
Der Doktor wünschte sich nichts sehnlicher, als einfach hier in diesem Sessel sitzen zu können, die Augen zu schließen und in einen traumlosen Schlaf zu entfallen. Nicht mehr und nicht weniger. Er wollte einfach in dem weichen, gemütlichen Polster versinken und mit sich allein sein. Einfach ruhen können, ohne das seine Gedanken von Sorgen schwarz umwölkt wurden. Bestimmt würde er Äonen auf diesem Thron in der Stille verweilen können...

Doch es gab zu tun. Er war nicht zur Erholung hier, sondern weil er einen Deal abwickeln wollte. Mit einem Mann, der keineswegs sein Vertrauen besaß und den er unter gar keinen Umständen unterschätzen durfte. Die Augen von Randolph Tremaine öffneten sich, in farblosem Grau. Sie spähten durch den Raum, versuchten Informationen zu erfassen.
Eine prall gefüllte Garderobe. Einige und durchaus edle Mäntel, die teils wohl auch Kinder gehörten. Waren sie im Haus? Nein, vermutlich nicht. Es war rein gar nichts zu hören und das war sehr ungewöhnlich bei Jugendlichen. Die Familie Henston, die sich stolz auf einem Familiengemälde über dem Kamin präsentierte war wohl derzeit nicht hier anwesend. Oder war es jemals gewesen. Vielleicht war dies alles nur eine klug inszenierte Fassade…wer wusste schon, wie groß die Mittel eines Mannes wie Mister Jack Crowne tatsächlich aussahen?
Wenn die Henstons aber wirklich hier lebten, war es schon etwas seltsam, dass er weder vom Herr, noch der Herrin des Hauses in Empfang genommen worden war, beziehungsweise einer von Beiden in Kenntnis über seine Ankunft gesetzt worden war.
Crowne hatte ihn hingegen bereits erwartet. Und an den gedämpften Schritten und der schwachen Note von Rauch, die ihm bereits in die Nase stieg, erkannte Randolph bereits im Vornherein welche Gestalt sich gleich in sein Sichtfeld schieben würde.
Als Jack sich ihm gegenüber niederließ, fiel dem Doktor auf, dass er verändert aussah. Das mochte einfach an dem fehlenden Hut liegen, der sich bereits fest in sein Gedächtnis und seine Vorstellung von Mr.Crowne eingebrannt hatte. Ohne ihn kam das dunkle, schon ein wenig von Grau durchsetzte Haar deutlicher zum Vorschein und bot einen markanten Kontrast zu bleichen Haut. Auf Randolph erweckte das Abbild des Mannes einen, ein wenig kränklichen Eindruck.
Andererseits: Er selbst sah wohl kaum besser aus.
Kurz blickte er argwöhnisch zu der Waffe im Schulterholster hinüber, dann fixierte er das Gesicht seines Gegenübers. Crowne schien im Moment aber eher mit seiner Zigarette beschäftigt zu sein. Er selbst rührte diese zusammengebastelten Schlote nicht an. Eine Assoziation, die der Doktor mit Rauch ganz sicher nicht verband, war guter Geschmack. Und wenn er sich giftigen Dämpfen aussetzen wollte, konnte er genauso gut in einer der Fabriken in Themsennähe schuften. Das dies zu nichts Gutem führen konnte, dafür war Melly das beste Beispiel. Er hatte aufgehört zu zählen, wie oft er sie wegen ihrer Anfälle hatte behandeln müssen.
„Das kann ich zurückgeben“, meinte Randolph ohne Hintergedanken und legte sich seine Worte sorgfältig zurecht. „Sie dürfen aber gerne zugeben, dass sie mich erwartet hatten. Oder ist es reiner Zufall, dass ich sie zu dieser Uhrzeit an genau der richtigen Adresse antreffe?“
Seine bleichen, knochigen Finger schlossen sich um den Henkel seiner dampfenden Teetasse, die er an seine ausgetrockneten Lippen führte.
„Fassen wir es kurz: Ich bin wegen unseres Geschäftes hier. Meinem Wissensstand zufolge dürften sie sich für ein gewisses Objekt interessieren, dass ich, dank einer Fügung des Schicksals, kürzlich aus Mister Norlys Besitz requirieren konnte.“
Er beugte sich leicht zur Seite des Sessels hinüber und zog sich seinen Arztkoffer auf den Schoß, den er sogleich aufschloss. Als er den Deckel öffnete, offenbarte sich ein reichhaltiges Arsenal an Messern, Ampullen und Medikamenten. Und inmitten all dessen, funkelte ihm ein dunkler Einband entgegen, den er sogleich dem Futteral entnahm.
Dies hier sind seine persönlichen Notizen und Aufzeichnungen. Dreißig Seiten, größtenteils in chiffrierter Form zu Papier gebracht.“
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 13 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Umbra Fr Apr 08 2016, 20:28

Obwohl Maura sich sicher war, dass man sie inmitten des Hofes einfach bemerken musste, wurde ihr mit jedem weiteren Augenblick, der ins Land strich, bewusst, dass dies vielleicht doch nicht der Fall war. Und falls doch, schien man sich nicht die Mühe machen zu wollen, ihr und Gilbert ein Empfangskomitee zu bereiten. Allerdings wurde ebenso wenig das Feuer eröffnet.
Ob dies bedeutete, dass dieser „King Reynard“ doch nicht so gefährlich war, wie Gilbert Wright behauptete, oder es, gegenteilig, eher die Namenswahl dieser Gestalt unterstrich, und ein Hinterhalt drohte, vermochte Maura nicht zu sagen. Weder sie, noch Gilbert nahmen auch nur irgendetwas in ihrer Umgebung oder auch innerhalb der Gemäuer wahr. Man ließ die beiden, wortwörtlich, im Regen stehen.
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Beitrag von Leo Sa Apr 09 2016, 02:08

Soso. ‚King Reynard‘, der König der Listigen, wie? Selbstvertrauen hat er jedenfalls, scheint mir. Ich danke Ihnen für die Warnung.“ Maura zog ihren Mantel zurecht, als der Wind daran zog. Wenn sie schon keiner begrüßen wollte, konnten sie genauso gut in eines der Gebäude gehen, oder? Vielleicht war es ja unhöflich, einfach bei anderen Leuten reinzuplatzen, aber das hier war schließlich eine – scheinbar – leerstehende Fabrik, die – scheinbar – nur zwielichtige Leute beherbergte. Da galten bestimmt andere Regeln. Trotzdem, eine Erkältung holten sich auch Verbrecher, wenn sie im Regen stehen blieben. Vor dem Gesetz der Krankheit waren alle gleich.
Nasse Steine, unebener Boden, Steingebäude, grau in grau gehalten, grau den roten Ziegeln zum Trotze. Maura ertappte sich dabei, im Kopf einen neuen Schauplatz für eine Szene zu basteln. All dies hier war einfach so inspirierend! Diesen verlassenen Fabrikhof musste sie auf jeden Fall im Gedächtnis behalten, vielleicht ließ er sich ja noch einmal verwerten. Mit Räubern, die hinter halb geschlossenen Türen lauerten … peitschender Regen, der ihm jede Sicht nahm
Es fiel schwer, in die Wirklichkeit zurückzukehren doch Maura zwang sich dazu. Über all das konnte sie auch später noch nachdenken. Nun kam es darauf an, ruhig und überlegt zu handeln, da war kein Platz für romantische Träumereien. Sie warf einen Blick rundum über den Platz. Niemand hatte sie bisher bemerkt, was ungewöhnlich war – oder bemerkenswert schlecht organisiert. Vielleicht aber auch so gut, dass sie ihre Beobachter bisher noch nicht bemerkt hatten … sie sah sich erneut um, doch es war tatsächlich niemand auszumachen. Sehr merkwürdig. Eine List? Zeigte der ‚Listenreiche‘ schon seine Kunst? Auf jeden Fall sollte sie das im Hinterkopf behalten.
Die Gebäude hier sahen alle ähnlich aus. Maura hielt nach Eingängen Ausschau, und sah auf Anhieb drei, je einer zu einem der drei größten Gebäude: Fabrik, Lagerhalle und Verwaltungsgebäude. Es war beeindruckend und abschreckend zugleich, wie riesig das Gelände tatsächlich war – das Fabrikgebäude musste einer Unzahl an Arbeitern Platz geboten haben, bevor es geschlossen worden war. Genug Feinde musste Norly also definitiv haben … und genug Geld. Dennoch, sie erwartete nicht, in der Fabrik auf eine Menschenseele zu stoßen. Das Gebäude war weder ansehnlich noch einladend, warum sollte jemand, speziell jemand wie Norly, sich dort freiwillig aufhalten? Es sei denn, er wollte allein sein, natürlich.
Also das Verwaltungsgebäude? Vielleicht keine schlechte Idee – aber wie wollte sie eigentlich Norly begegnen? Am liebsten hätte sie ihm eine zweite Narbe verpasst für das, was er ihr angetan hatte, aber das hätte wohl kaum zu einem entspannten Gespräch geführt, und das wäre ihr im Moment bedeutend lieber. Aber einfach an der Tür zu pochen und auf sein Öffnen zu warten kam ihr auch irgendwie … falsch vor. Vielleicht war es das Beste, einfach Wright die Führung zu überlassen; der kannte Norly immerhin bedeutend länger als sie und wusste vielleicht eher, wie man ihm jetzt begegnen sollte. Vorausgesetzt, sie würde ihn wirklich überreden können, die Vorhut zu bilden.
Was meinen Sie, Mr. Wright?“ Sie blieb stehen und sah nach hinten. Wright sah nicht glücklich aus. Großartige Voraussetzungen also. Was man wohl tun musste, um diesen Kerl glücklich zu machen? Bisher hatte sie ihn so gut wie nie lächeln sehen. „Sie waren schon einmal hier. Was denken Sie, in welchem Gebäude finden wir Norly? Außerdem wäre es mir lieb, den Hausherrn vorerst zu meiden, meinen Sie nicht auch? Er scheint mir Ihren Schilderungen zufolge nicht die Sorte Person zu sein, die ungebetene Gäste freudig begrüßt und mit Tee beschenkt. Wenn er merkt, dass wir zu Norly …“, die sträubte sich immer noch gegen das Wort, „… ‚gehören‘, ist das vielleicht einfacher.
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Beitrag von Umbra So Apr 10 2016, 21:50

Charles fühlte den inneren Drang, Melinda zu korrigieren, während sie sprach. Nein, Charles sah sich nicht als Täter in dem aufgekommenen Konflikt. Lloyd und Rosie waren ihm wohlbekannt, und sie hieß tatsächlich Rosie und nicht Rosaria oder Rosalie… Allerdings biss sich Charles, um des Friedens willen, auf die Zunge. Er wollte Melinda wirklich nicht unnötig verärgern. Sie war momentan die einzige, die ihm wirklich Trost und Wärme spendete, Sicherheit… Das Gefühl, jemandem wichtig zu sein, das sie ihm vermittelte, war äußerst wohltuend. Es würde ihn sehr schmerzen, sie aus Unbedachtheit von sich zu stoßen.
Charles lächelte. Trotz seiner Befindlichkeiten musste er sich darauf konzentrieren, sich wieder zum höflichen Gentleman zurückzubesinnen, als den er sich eigentlich sah. In letzter Zeit hatte er sich oft entschuldigen müssen, gerade bei Melinda. Solche erniedrigenden Momente wusste er normalerweise durch Vorbeugung zu meiden. Möglicherweise hatten Charles die vergangenen Monate auf der Flucht mehr geändert, als er es sich eigentlich eingestehen wollte. Ausgelaugt, gestresst, wenn nicht sogar leicht reizbar… Charles schob dies alles nicht nur auf seinen momentanen Schlafmangel. Er war ihm bewusst, dass er etwas neben sich stand… ihm spukte zu viel im Kopf herum und bereitete ihm Sorgen. Aber so sehr neben sich, dass er in Kauf nehmen wollte, Melinda vor den Kopf zu stoßen, stand er nicht.
Er war ihr dankbar dafür, dass sie der Meinung war, dass er in der Lagerhalle nicht versagt hatte. Das beruhigte Charles – nicht, dass er anderer Meinung gewesen wäre: Es tat nur gut, sie auf seiner Seite zu wissen. Dass er es unbeabsichtigt geschafft hatte, sie von der Absinthflasche abzulenken, da sie stattdessen die Kleidung annahm, die er ihr mitgebracht hatte, war ein zusätzlicher Bonus. Dass sie sich nicht sofort umziehen wollte, empfand er nicht als tragisch. Dies war ihre Entscheidung und sie sah in dem Kleid, das sie gerade trug, ebenfalls hervorragend aus.
Allerdings war es ihm wohl etwas unangenehm, als sie ihm Hilfe beim Waschen anbot. Das war sehr führsorglich, gewiss, aber versetzte ihm einen kleinen Stich der Unzulänglichkeit. Er war stets darauf bedacht, trotz seines Krüppeldaseins, das er bevorzugt verborgen hielt, alles allein zu schaffen. Es war ihm unangenehm, von jemandem körperlich abhängig zu sein. Noch war er kein bettlägeriger Greis... Gott sei Dank würde er das vermutlich auch nie das nötige Alter dafür erreichen. Verletzt war er auch nicht zu sehr, dass er völlig hilflos war… Diese Erfahrung hatte er schon einmal zu viel machen müssen. Dennoch musste er sich eingestehen, dass Hilfe… eine Hilfe wäre, die die Sache beschleunigen würde. Da er mit seinen Wunden nicht Baden konnte, ihm das Heben seiner Arme in der Seite zog und das Bücken sicher auch Schmerzen dürfte (vielleicht wäre ja sogar doch ein Kopfverband sinnvoll, überlegte Charles, auch wenn Dr. Tremaine beim Verarzten vorhin darauf verzichtet hatte), würden helfende Hände ihm einiges an Schmerzen und verlorener Schlafenszeit ersparen.
„Das ist sehr aufmerksam von Ihnen, meine Liebe“, antwortete Charles ihr, um höflichen Charme bemüht, obwohl er merkte, dass ihm leichte Verlegenheitsröte ins Gesicht stieg.
„Wie könnte ich ein solch reizendes Angebot ablehnen? … Bitte, nach Ihnen.“



Nachdem Mr. C sich seine Zigarette angezündet hatte und einen ersten, tiefen Atemzug voll Rauch eingesogen hatte, konnte sich Randolph seiner Aufmerksamkeit sicher sein.
Randolphs Andeutung, dass dieses Zusammentreffen nicht so zufällig war, wie Crowne es möglicherweise wirken lassen wollen, schien ihn zu amüsieren. Zumindest bog er die Mundwinkel als Reaktion darauf leicht nach oben, bevor er die glimmende Zigarette zwischen die Finger nahm, um ungehindert sprechen zu können.
„Ich bin zwar niemand, der an Zufälle glaubt“, gab er in neutralem Ton zu, „aber in diesem Fall mag es tatsächlich Zufall gewesen sein, dass ich bereits hier war, als ich davon erfuhr, dass Sie sich vom Versteck dieser Yankee-Kakerlake in die Stadt aufgemacht haben.“
Er platzierte den Glimmstängel wieder zwischen seinen Lippen und beugte sich in seinem Sessel vor, um nach dem Milchkännchen zu greifen.
„Keine Sorge, Sie stören nicht wirklich“, fuhr Crowne fort, während er seinem Tee einen weißlich-trüben Schleier versah und diesen dann verrührte, „– ich bin froh, einige Minuten vom Schreibtisch fortzukommen. Eine gemütliche Tasse Tee und ein Gespräch mit Ihnen sind mir jederzeit recht.“
Er prostete Randolph mit der Tasse zu, bevor er sie, mitsamt Untertasse, mit sich nahm, als er sich wieder im Sessel zurücklehnte. Dort angekommen, nahm er die Zigarette wieder zwischen Zeige- und Mittelfinger und setzte mit der gleichen Hand stattdessen die Tasse an die Lippen, um einen kleinen Schluck daraus zu nehmen.
Crowne schien wenig davon überrascht zu sein, als Randolph direkt auf das Geschäft zu sprechen kam, dass Neugier in seinen Augen aufblitzte, als der Chirurg erwähnte, Charles einen Gegenstand entwendet zu haben, war allerdings ebenfalls kaum zu übersehen. Sein Blick folgte aufmerksam Randolphs Handbewegungen und deren Weg in die Arzttasche hinein und wieder hinaus.
Während Randolph noch erklärte, was er denn „kürzlich aus Mister Norlys Besitz requirieren konnte“, stellte Mr. C seine Tasse wieder auf dem Couchtisch ab.
„Chiffriert…“, wiederholte er, als sein Gegenüber geendet hatte.
„Interessant. Darf ich?“
Dann streckte er Randolph die offene Hand entgegen, um die sich lautlos der Rauch kräuselte, den das Ende der Zigarette ausspuckte, die zwischen seinen Fingern klemmte.
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Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte - Seite 13 Empty Re: Götterblut - Kapitel 4: Jäger und Gejagte

Beitrag von Darnamur Mi Apr 13 2016, 21:24

Yankee-Kakerlake…
Crowne war scheinbar im Bilde. Dem anderen Gesagten wollte Randolph erstmal Glauben schenken. Wann und wie sein Geschäftspartner in Wirklichkeit vom Nahen des Doktors erfahren hatte, spielte im Grunde wirklich keine Rolle. Jetzt war er hier. Zu dem Zeitpunkt, der sich dafür erübrigt hatte. Und er war nicht hierher gekommen, um mit C oder seiner Assistentin Smalltalk zu betreiben, das stand fest.
Sorgsam glitten Randolphs bleiche Finger über den Einband. Wenn er die Körpersprache seines Gegenübers richtig deutete, hielt er hier das Objekt der Begierde von Crowne in seinen Doktorhänden.
Sollte er es ihm wohl tatsächlich überlassen? Die Geheimnisse von Charles Norly? Die Geheimnisse des Mannes, der seiner wohl einzig gebliebenen Freundin nachstellte, sie ausspionierte, sie entführte und gefügig machte. Die Geheimnisse eines Mannes, der keinerlei Scham dabei zeigte, ihn vor versammelter Gruppe zu beleidigen und seine eigenen Geheimnisse preiszugeben, der aber beinahe ausrastete, wenn man ihn als selbstverliebten Schwätzer bezeichnete. Die Geheimnisse eines Mannes, der nach der Tötung eines anderen Mannes, selbigen als Trinker und Taugenichts deklarierte. Die Geheimnisse eines Mannes, der möglicherweise die Sicherheit von London durch eine chaotische und blutige Revolution beeinträchtigen könnte. Die Geheimnisse des Mannes, der sie alle ins Verderben reißen würde.
Das war eine verdammt harte Entscheidung.
„Bislang konnte ich nur die englischen Stellen identifizieren. Es ist auch einiges in Französisch und Mandarin, wenn ich mich nicht irre, verfasst…ich persönlich bin in keinem von Beiden bewandert. Bitte…lassen sie sich Zeit und versuchen sie ihr Glück damit.“
Er reichte Crowne das Buch.
Dann folgte er dem Beispiel seines Gegenübers, indem er seinen Tee mit Milch verdünnte und einen Schluck nahm. Sein leichenkalter Corpus musste dringend mal aufgetaut werden. Randolph überlegte, ob er die herausgerissene Seite gleich ansprechen sollte oder versuchen sollte Informationen aus dem Mann herauszubekommen, aber er entschied sich ihm und sich selbst erst einmal Ruhe zu gewähren. Wenn Crowne glaubte den Algorithmus, mit dem die Botschaften verschlüsselt waren, aufdecken zu können, dann würde er dafür sicher seine volle Konzentration benötigen. So lehnte er sich erstmal weiterhin in seinem bequemen Sessel zurück, wartete entspannt ab und trank Tee. Die grauen Augen des Doktors blieben dabei immer wieder an Teilen der Inneneinrichtung, aber auch immer wieder an seinem Gegenüber hängen.
Sie müssen, Doktor. Tuen sie es und befreien sie sich selbst.
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Beitrag von Thorgrimm Fr Apr 15 2016, 03:21

Das Ms. Thomson sich für seine Warnung bedankte, bekam Gilbert nur am Rande mit. Er war viel zu sehr mit sich selbst und seinen Ängsten beschäftigt, als das er sich auch noch um diese Verrückte - denn als etwas anderes konnte er sie wirklich nicht mehr bezeichnen - kümmern konnte. Wer wollte freiwillig in die Höhle des Löwen zurückgehen? Gilbert versuchte sich weiterhin zusammenzureißen und sich auf den Grund zu konzentrieren, aus dem er hier war. Schließlich wollte er Ms. Thomson helfen und sie beschützen. "Ach wenn das nur so einfach wäre..." dachte sich der Maler niedergeschlagen. Auf der einen Seite gab es Norly und seine Bande Verrückter und auf der anderen Seite irgendeinen tätowierten Schläger, der zwar kein Serienmörder war - zumindest wusste Gilbert davon nichts - aber anscheinend trotzdem zu Gewalt neigte. Ganz blendende Aussichten. Egal auf wen sie zuerst treffen würden - es würde Probleme geben. Das wusste er schon jetzt.
Gilbert betrachtete das Gelände und erkannte nur Trostlosigkeit. Eine leerstehende Fabrik und tonnenweise kalter, toter Stein. Wirklich kein Ort, an dem man leben wollte. Kein Wunder, dass die Kinder ihn mit Steinen beworfen hatten. Wer hier aufwuchs, konnte ja kein besonders tolles Leben haben. Eine glorreiche Zukunft schon gar nicht. Gilbert bemitleidete die Menschen, die hier leben mussten. Am liebsten hätte er etwas für sie getan. Vielleicht nicht für den King aber zumindest den Kindern musste doch etwas mehr geboten werden als das hier. Er verzog das Gesicht und dachte nach.
Da wurde er auch schon von Thomson aus seinen Gedanken gerissen. Was erwartete sie eigentlich von ihm? Das er sich alles genau eingeprägt hatte, als er mit ihr geflohen war? Er hatte sich schnellstmöglichst aus dem Staub gemacht und nicht viel analysiert.
"Ich weiß nicht, wo sich Norly jetzt befindet. Soweit ich mich erinnern kann, sind die beiden Gruppen beim Verwaltungsgebäude aneinandergeraten. Wie sie aber wissen, habe ich mich nicht lange hier aufgehalten. Ich bin sofort von hier verschwunden und weiß deshalb nicht, was überhaupt passiert ist. Das letzte mal als ich hier war, hatte der Doktor eine Schusswaffe in der Hand. Vielleicht hat er den King ja erschossen." Gilbert zuckte mit den Schultern und dachte über Ms. Thomsons Frage nach. "Ich würde es im Verwaltungsgebäude versuchen. Aber wie stellen sie sich das vor? Wir klopfen einfach nett an, sagen Hallo und schauen, was sich ergibt? Haben sie einen Plan?" Einen etwas sarkastischen Unterton konnte sich Gilbert nicht verkneifen. Er hoffte wirklich, dass die Frau wenigstens einen Plan hatte.
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Beitrag von Umbra So Apr 17 2016, 19:23

Mr. Crownes Finger schlossen sich um den Einband des Notizbuchs, das Randolph ihm übergab. Sollte er jedoch lange danach gesehnt haben, es endlich in den Händen zu halten, ließ er sich dahingehend nichts anmerken, als er sich damit wieder eine bequeme Position in seinem Sessel suchte.
„Es wundert mich nicht, dass Mr. Norly auf fremde Sprachen zurückgreift“, erklärte Mr. C währenddessen, und schlug nebenbei die erste Seite auf, „er beherrscht eine weitaus größere Anzahl als man vielleicht denken würde.“
Als seine Augen über Satz flogen, den Randolph als kryptisch eingestuft hatte, schlich sich ein Hauch von einem Schmunzeln auf Cs Lippen.
„Außerdem scheint er eine Vorliebe dafür zu haben, sich mit Geheimnissen zu umgeben“, sprach er weiter, „… ganz wie Shakespeare es mit seinen Figuren tat.“
Er tippte bedeutend mit dem Zeigefinger auf das Zitat, als er den Namen des Dichters erwähnte.
„Äußerst theatralisch.“
Crowne platzierte seine Zigarette wieder in seinem Mundwinkel, blätterte weiter und überflog die nächste Seite, die bereits gefüllt war mit akribisch ordentlich geschriebenem, verschlüsseltem Text.
„Wir haben es mit einem Mann zu tun, der sich gerne solchen Spielereien hingibt. Ob es nur zum Zeitvertreib ist – nicht mehr als eine geistige Übung – oder er damit gezielt in die Irre führen will, kann ich Ihnen nicht sagen. Dass er Nonsens verschlüsselt, oder tatsächlich Informatives verbergen will, halte ich für gleichermaßen wahrscheinlich. Wir werden es herausfinden.“
Einige Seiten besah er sich nur kurz und blätterte innerhalb von wenigen Sekunden weiter, andere betrachtete länger oder auch von verschiedenen Blickwinkeln, indem er das Notizbuch auf seinem Schoß drehte, aber insgesamt schien Crowne sich im Schnelldurchlauf einen Überblick verschaffen zu wollen. Ab und zu beugte er sich leicht vor und schnippte Asche vom verbrannten Ende seiner Zigarette auf seine Untertasse, ohne seinen Blick vom Buch abzuwenden. Lediglich an einer Stelle kam er aus dem Fluss, blätterte einige Male vor und zurück, und betrachtete die Seiten aus geringerer Entfernung und strich mit den Fingern fühlend über die mittlere Furche, an der sich die Blätter bündelten. Crowne hatte bemerkt, dass an dieser Stelle eine Seite fehlte – Randolph konnte von seinem Sitzplatz aus sehen, dass es genau die Stelle war, an der sich die Informationen über Melinda befunden hatten. Mr. C kommentierte dies aber nicht, sondern überflog noch die folgenden gefüllten Seiten, bevor er das Buch schloss und neben sich auf der Sessellehne platzierte.
Er zerdrückte seinen inzwischen aufgerauchten Tabakstummel auf der Untertasse und zündete sich eine neue Zigarette an.
„Sie haben Ihrem Land einen wertvollen Dienst erwiesen, Doktor. Es wird allerdings einige Zeit benötigen, um den Inhalt dieses Buchs gänzlich zu erfassen. Ich würde vorschlagen, Fotografien von den Seiten anzufertigen, dann können Sie es sofort wieder mitnehmen – auch wenn es Mr. Norly auffallen dürfte, dass Sie sich daran zu schaffen gemacht haben.“
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